Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 13. bis 19. April 2002

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Für einen antiimperialistischen 1. Mai!

Jenin als nationaler Mythos

 

Zitat der Woche:
"Stell Dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin - dann kommt der Krieg zu Euch! Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt, und lässt andere kämpfen für seine Sache, der muss sich vorsehen: Denn wer den Kampf nicht geteilt hat, der wird teilen die Niederlage. Nicht einmal Kampf vermeidet, wer den Kampf vermeiden will, denn es wird kämpfen für die Sache des Feindes, wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat."
- Bertolt Brecht

 

Die verdienstvolle Anttiimperialistische Koordination Wien veröffentlichte einen "Aufruf zu einem antiimperialistischen 1. Mai", den wir der Leserschaft auszugsweise zugänglich machen: "Der Erste Mai ist der Kampftag der Arbeiterinnen und Arbeiter. Er ist dies nicht nur für die Arbeiterinnen und Arbeiter...in den reichen westlichen Ländern, sondern auch für jene der unterentwickelten Länder des Südens und Ostens." Während der 1. Mai in den Industriestaaten schon lange ein anerkannter Feiertag der Gewerkschaftsbewegung ist, "kommt es in anderen Ländern gerade an diesem Tag zu blutigen Auseinandersetzungen und gewaltsamer Unterdrückung gegen Kundgebungen und Aufmärsche, gegen Protestaktionen und Streiks."
"Die Arbeiterinnen und Arbeiter des Südens und Ostens haben jene des Westens zahlenmäßig bereits weit überholt. Und sie sind es, die Ausbeutung, Unterdrückung, Rechtlosigkeit, schwerste Arbeitsbedingungen und Hungerlöhne in ihren extremsten Formen zu spüren bekommen. Sie sind die ersten und direktesten Opfer der Globalisierung, die „Entwicklung“ und „Wohlstand“ für die ganze Welt verspricht, doch nichts anderes macht, als die letzten nationalen Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die Verwertungsbedingungen in allen Ländern zu optimieren und schließlich dem weltweiten Raubzug der multinationalen Konzerne Tür und Tor zu öffnen. Westliche Konzerne lassen bevorzugt in den Ländern des Südens und Ostens produzieren, wo die Löhne niedrig, die Vorschriften minimal und die Rechtlosigkeit der Arbeiterinnen und Arbeiter fast absolut ist. Anstatt den in den jeweiligen Ländern produzierten Reichtum auch den Produzenten zu Gute kommen lassen, wird dafür gesorgt, dass dieser direkt in den Westen fließt. Wer sich weigert, die diktierten Bedingungen zu akzeptieren, bekommt keine Kredite; wer sich weigert, die eigenen Rohstoffe und Bodenschätze dem Westen zur freien Entnahme anzubieten, wird bestraft, durch Kreditverweigerung, Ausschluss vom Weltmarkt, Boykottmaßnahmen oder humanitäre Bomben.
Dagegen schreien die Arbeiterinnen und Arbeiter der Welt auf. Und sie tun es in vielerlei Gestalt. Sie tun es in heroischen Arbeitskämpfen um die elementarsten Rechte und gewerkschaftliche Organisierung, für Löhne, die über dem Existenzminimum liegen, und faire Arbeitsbedingungen, wie z.B. die Textilarbeiterinnen in Bangladesh. Sie tun es in Kämpfen gegen die Ausverkaufs- und Privatisierungspolitik ihrer eigenen Regierungen, wie etwa die südkoreanischen Arbeiterinnen und Arbeiter. Sie tun es in Kämpfen gegen die vom IWF diktierte Politik des sozialen Kahlschlages, die beispielsweise Argentinien seit Monaten erschüttern. Sie tun es in der Verteidigung ihrer Rohstoffe und Bodenschätze gegen den uneingeschränkten Zugriff des Westens, wie es das venezolanische Volk im Kampf gegen den US-unterstützten Putsch getan hat, oder das leidgeprüfte irakische Volk, das auch nach mehr als zehn Jahren der Aushungerung hinter seiner Regierung steht und nicht gewillt ist, das Erdöl aus der staatlichen Hand zu geben. Und sie tun es schließlich mit der Waffe in der Hand gegen korrupte und ausbeuterische Oligarchien im Auftrag der US-Regierung, wie die kolumbianische Guerrilla- und Volksbewegung, oder in unerschütterlichem Widerstand gegen die übermächtige, bis an die Zähne mit amerikanischem Geld bewaffnete Besatzungsarmee, wie das palästinensische Volk.
Dafür werden sie als Terroristen, Drogenhändler und Verbrecherbanden bezeichnet. Ihr legitimer Kampf um ihre Rechte, ihr gerechter Widerstand gegen die imperialistische Unterwerfung, ihr rechtmäßiger Aufstand gegen die neoliberale Ausbeutung wird mit imperialistischen Kreuzzügen, humanitären Bomben, radioaktiver Uranmunition, militärischen Vernichtungsoffensiven gegen die Zivilbevölkerung, biochemischer Verseuchung und blutrünstigen Todesschwadronen beantwortet.
Sie werden nur dann eine Chance haben, wenn die Arbeiterinnen und Arbeiter des Westens ihren legitimen Kampf bedingungslos unterstützen.
Setzen wir ein Zeichen am internationalen Kampftag der Arbeiterinnen und Arbeiter! Für einen Antiimperialistischen Ersten Mai!
S
chließt Euch dem Block der Antiimperialistinnen und Antiimperialisten an! Mit uns werden jugoslawische, palästinensische, kolumbianische und irakische Genossinnen und Genossen marschieren."

 

Bei einer Razzia in North Belfast stellte die Polizei Material der IRA-Feindaufklärung sicher. Den Funden zufolge sammelt die offiziell im Waffenstillstand befindliche republikanische Untergrundarmee weiterhin Informationen über potentielle Zielpersonen. Betroffen ist eine Reihe von strikt für den Verbleib Nordirlands im Vereinigten Königreich eintretenden konservativen Politikern bis hin zu den ehemaligen Premierministern Maggie Thatcher und John Major. Ferner klären die Provisionals offenbar in erheblichem Umfang militärische Einrichtungen in Nordirland auf. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen wäre die IRA imstande, nach einer Anlaufzeit von 14 Tagen wieder in militärische Operationen einzutreten.

 

Die Continuity IRA übernahm die Verantwortung für einen Bombenanschlag auf das Polizeiausbildungszentrum von Garnerville in Belfast. Weitere Anschläge mit Brand- und Rohrbomben richteten sich gegen die Polizeiwachen von Downpatrick und Ardglass in Down. Die Irish National Liberation Army INLA lehnte jegliche Abgabe von Waffen und Kriegsmaterial kategorisch ab, da es schlichtweg keine hierfür erforderlichen Bedingungen gebe. Im Gegenteil soll sie sich unlängst mit einer Serie neuer Landminen ausgerüstet haben. Da der bewaffnete Kampf in der katholischen community derzeit keine Mehrheit finde, bekräftigten die Paramilitärs ihren Waffenstillstand. Laut INLA-Führung übt die Provisional IRA in puncto Waffenabgabe keinerlei Druck aus – der IRA Army Council nutzte die Irish National Liberation Army in der Vergangenheit schon mehrfach als eine Art Kettenhund.

 

Neben der von der IRA gesteuerten Direct Action Against Drugs nehmen nun auch dissidente Republikaner die Drogenseuche in Belfast ins Visier. Nachdem die Real IRA kürzlich einen Drogenhändler tötete und weitere Maßnahmen ankündigte, organisierte auch die Irish National Liberation Army eine regelrechte Drogenrazzia in North Belfast. Die INLA zerschlug bereits im März einen Drogenring und stürme nun zwei weitere Objekte, wobei Drogen im Wert von mindestens 24.000 Pfund sichergestellt wurden. Zudem erhielten rund 35 Drogenhändler Besuch von republikanischen Paramilitärs, nachdem ihr Anführer etwas nassforsch verkündete, infolge seiner Kontakte zu den Hardlinern habe man nichts zu befürchten.

 

Bei erneuten Zusammenstössen zwischen katholischen und protestantischen Randalierern sowie der Polizei in North Belfast kam es zu mehreren Schusswechseln. Vor einem Billardclub in Donaghmore bei Dungannon ermordeten die loyalistischen Red Hand Defenders den katholischen Taxifahrer Barney MacDonald. Mit ihren kontraproduktiven Mordanschlägen auf Wehrlose zogen die RHD sich unlängst den Zorn der UDA-Führung zu. Möglicherweise ist das Attentat auf eine aus der Loyalist Volunteer Force ausgeschiedene Splittergruppe zurückzuführen – die Polizei befürchtet eine neue Fehde im loyalistischen Lager.

 

Angesichts des grausigen Massakers im palästinensischen Flüchtlingslager von Jenin wandte sich mit dem Labour-Abgeordneten Gerald Kaufman eine der führenden jüdischen Persönlichkeiten Großbritanniens im Unterhaus gegen den israelischen Ministerpräsidenten Sharon: "Es ist an der Zeit, Sharon daran zu erinnern, dass der Davidsstern allen Juden gehört und nicht seiner Regierung. Sein Handeln befleckt den Davidsstern mit Blut. Sharon ist nicht nur ein Kriegsverbrecher, er ist auch ein Narr. (...) Der Staat Israel ist ein Ghetto, ein internationaler Paria." Kaufman verurteilte auch die palästinensischen Selbstmordattentäter als Massenmörder, fügte aber hinzu: "Wir müssen uns fragen, wie wir uns fühlten, wenn unser Land seit 35 Jahren durch eine ausländische Macht besetzt wäre, die uns elementare Menschenrechte und menschenwürdige Lebensumstände verweigert." Vielleicht sollte sich der offensichtlich von Hardcore-Zionisten dominierte Jüdische Zentralrat an diesen Worten ein Beispiel nehmen. Da wir gerade beim Thema sind: Als Unterstützer der Demonstration "Gegen Antisemitismus und Antizionismus – Solidarität mit Israel" sind unter anderem zu nennen: Der Bundesverband Jüdischer Studenten in Deutschland, das American Jewish Committee, die Jüdische Gemeinde Berlin, die Deutsch-Israelische Gesellschaft, die Amadeo-Antonio-Stiftung, Hagalil.com, das Anti-Defamation Forum, die Jungdemokraten und die Antifaschistische Aktion Potsdam.

 

Gerade die Antifaschistische Aktion Potsdam befindet sich hier in bester Gesellschaft mit den sozialfaschistischen Regierungen Schröder und Blair: Großbritannien und die BRD stimmten gegen die Israel verurteilende Resolution der UN-Menschenrechtskommission. Walter Lewalter als UN-Botschafter der BRD begründete die Ablehnung damit, dass eine eindeutige Verurteilung des palästinensischen Terrorismus ausbleibe. Außerdem könne die BRD keine Formulierungen mittragen, die Israel etwa Aggressionspolitik, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder gar Kriegsverbrechen mitteilen. Da Lewalter andererseits ein scharfer Kritiker der russischen Gewaltexzesse in Tschetschenien ist, darf gemutmaßt werden, dass Berlin Menschenrechtsverletzungen lediglich als politisches Vehikel nutzt. Der gleiche Lewalter tat sich als Bremse bei der verbindlichen Kodifizierung der UN-Menschenrechtsstandards hervor – die BRD weigert sich nach wie vor, den Internationalen Pakt über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte von einer Absichtserklärung in rechtliche Form umzusetzen. Wir schweifen ab...Durch die EU verläuft nun ein politischer Riss, da nicht zuletzt Frankreich und Spanien die zionistischen Gewaltorgien scharf verurteilten. In der Resolution werden Israel "Massentötungen" in den Palästinensergebieten vorgeworfen, zudem verlangt die UN-Menschenrechtskommission die sofortige Einstellung der israelischen Offensive. Das Recht eines Volkes auf Widerstand gegen eine fremde Besatzungsmacht wird ausdrücklich anerkannt. Vor allem verurteilt die Resolution "krasse Verletzungen der Menschenrechte und des internationalen Menschenrechts" und wirft Israel außergerichtliche Hinrichtungen, willkürliche Festnahmen, die Folterung von Gefangenen, die Belagerung palästinensischer Ortschaften und die Militäroperationen in den Palästinensergebieten, die bislang "zum Tod Hunderter palästinensischer Zivilisten führte, darunter Frauen und Kinder". Die Menschenrechtskommission kritisiert ferner die notorische Weigerung Israels, Resolutionen des UN-Sicherheitsrates anzuerkennen und die Behandlung des Palästinenserpräsidenten Arafat, der in seinem Hauptquartier in Ramallah faktisch ein Gefangener ist. Arafats Lage wird gefährlich, denn US-Außenminister Powell scheint mit Sharons Absicht zu sympathisieren, eine Nahost-Friedenskonferenz unter Ausschluss des Palästinenserpräsidenten zu organisieren. In Ramallah nahm die israelische Armee auch Marwan Barghuti, den führenden Kopf der Tanzim-Milizen und den Leiter der Fatah im Westjordanland, gefangen. Barghuti wird seit dem vergangenen Jahr mit Haftbefehl von den Israelis gesucht und ging nicht zuletzt aus Furcht vor den Mordkommandos des Mossad in den Untergrund. Israels Ministerpräsident Ariel Sharon kündigte für die kommende Woche den Rückzug der Armee an – jedoch bleiben mit Bethlehem und Ramallah die Nervenzentren der Autonomiegebiete weiterhin besetzt.

 

In der "jungen Welt" war der Beitrag eines israelischen Dissidenten zu finden, nach dem Sharons Gewaltpolitik sich als kontraproduktiv erweisen kann: "Die palästinensische Nation, konfrontiert mit dem Ansturm der größten Militärmaschinerie der Region und den modernsten Waffen der Welt, in einem Meer des Leidens, umgeben von Leichen, hat sich aufgerichtet wie nie zuvor. In dem kleinen Flüchtlingslager bei Dschenin versammelte sich eine Gruppe von Palästinensern aus allen Organisationen zu einer Abwehrschlacht, der ihr Platz in den Herzen der Araber für immer gesichert ist. Dies ist das palästinensische Massada - so hat es ein israelischer Offizier genannt und damit angespielt auf den legendären Ort der Überreste des großen jüdischen Aufstands gegen Rom im Jahre 71 n. Chr. Wenn die internationalen Medien sich nicht mehr draußen halten lassen und die Schreckensbilder veröffentlicht sind, werden sich wohl zwei Sichten herausschälen: Dschenin als die Geschichte eines Massakers, ein zweites Sabra und Schatila - und Dschenin, das palästinensische Stalingrad, eine Geschichte unsterblichen Heldentums. Die zweite wird mit Sicherheit überwiegen. Nationen sind auf Mythen gebaut. Ich wurde großgezogen mit den Mythen von Massada und Tel-Chai, sie formten das Bewußtsein der neuen hebräischen Nation. (In Tel-Chai wurde 1920 eine Gruppe jüdischer Verteidiger, geführt von dem einarmigen Helden Josef Trumpeldor, bei einem Zusammenstoß mit antifranzösischen syrischen Kämpfern getötet.) Die Mythen von Dschenin und Arafats belagertem Sitz in Ramallah werden das Bewußtsein der neuen palästinensischen Nation prägen. (...) Wenn Dutzende Verwundeter in den Straßen liegen und langsam verbluten, weil die Armee auf jede Ambulanz schießt, die sich bewegt, erzeugt das schrecklichen Hass. Wenn die Armee Hunderte getöteter Männer, Frauen und Kinder heimlich verscharrt, erzeugt das schrecklichen Hass. Wenn Panzer Autos niederwalzen, Häuser zerstören, Leitungsmasten umstürzen, Wasserrohre aufreißen und so Tausende von Menschen obdachlos machen und Kinder zwingen, ihren Durst aus Straßenpfützen zu stillen - führt das zu schrecklichem Hass. Palästinensische Kinder, die all dies mit eigenen Augen sehen, werden die Selbstmordattentäter von morgen sein. So schaffen Scharon und Mofaz die terroristische Infrastruktur. Die Fundamente der palästinensischen Nation und des palästinensischen Staates haben sie bereits gelegt. Die Menschen haben ihre Kämpfer in Dschenin gesehen und halten sie für weit größere Helden als die israelischen Soldaten, die geschützt in ihren schweren Panzern hocken. Sie haben ihren Führer Arafat in der historischen Fernsehsequenz gesehen, das Gesicht erhellt von einer einzigen Kerze in seinem dunklen, belagerten Büro - und vergleichen ihn mit den wohlgenährten israelischen Ministern, die in ihren Büros weit hinter der Kampffront sitzen, umgeben von ganzen Horden von Bodyguards. So wird Nationalstolz erzeugt. (...) Am Ende wird nur eines in Erinnerung bleiben: Unsere gigantische Militärmaschinerie hat das kleine palästinensische Volk überfallen, und das kleine palästinensische Volk und sein Führer haben standgehalten. In den Augen der Palästinenser, und nicht nur in ihren, wird daraus ein ungeheurer Sieg, der Sieg eines modernen David gegen Goliath."

 

Sehr zum Unwillen von EU-Handelskommissar Pascal Lamy veröffentlichte das ATTAC-Netzwerk delikate Geheimpapiere aus Brüssel. Die Unterlagen dokumentieren die Forderungen, welche die EU im Rahmen der Verhandlungen über das "Allgemeine Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen" (GATS) an diverse Staaten richtet. Brüssel verlangt, die EU-Regierungen und die Unternehmerverbände im Rücken, nicht weniger als die weitestgehende Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen, und zwar von Staaten mit lohnenden Märkten wie Argentinien. An und für sich sollte es in den GATS-Verhandlungen den WTO-Mitgliedsstaaten freistehen, welche Branchen von der Liberalisierung erfasst werden. Das am Rande des Staatsbankrottes stehende Argentinien, zwingend auf internationale Finanzhilfen angewiesen, soll Post, Telekommunikation, Immobilienmarkt, das Transportwesen, die Versicherungen und das Bauwesen für Forschungs- und Entwicklungsprojekte deregulieren und damit dem Neokolonialismus der Großkonzerne ausliefern. Vor allem Multis wie Vivendi, RWE, Eon oder Deutsche Telekom stehen hinter derartigen Forderungen, die ihnen weltweit neue Märkte öffnen sollen.

 

Nach Recherchen des WDR vermitteln die Arbeitsämter Erwerbslose in rechts- und sittenwidrige Beschäftigungsverhältnisse mit Löhnen von 50 % und mehr unterhalb der Tariflöhne oder der ortsüblichen Gehälter. Arbeitsgerichte und der Bundesgerichtshof haben derartige Beschäftigungsverhältnisse bereits für sittenwidrig erklärt, aber das ficht die Menschenhändler in den Arbeitsämtern offenbar nicht an. Besonders haarsträubend scheinen die Zustände im Bereich des Landesarbeitsamtes Berlin/Brandenburg zu sein, aber über die Internetseite der Bundesanstalt für Arbeit wurden bundesweit Stellenangebote mit Dumpinglöhnen geschaltet. In Extremfällen haben Arbeitsämter Erwerbslose gezwungen, Jobs bei als kriminell bekannten Drückerkolonnen anzunehmen.

 

Die unverhohlene Freude der USA über den konterrevolutionären Umsturz in Venezuela währte nur kurz. Die Rückkehr des linksnationalistischen Staatspräsidenten Hugo Chávez Frías an die Macht ist vor allem den Bolivarianischen Verteidigungskomitees zu verdanken. Hierbei handelt es sich um eine milizähnliche Organisation, die sich vor allem auf die Arbeiter- und Armenviertel in den Städten stützt. Schon die Streikaufrufe des rechtsgerichteten Gewerkschaftsverbandes CTV fanden hier keinerlei Anklang; die oppositionellen Demonstrationen der Vortage wurden in erster Linie von Angestellten und Facharbeitern getragen. Die Verteidigungskomitees organisierten den Widerstand gegen die von den Putschisten eingeleiteten Säuberungen, was zu schweren Zusammenstößen führte. Die aufgebrachten Massen aus den Proletariervierteln verbarrikadierten sich und lieferten der Reaktion Straßenkämpfe mit Hunderten von Toten. Hunderttausende Proletarier, Landarbeiter und Kleinbauern erhoben sich gegen die von den USA unterstützten neuen alten Herren, gegen die korrupte kapitalistische Staatsklasse; Chávez-treue Armeeinheiten solidarisierten sich mit den Massen. Die Putschisten gaben auf und ließen den internierten Expräsidenten frei, der nun an die Macht zurückkehrte und zunächst einmal zur nationalen Geschlossenheit aufrief. Kein Wunder: 80 % der Bevölkerung leben in Armut, und 1 % der Bevölkerung besitzt 60 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche. Washington hat bereits eingeräumt, dass die Putschisten mit Otto Reich, dem für den amerikanischen Doppelkontinent zuständigen Abteilungsleiter des State Department, in Verbindung standen. Ermunterung kam auch aus dem Pentagon, logistische Unterstützung offenbar von der amerikanischen Botschaft und der CIA. Laut "Newsweek" unterhielten die Putschisten seit Februar Kontakt zur US-Vertretung in Caracas. Der amerikanische Militärattaché hielt sich bis zum Beginn des Staatsstreiches in Fort Tiuna, dem Logistikzentrum der Putschisten, auf.

 

Anlässlich des 50jährigen Bestehens der dubiosen Geheimloge Atlantikbrücke e.V. erhielt ausgerechnet der amerikanische Expräsident George Bush sr. den seit 1988 vergebenen Eric M. Warburg-Preis, und zwar für seine Verdienste um das bundesdeutsch-amerikanische Verhältnis. Würdige Vorgänger sind beispielsweise der durch seine Verbrechen gegen das vietnamesische und das chilenische Volk mit unsagbarer Schuld beladene Henry Kissinger, NATO-Generalsekretär a.D. Manfred Wörner oder die hochgradig korrupten Politkriminellen Helmut Kohl und Otto Graf Lambsdorff. Die von Bundesaußenminister Joseph Fischer gehaltene Laudatio sei hier aufgrund ihres entlarvenden Charakters auszugsweise wiedergegeben: "Es ist für mich eine große Freude und Ehre, heute aus Anlass der Verleihung des Eric Warburg-Preises an Sie, verehrter Herr Präsident Bush, die Laudatio halten zu dürfen. Wir alle möchten Ihnen zu diesem Preis sehr herzlich gratulieren. Ich meine, im Namen aller Anwesenden sprechen zu können, wenn ich feststelle, dass wir uns keinen würdigeren Preisträger vorstellen könnten.
Wir haben heute einen doppelten Grund zum Feiern: 50 Jahre Atlantikbrücke, das ist ein stolzes Jubiläum. Allen Mitgliedern und Mitwirkenden der Atlantikbrücke möchte ich für Ihre großartige Arbeit und für alles danken, was Sie für die Freundschaft zwischen Amerika und Deutschland getan haben. Ein enges Verhältnis zu den USA ist neben der europäischen Integration der wichtigste Pfeiler, auf dem die Freiheit und die Demokratie unseres Landes aufgebaut ist. Und auch eine Europäische Union, die hoffentlich eines nicht mehr allzu fernen Tages ihre Integration vollendet haben wird, wird auf dieses enge, für Europas Freiheit existenzielle Verhältnis mit den USA nicht verzichten können.
(...) 
Die Unterstützung der deutschen Einheit steht in einer Linie mit der Entscheidung der Vereinigten Staaten, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa zu bleiben und der deutschen Demokratie eine zweite Chance zu geben. Es war vor allem diese Entscheidung, die zusammen mit der europäischen Integration das Schicksal Deutschlands und Europas nach 1945 grundlegend zum Besseren wendete.
(...)
Dieses angesichts unserer jüngeren Geschichte kaum fassbare Glück verdanken wir ganz entscheidend Amerika und seinem damaligen Präsidenten George Bush. Deutschlands Verankerung im Westen hat seine prekäre geopolitische Mittellage, seine mangelnde Einbindung entschärft und damit die Gefährdung durch hegemoniale Alleingänge aufgelöst. Zudem hat sie der Demokratieim Innern eine feste Grundlage gegeben.
Darum ist die amerikanische Präsenz in Europa und die enge Bindung zwischen unseren Kontinenten für Deutschland auch in Zukunft unverzichtbar. Dies gilt auch, wenn sich die Europäische Union immer stärker zu einem selbstbewussten, eigenständigen politischen Akteur entwickelt.
(...)
Auch auf dem Balkan hat sich dank der Intervention von außen die Demokratie durchgesetzt. Die gesamte Region verfügt heute über eine langfristige europäische Perspektive, die einen dauerhaften Ausweg aus der Barbarei ethnischer Kriege eröffnet hat. Sie, Herr Präsident, haben schon sehr früh, 1992, Milosevic vor einem Übergreifen auf den Kosovo gewarnt und dort eine rote Linie gezogen. Wo stünden wir denn heute mit der hochgefährlichen Krise in Nahost, mit dem Krieg in Afghanistan und mit dem Terrorismus islamistischer Extremisten, wenn wir Milosevic damals nicht in den Arm gefallen wären?
(...)
Die Geschichte hat gezeigt, dass oftmals gerade in der Verbindung unserer Handlungsweisen, in einer klugen Verzahnung von Politik und Militär eine einzigartige Stärke liegen kann.
Die Antwort auf die alte Frage 'war es militärische Stärke oder die Politik der Entspannung, die den Kalten Krieg entschied'; lautet letztlich: Es war beides zusammen. So war und ist es auch im Kosovo, in Mazedonien und in Afghanistan und genau deshalb haben Europa und diesmal auch Deutschland sich dort an militärischen Aktionen beteiligt.
(...)
Die dramatische Eskalation im Nahen Osten hat die Welt, hat uns alle zutiefst entsetzt. Lassen Sie mich, meine Damen und Herren, gerade heute, am Nationalfeiertag Israels, eines eindeutig feststellen: Das Existenzrecht Israels und das Recht des Staates Israel und seiner Bürger in Frieden und Sicherheit zu leben, ist für uns unantastbar. Und Deutschland hat ein historisch begründetes Sonderverhältnis zum Staat Israel, das sich gerade in schweren Zeiten in Solidarität bewähren muss."

 

Zum Jubiläum gratulierten der Atlantikbrücke, an deren verschwiegenen Tischen nicht zuletzt die berüchtigte Leuna-Privatisierung oder die Korruptionsaffäre um den Waffenschieber Schreiber ausgekungelt wurden, zahlreiche Personen, und zwar durch eine imposante Anzeige in der "Welt" vom 17. April 2002. Die Unterzeichner erklärten explizit, dem Netzwerk der Atlantikbrücke ihre Positionen zu verdanken. Zu der beunruhigenden pressure group rechnen sich unter anderem: Heinrich Aller (SPD) als niedersächsischer Finanzminister, Joachim von Arnim als Gesandter der BRD bei der NATO, Susanne Gabriele Biedenkopf-Kürten als Leiterin der ZDF-Europaredaktion, Johannes K. Borsche als Vizepräsident der Frankfurter Morgan Stanley-Niederlassung, Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD), BILD-Chefredakteur Kai Diekmann, Dr. Thomas Enders als Vorstandsmitglied des EADS-Konzerns, Thomas W. Geisel aus dem Ruhrgas-Vorstand, Bundesbankdirektor Dr. Klaus D. Geisler, Wolfgang Ischinger als BRD-Botschafter in Washington, Eckart von Klaeden als Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, der Telekom-Vizevorstandsvorsitzende Dr. Raphael Kübler, Dr. Rudolf Lang als Vorstandsmitglied von Goldman & Sachs, Nikolaus Graf Lambsdorff als Kabinettschef der UNMIK-Protektoratsverwaltung im Kosovo, Kathrin Leeb als Vizepräsidentin der Deutschen Bank, der Schering-Manager Knut Mager, der Springer-Vorstand Steffen Naumann, der als Kriegshetzer gegen den Irak auffallende CDU-Außenpolitiker Dr. Friedbert Pflüger, Prof. Dr. Hans-Gert Pöttering als Fraktionsvorsitzender der Christdemokraten im Europaparlament, der SPD-Politiker Ottmar Schreiner, Gottfried Spelsberg-Korspeter als RWE-Vorstandsmitglied, Michael Zissis Vassiliadis als Vorstandssekretär der IG Bergbau, Chemie, Energie, sowie Redaktionsmitglieder des STERN, der "Financial Times Deutschland", der FAZ, des "Tagesspiegel", der ZEIT, des Bayerischen Rundfunks, von N24, SAT1 und der Süddeutschen Zeitung.

 

Der Generalrat für Justizgewalt segnete die Vorlage zum neuen spanischen Parteiengesetz ab. Diese wird auch als Lex Batasuna bezeichnet, denn ihr Ziel ist das Verbot der linksnationalistischen baskischen Separatistenpartei Batasuna. Da es der spanischen Zentralregierung in 20 Jahren nicht gelang, der Partei konkrete Verbindungen zur Untergrundarmee ETA nachzuweisen, greift man nun zu subtileren Methoden. Nach der unzweifelhaften Verabschiedung des Gesetzes können Parteien verboten werden, wenn sie Wahlkandidaten aufstellen oder in der Vergangenheit aufgestellt haben, die wegen Unterstützung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorbestraft sind – eine gängige Praxis Batasunas. Das Plazet des Generalrates rüttelt an der spanischen Verfassung, denn nur die von der regierenden Volkspartei PP entsandten Richter stimmten der Vorlage zu. Die Minderheitsentscheidung argumentierte, nicht die Regierung, sondern die Justiz müsse ein Verbotsverfahren einleiten. Gegen das Parteiengesetz macht auch die kommunistische Vereinigte Linke mobil, und die gemäßigt nationalistische Baskische Volkspartei PNV kündigte an, die Angelegenheit vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu bringen. Generell vollzieht sich derzeit eine Annäherung zwischen der PNV und der Linken: An den machtvollen Solidaritätsdemonstrationen des baskischen Volkes mit den unterdrückten Palästinensern nahmen PNV, Batasuna und Vereinigte Linke gemeinsam teil.

 

 Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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