Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 6. bis 12. April 2002

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Arbeitsmarktlage weiter kritisch

IRA zwischen Krieg und Frieden

 

 

Zitat der Woche:
"Lasst uns also dem ewigen Geiste vertrauen, der nur deshalb zerstört und vernichtet, weil er der unergründliche und ewig schaffende Quell allen Lebens ist. Die Lust der Zerstörung ist zugleich eine schaffende Lust."
- Michail Bakunin

Saisonbereinigt ging die offiziell eingestandene Arbeitslosigkeit in der BRD saisonbereinigt um 140.100 auf 4,156 Millionen zurück – immer noch 156.400 Arbeitslose mehr als im Vorjahresmonat und der höchste Märzstand seit 3 Jahren. Bundesweit liegt die Erwerbslosenquote damit bei 10 %. Mit 18,8 % ist die Arbeitslosenquote in den neuen Ländern mehr als doppelt so hoch wie in den alten Bundesländern. In Ballungsräumen wie Hamburg wurde der geringste Rückgang der Arbeitslosigkeit seit Mitte der 80er Jahre registriert, in Berlin kann von Stagnation gesprochen werden. Angesichts dieser Lage ist es nicht verwunderlich, dass bundesweit mehr als 3 Millionen Haushalte überschuldet sind. Im vergangenen Jahr gab es 1,33 Millionen gerichtliche Maßnahmen gegen Privatschuldner. Damit stieg die Zahl der Mahnverfahren, Haftanordnungen und Zwangsvollstreckungen 2001 im Westen um 15,4 % und im Osten um 28,2 % an. In Hamburg beispielsweise sind 70.000 der 910.000 Haushalte überschuldet, 9,7 % mehr als im Jahr 2000.

 

Zwischen 1998 und 2000 ist in den alten Bundesländern der Anteil der in tarifvertraglich geregelten Arbeitsverhältnissen Beschäftigten von 76 auf 70 % zurückgegangen. Im Osten fiel die Quote in diesem Zeitraum sogar von 63 auf 55 %. Generell ist das sogenannte Normalarbeitsverhältnis auf dem Rückzug: Zwischen 1991 und 2000 stieg die Zahl der außerhalb eines Normalarbeitsverhältnisses Beschäftigten von 9,6 auf 13,3 Millionen an. Hiervon entfallen 6,5 Millionen auf Teilzeitarbeit, 4,4 Millionen auf befristete Beschäftigung und 2,4 Millionen auf geringfügige Tätigkeiten.

 

Immer weniger Jugendliche in Deutschland beginnen eine Berufsausbildung. Wie das Statistische Bundesamt mitteilte, sank die Zahl der neuen Ausbildungsverträge 2001 im Vergleich zum Jahr davor um 2,2 % auf 609 216. Schon im Jahr 2000 hatte es einen Rückgang um 2 % gegeben, 1999 waren es noch 635 000 Ausbildungsanfänger. Die Entwicklung verlief in den Bundesländern unterschiedlich. Während in Bayern 1,2 % mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen wurden, ging die Zahl in Schleswig-Holstein um 7 % zurück. Verheerend ist die Ausbildungslage für ausländische Jugendliche. Erhielten 1993 noch 126.000 von ihnen eine duale Berufsausbildung, so betrug diese Zahl im Jahr 2000 noch 96.600.

 

Nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft ist zwischen 1992 und 2000 die Zahl der Schulabbrecher um beinahe 25 % gestiegen. Im Jahr 2000 verließen 87.000 Schüler und Schülerinnen die Schule ohne jeglichen Abschluss – bundesweit 10 %. Die höchsten Aussteigerquoten weisen Thüringen, Hamburg, Berlin, Sachsen-Anhalt und Sachsen auf. In Hamburg gingen im Jahr 2001 12 % aller Schüler und Schülerinnen ohne Hauptschulabschluss von der Schule ab. Dabei liegt die Quote der Jungen noch um 5 Prozentpunkte über derjenigen der Mädchen.

 

Die seit Wochen anhaltenden innenpolitischen Spannungen in Venezuela, nicht zuletzt manifestiert durch einen Generalstreik der von ihre Pfründen und Privilegien bedroht sehenden Gewerkschaftsbonzen aufgehetzten Erdölarbeiter, eskalierten in einem Umsturz. Mittelstand und Gewerkschaften organisierten in der Landeshauptstadt Caracas eine machtvolle Massenkundgebung mit bis zu 200.000 Teilnehmern, die in Zusammenstößen mit Anhängern des linksnationalistischen Staatspräsidenten Hugo Chávez gipfelte. Zwischen den Parteigängern der von Chávez zugunsten der breiten Unterschicht vorangetriebenen Bolivarianischen Revolution und der oppositionell eingestellten Stadtpolizei kam es zu Feuergefechten, ferner heizten bislang unbekannte Scharfschützenen durch Feuereröffnung gegen die oppositionellen Demonstranten die Eskalation weiter an. Die meisten der 15 Toten gehörten bezeichnenderweise zu den Chávez-Anhängern. Da die oppositionellen Privatsender die Zusammenstösse dergestalt darstellten, als habe der Präsident seine Anhänger bewaffnet und von der Leine gelassen, ordnete die Regierung im Namen der öffentlichen Sicherheit ihre Stillegung an. Daraufhin stellten sich die Armeeführung und der Sicherheitsminister gegen den Präsidenten, der zurücktrat und unter Arrest gestellt wurde.

 

Drahtzieher des konterrevolutionären Umsturzes sind die Spitzenmilitärs Efrain Vasquez und Rámirez Poveda und die amerikanische Botschaft. Beide Generale wurden an der CIA-nahen School of the Americas SOA ausgebildet, einer berüchtigten Kaderschmiede für Diktatoren, Folterer und Todesschwadronen. Die US-Regierung bezeichnete in einer entlarvenden Stellungnahme den Putsch als "Regierungswechsel" und hoffte auf eine verbesserte Zusammenarbeit im Kampf gegen die kolumbianische Untergrundarmee FARC sowie auf eine Steigerung der venezolanischen Erdölexporte. Washington erklärte, Chávez habe die Feuereröffnung auf unbewaffnete Demonstranten angeordnet und die Medienberichterstattung behindert. Als Übergangspräsidenten installierten die Putschisten Pedro Carmona Estanga, den Vorsitzenden des venezolanischen Unternehmerverbandes. Die neuen Herren deuteten bereits an, sie würden die Erdöllieferungen an Kuba stoppen. Die Organisation Amerikanischer Staaten OAS verurteilte den Putsch als Verletzung der verfassungsmäßigen Ordnung. Nutznießer des Umsturzes ist die alte korrupte Staatsklasse, der Chávez durch Steuererhöhungen auf privat gefördertes Erdöl, die direkte Regierungskontrolle über den staatlichen Ölkonzern PDVSA und eine drohende Agrarreform zu Leibe rückte. Vergessen ist die neue venezolanische Verfassung, welche das Machtmonopol der korrupten und unfähigen Altparteien brach, ebenso vergessen wie die Finanzierung ökologischer Gemeindeprojekte, Korruptionsbekämpfung, die Bildungsreform zugunsten der Armen, die teilweise Legalisierung der in Lateinamerika so bedeutsamen informellen Wirtschaft, die Kleinkredite für Arme und Frauen, die Reform im Gesundheitswesen, die Modernisierung der Rechtsprechung, die Erhöhung der Mindestlöhne oder die Senkung der Arbeitslosenquote von 18 auf 13 %.

 

Auf seiner Ranch im texanischen Crawford empfing US-Präsident Bush seinen getreuen Vasallen Tony Blair, um die Marschroute gegenüber dem Irak abzustimmen. Bush erhob den Sturz Saddam Husseins zum erklärten Ziel seiner Politik und schloss hierbei auch militärische Mittel nicht aus. "Alle Optionen sind auf dem Tisch." Die britische "Times" wusste von einem Dreiphasenplan zu berichten: Zunächst sollen die Nachbarstaaten des Irak in eine Koalition eingebunden werden, dann soll im Frühjahr 2003 der Angriff erfolgen und zuletzt eine neue Regierung installiert werden. Einem Bericht der ZEIT zufolge haben sich die unruhigen Schiiten im Süden des Irak zur Zusammenarbeit mit den Amerikanern bereit erklärt. Der irakische Vizepremier Tarik Aziz kündigte unterdessen an, sein Land werde keine erneuten UN-Waffenkontrollen zulassen. Zu Recht wies Aziz darauf hin, dass die vergangene UN-Mission noch nicht einmal einen Abschlussbericht vorgelegt habe. Angesichts der anglo-amerikanischen Drohungen könne man kaum erwarten, dass der Irak eine zu Spionagezwecken hervorragend geeignete Inspektionstruppe einreisen lasse.

 

Laut Telepolis betreibt die Bundesregierung derzeit die EU-weite Einführung der Rasterfahndung, selbstredend unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung. Hierbei wird ein Täterprofil erarbeitet, anhand dessen dann die von Arbeitgebern, Versorgungsunternehmen und Einwohnermeldeämtern zur Verfügung zu stellenden Daten durchgerastert werden. Ergebnis ist eine Liste von mit dem Profil übereinstimmenden Personen, die alsdann von der Polizei gründlich überprüft werden. Bereits vorher hatte die BRD angeregt, Geheimdiensten und Strafverfolgungsbehörden Zugang zu allen europäischen Datenbanken vom Schengen-Informationssystem SIS über Europol bis hin zur kommenden Visa-Datenbank zu gewähren.

 

Die IRA machte vor den Augen von Vertretern der nordirischen Entwaffnungskommission zum zweiten Mal eine Anzahl von Waffen unbrauchbar. Dennoch melden Sicherheitskreise aus Nordirland und der Republik Irland, die republikanische Untergrundarmee fülle ihre Arsenale ungeachtet der Entwaffnungsgesten und des Bekenntnisses zum Friedensprozess auch weiterhin mit Waffen und Kriegsmaterial. Rekrutierung und Ausbildung von neuen Volunteers werden weiterhin betrieben. Ferner sollen die Provisionals mindestens zwei hochkarätige Raubüberfälle begangen haben, um ihre Kassen außer der Reihe aufzufüllen.

 

Ungeachtet des wachsenden internationalen Drucks setzt Israel seine Offensive auf der Westbank fort. Vor allem in Nablus, Bethlehem und Jenin kam es zu heftigen Gefechten. Die Altstadt von Nablus liegt in Schutt und Asche. Das palästinensische Flüchtlingslager Jenin auf der Westbank, ein Herz des nationalen Widerstandes gegen die zionistischen Okkupanten, ist von der israelischen Armee dem Erdboden gleichgemacht worden. Im Rahmen eines schweren Bombardements durch Hubschrauber, Kampfflugzeuge und Panzer gingen auf die auf einer Fläche von wenigen Quadratkilometer zusammengedrängten 15.000 Bewohner mehr Bomben und Raketen nieder, als bislang während der gesamten al-Aqsa-Intifada verschossen wurden. Die Zahl der Toten wird von den palästinensischen Krankenhäusern auf 400 alleine in Jenin gezählt, kann aber in die Tausende gehen. Dutzende wurden unter den Trümmern ihrer von Bulldozern eingerissenen Häuser begraben, selbst Frauen, Kinder und christliche Mönche wurden erschossen. Jenin wurde hermetisch abgeriegelt, nicht einmal Krankenwagen haben Zutritt, um sich der zahllosen Verwundeten anzunehmen. Bei den Gefechten mit den sich verzweifelt wehrenden Palästinensern benutzten die zionistischen Mordbrenner mehrfach Zivilisten als menschliche Schutzschilde. Ganze Familien wurden – nicht nur in Jenin - bei Massakern ausgelöscht. Nach israelischen Angaben wurden 4185 waffenfähige Palästinenser zwischen 15 und 50 Jahren in Konzentrationslager verschleppt, von denen nur 121 auf Fahndungslisten standen. Der Oberste Gerichtshof Israels erkannte den Internierten für die ersten 18 Tage ihrer Haft das Recht auf Konsultation eines Anwalts ab. Von den Massenverhaftungen betroffen waren vor allem Lehrer, Verwaltungskräfte, Ärzte, Studenten, Ingenieure und Juristen; also die gesamte palästinensische Intelligenz. Zudem versucht Tel Aviv, durch Entzug der Akkreditierung die palästinensischen Journalisten mundtot zu machen. Durch die israelische Offensive wurden auf der Westbank 3,2 Millionen Menschen von allen Versorgungsleistungen und der Außenwelt abgeschnitten – es kam zu derartigen Kriegsverbrechen, wie sie die Welt seit dem Vietnamkrieg nicht mehr gesehen hat. Systematisch wurde die gesamte Infrastruktur zerstört, die für einen lebensfähigen Palästinenserstaat unabdingbar war. Da Sharon vor der Knesset von einer araberfreien Pufferzone entlang der israelischen Grenze und um die zionistischen Wehrdörfer herum sprach, ist das Ziel Tel Avivs offenbar die massenhafte Vertreibung der nichtjüdischen Bevölkerung.

 

Paul Spiegel als Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland sieht auch jetzt keinen Anlass, von der rückhaltlosen Unterstützung der israelischen Kriegsverbrechen abzurücken. Im Gegenteil beklagte er das mangelnde Verständnis der Deutschen für die zionistische Offensive. Ein Abbruch der eingeleiteten ethnischen Säuberung auf der Westbank wird vom Zentralrat vehement abgelehnt, ebenso eine Rückkehr der 4 Millionen palästinensischen Heimatvertriebenen, die teilweise seit mehr als 40 Jahren in Flüchtlingslagern ausharren. In Spiegels Augen entspringen die Selbstmordattentate nicht etwa der Verzweiflung eines seit Jahrzehnten erniedrigten Volkes, sondern dem strategischen Kalkül der palästinensischen Führung. Hinter das zionistische Massaker stellte sich auch die Deutsche Friedensgesellschaft DFG-VK, in deren Augen jegliche Kritik an Israel einen "antisemitischen Konsens" darstellt. In einem gemeinsamen Appell riefen UNO, EU, USA und Russland die Israelis zum sofortigen Rückzug auf. Während die USA Sharon lediglich verbal zur Mäßigung aufforderten, schritt die EU erstaunlicherweise zur Tat und sperrte bis auf weiteres alle Rüstungsexporte nach Israel.

 

Unter Federführung des Linksintellektuellen Gore Vidal und des Naturwissenschaftlers Alan Sokal verurteilten 130 Prominente aus den USA die imperialistische Hegemonialpolitik ihres Landes. "Die meisten US-Bürger haben keine Ahnung, dass die Außenpolitik der USA nichts mit den bei uns so gefeierten Werten zu tun hat, sondern im Gegenteil oftmals dazu dient, Menschen in anderen Ländern die Möglichkeit vorzuenthalten, diese Werte ebenfalls zu genießen." Um ihre Macht zu sichern, nähmen die USA den Hass von Millionen in Kauf, "die hilflos zusehen müssen, wie ihre Welt von den Vereinigten Staaten verwüstet wird". "Das World Trade Center symbolisiert die globale wirtschaftliche, das Pentagon die globale militärische Macht der USA. Demnach ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Anschläge vom 11. September sich gegen amerikanische Werte gerichtet haben. Statt dessen scheint die wirtschaftliche und militärische Macht der USA, so wie sie sich im Ausland darstellt, das wahre Ziel der Anschläge gewesen zu sein."

 

Anlässlich des 30. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der BRD und der VR China stattete der chinesische Staatspräsident Jiang Zemin der Bundesrepublik einen ausgedehnten Staatsbesuch ab. Peking und Berlin vereinbarten den weiteren Ausbau ihrer Zusammenarbeit auf den Gebieten Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft. Jiang rief die BRD und die übrigen Industrienationen auf, der notleidenden Dritten Welt vermehrte Hilfe zu leisten. Die BRD ist Chinas wichtigster Handelspartner in Europa und realisiert derzeit nach chinesischen Angaben Investitionsprojekte im Umfang von 13,4 Milliarden Dollar. Mit einem Plus von 28,3 % nahmen die bundesdeutschen Exporte 2001 fast noch einmal so stark zu wie bereits im Vorjahr. Seit 1995 haben sich die deutschen Exporte verdoppelt, das Handelsvolumen zwischen beiden Ländern verfünfzehnfachte sich seit 1980.

 

Bei den schwersten Zusammenstößen zwischen Serben und UN-Polizisten seit Monaten sind im Nordkosovo mehr als 30 Menschen verletzt worden. Einer von 19 verletzten UN-Polizisten schwebe in Lebensgefahr, nachdem Angreifer die Beamten mit Schusswaffen und Handgranaten attackierten, sagte ein UN-Sprecher. Zu den Unruhen, bei denen auch 12 Serben verletzt wurden, war es nach der Festnahme eines militanten Serbenführers in Mitrovica gekommen. Aus Sicherheitsgründen zog UNMIK seine Mitarbeiter aus den serbischen Gebieten ab, zudem kündigten die Serben jegliche Zusammenarbeit mit der UN-Verwaltung auf.

 

Der Chef der linksgerichteten kolumbianischen FARC-Guerrilla, Manuel "Tirofijo" Marulanda, ist wegen der Beteiligung an der Ermordung mehrerer Beamter in Abwesenheit zu 30 Jahren Haft verurteilt worden. Ein Berufungsgericht in der Hauptstadt Bogota machte Marulanda sowie zwei weitere Mitglieder der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) für den Mord an acht Justizbeamten 1991 verantwortlich.

 

 Lagefeststellung – Beurteilung der Situation – Möglichkeiten des Handelns – Entschluss – Umsetzung – Kontrolle

 

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