Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 17. bis 23. August 2002

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Shell-Studie: Jugend nur scheinbar optimistisch

Bagdad spielt die russische Karte

 

 

Zitat der Woche:
"Seien wir realistisch – versuchen wir das Unmögliche!"
- Che Guevara

Die systematische Massenverdummung durch MTV, Viva und Pop"kultur" trägt erste Früchte: Der neuen Shell-Studie zufolge blickt die Jugend wieder optimistischer in die an und für sich düstere Zukunft. Dennoch ist der Anteil politisch interessierter Jugendlicher seit 1991 von 57 auf 34 % zurückgegangen. 65 % der Jugendlichen unter 25 Jahren werden womöglich nicht an der Bundestagswahl teilnehmen. Zu entnehmen ist dem Papier ferner, dass sich ein bedenklicher Wertewandel hin vom traditionellen Aufbegehren der Jugend hin zum Pragmatismus vollzogen hat. An die Stelle von Proteststimmung ist das Motto "Aufstieg statt Ausstieg" getreten, begleitet von einer stark ausgeprägten Ich-Bezogenheit. In heller Begeisterung lobte Bundesfamilienminister Bergmann (SPD) die "Bodenhaftung" der Jugend: "Ideologie ist out, Anpacken ist in." Ein Lichtblick ist die Tatsache, dass sich immer weniger Jugendliche im traditionellen Links-Rechts-Schema einordnen können oder wollen. Auf der Kehrseite der Medaille finden sich Jugendliche aus der Unterschicht und aus Zuwandererfamilien wieder – ihnen geht es schlechter als jemals zuvor. Jeder zweite junge Mensch hat Schwierigkeiten, die Anforderungen in Schule und Beruf zu erfüllen. Vor allem bei Jugendlichen aus den neuen Bundesländern dominieren fehlende Zukunftsperspektiven und soziale Probleme. Die Klassengrenzen bleiben im Klassenstaat BRD unüberwindbar. Beinahe 90 % aller Sonderschüler entstammen der Unterschicht, und nur 25 % der Kindern von Eltern mit Hauptschulabschluss wollen ihr Abitur machen. Demzufolge reproduziert sich nicht nur die schmale Oberschicht selbst, sondern auch die breite Unterschicht.

 

Nachdem die irische Polizei ihrer Hochburg in Dundalk zu sehr zusetzte, hat sich der Schwerpunkt der Real IRA – wohl auch bedingt durch massenhaften Zulauf aus der IRA-Basis, nach Nordirland verlegt. Stark sind die republikanischen Hardliner vor allem in Down, Derry und Armagh, wo neue Brigaden formiert wurden. In North Belfast scheiterte ein Bombenanschlag auf eine Polizeiwache. Der Alarmzustand der Sicherheitskräfte ist mittlerweile der höchste seit dem IRA-Waffenstillstand von 1994. Die Hauptlast muss die britische Armee tragen, weil die nordirischen Polizeikräfte der Lage nicht mehr gewachsen sind. Seit dem Jahr 2000 verringerte sich die Kopfstärke der Kolonialpolizei um 2000 Beamte, und von den gegenwärtig 7000 Polizisten sind 877 krankgemeldet – die Hälfte infolge von Verletzungen als Resultat der ununterbrochenen Straßenschlachten. Die Personalknappheit hat ein derartiges Ausmaß angenommen, dass an eine Rückbeorderung der bis zu 100 im Kosovo dienenden Polizeibeamten gedacht wird. In der vergangenen Woche waren 1170 Armeepatrouillen unterwegs – noch 2000 lag diese Aktivität bei nur 350. Derzeit stehen fast 14.000 Soldaten in Nordirland. In dieser Woche wurden in Belfast 19 Polizeibeamte bei Zusammenstößen mit Loyalisten und Republikanern verletzt.

 

In Derry richtete die lokale Führung der Irish Nationalist Liberation Army eine deutliche Warnung an die Adresse der Loyalisten, die seit Monaten die katholische Bevölkerungsgruppe mit Rohrbombenanschlägen und Sachbeschädigungen terrorisieren. Die INLA drohte, sie werde alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die katholischen Arbeiterviertel gegen den loyalistischen Terror zu verteidigen. Als politischer Flügel der linksnationalistischen Untergrundarmee bot die Irish Republican Socialist Party den Loyalisten Verhandlungen über einen Nichtangriffspakt an, um die gespannte Lage an den Grenzen der katholischen und protestantischen Stadtviertel zu entschärfen. Nicht nur in den Städten, sondern auch auf dem Land gehen die ethnischen Säuberungen durch die loyalistischen Paramilitärs unvermindert weiter. Alleine in Antrim mussten in den vergangenen drei Monaten mehr als 300 Katholiken ihre Häuser in loyalistisch kontrollierten Ortschaften verlassen.

 

Die PDS ist angesichts fallender Umfragewerte offenbar darauf angewiesen, die Vorurteile der Ostdeutschen gegen den Bayern Stoiber zu mobilisieren. Laut Bundesgeschäftsführer Bartsch könne im Falle eines Wiedereinzuges in den Bundestag nur die PDS durch Tolerierung einer rosa-grünen Minderheitsregierung einen christlichsozialen Kanzler verhindern. In das gleiche Horn stößt Parteichefin Zimmer, die ebenfalls über ein Tolerierungsmodell nachdachte – und damit eventuell die Sozialisten in ihre größte Zerreißprobe führen könnte. Ein Strategiepapier des Parteivorstandes nennt den Sozialdemokraten bereits die Bedingungen für einen politischen Kuhhandel bei der Kanzlerwahl: Keine Unterstützung der US-Aggression gegen den Irak, Wiedereinführung der Vermögenssteuer, bedarfsgerechte soziale Grundsicherung und Konsultation der PDS-Fraktionsführung bei allen für den Osten relevanten Problemen. Bezeichnenderweise brauchte die SPD-Führung dieses Mal 5 Tage, um den Vorstoß der Sozialisten zurückzuweisen. Die PDS muss im Westen um ihre 2 % Stimmen kämpfen, die für den Wiedereinzug in den Bundestag erforderlich wären. Einen Trend gegen die Partei zu konstatieren, erscheint jedoch voreilig: In Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise ist die Zustimmung zur Politik der Sozialisten weiterhin stabil, und die Umfragewerte im Osten schwanken zwischen 14 und 23 %.

 

 

Noch vor Einleitung eines formellen Verbotsverfahrens wegen Unterstützung der baskischen Untergrundarmee ETA beantragte der berüchtigte Untersuchungsrichter Garzón beim Obersten Gerichtshof in Madrid, sämtliche politischen Aktivitäten der Separatistenpartei Batasuna einzufrieren. Die Partei ist derzeit mit 7 Abgeordneten im baskischen Regionalparlament vertreten. Sie stellt zudem 62 Bürgermeister und kann auf rund 150 000 Wähler zählen. Inaki Gil de San Vicente als außenpolitischer Sprecher der Partei erklärte die Repression im Baskenland zum Bestandteil der globalen Aufstandsbekämpfung durch den imperialistischen Westen und lieferte in der "Jungen Welt" eine Selbstdefinition Batasunas: "In der Folge der faschistischen Franco-Diktatur wurden die nationalen Rechte der Basken beseitigt und eine spanische Einheitskultur etabliert. Die Entwicklung des Kapitalismus im Baskenland war ein spanisches Projekt. In der baskischen Arbeiterklasse und unter den Volksmassen herrscht das Bewußtsein vor, daß Kapitalismus und spanische Herrschaft zusammenhängen. Unter kapitalistischen Bedingungen werden wir unsere kulturelle Eigenständigkeit nicht entwickeln können. Die Batasuna ist keine nationalistische Kraft, sondern eine sozialistische Unabhängigkeitsbewegung. (...) Auch der Sozialismus muss sich dem Problem der nationalen Identität stellen."

 

Der prominente ETA-Kämpfer Ismael Berasategui Escudero entkam im Rahmen einer spektakulären Flucht aus dem französischen Hochsicherheitsgefängnis von Ardeche. Der Ausbruch stellt eine wahre Blamage für die Gefängnisbehörden dar: Escuderos Bruder nahm nach einem Besuch einfach den Platz des Gefangenen ein, der unbehelligt aus dem Hochsicherheitsknast spazierte und seitdem landesweit gesucht wird.

 

Bekanntlich führten die unterschiedlichen Interessen des neudeutschen Imperialismus der BRD und der Weltherrschaftspläne der USA zu ernsten Differenzen zwischen Berlin und Washington. Diese Woche übermittelte US-Botschafter Daniel R. Coats dem Bundeskanzleramt höchstpersönlich die Missbilligung seiner Regierung über die Weigerung der BRD, sich an einem Angriffskrieg gegen den Irak zu beteiligen. Berlin zeigte sich gereizt über die Gängelungsversuche vom Potomac – Schröder und Fischer lehnten es ab, den Amerikaner zu empfangen. Coats musste schließlich mit dem Kanzleramtsminister vorlieb nehmen. Im Gespräch mit der Presse und auch vor dem Bundestag relativierte Schröder seine "uneingeschränkte Solidarität" mit den USA. Diese gelte nicht für jeden Fall, und als zweitgrößter Truppensteller im "Kampf gegen den Terror" brauche Berlin sich keine Vorwürfe gefallen zu lassen. Erstmals in ihrer Geschichte hat sich die BRD offen gegen einen Kriegsplan der Vereinigten Staaten gewandt. Der BRD-Führung missfällt vor allem, dass Washington mit der üblichen Holzhammer-Politik losschlagen will, ohne ein tragfähiges Konzept für die Nachkriegszeit (siehe Afghanistan!) zu haben und vor allem ohne vorher den Palästinakonflikt zu entschärfen. Gewichtige Argumente dürften auch die Abhängigkeit von stabilen Ölpreisen und die traditionell guten Wirtschaftsbeziehungen der BRD mit der arabischen Welt sein. Hier hat der als Taktiker nicht untalentierte Saddam Hussein bereits die Zeichen der Zeit erkannt und rechnet seit geraumer Zeit seine Erdölexporte in Euro und nicht in Dollar ab. Verheerend für die ökonomische Situation in der EU dürfte sich die Ölpreisentwicklung auswirken. Das Centre für Global Energy Studies in London rechnet im Extremfall mit einem Preissprung auf 50-60 Dollar je Barrel, was eine weltweite Wirtschaftskrise auslösen würde. Trotz weltwirtschaftlicher Misere und damit tendenziell sinkender Nachfrage steigt der Ölpreis bereits an – und das bei steigenden Förderquoten vor allem des Irak und des Iran. Vor allem die USA legen riesige strategische Erdölreserven an, aber auch die Europäer und Japan wappnen sich für den Fall, dass ein neuer Waffengang am Golf die Lieferungen ins Stocken bringt.

 

In einem Schreiben an UN-Generalsekretär Annan signalisierte der irakische Außenminister Nadj Sabri erneut die Verhandlungsbereitschaft Bagdads. Die irakische Regierung ist mit der Wiederaufnahme der Waffeninspektionen grundsätzlich einverstanden, möchte jedoch Zustände wie in den 90er Jahren verhindern. Damals wurden die UN-Inspektionsteams massiv durch westliche Geheimdienste infiltriert. Bagdad möchte daher in Vorverhandlungen auf Expertenebene die Modalitäten und Details der beabsichtigten Inspektionen klären. Zudem soll bei einer "technischen Verhandlungsrunde" endlich festgestellt werden, was die UN-Inspektoren bis zu ihrem Hinauswurf aus dem Irak Ende 1998 erreicht haben. Auf einen verbindlichen Abschlussbericht wartet die Welt nämlich bis auf den heutigen Tag.

 

Beinahe gleichzeitig gab der irakische Botschafter Abbas Chalaf in Moskau bekannt, dass ein Wirtschaftsabkommen riesenhaften Ausmaßes zwischen Bagdad und Russland vor dem Abschluss steht. Die traditionell eng befreundeten Staaten wollen einen Vertrag über wirtschaftliche Zusammenarbeit mit einem Volumen von 60 Milliarden Euro unterzeichnen. Schwerpunkt sind auch hier Investitionen in der Erdöl- und Erdgaswirtschaft, nicht zu vergessen sind auch Projekte in den Bereichen Verkehr und Kommunikation. Bagdad will fortan russischen Geschäftspartnern grundsätzlich den Vorzug vor westlichen Investoren einräumen. Voraussetzung für das Inkrafttreten des Abkommens ist jedoch ein Ende der UN-Wirtschaftssanktionen, wie es von Russland im UN-Sicherheitsrat seit längerer Zeit gefordert wird. Neben das Ausspielen der russischen Karte treten massive Vorbereitungen auf den Häuserkampf in den größeren Städten des Irak. Offenbar wird Bagdad nicht noch einmal den Fehler begehen, den militärtechnisch haushoch überlegenen Amerikanern auf offenem Felde entgegenzutreten, sondern zwingt ihnen den ungeliebten Nahkampf auf.

 

Auch die syrische Führung versucht, den amerikanischen Hegemonieplänen entgegenzutreten. Vizepremier und Außenminister Faruk al-Shara versicherte sich auf einer Rundreise der Unterstützung Ägyptens und Saudi-Arabiens, um eine neue westliche Aggression zu verhindern. Gleichzeitig kündigten Syrien und der Irak, beide von rivalisierenden Flügeln der Arabischen Sozialistischen Baath-Partei regiert, die Intensivierung ihrer wirtschaftlichen Kontakte an.

 

In den USA ging das größte Kriegsspiel der amerikanischen Militärgeschichte zu Ende. Das Planspiel befasste sich – welch Überraschung – mit einem Überfall auf den Irak. Ein Erfolg der Amerikaner wurde durch Einschränkung der "gegnerischen" Handlungsfreiheit sichergestellt. Aus Protest gegen diese unsoldatische und unrealistische Gängelung demissionierte General Paul Van Riper als Kommandeur der "irakischen" Seite. Ein Landungsmanöver wurde vereinfacht, indem man Van Riper den freien Einsatz der Luftverteidigung untersagte. Peinlicherweise kam man im Pentagon nicht auf den naheliegenden Gedanken, die Iraker könnten auf hochmoderne Logistik verzichten und stattdessen den Verkehr zwischen den militärischen Einheiten und Hauptquartieren durch simple Kradmelder aufrechterhalten. Mit Marinekleineinheiten und Luftstreitkräften gelang es Van Riper zudem, der Landungsflotte empfindliche Verluste beizubringen. Auch im Straßen- und Häuserkampf erlitten die Angreifer nicht unwesentliche Ausfälle.

 

Angesichts des massiven internationalen und auch nationalen Drucks ruderte US-Präsident Bush vordergründig zurück und erklärte, Washington werde "geduldig und überlegt" handeln. Auch US-Außenminister Powell, Henry Kissinger, der frühere Präsidentenberater General Snowcroft, General Schwarzkopf, Kommandeur der alliierten Streitkräfte im Golfkrieg 1991, und General Clark, früherer Nato-Oberbefehlshaber, warnten vor dem Feldzug. Die kanadische Regierung erteilte einer etwaigen Beteiligung eine klare Absage. Die Frage ist, ob es sich bei Bushs Zögern nicht um ein Täuschungsmanöver handelt. Als britisches Sprachrohr des US-Präsidenten äußerte Premierminister Blair, man werde auf einen Militärschlag verzichten, wenn Bagdad die UN-Waffeninspekteure ohne Wenn und Aber ins Land lasse. Bush hielt zudem an seinem Ziel eines Machtwechsels im Irak fest, und dieser wird sich wohl kaum auf friedliche Art und Weise erreichen lassen. Im UN-Sicherheitsrat verhindern die Amerikaner, die im August 2002 den Vorsitz führen, dass die irakischen Verhandlungsvorschläge überhaupt behandelt werden.

 

In der irakischen Botschaft zu Berlin kam es zu einer spektakulären Geiselnahme. Ein mindestens fünfköpfiges Kommando stürmte das Gebäude und nahm mehrere Geiseln. Ein Sondereinsatzkommando der Berliner Polizei machte der Aktion mit Genehmigung der irakischen Regierung ein relativ schnelles Ende und verhaftete fünf Personen. Die sich einer bislang unbekannten Gruppe namens "Demokratische Irakische Opposition Deutschlands" zuordnenden Geiselnehmer wollten offensichtlich ein Fanal für die Befreiung ihres Landes von der Herrschaft Saddam Husseins und seines Tiktriti-Clans setzen. Der irakische Geschäftsträger Shamil Mohammed äußerte, die Geiselnehmer seien außerordentlich professionell vorgegangen und verfügten offenbar über eine einschlägige Ausbildung. Per Mobilfunk habe Verbindung zu übergeordneten Stellen bestanden. Nach Angaben aus exilirakischen Kreisen handelt es sich bei den Terroristen um Vertreter einer oppositionellen Fraktion innerhalb der irakischen Baath-Partei, die bislang bei den Verhandlungen mit den Amerikanern nicht berücksichtigt wurde. Bezeichnenderweise verurteilten auch die mit zahllosen irakischen Splittergruppen in Kontakt stehenden USA die Aktion als kontraproduktiv. In amerikanischer Diktion ist erklärtermaßen nur ein nicht aus den Reihen der Baathisten hervorgehender Machtwechsel "legitim". Ein Indiz für einen Machtkampf innerhalb des irakischen Flügels der Baath-Partei könnte auch der mysteriöse Tod des weltweit gesuchten Terroristen Abu Nidal in Bagdad sein. Dieser, nach irakischen Angaben mit einem falschen Pass aus dem Iran eingereist, wurde des "Kontaktes mit ausländischen Gruppen" verdächtigt und kam während einer Vernehmung durch einen der zahllosen irakischen Nachrichtendienste durch mehrere Schüsse ums Leben – Mord oder Selbstmord? Abu Nidal war nicht nur der Führer der PLO-Absplitterung "Fatah-Revolutionsrat", sondern, was weniger bekannt sein dürfte, nach BND-Angaben Mitglied der libanesischen Baath-Partei. Selbst die irakische Regierung dementierte Zusammenhänge mit den Kriegsdrohungen der USA, und aufmerksamen Lesern sollte nicht entgangen sein, dass Abu Nidal von Kontaktleuten aus dem irakischen Geheimdienstmilieu mit brisanten Informationen versorgt wurde. In dieses Bild würde dann auch der gescheiterte Mordanschlag auf einen der Söhne Saddam Husseins passen.

 

Der "konservative Idiotismus im fortgeschrittenen Stadium" manifestiert sich derzeit in der Unterstützung des klerikalfaschistischen Kanzlerkandidaten Stoiber gegen den sozialfaschistischen Amtsinhaber Schröder. Auf einem Sonderkongress Ende August stellen sich die sattsam bekannten "Deutschen Konservativen" Siegerists hinter Stoiber. Die Rattenfängerkampage Siegerists, wie gewohnt an primitivste antisozialistische Emotionen appellierend, wurde sogar durch die FAZ und die "Welt" unterstützt, und zwar durch die Schaltung großformatiger Anzeigen. Als einer der Hauptredner tritt Casimir Johannes Prinz Sayn-Wittgenstein-Berleburg auf – als eine Schlüsselfigur der CDU-Spendenaffäre ein Politkrimineller ersten Ranges. Neben Siegerist und dem blaublütigen Reaktionär Wittgenstein sind u.a. Heinrich Lummer, Hellmuth Knütter oder Ivan Denes (Junge Freiheit) zugegen. Pikanterweise wird das Kulturprogramm durch den NPD-nahen braunen Bänkelsänger Frank Rennicke unterstützt, der hier wieder einmal seinen erschreckenden Mangel an politischer Intelligenz unter Beweis stellt. Die Teilnehmer des Kongresses müssen rund 560 Euro pro Kopf berappen – hier versteht man den "Nationalismus" als Angelegenheit der Besserverdienenden.

 

In Hamburg hielt die ZEIT-Stiftung, bekanntermaßen über die Person Theo Sommer mehr als eng der proamerikanischen Loge Atlantik-Gruppe verbunden, ihre alljährliche "Summer School" ab. Im Jahr 2002 beschäftigten die geladenen Angehörigen der Medien-, Wirtschafts- und Politelite sich mit dem Thema "global governance", also dem Regieren im Zeitalter der kapitalistischen Globalisierung und der zunehmenden Kompetenzabgabe nationalstaatlicher Zuständigkeiten an transnationale Konzerne und überstaatliche Organisationen. Im Mittelpunkt standen hierbei die Perspektiven der EU-Osterweiterung. Diese wird den nach dem Zusammenbruch des Ostblocks eingeleiteten Raubzug des westeuropäischen und nordamerikanischen Großkapitals gen Osten vollenden. Die Veranstaltung wurde im feudalen Kaisersaal des Hamburger Rathauses eröffnet. Zu den Teilnehmern und Referenten der illustren Runde gehörten natürlich Dr. Theo Sommer (ZEIT-Herausgaber), Dr. Gunter Pleuger als Staatssekretär im Auswärtigen Amt (Vorgänger und Atlantiker Wolfgang Ischinger nimmt mittlerweile die Geschäfte eines BRD-Botschafters in Washington wahr), seine polnische Amtskollegin Prof. Danuta Hübner, Altkanzler Helmut Schmidt, Lord Ralf Dahrendorf, der hamburgische Bildungssenator Konteradmiral Rudolf Lange von der FDP (vor seiner Politikerkarriere übrigens Kohls Sicherheitsberater im Kanzleramt, Militärattaché in Washington und Kommandeur der Bundeswehr-Führungsakademie), Friederike Stützle-Dahms (persönliche Referentin von Bundesinnenminister Schily), der Bertelsmann-Vorstand und Globalisierungsfanatiker Prof. Manfred Lahnstein (vom DGB-Funktionär zum ehemaligen Chef des Bundeskanzleramts und zum Bundesfinanzminister unter Schmidt aufgestiegen, zudem Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und Mitglied der Trilateralen Kommission), seine Ehefrau Sonja Lahnstein-Kandel (international tätige Finanz- und Wirtschaftsexpertin, Mitglied der Atlantikbrücke und geschäftsführende Gesellschafterin der von Bertelsmann, DaimlerChrysler und Siemens finanzierten GmbH Jugend fordert – Aufgabe ist die Kanalisierung von jugendlichem Politidealismus im Sinne des Establishments, nicht zuletzt durch die auch durch den Musiksender VIVA unterstützte Kampagne STEP 21 für Toleranz und Verantwortung), Prof. Dr. Karsten Schmidt (Experte für Wirtschaftsrecht), Prof. Dr. Michael Göring (geschäftsführender Vorstand der ZEIT-Stiftung), US-Generalkonsulin Susan M. Elbow, der polnische Generalkonsul Dr. Andrzej Kremer und die lettische Staatspräsidenten Prof. Vaira Vike-Freiberga. Da Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust infolge der Flutkatastrophe verhindert war, sprach das Grußwort Innensenator Ronald B. Schill, der angebliche Rebell gegen das Polit-Establishment. Angesichts dieser Zusammensetzung drängt sich die Frage auf, wo hier eigentlich Politik gemacht wird und von wem.

 

Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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