Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 3. bis 9. November 2001

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Schauplatz Zentralasien

PRO dehnt sich aus

 

 

Zitat der Woche:
"Ich beobachte es an mir selbst: Es ist eine Illusion anzunehmen, dass der Krieg vorbei ist. Vielleicht ist die Nachkriegsperiode vorbei, aber jetzt beginnt wieder mindestens eine Vorkriegsperiode."
- Heiner Müller

 

Der geschätzten "Revolutionary Worker" legte eine sehr treffende Analyse der Vorgänge in Zentralasien vor. Durch den Zugriff auf die transkaspischen und kaukasischen Erdölvorkommen wollen die USA das durch den Zusammenbruch des Ostblocks geschwächte Russland daran hindern, wiederzuerstarken und erneut zu einem konkurrierenden global player zu werden. Zudem stellt die Kontrolle über die riesigen Vorkommen an Erdöl und Erdgas ein effektives Gegengewicht zur arabischen Ölmacht am Persichen Golf dar. Eine Pipelineführung gen Süden würde den Iran favorisieren, während die Nordroute Moskau zugute käme und die Abhängigkeit der EU von überseeischen Zufuhren verringern würde. Zwar würde der Bau einer Pipeline gen Westen an den türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan oder gar der Energiekorridor Nr. 8 durch den bereits von der NATO und ihren albanischen Hilfstruppen militärisch unterjochten Balkan die Kontrolle über das Öl und über jeden dieses Öl benötigenden Staat sichern, aber durch die Linienführung über Afghanistan und Pakistan ließen sich noch größere Vorteile erzielen. Hierdurch würde Washington den russischen Einfluß aus Zentralasien verdrängen und die Kontrolle über die südasiatischen Atommächte Pakistan und Indien etablieren. Bereits 1995 sollen zwischen der US-Ölgesellschaft Unocal, der Clinton-Administration, der turkmenischen Regierung und den gerade aus dem Nichts aufsteigenden Taliban entsprechende Verhandlungen geführt worden sein. Die pakistanische Regierung wiederum hoffte darauf, als Erdöldurchgangsland eine stärkere Stellung gegenüber dem übermächtigen Erzfeind Indien zu gewinnen. Demzufolge erhielten die Taliban durch Saudi-Arabien und Pakistan indirekte Unterstützung der US-Regierung gegen die marodierenden Horden der späteren Nordallianz. Ein Nebenprodukt war die Schwächung der iranischen Position durch die Etablierung eines sunnitischen Fundamentalismus in Zentralasien. Moskau und Teheran war aus naheliegenden Gründen nichts an einer Südostlösung gelegen. Wider Erwarten gelang es den Taliban jedoch nicht, das Land ganz unter Kontrolle zu bringen, da Russland, Indien und der Iran der Nordallianz Hilfe zukommen liessen - die Schüler der CIA und das pakistanischen Geheimdienstes hatten versagt, und Washington hofierte fortan die Regierungen der ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien. Der permanente Bürgerkrieg in Afghanistan drohte die gesamte Region zu destabilisieren und gefährdete damit die Pläne des westlichen Energieimperialismus. Ein Nebengefecht des zentralasiatischen Ölkrieges ist das Gemetzel in Tschetschenien, wo der erbitterte Widerstand der von Saudi-Arabien und Pakistan unterstützten Rebellen den Bau der ersehnten russischen Pipeline von Baku via Grosnyi nach Zentralrussland verhindert. Derzeit sieht die Machtverteilung auf dem zentralasiatischen Schlachtfeld so aus, dass Russland nach wie vor die Vorherrschaft in Kasachstan, Kirgisistan und Tadschikistan ausübt, während die USA mit Hilfe ihrer Verbündeten in Israel, Pakistan und nicht zuletzt der den zentralasiatischen Völkern ethnisch-kulturell eng verbundenen Türkei Usbekistan und Turkmenistan beherrscht und um die Kontrolle über Aserbaidschan ringt. Die Besetzung Usbekistans, der bevölkerungsreichsten und wirtschaftlich bedeutendsten zentralasiatischen Republik, kam durch einen Kuhhandel mit Putin zustande: Der Westen verschliesst die Augen vor dem genozidähnlichen Vorgehen der Russen in Tschetschenien, während Moskau seine Festsetzung in Usbekistan hinnimmt - lieber die NATO in Zentralasien als die Taliban an der Wolga.

 

In der belebten Innenstadt von Birmingham detonierte nächtens eine von der Real IRA plazierte Autobombe. Da der Zünder versagte und die Hauptladung von 30 Kilogramm selbsterzeugtem Sprengstoff nicht explodierte, wurde nur einiger Sachschaden angerichtet. In Derry scheiterte ein Mordanschlag von Loyalisten auf einen aus der Republik Irland stammenden Arbeiter. Wenige Tage zuvor verübten die Loyalisten hier einen Bombenanschlag auf die Wohnung des SDLP-Stadtrates Gerald Driver. Seit Jahresbeginn sind loyalistische Paramilitärs für dreimal so viele terroristische Aktivitäten verantwortlich wie die republikanischen Hardliner. Gehen auf deren Konto 223 kriminelle und terroristische Handlungen, so sind es bei den Loyalisten 620.

 

Während die Hardthöhe noch am 21. Oktober energisch Gerüchte dementierte, nach denen ein Einsatz bundesdeutscher Truppen im "Kampf gegen den Terrorismus" unmittelbar bevorstehe, kündigte die Regierung Schröder-Fischer die Bereitstellung von 3900 Soldaten an. Für Operationen im Raum Zentralasiens, des Persischen Golfes und des Indischen Ozeans verlangt das Kabinett ein militärisches Ermächtigungsgesetz auf 12 Monate. "Einsatzgebiet ist das Gebiet gemäß Art. 6 des Nordatlantikvertrags, die arabische Halbinsel, Mittel- und Zentralasien und Nord-Ost-Afrika
sowie die angrenzenden Seegebiete." Wie sich herausstellte, geschah die Bereitstellung entgegen aller Beteuerungen der Bundesregierung nicht auf amerikanische Anforderung, sondern der Einsatz wurde Washington von Berlin geradezu aufgedrängt. Gerhard Schröder und Joseph Fischer befinden sich in derselben beneidenswerten Rolle wie Mussolini im Juni 1940 - man braucht nur ein paar Tausend Mann zu verheizen, um an der Neuordnung der politischen und geographischen Verhältnisse beteiligt zu werden. Die Imperialisten in Berlin zielen nicht auf eine blosse Unterstützung der USA ab, sondern vielmehr darauf, der bundesdeutschen Wirtschaft ein Stück vom zentralasiatisch-indischen Kuchen zuzuschanzen und nebenbei einen Ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat einzustreichen. Die SPD-Bundestagsfraktion legte bereits vor einiger Zeit ein Strategiepapier über "Deutsche Interessen und Europäische Politik in den transkaukasischen und zentralasiatischen Staaten" vor, also über die "Zukunftsregion Kaspisches Meer". Deutschlands industrielles Schwergewicht liegt auf Maschinenbau, Chemie, Straßenfahrzeugbau, Elektroindustrie. Alles davon wird gebraucht für die geplanten Verkehrskorridore, Rohstoffextraktionen, zivilen und militärischen Sicherungsanlagen auf dem Balkan, im Kaukasus und in Zentralasien. Karsten Voigt (SPD), Koordinator der Bundesregierung für die Beziehungen zu den USA und einflussreiches Mitglied der Atlantikbrücke e.V., formulierte gegenüber der "Berliner Zeitung: "Natürlich kann nur derjenige später auf die politische Gestaltung…Einfluss nehmen, der sich jetzt als militärisch relevanter Partner erweist."

 

Gerhard Jähner schrieb zum nahenden ersten (offenen) Kriegseinsatz bundesdeutscher Truppen in der "Berliner Zeitung": "Seit den ersten Bombenangriffen auf Afghanistan hat die westliche Welt einen Weg beschritten, der eigenen Gesetzen folgt. Eine echte Entscheidungsmöglichkeit lässt der Krieg nur einmal: ihn zu beginnen oder nicht. Einmal angefangen verselbstständigt sich die Logik von Sieg oder Niederlage. Kann man jetzt, nach vierwöchiger Bombardierung, einfach aufhören? Der Triumph der Taliban und ihrer Sympathisanten überall auf der Welt wäre unermesslich, ihr Rachebedürfnis aber ungebrochen. (…) Ohne klares Ja oder Nein, aber mit wachsendem Befremden, schaut man sich im Fernsehen das Spektakel der militärischen Formierung der zivilen Gesellschaft an, zu der der Terror geführt hat. Gerhard Schröder und Joschka Fischer reden von Souveränität, die Deutschland verliere, wenn es sich jetzt abseits stellen und wegducken würde. Daran ist vieles richtig, solange man zugibt, dass jene Souveränität mit Freiheit wenig zu tun hat. Es geht um Pflichten und Zwänge, die niemand mehr in der Hand hat - um die Erfüllung von Bündnis- und Treuepflichten und um die Reaktion auf militärische Entwicklungen, deren weitere Eskalation niemand mit Sicherheit vorhersagen kann. Und sie sollten zugeben, dass jene Souveränität, die hier errungen werden soll, die Völker entmündigt, zumindest für die Zeit des Krieges. Die Informationsgesellschaft, die angeblich den Kern des historischen Standes der westlichen Zivilisation ausmacht, ist schon jetzt in den wichtigsten Fragen suspendiert. Wir wissen nichts über den Verlauf des Krieges, über seine genauen Ziele, über die Szenarien möglicher Entwicklungen und können nur hoffen, dass wenigstens die Handvoll Experten etwas wissen, in deren Hände wir unser Schicksal legen. Von einem Tag auf den anderen tappt eine Gesellschaft, die nichts so fetischisiert wie das Wissen, im Dustern. Nur, weil die Nachrichten der Form halber virtuos weiterlaufen wie gehabt, weil dort Kommentatoren eine Liste von Einsatzorten für die Bundeswehr, die fast ein Viertel des Erdballs umfasst, als ‚genaue Zielbestimmung' bezeichnen, führt die faktische Blindheit für das Publikum nicht zum Schock. (…) Dieser Krieg aber ist ein Fiasko der Vernunft in ganz besonderem Maße. Angesichts der Wut, die die Gegenschläge in Afghanistan überall auf der Welt in Teilen der moslemischen Bevölkerung auslösen, sitzen die westlichen Zuschauer eingeschüchtert vor den Fernsehern. Bis vor kurzem diskutierte man noch über die Universalisierbarkeit des westlichen Rechtsempfindens, der freiheitlichen Werte. Heute kommt einem die Diskussion völlig anlasslos vor, so gering erscheint plötzlich der Teil der Welt, in der die Aufklärung wirklich Fuß gefasst hat. Ohnmächtig den Eigengesetzlichkeiten der Aggression zuschauend, wird man vor dem Fernseher unweigerlich naiv. Das ist doch alles ein Riesenmissverständnis, möchte man der Menge zurufen, die in Indonesien westliche Touristen verprügelt. Wir wollten doch nur die Verbrecher fangen, the evil. Doch in Fragen von Gut und Böse besitzen die Islamisten eine Selbstgewissheit, die den westlichen Betrachter zum Verstummen bringt. Nicht einmal das fundamentale Unrecht, das das Taliban-Regime täglich den Frauen antut, vermag einen Funken von Aggression in der deutschen Öffentlichkeit auszulösen, auch nicht in den Resten der Frauenbewegung. Dass die Bevölkerung die deutsche Beteiligung an den Gegenschlägen widerwillig duldet, ist durch kein Gut und kein Böse bestimmt, sondern allein durch die nackte Angst vor Menschen, die im Gegensatz zu uns sehr genau zu wissen glauben, was gut ist, und was des Teufels, und die auf unbegriffene Art zu Feinden geworden sind. Die Deutschen, die im Gegensatz zu den ehemaligen europäischen Kolonialmächten England und Frankreich wenig Erfahrung darin haben, Kriege zum bloßen Machtbeweis zu führen, ohne Hass und Fanatismus, ohne Erbfeinde und Untermenschen, erleben die bedrückendsten Tage seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs."

 

Das Sicherheitspaket 2 des Bundesinnenministeriums wird eine bedeutende Ausweitung der Befugnisse der bundesdeutschen Nachrichtendienste enthalten. BND und VS erhalten für "die Beobachtung staatsterroristischer, häufig mit Spionage verbundener oder die Völkerverständigen gefährdender Aktivitäten" den Zugriff auf die Datenbestände von Kreditinstituten, Finanzdienstleistern, Fluggesellschaften und Telekommunikationsunternehmen. Ferner erhalten BND und VS das Recht, den Standort von Mobiltelefonen anzupeilen und die Nummern von Gerät und Karte zu ermitteln. Die Informationsrechte des MAD werden auf Telekommunikationsanbieter beschränkt. Bewerber oder Arbeitnehmer bei sogenannten sicherheitsempfindlichen Betrieben und Einrichtungen haben durch Änderung des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (SÜG) mit einer nachrichtendienstlichen Durchleuchtung ihrer Vergangenheit zu rechnen. Durch Änderung des SGB X werden die Sozialversicherungsträger gegenüber den Sicherheitsbehörden auskunftspflichtig.

 

Die Entwaffnungsgeste der IRA und die Entspannung in Nordirland scheinen sich für Sinn Féin auszuzahlen. Einer Meinungsumfrage zufolge ist Parteichef Gerry Adams der populärste Politiker in der Republik Irland. Sinn Féin kann bei den im Juni 2002 anstehenden Parlamentswahlen auf bis zu 7 Sitze hoffen. Gerüchten zufolge beabsichtigt Adams, bereits (wegen Verweigerung des Eides auf die britische Krone suspendierter) Abgeordneter im britischen Unterhaus, in Donegal für einen Sitz im irischen Parlament zu kandidieren. In Donegal ist die Unterstützung für die Republikaner traditionell gross, ausserdem verfügt Adams hier über einen Zweitwohnsitz. Der Wahlkreis Kerry North und ein Mandat in Dublin gelten bereits als definitiv für Sinn Féin gesichert. Angepeilt werden nun ein zweiter Sitz für Dublin, Louth, Sligo und eben Donegal North-East, dessen unabhängiger Abgeordneter Harry Blaney 2002 nicht wieder antreten wird. Mit diesen Mandaten wäre die Partei das Zünglein an der Waage und wäre ein potentieller Koalitions- oder wenigstens Tolerierungspartner für Fianna Fáil - die in den 20ern aus den Reihen des Republikanismus hervorging.

 

Die zunächst als sicher geltende Rückkehr David Trimbles in das Amt des nordirischen Regierungschefs gestaltete sich zum Drama. Im nordirischen Parlament stimmen die protestantischen und katholischen Abgeordneten als getrennte communities ab, und eine Entscheidung benötigt die Mehrheit in jeder Parlamentsgruppe. Der Vorsitzende der Ulster Unionist Party erhielt zwar die überwältigende Mehrheit der katholischen Stimmen, scheiterte aber an zwei Hinterbänklern der eigenen Partei, die gegen ihn stimmten. Das britische Nordirlandministerium griff ein und zauberte die überkonfessionelle liberale Alliance Party aus dem Hut. Deren vier Abgeordnete sind keiner Gruppe zugeordnet, erklärten sich vorübergehend zu Protestanten und sicherten mit ihren Stimmen die Wiederwahl Trimbles. Die protestantische Opposition um die Democratic Unionist Party des reaktionären Pfaffen Ian Paisley kündigte rechtliche Schritte an. Als Vizepremier fungiert Mark Durkan, designierter Parteichef der katholischen SDLP. Trimbles erster Auftritt als wiedergewählter Regierungschef führte zu einer Schlägerei im Plenum zwischen DUP-Abgeordneten und Vertretern der katholischen Parteien SDLP und Sinn Féin. Der Sieger ließ die beiden Parteirebellen aus der UUP ausschliessen.

 

Für die Bundestagswahlen 2002 werden die Bundestagswahlkreise neu zugeschnitten, wobei 29 Wahlkreise komplett wegfallen. Von den 29 wegfallenden Kreisen entfallen 14 auf die neuen Bundesländer, obwohl in der kolonialisierten ex-DDR rund 20 % der Wahlberechtigten wohnen. Der Norden schneidet bei der parlamentarischen Vertretung künftig schlechter ab als der Süden. Die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Thüringen und Sachsen büßen nur zehn Mandate ein. Insgesamt fallen bei der nächsten Bundestagswahl 58 Mandate weg. Etwa 80 bislang als sicher angesehene Landeslistenplätze dürften künftig keine Gewähr mehr für den Einzug in den Bundestag bieten. Hiervon sind vor allem die kleinen Parteien wie FDP, Grüne und PDS betroffen, die (bis auf die PDS in Ostberlin) kaum Aussichten auf Direktmandate haben. Die PDS wird nicht nur von der Reduzierung der Abgeordnetenzahl, sondern auch vom Neuzuschnitt der Wahlkreise betroffen sein, da ein Großteil ihres Anhanges aus den benachteiligten neuen Bundesländern stammt. Offensichtlich will man bei den beiden großen Volksparteien angesichts in den letzten Jahren festzustellender Erosionserscheinungen vermehrt unter sich bleiben.

 

Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Landeschef Eckhardt Rehberg will 2002 mit Hilfe der Schill-Partei die rot-rote Landesregierung in Schwerin ablösen. "Schill könnte auch in Mecklenburg-Vorpommern für die Union ein Partner werden." Die Schill-Partei hatte eine Ausbreitung in die neuen Bundesländer angekündigt. Laut einer Umfrage könnte sie in Mecklenburg-Vorpommern 19 Prozent der Stimmen erhalten, etwa die Hälfte davon aus dem Lager der CDU-Wähler. Die Partei Rechtsstaatlicher Offensive kündigte unterdessen die Gründung von Landesverbänden in Berlin und Brandenburg an.

 

Die Anzeichen, dass China seinen traditionellen Platz als stärkste Wirtschaftsmacht der Welt wieder einnehmen wird, mehren sich. Auf dem ASEAN-Gipfel in Brunei wurde die Bildung einer riesigen Freihandelszone beschlossen, an der sich neben der VR China Vietnam, Thailand, Myanmar, Laos, Kambodscha, Malaysia, Indonesien, die Philippinen, Singapur und Brunei beteiligen werden. Der Wirtschaftsblock soll bis 2011 stehen, und 5 Jahre später sollen sich Japan und Südkorea anschliessen. Den Anfang macht eine Zusammenarbeit in den Bereichen Landwirtschaft, Informationstechnologie, Arbeitskraft und Investition, als gemeinsames Großprojekt ist die Erschliessung des Mekongbeckens geplant. Endziel ist die größte Freihandelszone der Welt mit 1,7 bis 2 Milliarden Einwohnern. Der Beschluss stellt eine dramatische Beschleunigung der ostasiatischen und chinesischen Pläne dar - noch vor 14 Tagen vereinbarte der APEC-Gipfel in Shanghai eine Freihandelszone für 2020. Auch Taiwan baut weitere Hemmnisse für Investitionen auf dem chinesischen Festland ab. Langfristig werden die exportorientierten Volkswirtschaften Ost- und Südostasiens in eine enge Abhängigkeit vom riesigen chinesischen Markt geraten, da erst in den folgenden Jahren die Auswirkungen der Rezession in den USA und Japan voll durchschlagen werden. Auf der anderen Seite seines Machtbereiches plant Peking offenbar den Bau einer 4000-Kilometer-Pipeline von Shanghai nach Urumchi in Xinjiang, um die Befriedigung des explodierenden Erdöl- und Erdgasbedarfes der Volksrepublik aus Zentralasien sicherzustellen. Auf diese Weise würde sich die Abhängigkeit von den verletzbaren Tankerrouten in die USA und in den Nahen Osten verringern.

 

Bei einem verheerenden Autobombenanschlag der baskischen Untergrundorganisation ETA in Madrid wurden 101 Personen verletzt. Zudem registrierte man Schäden an120 Wohnungen, 40 Pkw und der nahegelegenen IBM-Niederlassung. Der Sprengsatz wurde vor dem Verwaltungsgebäude der Großbank BBVA und galt offenbar Juan Junquera González, im Wissenschaftsministerium als Staatssekretär für die systemkonforme Gestaltung der Politikwissenschaften tätig. Das Opfer wurde indessen nur leicht verletzt. Die Attentäter, Aitor Garcia Aliaga und Ana Belen Egues, ehemalige Gemeinderätin Herri Batasunas, wurden auf der Flucht verhaftet. In der Kleinstadt Getxo bei Bilbao erschoß ein weiteres ETA-Kommando den Richter Professor José María Lidón Corbi. Bei einer Polizeirazzia wurden drei weitere Aktivisten der Gefangenenhilfsorganisation Gestora verhaftet.

 

Auch im Oktober verschärfte sich die Lage auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt. Saisonbereinigt stieg die Zahl der offiziell eingestandenen Arbeitslosen um 27.000 auf 3,915 Millionen. Gegenüber dem Vorjahresmonat hat die Arbeitslosigkeit um 114.500 Personen zugenommen. In den alten Bundesländern waren 2.412.700 Arbeitslose (7,2 %) registriert, im Osten 1.312.800 (16,8 %). Die Anzahl der gemeldeten offenen Stellen ist gegenüber dem Vorjahresmonat um 70.000 auf 250.000 zurückgegangen, die Anzahl der Kurzarbeiter verdoppelte sich auf 139.000. Auch in Boomregionen wie Hamburg nahm die Arbeitslosigkeit erstmals seit dem Frühjahr 1998 wieder zu. Für den Februar 2002 wird mit einem Stand von bis zu 4,3 Millionen Arbeitslosen gerechnet.

 

An der renommierten Amerikanischen Universität Beirut wurde unter reger Teilnahme von Vertretern und Organisationen aus der Dritten Welt das Weltforum über die WTO abgehalten. Samir Amin, Leiter des Dritte-Welt-Forums in Dakar und bedeutender Politikwissenschaftler, erklärte: "Kolonialismus ist in eine neue Ära eingetreten. Globalisierung ist nichts anderes als eine kollektive Form kolonialer Herrschaft des Nordens über den Süden." Globalisierung und militärische Aggression wie jetzt in Zentralasien seien untrennbar miteinander verbunden. Das Interesse der USA bestehe vor allem darin, sich in Zentralasien militärisch festzusetzen, die Energiereserven der Region unter Kontrolle zu bringen und den Druck auf Russland, China und Indien zu erhöhen. Dem stimmte der ehemalige algerische Freiheitskämpfer und Präsident Ahmed Ben Bella zu. Globalisierung bedeute vor allem die Monopolisierung der Ressourcen der Dritten Welt durch den Norden. Die Folge seien die permanente Schuldenkrise und 35 Millionen Hungertote im Jahr. Der Militärisch-Industrielle Komplex des Nordens monopolisiere zudem zusehends Wissenschaft und Technologie. Südlich der Sahara werde die durchschnittliche Lebenserwartung bald auf 25 Jahre abgesunken sein. Der ehemalige libanesische Finanzminister Elias Saba äußerte, Freihandel bedeute keinesfalls Technologietransfer in den Süden. Diesem fehle der Zugang zu wichtigen Technologien, deren Ausfuhr an Konzerinteressen und Regierungen der Industriestaaten scheitere.

 

In der bundesdeutschen Öffentlichkeit regt sich nach dem Betroffenheitstaumel im Gefolge des 11. September angesichts des anglo-amerikanischen Vorgehens in Afghanistan Katerstimmung. Rudolf Augstein, wort- und schriftgewaltiger Herausgeber des SPIEGEL, formulierte: "Seit dem Zerfall der Sowjetunion 1991 haben sich amerikanische Politiker in den Wahn hineingesteigert, auf niemanden mehr Rücksicht nehmen zu müssen." Keine US-Regierung habe "diesen Hochmut so vorexerziert wie die von George W. Bush. Da in den USA offensichtlich wertvollere Menschen leben als anderswo, brauchen sie auch einen eigenen Schutzschild gegen Atomraketen. Mit dem weltweiten Kohlendioxid-Ausstoß mögen sich andere Staaten beschäftigen, signalisierte das Großkapitalisten-Kabinett des Texaners. Für Amerika ist die Klimaveränderung noch nicht bedrohlich genug. Und man achte bei jedem Schachzug Bushs auf die Ölinteressen seiner Leute. (…) Wer so vorgeht wie jetzt die Amerikaner in Afghanistan, der sorgt nicht für eine Eindämmung von Terror - sondern fördert seine Ausbreitung. Wer ein bitterarmes Land in Schutt und Asche legt, ohne große Rücksicht auf eine Zivilbevölkerung, die Hunger leidet und schutzlos dem harten Winter ausgesetzt sein wird, der darf sich nicht wundern, wenn sich die Stimmung gegen ihn zu kehren beginnt. Schon ist klammheimliche Freude zu spüren über jeden Fehlschlag der Amerikaner, über jede politische Fehleinschätzung." Während das Gros des seinerzeit unter verdeckter CIA-Beteiligung gegründeten DGB in gewohnter Amerikahörigkeit verharrt, ermannte sich immerhin die IG Metall zu Kritik an Schröders bedingungsloser Unterstützung des verbrecherischen Vorgehens der USA in Afghanistan. Zusammen mit der PDS fällt der IG Metall nun die Aufgabe zu, den Massenprotest zu organisieren - doch da haben wir unsere berechtigten Bedenken. Die grünen Landesverbände Bayern, Niedersachsen, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern haben sich ebenfalls gegen den Krieg ausgesprochen, und auch in den Reihen einiger SPD-Landesverbände und der evangelischen Kirche wächst der Unmut. Außenminister Joseph Fischer soll angesichts massiver Kritik in der eigenen Bundestagsfraktion bereits mit seinem Rücktritt gedroht haben. Der Tübinger Politikwissenschaftler Rittberger beklagte die "massive intellektuelle Repression", mit der die Bundesregierung jegliche öffentliche Debatte unterbunden und großen gesellschaftlichen Gruppen wie Gewerkschaften und Kirchen einfach die außenpolitische Kompetenz abgesprochen habe. Selbst in den USA gebe es eine intensive, auch wissenschaftliche Debatte darüber, ob der Einsatz in Afghanistan "eventuell in einem Vietnamsumpf endet". Sehr wahrscheinlich beneiden die Kriegstreiber um Fischer, Scharping und Schröder ihren pakistanischen Partner Musharraf, der kurzerhand 5000 antiamerikanische Demonstranten in Islamabad verhaften und in Konzentrationslager sperren ließ.

 

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Edelbert Richter trat mit einem beachtenswerten Text an die Öffentlichkeit und verwies darauf, dass die Regierung Bush in ihrem zentralasiatischen Ölkrieg exakt den Vorgaben des berüchtigten Zbigniew Brzezinski in seinem Buch "Die einzige Weltmacht. Amerikas Strategie der Vorherrschaft" folge. Brzezinski ist als ehemaliger Sicherheitsberater Jimmy Carters, als Mitglied der Trilateralen Kommission und als Berater am Center for Strategic and International Studies in Washington bekannt - eine Koryphäe der Geopolitik und ein hemmungsloser US-Imperialist. "Wenn die USA ihre globale Hegemonie erhalten wollten, müssten sie Eurasien beherrschen - eine Dominanz auf dem gesamten eurasischen Kontinent sei noch heute die Voraussetzung für globale Vormachtstellung. Zwar sei die Dominanz mit dem demokratischen Brückenkopf Europa und dem fernöstlichen Anker Japan im Ansatz gegeben, müsse aber aktiv befördert werden, weil neue Konstellationen sie in Frage stellen könnten. Das führt zu einer weiteren wichtigen These Brzezinskis: Das Gebiet von der Türkei im Westen bis an die Grenze Chinas im Osten und von Kasachstan im Norden bis zum Jemen im Süden stelle die Kernzone globaler Instabilität dar. Denn hier lebten, so der Autor, fast 400 Millionen Menschen in 25 Staaten, die fast durchweg instabil, weil von ethnischen und religiösen Gegensätzen zerrissen und zugleich von mächtigen Nachbarn umgeben seien. Teil des Problems in dieser instabilen Region könnte eine Bedrohung der amerikanischen Vormachtstellung durch den islamischen Fundamentalismus werden.
Den Kern dieser Kernzone wiederum bildet nach Auffassung Brzezinskis der von ihm so genannte Eurasische Balkan. Dazu gehören von Georgien bis Kasachstan acht GUS-Staaten und - Afghanistan! Die Parallele zum europäischen Balkan ist bewusst gewählt, denn, ‚'... die dortigen Staaten sind nicht nur hochgradig instabil, ihre Lage und innenpolitische Verfassung fordern die mächtigen Nachbarn zum Eingreifen geradezu heraus ... Es ist dieses wohlvertraute Phänomen des Machtvakuums mit der ihm eigenen Sogwirkung, das die Bezeichnung Eurasischer Balkan rechtfertigt.' Zur Sogwirkung kommt aber positiv Attraktivität hinzu! Nicht nur, weil künftige Transitwege zwischen den produktiven westlichen und östlichen Randzonen Eurasiens die Region durchziehen, sondern wegen der gewaltigen Vorkommen an Erdöl, Erdgas und anderen Ressourcen, über die dieser ‚Balkan' verfügt. Realistische Expertisen rechnen mit Vorkommen von mindestens zehn Milliarden Tonnen Öl und mehr als acht Billionen Kubikmetern Gas in der Region (sieben bzw. sechs Prozent der Weltreserven). Brzezinski spricht von einem ‚ökonomischen Filetstück', zu dem sich dieser ‚Balkan' entwickeln könnte. Wer will da - noch dazu, wenn ein Machtvakuum herrscht - nicht schnell zugreifen, zumal der Hunger allseits wächst? Der Energieverbrauch wird sich in den nächsten 20 Jahren um 40 bis 50 Prozent erhöhen! (…) In der Tat liegen die Anteile großer US-Gesellschaften wie Chevron, Exxon, Mobil Oil an den wichtigsten Konsortien in Kasachstan und Aserbeidschan inzwischen bei 50 Prozent. Auch geostrategisch läuft die Entwicklung ganz im Sinne Brzezinskis, denn in den vergangenen Jahren ist eine durchgehende militärische Bündnislinie bis ins Innere Asiens entstanden: Alle südlichen GUS-Staaten außer (Armenien) nahmen als NATO-Partnerschaftsländer am Jubiläumsgipfel der Allianz 1999 teil. Bei alldem erscheint es nur logisch, dass die Amerikaner nicht länger ‚drohend im Hintergrund' bleiben, sondern direkt militärisch eingreifen und auch präsent bleiben werden. Dass Afghanistan selber über keine bedeutenden Öl- und Gasvorkommen verfügt, ist angesichts seiner strategischen Bedeutung dabei zweitrangig. Dass es ein Hort des Fundamentalismus ist, mag Anlass des Eingreifens, nicht die Ursache sein."

 

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