Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 8. bis 14. September 2001

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Seit 8.45 Uhr wird zur�ckgeschossen

Neue Terrorangriffe auf den Irak

 

 

Zitat der Woche:
"Was da geschehen ist, ist - jetzt m�ssen Sie alle Ihr Gehirn umstellen - das gr��te Kunstwerk, das es je gegeben hat. Da� Geister in einem Akt etwas vollbringen, was wir in der Musik nicht tr�umen k�nnten, da� Leute zehn Jahre �ben wie verr�ckt, total fanatisch f�r ein Konzert und dann sterben. Das ist das gr��te Kunstwerk, das es �berhaupt gibt f�r den ganzen Kosmos. Das k�nnte ich nicht. Dagegen sind wir gar nichts, als Komponisten. (...) Der Verbrecher ist es deshalb, weil die Menschen nicht einverstanden waren. Die sind nicht in das Konzert gekommen. Das ist klar. Und es hat ihnen niemand angek�ndigt, ihr k�nntet dabei draufgehen. Was da geistig geschehen ist, dieser Sprung aus der Sicherheit, aus dem Selbstverst�ndlichen, aus dem Leben, das passiert ja manchmal auch poco a poco in der Kunst. Oder sie ist nichts."�
- Karlheinz Stockhausen

 

In den Vereinigten Staaten f�hrten islamische Selbstmordattent�ter mittels gekaperter Passagierflugzeuge eine terroristische Operation aus, die neue Ma�st�be auf diesem Sektor setzen d�rfte. Gegen 8.45 Uhr Ortszeit (etwa 15.00 Uhr MEZ) rammte die erste Maschine einen der beiden T�rme des World Trade Center in New York und gab damit den Auftakt zu einer Orgie der Zerst�rung. Nachdem 18 Minuten sp�ter eine weitere Boeing in das Geb�ude raste, war das entstandene Gro�feuer nicht mehr einzud�mmen. Der in seiner Statik zutiefst ersch�tterte Komplex fiel zusammen wie ein Kartenhaus und begrub Tausende unter sich. Das Ausma� der Kollateralsch�den wird erst in einiger Zeit absehbar sein. Mit 110 Stockwerken und 419 Metern H�he war das WTC das h�chstaufragende Geb�ude New Yorks und das Wahrzeichen nicht nur der Stadt, sondern auch der weltwirtschaftlichen Dominanz des Westens. Im WTC waren u.a. internationale Handelsorganisationen, Versicherungen und Banken untergebracht. Eine weitere Maschine st�rzte in das Pentagon, das Nervenzentrum der amerikanischen Milit�rmaschinerie, und richtete auch dort erhebliche Verw�stungen an. Der geplante Selbstmordanschlag von Maschine Nummer 4 auf Camp David, Landsitz des US-Pr�sidenten und Symbol des Nahost-Friedensprozesses, scheiterte infolge eines Handgemenges zwischen Luftpiraten und Passagieren - das Flugzeug st�rzte in Pennsylvania ab. Das Kamikaze-Kommando versetzte durch seine Operation dem Selbstbewu�tsein der Vereinigten Staten und des gesamten Westens einen empfindlichen Schlag.

 

Sicherheitsexperten und der ehemalige NATO-Oberbefehlshaber Wesley Clark verd�chtigten den seit dem Anschlag auf die US-Botschaft in Nairobi weltweit gesuchten islamischen Topterroristen Osama bin Laden, der sich seit Mitte der 90er Jahre als Gast des Taliban-Regimes in Afghanistan aufh�lt. Die US-Geheimdienste hatten am Tag des Anschlages keinerlei Hinweise auf den Urheber, w�hrend aus Gro�britannien vom arabischen Medienunternehmer Abdel Bari Atwan gemeldet wurde, bin Laden habe einen "riesigen und beispiellosen Anschlag" auf US-Einrichtungen angek�ndigt. Auf die bin Laden-Karte setzten auch israelische Kreise, die ihren faschistischen Apartheid- und Terrorstaat angelegentlich gleich zum Bestandteil der westlichen Welt erkl�rten. Die westliche Meinungsindustrie wu�te sofort von islamischen Urhebern zu berichten (ohne jeden Beweis - es gab kein Bekennerschreiben), und aus 15 von Reuters-Korrespondenten f�r Jubelszenen gekauften Pal�stinensern in Nablus wurden bei Springer rasch 3000. Gruner + Jahr steuerte jubelnde Massen in den Fl�chtlingslagern im Libanon bei. Reuters legte noch einen drauf, indem man meldete, die pal�stinensische DFLP habe sich zu der Operation bekannt, doch die d�rfte wohl kaum die entsprechende Logistik besitzen. Bereits 24 Stunden nach den Anschl�gen erkl�rte FBI-Direktor Mueller, man habe mehrere der Attent�ter identifiziert. Zudem h�rten die US-Nachrichtendienste (wohl via Echelon) ein Gespr�ch zwischen zwei M�nnern und Osama bin Laden ab, in welchem dieser seine Gespr�chspartner zwar zu ihrer gelungenen Operation begl�ckw�nschte, aber jede Beteiligung seiner Organisation an den Anschl�gen bestritt. Auch in der pakistanischen Presse erscheinen Dementis bin Ladens. Pikanterweise verk�ndete Europol-Chef Storbeck, man solle sich keinesfalls auf Osama bin Laden als Urheber der Terroranschl�ge fixieren. Es gebe gute Gr�nde anzunehmen, da� die Operation von anderen Gruppen geplant und ausgef�hrt wurde. Auch die Generalbundesanwaltschaft hat keinerlei konkrete Anhaltspunkte f�r eine Verwicklung bin Ladens.

 

Bereits im Juni hatte der �gyptische Pr�sident Mubarak die USA vor Terrorakten auf amerikanischem Territorium gewarnt. BND, britischer SIS, franz�sische DGSE und Mossad gingen von Operationen in Nahost gegen die Amerikaner aus und schon gar nicht von einem Schlag dieser Gr��enordnung. In der Tat soll es im Fr�hjahr Koordinierungstreffen zwischen bin Ladens al-Quaida, dem pal�stinensischen Islamischen Heiligen Krieg und der �ygptischen al-Gamma al-Islamiya gegeben haben, um eine gemeinsame Strategie gegen�ber den USA abzustecken. Mysteri�s mutet an, wie die Entf�hrer an allen Sicherheitsvorkehrungen vorbei fast zeitgleich vier Passagiermaschinen kapern konnten. Eine �ber mehrere Jahre hinweg sorgf�ltigst vorbereitete Gro�operation mit rund 50 Beteiligten soll keinem einzigen der westlichen und vor allem der nordamerikanischen Nachrichtendienste aufgefallen sein. Bereits seit Anfang August sitzt in Hannover-Langenhagen ein 29j�hriger Iraner in Abschiebehaft. Der Asylbewerber hatte aus dem Gef�ngnis heraus 12 Telefonate mit US-Dienststellen in den Staaten und 2 mit solchen in der BRD gef�hrt und versuchte h�nderingend, die Amerikaner vor einer terroristischen Gro�operation zu warnen. Nachdem Informationen �ber den seltsamen Abschiebeh�ftling durchsickerten, beeilten FBI und BKA sich, den Mann f�r verr�ckt erkl�ren zu lassen. Zudem fragt man sich, warum die nordamerikanische Luftabwehr Norad sich w�hrend der gesamten Operation im Tiefschlaf befand.

 

Die Br�nde in New York waren noch nicht gel�scht, als die Hatz auf die mutma�lichen T�ter begann. Die US-Streitkr�fte in aller Welt wurden in erh�hte Alarmbereitschaft versetzt, was �brigens auch das atomare Aufmunitionieren von Langstreckenbombern einschlie�t. Erstmals seit dem von den USA inszenierten Tonkin-Zwischenfall von 1964, der bekanntlich zur brutalen Eskalation des Vietnamkrieges f�hrte, stellte der Senat dem Pr�sidenten der Vereinigten Staaten einen Blanko-Scheck f�r die unbegrenzte Anwendung milit�rischer Gewalt aus. Alleine f�r die Zwecke von Milit�r und Innerer Sicherheit erh�lt Bush 20 Milliarden Dollar. Die Streitkr�fte ziehen 50.000 Reservisten ein, und 26 Luftwaffenst�tzpunkte in aller Welt befinden sich in Alarmbereitschaft. Die herausgeforderte Bush-Administration wird zweifelsohne ihre Position als einzige Supermacht der Welt zu verteidigen suchen - die Konsequenzen sind bislang nicht absehbar. Zun�chst scheint Bush bem�ht zu sein, eine weltweite Koalition gegen den islamischen Terrorismus zusammenzubringen, was auch Indien, China und Ru�land nicht unangenehm sein d�rfte. Nach entsprechender politischer Vorbereitung ist mit Ma�nahmen gegen das islamistische Taliban-Regime in Afghanistan zu rechnen. Zwei Fliegen lassen sich so mit einer Klappe schlagen: Die W�hlarbeit der Taliban in Zentralasien h�tte ein Ende, und nach den Interventionen auf dem Balkan k�nnten die Amerikaner sich auch in der anderen Flanke der bedeutsamen Erd�l- und Erdgasvorkommen in der Kaspiregion einnisten. Die NATO-Staaten stellten den kollektiven Verteidigungsfall gem�� Artikel 5 des Nordatlantikpaktes fest, womit sich die Verb�ndeten zur logistischen Unterst�tzung der USA verpflichteten. Die Amerikaner k�nnen nun auf die NATO-Infrastruktur zur�ckgreifen sowie auf Hilfsquellen ihrer Verb�ndeten. Die Feststellung des formellen B�ndnisfalles bedarf eines separaten Beschlu�verfahrens und hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn ein regelrechter Angriff aus dem Ausland nachgewiesen werden kann.

 

Professor Ernst-Otto Czempiel, prominenter Sicherheitsexperte und Friedensforscher, kritisierte in scharfer Form die Feststellung des kollektiven Verteidigungsfalles durch die NATO. Dieser h�tte laut NATO-Vertrag einen Angriff auf die territoriale Unversehrtheit der USA vorausgesetzt und nicht eine terroristische Operation. Die USA wollen ihre NATO-Partner in Konflikte verwickeln, an denen diese bislang nicht beteiligt gewesen seien. Auf diese Weise bringt Washington die Europ�er dazu, die Folgen einer Politik mitzutragen, auf die sie absolut keinen Einflu� haben. Zugleich diene die Erkl�rung des B�ndnisfalles der Absicht der US-Regierung, die NATO in eine "weltweit agierende Interventionsarmee" zu verwandeln.

 

Peinlich f�r die bundesdeutschen Nachrichtendienste: Zwei der Attent�ter hatten sich offenbar l�ngere Zeit vollkommen unbehelligt und unerkannt in Hamburg aufgehalten. Die Generalbundesanwaltschaft leitete Ermittlungen gegen eine islamistische Terrorzelle in der Hansestadt ein. Mit Mohammed Hatta und Marwan al Sheddi stammen zwei der mutma�lichen Selbstmordattent�ter von New York aus eben dieser Untergrundzelle. Generalbundesanwalt Nehm stellte jedoch fest, es gebe keinerlei Hinweise auf eine Verbindung der Gruppe zu Osama bin Laden. Mehrere der Islamisten studierten an der TH Hamburg Elektrotechnik, St�dteplanung und Schiffbau. An den Ermittlungen beteiligen sich auch Fachleute des FBI und des amerikanischen Secret Service, was ein bezeichnendes Licht auf die mangelnde Souver�nit�t der BRD wirft. Die BRD wird seit langer Zeit von islamistischen Organisationen wie Hamas, Hizbollah oder eben bin Ladens al-Quaida als Ruhe- und R�ckzugsraum genutzt. Hier leben gut 3,3 Millionen Muslime, von denen mit 2,5 Millionen der Gro�teil aus der T�rkei stammt. Etwa 650 000 Muslime besitzen die deutsche Staatsb�rgerschaft.

 

Die Anschl�ge auf das WTC und das Pentagon lie�en weltweit die Finanzm�rkte erzittern und drohen, eine globale Rezession auszul�sen. Der DAX brach auf der Stelle um mehr als 200 Z�hler ein, und der Nemax 50 erreichte ein historisches Rekordtief. Wall Street sowie die Rohstoff- und Terminb�rsen in Chicago nahmen den Handel gar nicht erst auf. Bei Bekanntwerden der Nachrichten setzten auch Lissabon und Mexico City den Handel aus. Dieser Ma�nahme schlossen sich auch die lateinamerikanischen Leitb�rsen und Taiwan an. Der �lpreis schnellte um 10 % in die H�he, und der Golfpreis erreichte einen Jahresh�chststand. Zeitlich versetzt fiel der japanische Nikkei-Index auf ein 17-Jahres-Tief; zu massiven Kursverlusten kam es auch in Hongkong und Seoul.

 

Bundeskanzler Schr�der bezeichnete die Kamikaze-Operation gegen die USA als "Kriegserkl�rung gegen die gesamte zivilisierte Welt" und sicherte Washington die uneingeschr�nkte Solidarit�t der BRD zu. Keine 24 Stunden zuvor war das internationale Ansehen der Vereinigten Staaten so gering wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Binnen weniger Monate hatte die Bush-Administration internationale Abr�stungsabkommen gebrochen, die Klimakonvention von Kyoto in einen Fetzen Papier verwandelt, mit biologischen Waffen experimentiert und die Welt an den Rand eines atomaren Wettr�stens in Fernost gebracht. Die traditionell aggressive und gewaltt�tige Au�enpolitik der USA schlug in Form des 11. September auf sie selbst zur�ck. In aller Welt ergeht sich die �ffentlichkeit in verlogenen Beileidskundgebungen f�r die Opfer der Anschl�ge, selbstredend auch f�r die nicht ganz so unschuldigen Milit�rs im Pentagon oder die Globalisierungsmanager und ihre Kollaborateure im WTC. Amerika steht nicht f�r freedom and democracy, sondern f�r Ausbeutung, Unrecht und Leid in allen Erdteilen. In den Vereinigten Staaten selbst vegetiert ein Drittel der Bev�lkerung unter unglaublichen Bedingungen buchst�blich als menschlicher M�ll im Elend vor sich hin. Die USA griffen ein kapitulationswilliges Japan mit Kernwaffen an, sie massakrierten durch Terrorangriffe in Korea und Vietnam Abermillionen, sie provozierten die Teilung Deutschlands und Europas und damit den Kalten Krieg. Sp�testens seit den 20er Jahren pl�ndern US-Konzerne mit Hilfe der US-Regierung und deren Kriegs- und Geheimdienstmaschinerie ganze Nationen aus. Die USA unterst�tzten die Macht�bernahme krimineller Milit�rdiktatoren in Lateinamerika, f�hrten dreckige Stellvertreterkriege in aller Welt, unterwarfen das irakische Volk einer v�lkerm�rderischen Hungerblockade und lie�en ihre Nachrichtendienste manipulieren, f�lschen und t�ten. Seit dem sich abzeichnenden Zusammenbruch des Ostblocks, der durch die Reagan-Administration buchst�blich kaputtger�stet wurde, geriert man sich in Washington und New York als Herr der Welt. In dieser Funktion unterwerfen die USA seit Anfang der 90er Jahre schrittweise den gesamten Erdball der Kontrolle des Globalisierungskapitals, notfalls wird mit Waffengewalt - ironischerweise bevorzugt aus der Luft - wie auf dem Balkan oder im Nahen Osten nachgeholfen. Luftschl�ge mit Tausenden von Toten waren bislang eher das Brot des Irak, des Sudan, Panamas, Vietnams, Libyens, Koreas oder Jugoslawiens. Mitleid - Nein.

 

Eva Corino formulierte in der "Berliner Zeitung": "In Ruanda ist eine halbe Million Menschen niedergemetzelt worden, ohne da� das Leben in Deutschland zu einer einzigen Gedenkminute erstarrt w�re. Und wahrscheinlich sind am Dienstag ebenso viele Menschen an Hunger gestorben wie unter den Tr�mmern des World Trade Centers noch begraben liegen - ohne da� sich diese Nachricht zu unserem Herzen durchgefragt h�tte. (...) Aber so ist das eben mit der menschlichen Natur: Die Identifikation mit den Angeh�rigen 'unserer' Kultur kostet weniger M�he. Das Mitleid steigt mit der Wahrscheinlichkeit, dass uns ein vergleichbarer Anschlag treffen k�nnte. Die Globalisierung ist streng genommen keine globale. Die eine Welt besteht im Wesentlichen aus den L�ndern Nordamerikas und Europas, w�hrend die als 'unterentwickelt' bezeichneten V�lker auf einem anderen Planeten zu leben scheinen, weil sie keine eigene Homepage haben."

 

Ebenfalls in der "Berliner Zeitung" hie� es in einem namentlich nicht gekennzeichneten Beitrag: "Wir stehen bereit - aber wof�r?": "Das auf den kritischen Umgang mit der Vergangenheit gegr�ndete Selbstverst�ndnis der Bundesrepublik wird in diesen Tagen verabschiedet. (...) Nachhaltiger als durch die jetzt eingetretene Lage h�tte Carl Schmitts Freund-Feind-Unterscheidung als Definition des Politischen nicht best�tigt werden k�nnen. Umso verwunderlicher ist es, da� in den �ffentlichen Reaktionen kaum ein Gedanke den m�glichen Konsequenzen gewidmet wird, da� die Feindschaft in den sch�rfsten, alles M�gliche legitimierenden T�nen beschworen wird, die Ma�nahmen, zu denen Deutschland im Rahmen der Nato und des ausgerufenen 'B�ndnisfalls' verpflichtet ist, aber au�en vor bleiben. Die Bundesregierung sagt: Wir stehen bereit, aber wir werden schon nichts tun m�ssen. Die begeisterten Massen im August 1914 waren realistischer; man t�uschte sich in der Dauer des Krieges, aber da� man t�ten werde, war wenigstens allen klar. Der Feind ist immer zweierlei, hat der allzu fr�h verstorbene Privatgelehrte Panajotis Kondylis geschrieben, 'er ist handfeste Existenz, wenn es um seine Bek�mpfung geht, und er existiert als Schein, wenn er an den Normen des ,wahren' Seins gemessen wird'. Im ersten Fall haben wir es bislang mit Terroristen zu tun, gegen die man staatliche Geheimdienste, Polizei und m�glicherweise Milit�r braucht. Vielleicht aber auch nur eine gute Diplomatie, insofern das von Bombardierung bedrohte Afghanistan Gespr�che �ber die Auslieferung Bin Ladens angeboten hat.
Im zweiten Fall ist die Qualit�t der Feindschaft eine ganz andere. Hier ist pl�tzlich - da kennt man keine Parteien mehr - von 'teuflischen Kr�ften' (Peter Struck), vom 'B�sen schlechthin' (Friedrich Merz), vom 'Anschlag auf die offene Gesellschaft �berhaupt' (Rezzo Schlauch) die Rede, ja von der 'Internationale des Schreckens' ('Die Zeit'). Diese Gei�elung der Menschheits-, ja der Weltfeinde verweist auf eine gef�hrliche Dynamik des ethischen Universalismus der Menschenrechte. Er neigt dazu, das Sein mit dem Sollen zu vermischen, also die Gegner seiner Ausbreitung von vornherein als 'Feinde' und nicht als 'Andere' zu adressieren. Noch einmal Kondylis: 'Der Feind ist nicht nur die Negation, sondern auch der Existenzgrund des Ausbaus eigener Macht, und deshalb muss er, so paradox dies auch sein mag, gleichzeitig im Zaume gehalten und am Leben erhalten werden.'� (...)
Jetzt zieht die Stimmung jenes Sommers erneut auf, aber keiner erkennt sie wieder. Alle r�cken zusammen, sogar die Atheisten gehen in die Kirche. Die zum Stereotyp gewordene These der politischen Philosophie, dass die liberalen Gesellschaften die Voraussetzungen, unter denen sie existieren, nicht selbst reproduzieren k�nnten, ist von einem Tag auf den anderen widerlegt: 'Auch die westlichen Gesellschaften, das zeigen einfache Verhaltensweisen, r�cken auf schwer bestimmbare Weise zusammen', stellte die FAZ dieser Tage fest. Und nicht nur das: 'Es w�re zu w�nschen, dass dieses Gef�hl sich in einen Willen verwandelt, der zu Taten f�hrt.' Man kann sich die Taten eines kommenden Krieges als 'Strafaktionen' sch�nreden. An ihrer Qualit�t wird das nichts �ndern."

 

Bei Angriffen US-amerikanischer und britischer Kampfflugzeuge auf Ziele im S�dirak sind nach einer Meldung der irakischen Nachrichtenagentur INA noch vor dem Angriff auf das WTC 8 Zivilisten get�tet und 3 verletzt worden. Die alliierten Terrorbomber attackierten Bauernh�fe in der Provinz Wasit. Das US-Verteidigungsministerium hatte mitgeteilt, Ziel seien Raketenstellungen im S�dirak gewesen. Es handelte sich um den vierten Luftangriff auf den Irak innerhalb einer knappen Woche. Da verwundert es kaum, da� die Nachrichten aus New York von der irakischen F�hrung mit Begeisterung aufgenommen wurden. Das Staatsfernsehen unterlegte die Bilder der Verw�stung mit dem Liedrefrain "Nieder mit Amerika". Saddam Hussein erkl�rte: "Die USA schmecken die Niederlage f�r ihre �beraus schrecklichen Verbrechen und ihre Vergehen gegen den Willen der V�lker, die nach einem freien und ehrlichen Leben streben."

 

Die Familie des 1970 unter Beteiligung der CIA ermordeten chilenischen Generals Schneider wird in den Vereinigten Staaten Strafanzeige gegen den damaligen US-Au�enminister Henry Kissinger stellen. Schneider wurde seinerzeit von der CIA und chilenischen Rechtsextremisten entf�hrt und ermordet, um den Amtsantritt des gew�hlten sozialistischen Staatspr�sidenten Salvador Allende zu verhindern. Das Verbrechen wurde von Pr�sident Nixon und Kissinger angeordnet. Noch hatte man kein Gl�ck, aber 1973 putschte sich mit Hilfe des BND, der deutschen Botschaft, der CIA und nordamerikanischer Konzerne der ber�chtigte General Pinochet an die Macht. Dem H�rensagen nach streben andere Kreise einen V�lkermordproze� gegen Kissinger an, der sich f�r die Verbrechen der US-Regierung in Vietnam verantworten soll.

 

Israel nutzte die Gunst der Stunde f�r einen mit Bodentruppen ausgef�hrten Schlag gegen die pal�stinensische Stadt Jenin, wo es zu anhaltenden H�user- und Stra�enk�mpfen kam. Der franz�sische Botschafter Jacques Huntziger zog sich den Zorn der israelischen Regierung zu. Huntzinger erkl�rte, die Terroranschl�ge militanter Pal�stinenser in Israel k�nnten nicht mit denen in den USA verglichen werden. Es w�re v�llig unverantwortlich, die Lage hier und die in den USA zu vergleichen, sagte der Botschafter auf einem Empfang des israelischen Staatspr�sidenten Mosche Katzav zum j�dischen Neujahrsfest. Der Terror im Nahen Osten stehe in Zusammenhang mit dem Konflikt zwischen Israelis und Pal�stinensern, was in den USA nicht der Fall sei. Erstmals seit Beginn der pal�stinensischen Selbstverwaltung vor 7 Jahren gingen israelische Sicherheitskr�fte gegen einen Arafat-Minister vor. Der f�r das von Israel widerrechtlich annektierte Ostjerusalem zust�ndige Siad Abu Siad wurde in seinem B�ro festgenommen und in das Westjordanland deportiert. Auch gegen den pal�stinensischen B�rgermeister Jamil Nasser soll ein Haftbefehl vorliegen. Die Opferzahlen der seit beinahe einem Jahr andauernden Al-Aqsa-Intifada in Nahost sind mittlerweile auf 170 Israelis und 648 Pal�stinenser angestiegen.

 

G�be es den Buhmann Osama bin Laden nicht, so m��te man ihn erfinden. F�r Polizei, Milit�r und Geheimdienste der westlichen Welt kommt das Massaker von New York wie gerufen. Mit einer radikalen Kompetenzausweitung und einem dramatischen Ausbau der Repressionsapparate ist zu rechnen. Europol und die Sicherheitsbeh�rden in den USA planen die Aufnahme einer transatlantischen Kooperation, was vor allem den Informationsaustausch angeht. Nur drei Stunden nach dem Angriff auf das WTC kreuzten FBI-Beamte bei nordamerikanischen Internetfirmen auf, um dort ihr umstrittenes �berwachungsprogramm Carnivore zu installieren. Eartlink und AOL arbeiten eng mit dem FBI zusammen, wobei letzteres auch Auswirkungen auf die Informationssicherheit in Europa haben wird. Bundesinnenminister Schily und sein bayrischer Amtskollege Beckstein gaben schon einen kleinen Vorgeschmack des Kommenden, indem sie eine Beteiligung der Bundeswehr an der Terrorbek�mpfung, Fingerabdr�cke in den Personalausweisen, erweiterte Zugriffsm�glichkeiten der Polizei auf Datenbest�nde oder die grunds�tzliche Registrierung einreisender Ausl�nder durch die Sicherheitsbeh�rden andachten. Beckstein ging noch einen Schritt weiter und forderte die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrates als Addition zum diskreten Bundessicherheitsrat, dem Gremium der f�r die innere und �u�ere Sicherheit der BRD relevanten Minister. Die Bundesregierung wird eine Aufstockung der Etats von Verfassungsschutz, BND, MAD und BKA er�rtern. In den 70er und 80er Jahren die RAF, in den 90ern die "Neonazis" und im beginnenden 21. Jahrhundert eben der Islamismus - ewig die alte Leier.

 

Kommentatoren, Wissenschaftler und Ideologen kramten angesichts der Ereignisse in New York Samuel P. Huntingtons "Clash of Cultures" aus den Schubladen hervor. Huntington schrieb seinerzeit, nicht Politik, Wirtschaft oder Ideologien seien die Ursachen f�r die heraufziehenden Konflikte des 21. Jahrhunderts, sondern die Unterschiede zwischen den Kulturkreisen der Welt. Unter den 8 kulturell bestimmten Machtbl�cken Huntingtons befinden sich der westlliche, der slawisch-orthodoxe, der chinesisch-konfuzianische und eben der islamische. Zwischen dem westlichen und dem islamischen Kulturkreis spielt sich seit 1400 Jahren eine Konfrontation ab, die auf die universalistische Natur der beiden Glaubensbekenntnisse zur�ckzuf�hren sei. Gleichzeitig wurzele das Konfliktmuster im Unterschied zwischen dem islamischen Konzeot einer Religion und Politik vereinenden Lebensform und dem westlich-christlichen Konzept von den getrennten Reichen Gottes und des Kaisers. Infolge der S�kularisierung im Westen greifen Muslime laut Huntington diesen an, weil er sich zu gar keiner Religion mehr bekenne. "In muslimischen Augen sind Laizismus, Irreligiosit�t und daher Unmoral des Westens schlimmere �bel als das westliche Christentum, das sie hervorgebracht hat." F�r die Zuspitzung des Konfliktes in den letzten Jahren gebe es f�nf Gr�nde: Das Bev�lkerungswachstum in moslemischen L�ndern habe eine riesige Zahl arbeitsloser junger Menschen hervorgebracht, die sich f�r die "islamistische Sache" einspannen lie�en. Zudem sei die Gewissheit der eigenen �berlegenheit gegen�ber dem Westen stark gewachsen. F�r enorme Verbitterung unter Muslimen sorgten die gleichzeitig betriebenen Bem�hungen des Westens, seine wirtschaftliche und milit�rische Hegemonie in der Welt aufrechtzuerhalten. Eine wichtige Rolle spielt nat�rlich auch der Zusammenbruch des Kommunismus: "Er beseitigte einen gemeinsamen Feind des Westens und des Islam und lie� beide als die Hauptfeinde des jeweils anderen zur�ck." Und schlie�lich haben der wachsende Kontakt und Austausch zwischen den beiden Kulturkreisen nicht gr��eres Verst�ndnis f�reinander bewirkt, sondern vielmehr auf beiden Seiten ein neues "Gef�hl f�r die eigene Identit�t" hervorgebracht.

 

In Mazedonien str�ubt sich die Staatsf�hrung gegen eine von EU und NATO angedachte internationale Folgemission. Selbst der als gem��igt geltende Staatspr�sident Trajkovski z�rnte, der einzige Garant eines stabilen Friedens seien mazedonische Sicherheitskr�fte und keine internationalen Verb�nde. Auch ohne ein internationales Mandat haben sich die 1900 britischen Soldaten der Task Force Harvest im Raum Tetovo zwischen die Kriegsparteien geschoben und die Region faktisch in einen albanischen und einen mazedonischen Bereich aufgeteilt. Um Mazedonien die weitere Anwesenheit der Interventionstruppen nach Ablauf des Mandats am 26. September ertr�glicher zu machen, stellte die EU eine Beteiligung Ru�lands und der Ukraine in Aussicht. Der von den USA und ihren europ�ischen Vasallen geplante Energiekorridor durch den Balkan hat einen Namen: Seit 1995 ist geplant, den Korridor 8 mit modernen Routen f�r Kommunikation, Energietransport und Verkehr von der bulgarischen Schwarzmeerk�ste durch Mazedonien und das Kosovo an die albanischen Adriah�fen auszubauen. Man beachte den zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der direkten westlichen Interventionen auf dem Balkan. Die multinationalen Konzerne halten sich jedoch noch zur�ck, bis f�r stabile Verh�ltnisse gesorgt ist.

 

In Syrien stellte die regierende Arabische Sozialistische Baath-Partei klar, da� sie ihre politische F�hrungsrolle auch weiterhin beansprucht. Auf Anordnung des Innenministeriums wurden die Menschenrechtsaktivisten Walid el Bouni und Kemal el Labwani, der unliebsame Abgeordnete Seif Riad und der KP-F�hrer Riad Turk verhaftet. Die Regierung warnte Intellektuelle und Oppositionelle vor weiteren "Angriffen auf die Verfassung und die nationale Einheit". In Damaskus soll bereits eine schwarze Liste mit den Namen von 30 als regierungsfeindlich eingestuften Intellektuellen kursieren.

 

Bei den norwegischen Parlamentswahlen zeichnete sich ein Regierungswechsel ab. Die regierenden Sozialdemokraten erlitten ein verheerende Wahlniederlage und fielen unter Verlust von 10,6 Prozentpunkten und 22 Mandaten auf 24,4 % der Stimmen und 43 Sitze zur�ck. Damit haben die Sozialdemokraten ihr schlechtestes Ergebnis seit 1924 eingefahren. Klarer Wahlsieger und zweitst�rkste Partei sind die Konservativen mit 21,2 %, deren Parteichef Jan Petersen die Bildung eines B�rgerblocks ank�ndigte. Die rechtsgerichtete Fortschrittspartei fiel nach einer Reihe von Skandalen auf 12,4 % zur�ck, gefolgt von der Christlichen Volkspartei mit 11,8 %. Die Sozialistische Linkspartei konnte sich von 6 auf 16 % steigern.

 

Bei den Kommunalwahlen in Niedersachsen setzte sich der Trend zum Wahlboykott fort. Mit 56,2 % hat die Wahlbeteiligung auch hier einen historischen Tiefstand erreicht. In Delmenhorst gingen gar nur 39,5 % der Wahlberechtigten an die Urne. Die CDU behauptete sich als st�rkste Kraft auf kommunaler Ebene und verbesserte sich um 0,9 Prozentpunkte auf 42,6 %. Die SPD verfehlte ihre ehrgeizigen Ziele und mu�te sich mit 38,6 % gescheiden. Nach Verlust von 2,3 Prozentpunkten behaupteten die Gr�nen sich mit 6,7 % nur noch knapp als drittst�rkste Kraft vor der FDP, die von 4,6 auf 6,2 % zulegte. �rtliche Achtungserfolge gelangen der PDS mit 2,2 % in Emden (wo �brigens die SPD katastrophale Verluste von 16,5 Prozentpunkten hinnehmen mu�te), mit 3,9 % in Oldenburg-Stadt, mit 2,6 % in Braunschweig und mit 1,4 % in Wolfenb�ttel. Die DKP erreichte in ihrer "Hochburg" Nordhorn 3,1 %. Die einzig nennenswerten "rechten Ergebnisse" sind dasjenige der Republikaner mit 1,6 % in Delmenhorst und der Kreistagsabgeordnete der Deutschen Partei in Harburg, ansonsten erreichte man nur unbedeutende Ergebnisse auf unterer Ebene. Bei den gleichzeitigen Direktwahlen der B�rgermeister und Landr�te konnte die SPD sich allerdings in der Landeshauptstadt Hannover im ersten Wahlgang deutlich behaupten.

 

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