Wochenschau
|
Die politische Wochenschau
vom 6. bis 12. Oktober 2001
Schlagzeilen der Woche zusammengestellt von Christian Klee |
|
|
|
|
Zitat der Woche: |
"Der indirekten Gewalt ist es wesentlich, daß sie, ohne selbst Krieg zu führen, auf Grund einer übervölkischen, moralischen oder rechtlichen Autorität die Entscheidung über die rechtliche und moralische Zulässigkeit oder Unzulässigkeit staatlicher und völkischer Auseinandersetzungen an sich zieht und dadurch den Charakter zwischenstaatlicher und zwischenvölkischer Auseinandersetzungen verändert. Moralische und rechtliche Diskriminierungen und Disqualifizierungen, Ächtungen und Exkommunikationen oder, moderner gesprochen, moralischer, sozialer und wirtschaftlicher Boykott sind typische Methoden der 'indirekten' Gewalt. Der nichtdiskriminierende Staatenkrieg verwandelt sich dadurch in einen internationalen Bürgerkrieg und erreicht damit eine Art Totalität, die furchtbarer und vernichtender ist als alles, was eine oberflächliche Propaganda der völkischen Totalität vorzuwerfen hat." |
-
Carl Schmitt
|
Die Vereinigten Staaten und Großbritannien haben mit den erwarteten Luftschlägen gegen Afghanistan begonnen. Angriffsziele waren offiziell militärische Anlagen der Taliban und Ausbildungslager der al-Qaida-Organisation, doch sehr rasch zeigte sich, daß die Operation in ein brutales Gemetzel unter der Zivilbevölkerung auszuarten droht. Sonderlich lohnende Infrastrukturziele dürfte es in dem nach mehr als 25 Jahren Bürgerkrieg in Trümmern liegenden Land kaum geben. Die ersten Kollateralschäden der imperialistischen Aggression wurden bereits bekannt. Alliierte Terrorbomber zerstörten in Kabul den Sitz der Firma Afghan Technical Consultants, die im Auftrag der UNO Minen räumt. Zwei Dörfer bei Kabul und Jalalabad wurden dem Erdboden gleichgemacht, und bereits nach wenigen Tagen konzentrierten sich die Luftschläge auf die Dörfer an der pakistanischen Grenze. Nach knapp einer Woche ist bereits mit mindestens 200 Toten unter der Zivilbevölkerung zu rechnen. Bereits vor den Angriffen waren Hunderttausende auf der Flucht, für den Winter wird mit einer Hungerkatastrophe gerechnet, von der bis zu 6 Millionen Menschen betroffen sein werden. Mary Robinson als UN-Kommissarin für Menschenrechte forderte ein Aussetzen der Angriffe, um Maßnahmen für humanitäre Hilfe zu prüfen. Bundeskanzler Schröder erklärte, er unterstütze das Vorgehen der USA "ohne Vorbehalte". Schon bei den ersten Angriffen wurde versucht, Taliban-Führer Mullah Mohammed Omar zu ermorden. Als humanitäres Feigenball warfen die Amerikaner Hilfsrationen für Hungernde ab - genug Lufttransportkapazitäten für 0,5 % der Betroffenen sind vorhanden. Ein Indiz für geplante Bodenoperationen ist die Anwesenheit von Teilen der 10. Gebirgsdivision in Usbekistan - nur an der afghanisch-usbekischen Grenze versperren keine unwegsamen Hochgebirge den Weg ins Landesinnere, und die 10. ist eher eine mechanisierte als eine gebirgsgängige Division. Der britische Generalstab geht davon aus, daß die Kampfhandlungen bis weit in das Jahr 2002 hinein andauern werden. Der Irak, der Iran und Malaysia verurteilten die Angriffe, auch gemäßigte Staaten wie Saudi-Arabien oder Ägypten drückten ihr Bedauern aus. Die USA informierten den UN-Sicherheitsrat, daß nach Afghanistan weitere Länder an der Reihe sein könnten. Presseberichten zufolge zieht man im Pentagon Operationen in Indonesien (mal wieder Erdöl), Malaysia und den Philippinen in Erwägung. Letztere öffneten den im Volk für ihre Unterstützung der Marcos-Diktatur und als ehemalige Kolonialmacht verhaßten USA bereits wieder die Anfang der 90er Jahre geschlossenen Militärstützpunkte auf Luzón. Nach dem Freitagsgebet protestierten in ganz Asien 1 Million Muslime gegen die anglo-amerikanische Aggression in Afghanistan. Das Auswärtige Amt in Berlin jedenfalls warnt angesichts der Eröffnung des US-Angriffskrieges gegen Afghanistan vor Reisen in den Irak und in den weitgehend von der Hizbollah-Miliz kontrollierten Südlibanon.
Im Windschatten der Ereignisse um Afghanistan verlängerte Pakistans Militärdiktator Pervez Musharraf seine Amtszeit als Staatspräsident auf unbestimmte Zeit. Mit Sindh und Pasni erhielten die USA zwei Luftwaffenstützpunkte eingeräumt. Mit Beginn der amerikanischen Luftangriffe auf Pakistan brach die gärende innenpolitische Krise offen auf, als es in Quetta, Peshawar und Karachi zu schweren Zusammenstößen zwischen der Polizei und islamistischen Demonstranten kam. Bei Gefechten zwischen indischen Besatzungstruppen und islamischen Partisanen im Kaschmir starben 11 Menschen. Musharraf brachte sich innenpolitisch weiter in Bedrängnis, indem der dem Erzfeind Indien Verhandlungen über die Kaschmirfrage anbot. Der Diktator hat eine Säuberung seiner Militär- und Geheimdienstführung von proislamistischen Elementen eingeleitet.
Der Parteivorstand der Grünen begrüßte die neuerliche amerikanische Aggression einhellig. Parteichef Fritz Kuhn erklärte im Rahmen einer schier unglaublichen Stellungnahme, in Afghanistan handele es sich schließlich nicht um einen Krieg. Die Amerikaner würden nach den vorliegenden Informationen - sauber vom Pentagon gefiltert - keine Städte und Zivilziele angreifen. Ein Krieg werde zwischen Staaten ausgetragen, in Afghanistan griffen die Amerikaner nur militärische Einrichtungen an, die sich auf ein terroristisches Umfeld bezögen. In der Bundestagsfraktion regt sich bereits Widerstand gegen die interventionistische Linie des Bundesvorstandes. Der Abgeordnete Winfried Hermann stellte fest: "Es ist auffällig, wie unkritisch meine Partei mehrheitlich ist." Als einzige im Bundestag vertretene Partei verurteilte die PDS den US-Angriffskrieg in Zentralasien - und wurde prompt von den vertraulichen Informationsgesprächen im Bundeskanzleramt ausgeschlossen.
In Nordirland verdichteten sich die Gerüchte, daß der IRA Army Council in Kürze die Selbstentwaffnung der republikanischen Untergrundarmee einleiten wird. Die Republikaner stehen unter erheblichem Druck, da die US-Öffentlichkeit nach dem 11. September terroristischen Aktivitäten gegenüber äußerst negativ eingestellt ist und damit wichtige Hilfsgelder auf dem Spiel stehen. Zudem droht Unionistenführer David Trimble damit, die nordirische Selbstverwaltung zum Scheitern zu bringen. Auf der Gewinnseite winken Sinn Féin mit einem solchen Schritt weitere Unterstützung aus den USA, die Beteiligung an der Regierung Nordirlands und Sympathiezuwächse in der Republik Irland, wo im kommenden Jahr gewählt wird. Für den Fall einer IRA-Waffenabgabe deutete David Ervine von der Progressive Unionist Party PUP an, daß die loyalistische Ulster Volunteer Force einem solchen Schritt folgen könnte. Im Army Council sollen sich vor allem Stabschef Thomas 'Slab' Murphy und Quartiermeister Brian Keenan gegen eine Entwaffnung ausgesprochen haben, konnten sich aber nicht gegen die Parteiführung Sinn Féins durchsetzen.
Nordirlandminister John Reid erklärte als Konsequenz aus der seit Oktober vergangenen Jahres das Land überrollenden Welle loyalistischer Gewalt die seit 1994 geltenden Waffenstillstände von Ulster Defence Association und Loyalist Volunteer Force für gebrochen. Alleine die UDA wird für mindestens 3 Morde und 200 Bombenanschläge auf katholische Familien seit Jahresbeginn verantwortlich gemacht. Nunmehr können ehemalige Kriegsgefangene von UDA und LVF jederzeit wieder inhaftiert werden, um ihre Reststrafe abbüßen - sofern man ihnen die weitere Aktivität in ihren Milizen nachweisen kann. Verdächtige UDA- und LVF-Mitglieder fallen unter die Zuständigkeit der berüchtigten Diplock Courts, wo schon das Wort eines höheren Polizeibeamten für drakonische Haftstrafen ausreicht.
Im September ist die Zahl der Arbeitslosen erneut über den Vorjahresstand angestiegen. Bundesweit sind 3,743 Millionen Menschen ohne Arbeit, also 58.200 mehr als vor einem Jahr. Saisonbereinigt ist die Arbeitslosenzahl gegenüber dem August um 20.000 gestiegen. Zu Zeiten normaler Konjunktur werden im September nach Ende der Ferienzeit überdurchschnittlich viele Arbeitnehmer eingestellt - die Zeichen stehen auf Rezession. Mit 2,4218 Millionen Arbeitlosen weist der Westen der BRD eine Erwerbslosenquote von 7,2 % auf, während die neuen Länder mit 1,321 Millionen auf erschreckende 16,9 % kommen. Die Zahl der Firmeninsolvenzen stieg alleine im ersten Halbjahr um 19 % auf 16.200 an - 100.000 Arbeitsplätze wurden vernichtet. Mit 50 Jahren ist der bundesdeutsche Arbeitnehmer verschlissen und gehört im wahrsten Sinne des Wortes zum alten Eisen: In 60 % der Betriebe gibt es keinen einzigen Beschäftigten mehr, der über 50 ist. Derzeit sind rund 30 % aller Arbeitslosen über 50, jeder zweite Langzeitarbeitslose gehört in diese Gruppe.
Das baathistische Syrien ist mit großer Mehrheit in den Weltsicherheitsrat gewählt worden, obwohl es bislang von den USA verdächtigt wurde, den internationalen Terrorismus zu fördern. Vor der Abstimmung in der UN-Vollversammlung hatten die USA zu verstehen gegeben, daß sie einer Wahl des arabischen Landes keinen Widerstand entgegensetzen würden. Syrien unterstützt vor allem Organisationen wie die palästinensische PFLP und die südlibanesische Hizbollah-Miliz.
Angesichts der Verzögerung der vom Westen und seinen albanischen Terroristenfreunden eingeforderten Verfassungsreformen in Mazedonien wurde die Geberkonferenz für das Land verschoben. EU und Weltbank drehen der mazedonischen Regierung den Geldhahn so lange zu, bis sie der Föderalisierung und der Kontrolle weiter Landesteile durch von Amerikanern und Briten ausgebildete und bewaffnete UCK-Partisanen zustimmt. Strittig ist vor allem die ersatzlose Streichung eines mazedonischen Staatsvolkes und der orthodoxen Kirche aus der Verfassung. Für weitere Spannungen sorgte die Entdeckung eines geheimen UCK-Waffenarsenals bei Tanuse, in dem sich Minen, Raketenwerfer, Sprengstoff und Maschinengewehre stapelten.
Der britische Publizist Ambrose Evans-Pritchard witzelte, angesichts der Kompetenzausweitung Europols zur Terrorbekämpfung sei Europol-Direktor Jürgen Storbeck einer der wenigen Männer außerhalb Nordkoreas oder des Irak, der gleichzeitig Zugang zu polizeilichen und nachrichtendienstlichen Informationen hat. Der EU-Rat hat die Nachrichtendienste aller Mitgliedstaaten angewiesen, ihre Informationen über "Terrorismus" an Europol weiterzuleiten. Wie anhand der Ende 2002 in Kraft tretenden EU-Richtlinien zur Terrorbekämpfung ersichtlich, beginnt "Terrorismus" bereits bei Sachbeschädigungen oder Verkehrsblockaden - freie Fahrt für Atomtransporte garantiert. Erstmals hat mit Europol eine EU-Behörde Zugang zu nachrichtendienstlichen Informationen und übt nachrichtendienstliche Funktionen aus. Zudem unterliegt Storbecks Behörde keiner effektiven parlamentarischen Kontrolle. Gerüchten zufolge plant die EU-Kommission zudem, Europol den Zugriff auf alle durch die hierzu verpflichteten Provider gespeicherten Telekommunikationsverbindungen einzuräumen - bis hin zu besuchten Internetseiten.
Das Hamburger Unternehmen Mediatime bietet seit Oktober 2001 das Programm Gridpatrol für eine lückenlose Überwachung des Internets an. Gridpatrol durchsucht als erste Monitoring-Technologie nicht nur die Websites, sondern auch die sogenannten unsichtbaren Bereiche wie Newsgroups, Chatkanäle, Tauschbörsen und FTP-Server. Das Programm kann benutzt werden, um gezielt Profile ausgesuchter Internetnutzer anzulegen. Gridpatrol kann ohne nennenswerten Einsatz menschlicher Tätigkeit Milliarden von Webseiten automatisch scannen und ist imstande, selbst Mehrdeutigkeiten der natürlichen Sprachen zu unterscheiden. Es fragt Suchmaschinen und vergleichbare Systeme in regelmäßigen Abständen ab und filtert über komplexe Algorithmen die relevantesten Links aus der Ergebnisliste heraus. Ferner können auch die binären Codes von Downloadvorgängen analysiert werden, was mit der Erkennung von Soundstrukturen, Programmelementen und Bildbestandteilen gleichbedeutend ist. Ein Problem ist noch die Formulierung der korrekten Anfrage an das Programm, die durch bis zu vier Ebenen geht und sich über mindestens 14 Tage erstreckt.
Oskar Lafontaine, ganz gleich ob Trojanisches Pferd des Großkapitals oder revoltierender Insider, formulierte in der ZEIT zum Thema Globalisierung: "Warum hat sich bis zum heutigen Tage nichts geändert? Die Antwort ist einfach. Die Finanzindustrie der Welt verdient an den instabilen Finanzmärkten. Sie ist daher an der Aufrechterhaltung des weltweiten Spielkasinos interessiert. Damit alles so bleibt, wie es ist, gibt sie Wahlkampfspenden. Sie schmiert Regierungen und Parlamente. (...) Die deutschen Parteien sind neoliberale Steuersenkungsparteien, die den Sozialabbau für die große Jahrhundertreform halten. Ehrfürchtig plappern sie die Heilsbotschaften des Neoliberalismus nach. Wenn wir den Sozialstaat nicht demontieren, sie sagen umbauen, dann bestrafen uns die Märkte. (...) Wir sind längst eine Marktgesellschaft geworden. Privatisierung, Kommerzialisierung und Konsumkultur gehen einher mit einer Entmündigung der Menschen. Aber wer merkt das in der 'Ich-AG'? Dort gilt die Maxime : Wenn jeder an sich denkt, dann ist an alle gedacht. (...) In deutschen Wahlkämpfen tauchen Parolen auf wie: 'Wir wollen frei einkaufen können.' Sie zeigen, wie das zentrale Anliegen der Philosophie der Aufklärung, die menschliche Freiheit, zur Konsumfreiheit uminterpretiert wurde. Der neoliberale Chor singt das Lied der Freiheit und meint die Freiheit der Stärkeren. (...) Weil sie nicht verstanden haben, daß die Schwachen das Gesetz brauchen, um frei zu sein, fordern die Neoliberalen Mobilität, Flexibilisierung und Deregulierung. So werden die Familien der Mobilität und Flexibilität geopfert, da der jederzeit und überall verfügbare Arbeitnehmer das Ideal der neoliberalen Gesellschaft ist. Die Gesundheit wird ruiniert, da die Arbeitszeiten sich den Maschinen und den Renditeerwartungen anzupassen haben. Die Mitbestimmung der Beschäftigten wäre nur hinderlich. Schutzrechte wie der Kündigungsschutz der Arbeitnehmer, die ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit geben, werden dereguliert. Allenfalls das Interesse der Aktienbesitzer zählt noch. (...) Die Neoliberalen haben sich das Zurückdrängen des Staates und des Rechts auf ihre Fahnen geschrieben. Sie sind die neuen Staatsfeinde."
Die US-Regierung legte eine Liste mit den 22 meistgesuchten arabischen Terroristen vor, unter denen Osama bin Laden den ersten Platz bekleidet. Bezeichnenderweise sucht Washington die 22 Araber jedoch nicht etwa wegen der Anschläge auf das World Trade Center und das Pentagon, sondern wegen zurückliegender Aktionen wie die Bombenattentate auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania von 1998 - es scheint nach wie vor keinerlei Beweise gegen Osama bin Laden zu geben.
Margret Bonin, ehemaliges Mitglied der Grünen, hat Strafanzeige gegen US-Präsident Bush wegen Führung und Vorbereitung eines Angriffskrieges gestellt. Zudem will Bonin die Bundesregierung und die NATO wegen Komplizenschaft und Beihilfe belangen und hat gegen sich selbst als Ex-Mitglied der Grünen ebenfalls Anzeige wegen Komplizenschaft gestellt. Die Politikerin verweist darauf, daß die USA keine Kriegserklärung gegen Afghanistan aussprachen, zudem gebe es keine eindeutigen Verantwortlichen für die Anschläge vom 11. September. Schröder habe sich durch seine Erklärung der unbegrenzten Solidarität der Komplizenschaft schuldig gemacht. Die NATO wiederum habe den Bündnisfall erklärt, obwohl Untersuchung, Anklage und Aburteilung terroristischer Aktivitäten die Sache ordentlicher Gerichte sei.
Palästinenserpräsident Arafat reagierte auf seine Weise auf die Gewaltexzesse der israelischen Soldateska, die alleine in den vergangenen 14 Tagen Dutzende von Palästinensern abschlachtete: Er drohte mit Maßnahmen gegen militante Organisationen, wenn diese den Kampf gegen Israel nicht einstellten. In der Tat wurden erstmals seit Beginn der Al-Aksa-Intifada wieder Aktivisten militanter Bewegungen verhaftet, und in Gaza schoß Arafat-Polizei eine friedliche Protestdemo gegen die amerikanischen Angriffe auf Afghanistan zusammen. Zwar steht Arafat unter massivem Druck der EU und der USA, aber auf der anderen Seite ist ihm klar, daß er seine wankende Stellung nur an der Seite Israels gegen die Hamas-Bewegung wird verteidigen können. Der Blutzoll der Al-Aksa-Intifada ist nunmehr auf 703 Palästinenser und 181 Israelis angestiegen.
Der nordrhein-westfälische FDP-Vorsitzende Jürgen Möllemann, Vorsitzender der Deutsch-Arabischen Gemeinschaft, hat der israelischen Regierung Staatsterrorismus vorgeworfen, da sie gezielt Palästinser ermorden lasse und sich damit auf die Stufe von Verbrechern stelle. An die Adresse der Bundesregierung ging der Vorwurf der einseitigen Parteinahme für Israel. Als Replik stellte Michel Friedman (CDU) vom Zentralrat der Juden fest, Israel verteidige sich lediglich gegen menschenverachtende, brutale und feige Attentäter. Auch Zentralratspräsident Paul Spiegel, millionenschwerer PR-Unternehmer und Verleiher des als Büttenredner durch die Lande tingelnden Bill Clinton, warnte vor einem Entgegenkommen der USA gegenüber den Palästinensern und nahm damit eine weitaus radikalere Haltung ein als beispielsweise der American Jewish Congress. Möllemann konterte, der Zentralrat reagiere auf jede Kritik an Israel mit geradezu pawlowschen Reflexen.
Auf Initiative der unabhängigen Bewegung Elkarri wurde im Baskenland eine sechsmonatige Konferenz eröffnet, die sich für einen Dialog der Bürgerkriegsparteien einsetzen will. Endziel des Runden Tisches in Bilbao ist ein Konsens zwischen allen politischen Kräften. Die in Madrid regierende Volkspartei lehnte eine Teilnahme ab, die Sozialisten entsenden einige Vertreter als "Privatleute". Während nationalistische PNV und die Kommunisten voll hinter der Initiative stehen, nimmt die ETA-nahe Herri Batasuna in dem Gefühl teil, alle Verhandlungen seien ohnehin zwecklos. Die ETA räumte in einem Rundschreiben derweil ein, die baskisch-nationalistische Linke befinde sich in einer schwierigen Lage. Sie will den bewaffneten Kampf für ein unabhängiges Baskenland jedoch fortsetzen und forderte ihre Kommandos aus, die Kontakte zur Basis in den einzelnen Stadtteilen und Dörfern auszubauen. In Frankreich verhaftete die Polizei Vicente Goikoetxea, rechte Hand des mutmaßlichen ETA-Chefs Mikel Albizu und Wortführer der verständigungsbereiten Gruppe innerhalb der Untergrundarmee.
Die
Hamburger Gruppe LOTTA dos veröffentlichte eine bemerkenswerte Stellungnahme
zum US-Überfall auf Afghanistan. Die Inhalte heben sich wohltuend von der allgemein
fragwürdigen ideologischen Ausrichtung weiter Kreise einer Linken ab, die Antiimperialismus
im Kontext mit den Befreiungsbewegungen der Dritten Welt als nationalistisch
abtut, Kapitalismuskritik als antisemitisch betrachtet, Kritik an Israel tunlichst
vermeidet und trotz aller revolutionären, antikapitalistischen und antifaschistischen
Phraseologie nur noch das Geschäft des Militärisch-Industriellen Komplexes besorgt.
Wir schweifen ab, LOTTA hat das Wort!
"Die getroffenen Ziele der verheerenden Anschläge in den USA, das World
Trade Center und das Pentagon, machen deutlich, daß es sich bei den Anschlägen
um Angriffe gegen die USA handelt. Die Ziele waren bzw. sind Schaltzentralen
und Machtzentren der USA, die Nation identifiziert sich mit diesen Zielen, als
solche wurden sie angegriffen.
Das World Trade Center
steht für die globalisierte kapitalistische Wirtschaft, die allein auf die Vermehrung
des eigenen Reichtums ausgerichtet ist. (...) Menschenrechte auf körperliche
Unversehrtheit, Solidarität und Verständnis, Wohnung und Nahrung werden dem
Ziel des Wachstums und Gewinns untergeordnet. (...)
Im täglichen Leben
erfahren wir, daß die genannten Grund- und Menschenrechte nicht einmal in den
kapitalistischen Ländern des relativen Wohlstands selbstverständlich sind. Jede
und jeder, die/der auf Arbeitssuche
war, Bewerbungen schrieb und hochgradig stressige Bewerbungsgespräche führen
musste, weiß dies. Um in der Wirtschaft einen (Arbeits-) Platz zu finden, ist
unbedingte Anpassung an deren Erfordernisse gefordert. Auch bei der Suche nach
einer Wohnung, nach Unterstützung in Krisensituationen
wie Krankheit oder psychischem Kollaps gilt: du mußt das, was du brauchst, erkämpfen.
Das Bemühen der Menschen in den westlichen kapitalistischen Ländern, möglichst
nicht aufzufallen, nicht herauszufallen und am Ball zu bleiben, kostet ihre
ganze psychische Kraft und kreiert
einen permanenten Spannungszustand. Dieser ist für die einen leichter, für die
anderen schwerer zu ertragen. Vereinzelung, Einsamkeit bis hin zur Isolation,
Alkoholismus, Konkurrenz, Arbeitswahn oder körperliche und psychische Schäden
sind die Folgen.
Der Kapitalismus wird
der Substanz des Menschen und seinen vielfältigen Bedürfnissen in keiner Weise
gerecht. Soziale Gerechtigkeit als Minimalforderung gibt es in ihm nicht. (...)
Ausgehend von diesen Stichworten zum Thema Freiheit wird klar, daß das kapitalistische
Wirtschaftssystem in keinem Zusammenhang mit Freiheit steht, oder der Begriff
müßte neu definiert werden. Die im kapitalistischen System lebenden Menschen
müssen sich den Regeln von Konkurrenz und Leistung unterwerfen, um in ihm Anerkennung
zu erlangen. Doch selbst wenn diese Unterwerfung stattfindet, ist Anerkennung
nicht selbstverständlich oder dauerhaft. Von einem Moment zum anderen kann die
Anerkennung entzogen werden, weil 'der Markt' plötzlich neue Anforderungen stellt.
Selbst SenkrechtstarterInnen im IT-Business haben das in den letzten Jahren
erlebt.
Wir hören in jedem
Kommentar, in jeder Ansprache, daß die USA und sinnbildlich das World Trade
Center, für Freiheit stehen. Es ist wichtig, daß wir uns davon nicht einlullen
lassen und die Realität klar erkennen: der Kapitalismus ist ein Gegner der Freiheit."