Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 13. bis 19. Oktober 2001

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Pokerspiel um IRA-Entwaffnung

R�tselraten um Milzbrandf�lle in den USA

 

 

Zitat der Woche:
"Nichts weist in dieser Lage mehr �ber den einzelnen Menschen hinaus; er h�ngt mit nichts mehr wesentlich zusammen. Es verk�mmern Antriebe, Interessen, F�higkeiten. Selbsterf�llung findet nur noch als Selbstbefriedigung in der Gunst des Augenblicks statt. Der erreichte nomadenhafte Egoismus zeigt an, wie wir uns auf den realen Nihilismus zubewegen. Er kann in fortgeschrittenem Stadium nicht mehr wahrgenommen werden; er haust auf einer Stufe, wo schwacher Sinn und Schwachsinn konvergieren. Solches Treiben kann lange dauern; es kann Formen annehmen, unter denen ein gro�er Knall oder ein pl�tzliches Erl�schen kosmische Gnade w�re."
- Hans-Dietrich Sander

 

Die IRA-F�hrung hielt eine Army Convention, also eine Konferenz der von ihren Einheiten entsandten Delegierten, ab, um die Zustimmung der Basis zu Entwaffnungsma�nahmen zu erlangen. Die Active Service Units der Untergrundarmee stimmten mit breiter Mehrheit zu, womit die letzte Entscheidung wieder beim siebenk�pfigen Army Council liegt. Als Gegenleistung hoffen Gerry Adams und Martin McGuinness auf eine wirkliche Polizeireform in Nordirland, den Abzug der britischen Truppen und eine Reform der politischen Strukturen. Bislang reicht das Ausscheren einer der gro�en Parteien aus, um sowohl das Parlament als auch die Regionalregierung lahmzulegen. David Trimbles Ulster Unionist Party und Ian Paisleys Democratic Unionist Party erh�hten den Druck, indem sie ihre Minister aus der Regionalregierung zur�ckzogen. Nun hat Nordirlandminister Reid den Bestimmungen des Karfreitagsabkommens gem�� 7 Tage Zeit, um entweder die nordirische Selbstverwaltung aufzuheben oder Neuwahlen anzusetzen. Die UUP signalisierte jedoch, da� sie eine Erkl�rung von General de Chastelains Entwaffnungskommission f�r ausreichend erachte, um sich umgehend f�r die Wiederherstellung einer funktionsf�higen Regierung einzusetzen. In North Belfast und Derry kam es zu den obligatorischen Stra�enschlachten zwischen Katholiken und Protestanten sowie den Sicherheitskr�ften.

 

Die rosa-gr�ne Bundesregierung belieferte im Jahr 1999 milit�rische Labors in den Vereinigten Staaten mit sogenannten Agenzien, also mit chemischen und biologischen Kampfstoffen. Der Posten macht mit 77,4 Millionen DM 12 % der R�stungsexporte in die USA aus. Der R�stungsexportbericht der Bundesregierung definiert diese Lieferungen als "biologische Agenzien und radioaktive Stoffe f�r den Kriegsgebrauch (zur Au�ergefechtsetzung von Menschen und Tieren, zur Funktionsbeeintr�chtigung von Ger�ten oder zur Vernichten von Ernten oder der Umwelt) und chemische Kampfstoffe. Das Ausw�rtige Amt besa� vor diesem Hintergrund die Stirn zu behaupten, die BRD setze sich weltweit f�r die �chtung "dieser heimt�ckischen und unmenschlichen Waffen" ein. Berichte von "Focus" lassen darauf schlie�en, da� die Hardth�he au�erdem in der dichtbesiedelten BRD mit dem als ausgerottet geltenden Pockenerreger experimentiert.

 

Die USA schlossen mit dem usbekischen Diktator Islam Karimow ein formelles Abkommen �ber milit�rische Zusammenarbeit. Amerikanische Truppen garantieren den Schutz der usbekischen Grenze zu Afghanistan, im Gegenzug stellt Karimow den Amerikanern Chanabad als permanenten Luftwaffenst�tzpunkt zur Verf�gung. In Pakistan versch�rfen sich die Zusammenst��e zwischen islamistischen Demonstranten und der Polizei, der Besuch des US-Au�enministers Powell wurde von einem machtvollen Generalstreik begleitet. An der Demarkationslinie im Kaschmir lieferten sich indische und pakistanische Truppen heftige Artillerieduelle, die sich zu infanteristischen Feuergefechten ausweiteten. In Afghanistan selbst mehren sich die Berichte �ber Bomben- und Raketentreffer in Wohngebieten und D�rfern, nach Angaben der privaten afghanischen Nachrichtenagentur AIP ermordeten alliierte Terrorflieger bereits mehr als 470 Zivilisten. Trotz ordnungsgem��er Kennzeichnung wurden Rotkreuzeinrichtungen in Kabul bombardiert, weitere Angriffe richteten sich gegen Lebensmittellager der UNO. Die zweite Welle der anglo-amerikanischen Luftangriffe hat offiziell die Taliban-Einheiten zum Ziel, doch diese sind hochmobil und werden sich als irregul�re Miliz kaum auf diese Weise aufreiben lassen. Aus Zeiten des Befreiungskampfes gegen die Sowjets wissen die afghanischen K�mpfer nur zu gut, da� gr��ere Truppenansammlungen t�dlich sind. Auf amerikanische Hubschrauber warten Hunderte der t�dlichen Stinger-Raketen, die den Afghanen von den heutigen Feinden selbst geliefert wurden. Au�erdem k�nnten die Taliban �ber chinesische Silkworm-Raketen verf�gen. Die Partei der Gr�nen fordert im Gegensatz zu ihren Ministern immer offener eine Aussetzung der Bombardierungen, um humanit�re Ma�nahmen und eine Verhandlungsl�sung zu pr�fen. Kriegskanzler Schr�der bereitete die bundesdeutsche �ffentlichkeit wohlweislich darauf vor, da� ein direkter Einsatz der Bundeswehr im "Kampf gegen den Terrorismus" nicht auszuschlie�en ist. Kanada und Australien haben bereits Kommandoeinheiten in Marsch gesetzt, die amerikanischen Special Forces warten ebenfalls auf den Einsatzbefehl.

 

Wer erinnert sich noch an die unvergessene Kampagne der fr�hen 90er Jahre: "Ich sterbe gern f�r billiges �l"? Im Jahr 1995 vereinbarten die zentralasiatischen Staaten Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Usbeskistan den Bau der Gaspipeline CentGas. Diese soll vom Kaspischen Meer bis nach Pakistan oder Indien f�hren, um die dortigen Erdgasm�rkte zu erschlie�en. Bereits 1997 bildete sich ein Konsortium aus der nordamerikanischen �lgesellschaft Unocal und der saudiarabischen Delta Oil, die zusammen 85 % der Aktien kontrollieren. Weitere Anteilseigner sind Turkmenrusgas, die pakistanische Crescent, der russische Energiekonzern Gazprom, Hyundai aus S�dkorea sowie Inpex und Itochu aus Japan. Nach den ersten Expertisen zog Unocal sich am 8. Dezember 1998 aus dem Konsortium zur�ck, was auf die niedrigen �lpreise und das Chaos in Afghanistan zur�ckzuf�hren war, und dr�ngt seitdem auf die Herstellung einer stabilen, soll hei�en dem Westen genehmen Regierung in Afghanistan. Neben CentGas liegen noch die Pl�ne f�r CAOP, die Central Asia Oil Pipeline von Chardzou am Kaspischen Meer nach Karachi in Pakistan bereit - ein reines Unocal-Projekt mit einem Invesitionsvolumen von 2,5 Milliarden Dollar. Chardzou wiederum ist bereits per Pipeline mit den �lvorkommen in Westsibirien verbunden. In diesem Zusammenhang ist es nicht weiter �berraschend, da� sich der "Koalition gegen den Terror" die Teilhabernationen Saudi-Arabien, Pakistan, Ru�land, Japan und S�dkorea angeschlossen haben. Der als kommendes Staatsoberhaupt von Bushs Gnaden (vertrauliche Berichte von EU-Diplomaten sprechen ihm Bef�higung und Anhang ab) gehandelte afghanische Exk�nig Mohammed Zahir Schah wird �brigens von Saudi-Arabien finanziert. Wie im Kosovo und in Mazedonien scheint es wieder einmal um die zentralasiatischen Energiereserven zu gehen. Mit den Interventionen an der Westflanke hat der Westen bereits den sogenannten Korridor Nr. 8 vom Schwarzen Meer an die Adria unter Kontrolle gebracht, und nun scheint CentGas an der Reihe zu sein.

 

In einer Tiefgarage im Zentrum Madrids detonierte eine von der baskischen Untergrundorganisation ETA plazierte 20-Kilo-Autobombe, wodurch 80 Fahrzeuge besch�digt und 17 Personen verletzt wurden. Anla� war die j�hrliche Milit�rparade zum Jahrestag der Landung des Kolumbus in der Karibik, an der erstmals amerikanische Truppen teilnahmen. Die Sicherheitsorgane revanchierten sich mit einer Razzia in der Provinz Gipuzkoa, bei der 7 Personen festgenommen sowie Waffen und Sprengstoff beschlagnahmt wurden. Zu den Festgenommenen geh�rt der Herri Batasuna-Stadtrat Asier Altuna Epalde. Spaniens Regierungschef Aznar k�ndigte an, er werde Herri Batasuna auf die EU-Liste terroristischer Organisationen setzen lassen, was in der baskischen �ffentlichkeit einen Sturm der Entr�stung hervorrief. Herri Batasuna vertritt 10 % der baskischen W�hler und stellt Hunderte von Kommunalpolitikern.

 

Innenminister Schilys unheilvolles Antiterrorpaket Teil 2 nimmt Z�ge an. Besonders perfide ist hierbei der Entwurf zum Terrorismusbek�mpfungsgesetz, durch welches die Befugnisse von BKA, Verfassungsschutz und BGS erheblich erweitert werden sollen. Das BKA soll k�nftig auch bei "Angriffen auf Informations- und Kommunikationssysteme" die Ermittlungen �bernehmen. Per Initiativ-Ermittlungskompetenz (sch�ne Umschreibung f�r pr�ventive Verbrechensbek�mpfung - seit dem KZ-Staat der Himmler und Heydrich eine deutsche Spezialit�t) wird das BKA bald ohne jeden Anfangsverdacht B�rger befragen und Informationen �ber sie einholen k�nnen. Der VS erh�lt die Zust�ndigkeit f�r die �berwachung von Bestrebungen, die "gegen den Gedanken der V�lkerverst�ndigung oder gegen das friedliche Zusammenleben der V�lker" gerichtet sind.

 

In den USA h�ufen sich die F�lle, in denen Unbekannte Postsendungen mit dem hochgef�hrlichen Milzbranderreger an Unternehmen aus New Economy und Medienlandschaft sowie an prominente Politiker versenden. Die US-Regierung schlie�t einen Zusammenhang mit Bin Ladens al-Qaida nicht aus, aber CNN meldete bereits zu Beginn der F�lle, da� der Erregerstamm in den 50er Jahren in einem Forschungslabor im US-Bundesstaat Iowa gez�chtet wurde. Auch nach FBI-Angaben handelt es sich um einen milit�risch nutzbaren Erregerstamm. Dieser verwandelte sich in den offiziellen Verlautbarungen dann in einen primitiven Erregertyp aus landwirtschaftlichen Kreisen, als in einer zweiten Welle von Anschl�gen ein Milzbranderreger diesmal eindeutig milit�rischer Herkunft auftauchte. Sehr wahrscheinlich hat man es mit zwei T�tergruppen zu tun: Die milzbrandverseuchten Postsendungen der ersten Welle lassen sich auf Miami in Florida und das Umfeld des 11. September zur�ckf�hren, aber die weitaus gef�hrlichere zweite Welle kommt aus dem Raum Trenton in New Jersey. In Gro�britannien verschwand bereits im Vorjahr ein Erregerstamm aus einem Armeelabor, und auch die Bundeswehr experimentiert mit Milzbrand. In Nevada befindet sich �brigens ein Testgel�nde, auf dem die Amerikaner seit Mitte der 90er Jahre daran arbeiten, eine Biobombe mit einem multiresistenten Milzbranderreger zu entwickeln. Das Problem bei der Angelegenheit ist nicht die Herstellung, sondern die Verbreitung der teuflischen Waffe. Milzbrand kann kaum von einem Menschen auf den anderen �bertragen werden, sondern das Opfer mu� direkt mit dem Erreger in Kontakt kommen. Die Alliierten arbeiteten w�hrend des Zweiten Weltkrieges an einer unserer Kenntnis nach f�r das Ruhrgebiet bestimmten Milzbrandbombe, wovon Tausende get�teter kanadischer Soldaten und verseuchte Inseln in der Irischen See und im St. Lorenz-Strom k�nden.

 

Der russische Staatspr�sident Putin k�ndigte im Vorfeld des anstehenden APEC-Gipfels in Shanghai an, sein Land werde die letzten beiden �berseeischen Milit�rst�tzpunkte aufgeben. Gemeint sind der Flugplatz Cam Ranh in Vietnam und die erst 1999 modernisierte Abh�rstation Lourd�s in Kuba. Von letzterer aus �berwachten die Russen mit einer dem amerikanischen Echelon-System verwandten Technologie die nordamerikanische Telekommunikation und konnten 75 % aller Gespr�che abh�ren. Mit der R�umung von Lourd�s erkauft Moskau sich ein Umschuldungsabkommen mit den USA und spart j�hrliche Pachtzahlungen von 200 Millionen Dollar an die kubanische Regierung ein. Als Kompensation wollen die russischen Streitkr�fte k�nftig vermehrt auf Satellitenaufkl�rung setzen. Cam Ranh war mit 10.000 Mann Besatzung die gr��te sowjetische Milit�rbasis in �bersee. Dem H�rensagen� nach soll sich eine weitere Abh�rstation vom Typ Lourd�s auf nordkoreanischem Territorium befinden.

 

Nachdem Israels Premierminister Sharon auf Druck der USA den Abzug der Armee aus pal�stinensischen St�dten wie Hebron, Ramallah und Jericho einleitete (und zugleich die gezielte Ermordung von pal�stinensischen Widerstandsaktivisten wieder aufnahm), verlie� die ultrarechte Nationale Union seine Regierung. Infrastrukturminister Avigdor Lieberman und Tourismusminister Benjamin Zeevi, denen ihren �u�erungen gem�� Pal�stinenser kaum als menschliche Wesen erschienen, verlie�en das Kabinett. Kurz darauf wurde Zeevi, der Araber schon mal als "Krebsgeschw�r" oder "L�use" titulierte und f�r die Deportation aller Nichtjuden aus den israelischen Kerngebieten eintrat, in einem Jerusalemer Hotel von einem Kommando der von Syrien unterst�tzten PFLP �berrascht und erschossen. Zum Ende dieses angenehmen Zeitgenossen kondolierte kein Geringerer als Bundesau�enminister Joseph Fischer, aber uns �berrascht mittlerweile gar nichts mehr. Israel brach alle Kontakte zur Autonomiebeh�rde ab und schlug mit gnadenloser H�rte zur�ck. Da selbst der Kollaborateur Arafat die Auslieferung der Attent�ter ablehnte und sie mit Hinweis auf die pal�stinensische Souver�nit�t und das Oslo-Abkommen von 1995 vor eigene Gerichte stellen will, r�ckten erneut israelische Streitkr�fte ins Westjordanland ein und l�sten heftige Gefechte mit pal�stinensischen Polizisten und Milizion�ren aus. Sharon k�ndigte an, er werde die Autonomiebeh�rde fortan als eine den Terrorismus unterst�tzende Einrichtung behandeln.

 

Nach relativ kurzen Verhandlungen ist Hamburgs B�rgerblocksenat aus CDU, PRO und FDP unter dem Christdemokraten Ole von Beust perfekt. Ronald Schill wird Zweiter B�rgermeister und Inensenator, seine Parteifreunde Peter Rehaag und Mario Mettbach �bernehmen die Ressorts f�r Gesundheit bzw. Stadtentwicklung. Als Kernelemente des zutiefst reaktion�ren Regierungsprogramms sind Neueinstellung von 500 Polizeibeamten, Aufbau einer halbzivilen Hilfspolizei aus Angestellten im Polizeidienst, Aufstockung von VS und Staatsschutz, Ende der staatlichen Finanzierung verfassungsfeindlicher Gruppen und Personen, Neubau der Haftanstalt Billwerder, Nichteinschulung bei mangelnden deutschen Sprachkenntnissen, Studiengeb�hren bei �berschreitung der Regelstudienzeit um 4 Semester, freie Fahrt f�r die allt�gliche Blechlawine in Hamburgs Stra�en, Teilprivatisierung der landeseigenen Krankenh�user, umfangreiche Privatisierungen von Staatseigentum, Schaffung staatlich subventionierter Billigjobs etc. vorgesehen. Rotstift, Gummikn�ppel und Richterrobe bestimmen Hamburgs Geschicke in den kommenden vier Jahren. Unter dem stellvertretenden Parteivorsitzenden Dirk Nockemann richtete die PRO eine Kommission ein, die sich um die bundesweite Ausdehnung der mittlerweile auf 2500 Mitglieder angewachsenen Partei k�mmern soll.

 

In der "Berliner Zeitung" schrieb Eberhard Straub �ber Stanley Paynes "Geschichte des Faschismus": "Es gab...in Europa w�hrend der Krise des Liberalismus zwischen 1922 und 1945 sehr verschiedene sogenannte faschistische Richtungen, denen, sofern sie wirklich typisch faschistisch waren, meist Minderheiten anhingen. Payne legt Wert darauf, autorit�re Regime von faschistischen zu unterscheiden. Der Parlamentarismus und Liberalismus hatte seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in ganz Europa viele entt�uscht. Unabh�ngig davon, ob man nach dem Ersten Weltkrieg auf der Seite der Sieger stand oder zu den Besiegten geh�rte. (...)
Payne sieht den Ursprung aller antiliberalen und antiparlamentarischen Bewegungen in den spanungsreichen Jahren des Fin de si�cle um 1900. Es war nicht nur die Angst, den Platz an der Sonne zu verlieren, die Franzosen qu�lte; oder die Furcht, ihn gar nicht erst zu gewinnen, die Deutsche plagte - ganz abgesehen von der spanischen Verzweiflung, von der Welt �berhaupt abgeschnitten zu sein, nachdem es seine letzten Kolonien an die USA verloren hatte.
Ganz Europa f�rchtete allm�hlich, an den Rand der Welt zu geraten, auf Grund von Dekadenz und Vergreisung nicht mehr entscheidungsf�hig zu sein. Nationale Erneuerung, Wiedergeburt aus dem Geist, den Blut und Boden pr�gt, sollten solche Alterserscheinungen �berwinden, die Franzose und Spanier heftig beklagten. Das Bewusstsein der 'd�cadence', mit dem geistreiche Franzosen, illiberal und antidemokratisch, von Baudelaire angefangen, Europ�er aller zweifelnden Richtungen ansteckten, weckte neue Energien, sich gewaltsam zu verj�ngen. (...)
Der Erste Weltkrieg hatte alle zauberhaften Schleier von dem gar nicht heiteren Wettbewerb der �konomien und V�lker hinweggezogen. Mehr Nationen denn je, die zur Nation werden wollten, standen seit 1919 vor der Frage, wie sie im human-�konomischen Wettbewerb �berhaupt zur Nation werden k�nnten. Demokratie war ein Luxus, den sich die Besserverdienenden in Amerika leisten konnten.
Stanley Payne analysiert quer durch Europa die V�lker, die allesamt einen dritten Weg suchten, jenseits von liberaler oder marxistisch-leninistischer Bestimmung. Einen Weg, den strenge 'Linke' eben faschistisch nannten. Der Antikapitalismus war Ursache des Antiliberalismus. Weil am Kapitalismus gezweifelt wurde, verzweifelte man am Liberalismus. Das verwundert Payne nicht. Weil sehr viele den Kommunismus f�rchteten, wurde ein Weg gesucht, der nicht liberal war und nicht in den Sozialismus f�hrt. Der Widerspruch zwischen kapitalistischem Liberalismus und Demokratie erm�glichte den Einbruch faschistischer Bewegungen in die Wirklichkeit. Sie konnten sich mit 'dem Volk' verst�ndigen �ber jene 'Eliten', die Verbindung zum Volk suchten. 'Volk' meinte nie Klasse, sondern eine nationale Einheit unabh�ngig von den Klassenstandpunkten. Der ehemals liberale, nun autorit�r-demokratisierende Nationalismus fand m�helos seine Ankn�pfungspunkte.
Keine traditionelle, autorit�re Bewegung konnte sich ohne Berufung auf das Volk behaupten. In diesem Sinne waren alle autorit�ren Bewegungen zugleich demokratisch. Jede revolution�re Bewegung, die, vor allem wie der italienische Faschismus, Bewegung bleiben wollte, brauchte das Volk, das erneuerungswillige, zur Wiedergeburt entschlossene Volk. Die Wiedergeburt verhie� die Partei, die den Staat ununterbrochen belebt. Nur Italien kannte in diesem Sinne eine Partei. Die faschistische Partei verlangte nach dem Staat, die nationalsozialistische wollte ihn �berwinden. Die spanische Falange wollte vielleicht den Staat erobern, doch Franco hinderte sie daran. Abgesehen von Deutschland, das sich dem Nationalsozialismus, der Revolution in Bewegung, auslieferte, dachten die faschistischen oder autorit�ren Bewegungen an den Staat. F�r Payne ist nicht einmal der italienische Staat faschistisch, weil die Faschisten staatlich dachten. F�r ihn ist der Nationalsozialismus keine Variation des Faschismus, sondern eine sehr eigene Bewegung gegen den Staat und jede Art von Staatlichkeit. Er ist eben nationalsozialistisch, also gem�thaft verschwommen, juristisch nicht fassbar, aber auf f�rchterliche Art in seinem revolution�ren Sinn sehr gewissenhaft und das hei�t deutsch.
Payne denkt keinen Augenblick daran, Faschismus, Nationalsozialismus oder die verschiedenen antiliberalen L�sungen in Europa f�r 'unmodern' zu halten. Er h�lt alle L�sungen im Widerstand gegen den polit-�konomischen Liberalismus f�r sehr modern, vor allem die �sthetischen Proteste."

 

 

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