Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 20. bis 26. Oktober 2001

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Partisanen sprengen Colafabrik in Indien

Weiter kritische Lage in Pakistan

 

Zitat der Woche:
"Die Agitation in der Aktion, die sinnliche Erfahrung der organisierten Einzelk�mpfer in der Auseinandersetzung mit der staatlichen Exekutivgewalt bilden die mobilisierenden Faktoren in der Verbreiterung der radikalen Opposition und erm�glichen tendenziell einen Bewu�tseinsproze� f�r agierende Minderheiten innerhalb der passiven und leidenden Massen, denen durch sichtbar irregul�re Aktionen die abstrakte Gewalt des Systems zur sinnlichen Gewi�heit werden kann."
- Rudi Dutschke

Im indischen Bundesstaat Andra Pradesh attackierten maoistische Guerrilleros von der PWG eine Coca Cola-Fabrik bei Guntur und z�ndeten in dem Komplex vier Landminen, die einigen Sachschaden anrichteten. Die PWG (People�s War Group) k�mpft in Andra Pradesh f�r eine Landreform zugunsten der Kleinbauern und Landarbeiter. In einer Erkl�rung k�ndigten die Partisanen weitere Angriffe gegen westliche Unternehmen an, mit denen sie gegen den US-Imperialismus und die Operationen in Afghanistan protestieren wollen.

 

Nach Andeutungen im irischen Radiosender RTE aus dem Munde von Gerry Adams pers�nlich leitete der IRA Army Council Ma�nahmen zur Entwaffnung der katholischen Untergrundarmee ein. Sehr wahrscheinlich wurde ein den internationalen Kontrolleuren bekanntes Waffenarsenal aufgel�st und der Inhalt unbrauchbar gemacht. Mit einer vielbeachteten Rede in West Belfast erkl�rte Adams, mit der Waffenabgabe durch die IRA k�nne der seit Monaten anhaltende Stillstand im nordirischen Friedensproze� �berwunden und das Karfreitagsabkommen gerettet werden. Beschw�rend rief der Sinn F�in-Vorsitzende die IRA-Aktivisten und die republikanische Basis zur Einheit auf und ermahnte (wie auch das irische Au�enministerium) die britische Regierung, endlich ihrer Verpflichtung zur Entmilitarisierung nachzukommen. Das taten die Briten auf ihre Weise, indem sie ganze 4 ihrer 63 Milit�rst�tzpunkte in Nordirland r�umten. Noch immer stehen 13-15.000 Mann britischer Truppen in der Provinz, hinzu kommen die 5000 Aktiven und 3000 Reservisten des Royal Irish Regiment RIR. Immerhin ist nun mit der Bildung einer funktionsf�higen nordirischen Regierung unter Beteiligung Sinn F�ins, einer Amnestie f�r exilierte Republikaner und einer unabh�ngigen richterlichen Untersuchung der Zusammenarbeit britischer Geheimdienste mit loyalistischen Todesschwadronen zu rechnen. Sinn F�in transformiert den nordirischen Konflikt damit auf eine rein politische Ebene und das zu einem Zeitpunkt, zu dem die katholische Bev�lkerungsgruppe namentlich in Belfast sich massivstem loyalistischen Terror ausgesetzt sieht. Erstmals nicht nur in der Geschichte der republikanischen Bewegung, sondern auch des Guerrillakrieges lieferte eine unbesiegte Truppe ihre Waffen dem Feind aus. Bei Zusammenst��en in North Belfast wurde ein loyalistischer Randalierer von einem IRA-Volunteer niedergeschossen und verletzt. Ferner erlitt ein 8j�hriges katholisches M�dchen bei einem loyalistischen Rohrbombenanschlag R�ckenverletzungen. Selbst der relativ zur�ckhaltende Nordirlandminister Reid titulierte die der Ulster Defence Association nahestehenden T�ter �ffentlich als "Abschaum".

 

Die UDA lie� bereits verlauten, keinesfalls dem Beispiel der IRA folgen zu wollen und etwa ihre Waffen abzugeben. Auch die Ulster Volunteer Force UVF und die Red Hand Defenders verweigerten entsprechende Schritte. Nach �u�erungen aus UDA-Kreisen werden die Loyalisten ihre Waffen erst dann abgeben, wenn die britische und nordirische Regierung Ma�nahmen zur Unterst�tzung der notleidenden protestantischen Unterschicht ergreifen. In der vertikal gespaltenen nordirischen Gesellschaft gibt es neben einem gro�en katholisch-republikanischen eben auch ein starkes protestantisch-loyalistisches Proletariat, das bei Arbeitslosenquoten von 30 % und mehr in seiner Verzweiflung auf die Paramilit�rs und nicht mehr auf die etablierten Unionistenparteien UUP und DUP setzt. Alleine in North Belfast soll die St�rke der UDA auf rund 2000 Mann angewachsen sein, und die loyalistische Militanz richtet sich nicht nur gegen die als Konkurrenz empfundenen Katholiken, sondern immer sch�rfer gegen die britischen Truppen und die Polizei.

 

Ruair� O�Br�daigh, Vorsitzender von Republican Sinn F�in, kritisierte die Waffenabgabe der IRA zum Tiefpunkt der irischen Geschichte. Zwar h�tten auch die Parteien der Republik Irland republikanischen Prinzipien verraten und die britische Herrschaft in Nordirland akzeptiert, aber sie h�tten niemals Waffen zerst�rt, die ihnen zum Kampf f�r die Unabh�ngigkeit Irlands gegeben wurden. Zudem w�rde Sinn F�in fr�her oder sp�ter zur Mitarbeit in der nordirischen Polizei aufrufen, womit die konterrevolution�ren Provisionals gegen ihre ehemaligen republikanischen Kameraden von RIRA oder CIRA vorgehen. Der Army Council der RSF-nahen Continuity IRA verurteilte die Entwaffnungsschritte der IRA als Verrat und betonte, man werde den Kampf gegen die britische Herrschaft fortsetzen.
Die Real IRA wandte sich mit einem Angebot an die irische Regierung, ihre milit�rischen Operationen in der Republik einzustellen, wenn Dublin die rund 30 Kriegsgefangenen der RIRA freil��t. Das irische Innenministerium lehnte jedes Abkommen mit den republikanischen Hardlinern ab. Im Gegensatz zur RIRA lehnt die Continuity IRA weiterhin Verhandlungen mit der irischen Regierung ab.

 

Der in Frankreich inhaftierte venezolanische Topterrorist Carlos gew�hrte der Tageszeitung "El Universal" ein Interview zu den Anschl�gen auf das World Trade Center und das Pentagon. Ein Gro�teil der Opfer des 11. September seien feindliche Soldaten in Uniformen und Krawatten. Carlos verlieh seiner Sympathie f�r den revolution�ren und antiimperialistischen Krieg Osama bin Ladens gegen die USA Ausdruck. Die Angriffe h�tten die Kommandozentralen der gegen die V�lker der Welt gerichteten imperialistischen US-Aggression getroffen - die milit�rische Zentrale im Pentagon und die Zentrale der Finanzspekulation in New York. "Alle die gegen die imperialistische Arroganz aufstehen, sind eindeutige Verteidiger der Weltrevolution."

 

Vor der britischen Atomwaffenbasis im schottischen Faslane kam es zu einer von linken und nationalistischen Gruppen organisierten Protestkundgebung. Die britischen Sicherheitsorgane griffen hart durch und inhaftierten eine Reihe von Demonstranten. Unter den Verhafteten befanden sich Tommy Sheridan, Vorsitzender der Scottish Socialist Party, der schottische Parlamentsabgeordnete Lloyd Quinan und zwei presbyterianische Geistliche. Sehr zum Ungl�ck f�r die britische Regierung wurde auch die im Schutze besonderer Immunit�t stehende gr�ne EU-Abgeordnete Patricia McKenna festgenommen und landete gar in Untersuchungshaft. Nicole Fontaine als Pr�sidentin des Europaparlaments nahm sich der Aff�re bereits an.

 

Die Bundesregierung verabschiedete die ber�chtigte Telekommunikations-�berwachungsverordnung TK�V. Die TK�V regelt die technischen und organisatorischen Vorkehrungen, die von den Anbietern �ffentlicher Telekommunikationsdienste zu treffen sind, um eine �berwachung durch Polizei und Geheimdienste zu erm�glichen. Betroffen sind beispielsweise Festnetz- und Mobilfunktelefone, Faxger�te, E-Mail-Verkehr uns SMS-Nachrichten. Auf richterliche Anordnung (bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft) haben die Anbieter den Repressionsorganen die �berwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation verd�chtiger Kunden zu gestatten. Als Regierungsverordnung bedarf der Entwurf nicht der parlamentarischen Zustimmung. Bereits vor der TK�V wurden t�glich in der BRD 4000 Telekommunikationsverbindungen �berwacht. Passenderweise erhielt Bundesinnenminister Otto Schily den Big Brother Award 2001 f�r den "Abbau von B�rgerrechten, Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung", wie der Verein zur F�rderung des �ffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs mitteilte. Der Preis ging auch an Bundeswirtschaftsminister M�ller, dessen Ministerium die TK�V erarbeitete.

 

Sibghatullah al-Mojaddedi, ehemaliger Pr�sident Afghanistans und F�hrer der Afghanischen Nationalen Befreiungsfront, forderte ein Ende der anglo-amerikanischen Luftangriffe. Angesichts der bereits mehr als 1000 Todesopfer unter der Zivilbev�lkerung drohe die Stimmung im Land allm�hlich zugunsten der Taliban zu kippen. Beispielsweise hat sich Gulbuddin Hekmatjar, bekannter Guerrillaf�hrer im Kampf gegen Moskau, den Taliban mit seinen M�nnern angeschlossen. Die Zahl von 1000 Toten scheint uns beinahe zu niedrig gegriffen, denn nach Meldungen aus Afghanistan starben alleine am Wochenende bei Luftangriffen 110 Zivilisten. Am Montag legten die Sendboten der westlichen Wertegemeinschaft ein Krankenhaus in Herat in Tr�mmer und ermordeten rund 100 Wehrlose. Zudem wurden hier die Lagerhallen des Weltern�hrungsprogrammes UNEP und eine Moschee zerst�rt. UNEP-Lagerhallen mit Nahrungsmitteln und raren Medikamenten fielen auch in Kabul der Vernichtung anheim. Das Hospital von Kandahar wurde angegriffen und zerst�rt, zudem starben 52 Menschen durch Bombentreffer in einer nahen Nomadensiedlung. Weitere ca. 50 Zivilopfer gab es hier, als alliierte Terrorflieger einen vollbesetzten Reisebus angriffen. Internationale Beobachter best�tigten Taliban-Meldungen, nach denen die Amerikaner in Kadam bei Jalalabad rund 200 Dorfbewohner t�teten. Der amerikanische Generalstab bereitet sich darauf vor, da� die Operationen in Afghanistan bis ins Jahr 2002 hinein andauern werden. Immer deutlicher werden die Anzeichen, da� es zu einem Einsatz westlicher Bodentruppen kommen wird. Bush erteilte unterdessen der CIA die offizielle Vollmacht, gegebenenfalls Aktivisten der al-Qaida zu t�ten. An oberster Stelle der CIA-Mordliste steht naturgem�� Osama bin Laden. Erstmals wieder seit 1973 d�rfen Amerikas Geheimdienste auch offiziell in aller Welt Personen liquidieren. An einer Verst�ndigung ist Washington offensichtlich nicht gelegen - ungeh�rt verhallte der Appell einer Konferenz von einigen Hundert Exilpolitikern und afghanischen Stammesf�rsten, die Luftangriffe so schnell wie m�glich zu beenden und im Ramadan Verhandlungen einzuleiten.

 

Bei den gr��ten Demonstrationen gegen die USA seit dem Beginn der Milit�rangriffe auf Afghanistan haben sich Zehntausende Islamisten in Pakistan auf die Seite der Taliban gestellt. In Sprechch�ren nannten die Demonstranten den pakistanischen Pr�sidenten Musharraf einen Verr�ter. 50 000 Demonstranten z�hlte die Polizei alleine in Karachi. Bei einem Gefecht zwischen indischen Sicherheitskr�ften und pakistanischen Separatisten in der Himalaya-Region Kaschmir sind nach offiziellen Angaben sechs Menschen ums Leben gekommen. Vier Separatisten h�tten versucht, einen Milit�rflughafen im indischen Bundesstaat Jammu und Kaschmir zu st�rmen, teilten die indischen Beh�rden mit. Indiens Ministerpr�sident Atal Behari Vajpayee warf Pakistan erneut vor, die Rebellen in Kaschmir zu unterst�tzen. Die indische Regierung hat unter Berufung auf neue Anti-Terror-Gesetze 25 Organisationen verboten. Zu ihnen geh�ren separatistische Moslemgruppen in Kaschmir und Milizen, die f�r die Abspaltung von Regionen im Nordosten Indiens k�mpfen.

 

Das Dorf Beit Rima, Heimatort der M�rder des israelischen Tourismusminister Zeevi, wurde Ziel einer massiven Milit�raktion, bei der 10 Einwohner erschossen und Dutzende verletzt wurden. Teilweise machten die Angreifer aus Hubschraubern heraus Jagd auf zivile Fl�chtlinge. Dutzende wurden von den Israelis verhaftet und verschleppt. Herbeieilende Helfer des Roten Halbmondes und internationaler Organisationen wurden erst nach 5 Stunden zu den Schwerverletzten vorgelassen. Die Sanit�ter, �rzte und Fahrzeuge des Roten Halbmonds sind seit Beginn der Unruhen vor einem Jahr Freiwild f�r die zionistische Soldateska - bislang wurden 156 israelische Angriffe auf die Hilfsorganisation gez�hlt. Die Bilanz sind 116 verletzte Sanit�ter und der Ausfall von 70 % des Fuhrparks. Die Vereinten Nationen und Frankreich kritisierten das israelische Vorgehen scharf, �gyptens Pr�sident Mubarak sprach gar von einer "Politik des Massenmords".

 

In den Gef�ngnissen der pal�stinensischen Autonomiebeh�rde haben mindestens 37 Aktivisten der PFLP einen Hungerstreik begonnen. Die auf Druck Israels Inhaftierten protestieren gegen ihre Gefangenschaft und fordern die pal�stinensische Einheitsfront gegen die israelische Besatzungsherrschaft. Auch die Fatah, die st�rkste Fraktion der PLO, forderte von Arafat die Aufhebung aller Ma�nahmen gegen die PFLP. Der Pal�stinenserpr�sident verweigert immerhin beharrlich die Auslieferung von Attent�tern an Israel, da diese gem�� dem Oslo-Abkommen von pal�stinensischen Gerichten abgeurteilt werden sollen. Derweil w�ten israelische Truppen in den Autonomiest�dten - unter den Toten sollen sich auch 3 Frauen und mehrere Kinder befinden - und verw�sten die mit internationaler Hilfe gebauten Infrastruktureinrichtungen. Angesichts der israelischen Gewaltexzesse im Westjordanland setzten die pal�stinensischen Beh�rden die angek�ndigte Beschlagnahme von Waffen militanter Gruppierungen aus. Das Vorgehen der israelischen Truppen nahm derartige Ausma�e an, da� sich die US-Regierung um die Stabilit�t ihrer Antiterrorkoalition besorgt zeigt und Tel Aviv massiv zum R�ckzug aufforderte. Prompt machte die sattsam bekannte Anti-Defamation League unter ihrem Generalsekret�r Abraham Foxman gegen die drohende Wendung in der amerikanischen Nahostpolitik mobil. Nachdem die Zionisten binnen nur einer Woche 40 Pal�stinenser ermordeten, stieg die Zahl der Toten der al-Aksa-Intifada auf 758 auf pal�stinensischer und 182 auf israelischer Seite.

Nach 18 Jahren Kriegsgefangenschaft wurde der RAF-Aktivist Rolf Hei�ler auf Entscheidung des OLG D�sseldorf entlassen. Hei�ler wurde 1982 wegen gemeinschaftlichen Mordes an zwei Zollbeamten, gemeinschaftlichen schweren Raubes und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Bew�hrungszeit des Entlassenen bel�uft sich auf 5 Jahre. Der ebenfalls zu lebenslanger Haft verurteilte Johannes Weinrich, enger Mitarbeiter des legend�ren Carlos, soll erneut angeklagt werden. Gegen den 54-J�hrigen liege eine zweite Anklage der Berliner Staatsanwaltschaft wegen 6fachen Mordes und Mordversuchs in 153 F�llen vor. Das Belastungsmaterial kommt unter anderem aus Archiven der Stasi.

 

Freyja Scholing, Mitbegr�nderin der Gr�nen, ist aus der Partei ausgetreten. Anla� war die Zustimmung der Gr�nen zum Milit�reinsatz in Afghanistan. "Ich habe mein Parteibuch zur�ckgegeben. Das hat nichts mehr mit Gewaltfreiheit zu tun, was da l�uft." Zuvor hatte sich Angelika Beer, die Wehrexpertin der Kriegspartei unter �kologisch-humanistischem Deckmantel, erneut f�r weitere Milit�roperationen gegen die Taliban ausgesprochen. Auch die SPD-Bundestagsabgeordneten R�diger Scheer und Hermann Veit sprachen sich offen gegen die US-Aggression aus. Mecklenburg-Vorpommerns Landtagspr�sident Hinrich Kuessner soll dem Vernehmen nach gar mit einem Parteiaustritt gelieb�ugelt haben.

 

Die Landtagswahlen in der Bundeshauptstadt Berlin endeten mit einem historischen Debakel f�r die CDU. St�rkste Partei ist nun die SPD, die sich auf 29,7 % und 44 Abgeordnete steigerte. Mit ihrem unpopul�ren und offensichtlich �berforderten Kandidaten Frank Steffel brach die CDU auf 23,7 % und 35 Sitze ein und ist erstmals seit der Annexion der DDR nicht mehr st�rkste Partei in Berlin. Mit 17,1 Prozentpunkten fuhr die Union die dritth�chsten Stimmenverluste in der gesamten bundesdeutschen Parteiengeschichte ein - nur die CSU 1950 in Bayern und die SPD 1950 in Westberlin erlitten schwerere Niederlagen. Drittst�rkste Partei in Berlin ist die PDS mit 22,6 % und 33 Mandaten. Im Osten der Stadt erhielten die Sozialisten beinahe 50 % und alle Direktmandate, im Westen �bersprangen sie mit 6,9 % erstmals die F�nfprozenth�rde. Mit 9,9 % erhielt die FDP das beste Berliner Ergebnis seit 1954 und zieht wieder mit 15 Abgeordneten in die B�rgerschaft ein. Unter den k�nftigen FDP-Abgeordneten im Berliner Abgeordnetenhaus befinden sich mit Axel Hahn, Holger Krestel und Wolfgang Mleczkowski drei Vertreter des sogenannten nationalliberalen Fl�gels. Die Gr�nen mu�ten sich mit 9,1 % und 14 Sitzen bescheiden und haben damit zum 18. Mal in Folge bei einer Wahl auf Bundes- oder L�nderebene Verluste erlitten. Die Wahlbeteiligung lag bei 70,5 %. Auf kommunaler Ebene zog die PDS erstmals in alle Bezirksverordnetenversammlungen ein, ebenso die FDP. Die Republikaner �bersprangen in Neuk�lln die 3-Prozent-H�rde, ebenso die STATT-Partei in Treptow-K�penick. Der Wahlausgang erm�glicht sowohl eine rosa-rote-Koalition wie auch eine Ampelkoalition, wobei letztere von der Bundesregierung und dem SPD-Bundesvorstand knallhart gesagt aus milit�rischen Gr�nden deutlich bevorzugt wird. Die W�hlerverluste der CDU stiegen mit zunehmendem Alter an, und die SPD konnte interessanterweise nur bei den Jahrg�ngen �ber 30 zulegen, damit ihre zunehmende Vergreisung best�tigend. Eigentlicher Nutznie�er der CDU-Schlappe ist die FDP, die vor allem in den Unionshochburgen zulegen konnte. Die Jugend der Bundeshauptstadt w�hlte �berdurchschnittlich oft die PDS. Der erstmals bei der Hamburg-Wahl zu beobachtende Trend einer zunehmenden Fragmentierung der Parteienlandschaft setzte sich auch in Berlin fort - die zwei "Volksparteien" geraten unter Druck.

 

Mit einer Sprachberatungsstelle will die Deutsche Akademie f�r Sprache und Dichtung auf den Einfluss der englischen auf die deutsche Sprache reagieren. Dort sollen geeignete englische Begriffe �bersetzt werden. Au�erdem sollen allen Interessierten Fragen zu Sprachproblemen beantwortet werden. "Eine solche Stelle gibt es in Deutschland nicht, und wenn die anderen es nicht machen, m�ssen wir es tun", sagte Akademiepr�sident Christian Meier auf der Herbsttagung in Darmstadt. In der Akademie sind 160 Schriftsteller, �bersetzer und Wissenschaftler organisiert.

 

In der verdienten "Berliner Zeitung" verfa�te Stephan Speicher den bemerkenswerten Aufsatz "Krieg ohne Staat" �ber die Vorg�nge in Afghanistan: "Wieder ist der Westen dabei, mit Einsatz milit�rischer Gro�technologie ein Problem anzugehen. Es liegt darin das Versprechen k�hler Effizienz wie in aller Technik und die leidliche Aussicht, das eigene Leben zu sch�tzen. Der Terror aber, den man doch bek�mpfen will, hat bereits das Ma� vorgegeben. Will man ihn bek�mpfen, so mu� dieser Kampf wohl eine Form der Polizeiarbeit annehmen, und die setzt die Beherrrschung des Bodens voraus.
Der Luft- und Bombenkrieg ist ein Krieg gegen Staaten. So wird die Infrastruktur vernichtet, so werden Truppenkonzentrationen angegriffen. Aber den neuen Gegnern des Westens, ob es nun El Quaida ist oder die Taliban, fehlt dieser staatliche Charakter. Es fehlen jene Formen von Staat, Wirtschaft, Milit�r, die mit der Gro�technologie anzugreifen w�ren. (...)
Nun hat der Westen einen Gegner gefunden, von dem man kaum wei�, welches seine Regierung ist. Und auch das Verh�ltnis von Volk und Armee ist denkbar unklar. Ja, kaum kann man von einer Armee sprechen. Es sind Kombattanten an den verschiedenen Fronten. Teils sind es prinzipienfeste, religi�s durchdrungene Krieger, die auch Bin Laden sch�tzen m�gen, teils Warlords, die ihre Kr�fte wechselnden Seiten zur Verf�gung stellen. Ein staatliches Monopol milit�rischer Macht gibt es nicht mehr, hat es in Afghanistan wohl auch allenfalls zeitweilig gegeben. (...)
Die neuen Konflikte aber, die in Indochina begannen, zeigten dem Westen einen neuen Typus des Gegners. Dessen schw�chere staatliche Verfassung erschwert die Einhegung der Konflikte, die Kriege bekommen etwas Irregul�res, Partisanenhaftes mit der ganzen Kraft und R�cksichtslosigkeit, die darin liegt. Die Kalkulation der Interessen, nach der das Ma� der Kriegsf�hrung zu regulieren w�re und zum Schlu� die Bedingungen eines Friedens, l��t sich kaum vorhersehen; der Westen tappt in ein Ungef�hr.
Das stellt dem Krieg in Afghanistan keine gute Prognose. Die Vereinigten Staaten sind wohl bereit, auch mit Bodentruppen zu operieren, aber sie treffen auf einen Typus des K�mpfers, der ihnen fremd sein mu�. Der Krieg gegen Partisanen ist schwer zu gewinnen, und es wird kaum ein Zufall sein, da� die alten Kolonialm�chte nach 1945 in keinem einzigen Fall ihren alten Besitz gegen Aufst�ndische halten konnten. Die M�glichkeiten, die die Guerilla bietet, wozu auch besondere Grausamkeiten geh�ren, sch�chtern nach allen Erfahrungen die regul�ren Truppen ein, und wo diese erst einmal die Methoden der irregul�ren Kriegsf�hrung �bernehmen, um deren Gewalt f�r die eigenen Zwecke zu nutzen, leidet nach k�rzester Zeit die Disziplin.
So sehen wir verschiedene Formen des Soldaten: Den des traditionellen Staatenkrieges, der f�r sein Vaterland in gutem Glauben oder auch desillusioniert f�llt...Den westlichen Berufssoldaten, der f�r den hoch technisierten Krieg angeworben und ausgebildet wurde, und nun, wo er nicht aus h�chster technischer �berlegenheit auf seinen Gegner hinabschie�t, auf einem ihm unvertrauten Gel�nde herumirrt. Und zuletzt den Soldaten des neuen kleinen Krieges, mal Glaubensk�mpfer, mal S�ldner, mal Bandit. Gegen ihn, schlecht ger�stet, aber bereit, sich dem Krieg ganz hinzugeben, hat die westliche Moderne bislang kein Mittel gefunden. Er repr�sentiert die R�ckkehr des Kriegers in die Welt der Technik und des rationalen Interessenausgleichs. "

 

 

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