Wochenschau
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Die politische Wochenschau
vom 12. bis 18. Mai 2001
Schlagzeilen der Woche zusammengestellt von Christian Klee |
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Zitat der Woche: |
"Ein Mensch, der eine Ahnung hat von den Himmeln und Abgründen des Menschentums, sollte nicht in einer Welt leben, in welcher common sense, Demokratie und bürgerliche Bildung herrschen." |
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Hermann Hesse
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Bei den Kommunalwahlen in Kroatien hat die nationalistische Kroatische Demokratische Gemeinschaft HDZ überraschend stark abgeschnitten. Die oppositionelle HDZ liegt in 14 von 21 Landkreisen vorne, aber die regierenden Sozialdemokraten konnten vor allem in den größeren Städten punkten.
Die italienischen Parlamentswahlen endeten mit einem triumphalen Sieg des Rechtsbündnisses "Haus der Freiheiten", womit der unsympathische Opportunist Francesco Rutelli dem unsympathischen Opportunisten Silvio Berlusconi unterlegen ist. Im Senat errang die Rechtskoalition aus separatistischer Lega Nord, postfaschistischer Alleanze Nazionale, christdemokratischen Splittergruppen, konservativer Forza Italia und neofaschistischer Fiamma Tricolore 177 von 315 Sitzen und im Abgeordnetenhaus 367 von 630. Bei den Proportionalwahlen zum Abgeordnetenhaus schlug Berlusconis Allianz mit 49,9 % das linke Ulivo-Bündnis mit 35,4 % klar. Der designierte Ministerpräsident Silvio Berlusconi, Medienmilliardär und mit einem geschätzten Vermögen von 36 Milliarden DM der drittreichste Mann Europas, verfügt somit über die absolute Mehrheit in beiden Kammern. Es handelt sich um die stabilste italienische Regierung seit Mussolini. Die Forza Italia konnte als erste italienische Partei seit Anfang der 90er Jahre mehr als 30 % der Stimmen erringen und legte gegenüber den letzten Parlamentswahlen um 10 % zu. Nicht nur die Gegner, sondern auch die Verbündeten litten unter dem mit enormem Aufwand vorgetragenen Ansturm der FI: Die Alleanze Nazionale fiel von 16 auf 11 % zurück, die Lega Nord von 10 auf 3,9 %. Damit ist Berlusconi nicht zwingend auf die Unterstützung der radikalen Autonomisten angewiesen. Zweitstärkste Partei wurden die postkommunistischen Linksdemokraten, die zum Bündnis von Rutelli gehören, mit fast 17 % (- 5 %). Die Wahlbeteiligung lag bei fast 80 %.
Die im Bundestag vertretenen Parteien haben seit 1990 fast jedes vierte Mitglied verloren. Von damals 2,3 Millionen Mitgliedern ging ihre Zahl seit der Einheit um über 560 000 zurück. Dies geht aus den Angaben der Parteigeschäftsstellen hervor, die am Montag von der "Zeitschrift für Parlamentsfragen" veröffentlicht wurden. Danach mußten alle Parteien mit Ausnahme von Bündnis 90/Die Grünen Rückgänge hinnehmen. In absoluten Zahlen waren die Verluste bei der SPD am größten. Ihre Mitgliederzahl sank von 937 697 im Jahre 1990 bis Ende letzten Jahres auf 734 667. Dies entspricht einem Minus von 203 030 oder 21,7%.
Im Rahmen der von EU und USA betriebenen Interessenpolitik auf dem Balkan verhandelte Bundesaußenminister Fischer mit dem albanischen Ministerpräsidenten Ilir Meta über die Lage in Mazedonien und dem Kosovo sowie über die Heranführung Albaniens an den Machtbereich des Westens. Derweil nahm die Große Koalition unter Einbeziehung der beiden großen Albanerparteien Gestalt an; nur die albanischen Ultranationalisten ließen sich nicht beirren und setzten den Kampf fort. Die ihnen nahestehenden Nationaldemokraten beteiligten sich nicht an der Koalition - als Sprachrohr des nationalen Widerstandes der Albaner wird ihnen zugetraut, bei den 2002 anstehenden Parlamentswahlen zur drittstärksten Fraktion aufzusteigen. Ein Ultimatum der Regierung, die von der UCK besetzten Gebiete bei Kumanovo zu räumen, wurde zurückgewiesen.
Auch in der Pufferzone zwischen Serbien und dem Kosovo kam es wieder zu Gefechten. Die UNO kündigte unterdessen an, im Kosovo Parlamentswahlen für den 17. November anzusetzen. UNMIK oktroyierte eine Verfassung für das Kosovo, die jedoch von Hashim Tacis nationalistischer DPK als Vorentscheidung gegen die Unabhängigkeit der Provinz strikt abgelehnt wird. KFOR hat den UCPMB-Partisanen in Südserbien eine Amnestie angeboten, wenn sie sich zurückziehen und bis zum 24. Mai entwaffnen lassen. Daraufhin haben sich bereits mehr als 230 Guerrilleros den UN-Truppen oder der jugoslawischen Armee gestellt.
Zu einer wahren Groteske kam es am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin, bekanntlich der größten politikwissenschaftlichen Fakultät Europas. Die Dozenten Fritz Vilmar und Horst Hensel wagten es doch tatsächlich, ein Seminar mit dem Titel "Die Amerikanisierung unserer Sprache als politisches Problem - Deutschland zwischen kultureller Selbstaufgabe und Selbstbehauptung" anzukündigen. Prompt traten die politisch korrekten Zwangsneurotiker der "Antifa" auf den Plan. Sich selbst wieder einmal als Fünfte Kolonne des Globalisierungskapitalismus und des US-Kulturimperialismus entlarvend, machte man als "bündnis kritischer studentInnen" mit einem Sabotageaufruf und einer Kampagne gegen "Deutschtümelei und völkisch-nationalistische Normalisierung" mobil. Vilmar und Hensel wurden gar des unverzeihlichen Vergehens geziehen, dem Antiamerikanismus zu frönen. Hintergrund der von den autonomen Automaten betriebenen Rufmordkampagne dürften die Untersuchungen der beiden Politologen sein, die sich mit der "Unterwerfung unter die US-amerikanische Hegemonie" und dem "Konzept negativer nationaler Identität von Diskurseliten" befassen.
Mit Hilfe eines von der Thatcher-Regierung erlassenen Gesetzes behindert die britische Regierung den Wahlkampf der republikanischen Hardliner. Republican Sinn Féin strebte danach, den im Januar 1999 von einem der üblichen Sondergerichte wegen Waffenbesitzes und der Beschießung einer Armeebasis in West Belfast zu 10 Jahren Haft verurteilten Tommy Crossan als Kandidaten aufzustellen. Crossan wäre in Belfast möglicherweise zur Konkurrenz für den Kollaborateur Gerry Adams geworden. Durch die Kandidatur wollte RSF auf die Lage im Gefängnis von Maghaberry aufmerksam machen, wo man loyalistische wie republikanische Paramilitärs gemeinsam mit Drogenhändlern und Sexualstraftätern inhaftiert. Die Gefangenen müssen bis zu 8 Leibesvisitationen am Tag über sich ergehen lassen. Zahlreiche Kriegsgefangene von Real IRA und Continuity IRA sitzen in Maghaberry unter Bedingungen wie 28tägiger Einzelhaft bei 23stündigem Verschluß ein. Unter Berufung auf ein 1981 nach der Wahl des Märtyrers Bobby Sands ins britische Unterhaus erlassenes Gesetz spricht London Tommy Crossan nun das Recht zur Kandidatur ab.
Auf dem 7. Deutschen IT-Sicherheitskongreß des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik BSI stellte Claus-Henning Schapper als Staatssekretär im Bundesinnenministerium den Prototypen des neuen Internet-Ermittlungstools INTERMiT vor. INTERMiT wird es als eine Art Meta-Suchmaschine den Polizeibehörden ermöglichen, das Internet automatisiert nach "verbotenen Inhalten" zu durchsuchen, wobei "Rechtextremismus" auf eine Stufe mit Kinderpornographie gestellt wird. In der Diktion Schappers wird der Internetsurfer zum Opfer einer Straftat, sobald er eine "rechte" Seite aufruft, und bedarf daher obrigkeitsstaatlicher Schutzmaßnahmen. Als einheitliche Verschlüsselungspraxis werden Bundesinnenministerium und monopolkapitalistische Konzerne wie die Deutsche Telekom oder die Deutsche Bank demnächst die Erprobung des SPHINX-Standards einleiten.
Im britischen Verteidigungsministerium sind nach Presseberichten versteckte Mikrofone entdeckt worden. Der "Sunday Times" zufolge wurden bei Renovierungsarbeiten rund 30 Mikrofone gefunden. Sie seien möglicherweise im Auftrag eines ausländischen Geheimdienstes dort angebracht worden. Ein Vertreter des Ministeriums, der nicht namentlich genannt werden wollte, sagte dem "Daily Telegraph", womöglich handle es sich um "Industriespionage" durch nicht näher bezeichnete französische Unternehmen, denen der Auslandsnachrichtendienst DGSE traditionell behilflich ist.
Billy Hutchinson als Unterhauskandidat der UVF-nahen Progressive Unionist Party hat seine Kandidatur in North Belfast zurückgezogen. Hier steht der Wahlausgang auf des Messers Schneide, und infolge der Zersplitterung der protestantischen Politiklandschaft ist es nicht auszuschließen, daß hier erstmals ein katholischer Kandidat das Rennen macht. Hutchinson opfert den sozialrevolutionären Loyalismus der PUP auf dem Altar des regierungsfaschistischen Unionismus. Immerhin stellen PUP und UVF ihren Anhängern die Stimmenabgabe für einen Kandidaten ihrer Wahl frei. Hutchinsons Kameraden David Ervine in East Belfast und Dawn Purvis in South Belfast halten an ihren Kandidaturen fest, zudem schickt die PUP auf kommunaler Ebene 29 Kandidaten ins Rennen.
Im mehrheitlich protestantischen East Belfast kam es zu mehrtägigen Zusammenstößen zwischen republikanischen und loyalistischen Randalierern. Im Rahmen der Unruhen wurde auch eine Gruppe australischer Touristen von katholischen Jugendlichen mißhandelt, weil man sie für Loyalisten hielt. Die Krawalle gingen offenbar von republikanischer Seite aus und wurden von loyalistischen Selbstverteidigungsgruppen mit Brandsätzen beantwortet. Mindestens 7 Polizeibeamten wurden verletzt, es kam zu Schießereien. Gleichzeitig konnten die rivalisierenden loyalistischen Paramilitärs von UVF und LVF nicht von ihrer Fehde lassen und führten sie mit einem Bombenanschlag und mehreren Feuerüberfällen fort, wobei in North Belfast ein UVF-Mitglied schwer verletzt wurde. Zu weiteren Zusammenstößen zwischen Protestanten und Katholiken kam es in Portadown. Um die Wogen zu glätten, durchschoß ein UVF-Bestrafungskommando einem der eigenen Leute die Kniescheiben, da er in einen Bombenanschlag auf ein UDA-Mitglied im Shankill-Viertel verwickelt war. Die UDA als Nordirlands stärkste Miliz drohte zuvor mit militärischen Schritten gegen die UVF.
Das Bundesarbeitsministerium beabsichtigt eine Manipulation der für Riester nicht sehr schmeichelhaften Arbeitslosenstatistik. Nach dem Willen der rosa-grünen Bundesregierung sollen fortan nur noch die Gruppen aufgeführt werden, die dem Arbeitsmarkt auch wirklich zur Verfügung stehen. Keine öffentliche Erwähnung finden demnach unvermittelbare Arbeitslose, aus Frustration die Frührente anvisierende Mittfünfziger, Personen mit der Option auf eine künftige Einstellung sowie zum Wehr- oder Zivildienst einberufene Arbeitslose. Mittlerweile beziehen übrigens 650.000 Arbeitslose keinerlei Unterstützung mehr, sondern wurden komplett zur Sozialhilfe abgeschoben oder gehen auf Raten auf der Straße zugrunde.
Das US-Außenministerium erklärte die Real IRA zur ausländischen Terrororganisation. Damit wird es republikanischen Hardlinern in den USA deutlich erschwert, Unterstützungsgelder für Parteien wie Republican Sinn Féin oder das 32 County Sovereignty Committee zu sammeln. Zudem wurden der RIRA zuzordnende Guthaben in den Vereinigten Staaten eingefroren. Angehörige des 32 CSC und der republikanischen Gefangenenhilfe erhalten keine Einreisevisa mehr. Der republikanische Veteran und Rechtsanwalt Martin Galvin, New York, kündigte eine Klage an, da er in der Anordnung des State Department einen eklatanten Verstoß gegen das verbriefte Recht auf freie Meinungsäußerung sieht. Die Real IRA verübte diese Woche einen Granatwerferanschlag auf den Armeestützpunkt Bessbrook in South Armagh sowie einen Bombenanschlag auf eine Polizeiwache in Derry.
Nach Angaben des Bundes der Steuerzahler finanziert die Bildungsbehörde des Landes Berlin seit Jahren die linksextremistischen Jungdemokraten/Junge Linke. Alleine im laufenden Jahr werden JD/JL rund 47.000 DM aus Steuergeldern erhalten. Der kommunistische Bund der Antifaschisten, bekanntlich der PDS nahestehend, kassierte zwischen 1998 und 1999 aus einem ABM-Projekt 194.000 DM. In Bremen kassiert die linksmilitante Sielwallhausinitiative aus dem Staatssäckel bislang jährlich 21.000 DM.
Die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe gab, sekundiert durch das geheimdienstnahe Nachrichtenorgan SPIEGEL, bekannt, sie habe eine Nachfolgeorganisation der RAF ausfindig gemacht. Als Mitglieder wurden die ehemaligen RAF-Aktivisten Daniela Klette und Ernst Volker Staub genannt. Zur Geldbeschaffung verübte die Gruppe Anfang 2000 einen hochprofessionellen Überfall auf einen Geldtransporter, bei dem eine Panzerfaust zum Einsatz kam. Als wäre sie durch die Exekution ihres Lebensgefährten Horst-Ludwig Meyer durch österreichische Spezialeinheiten und ein ruiniertes Leben nicht genug gestraft, wurde die Exterroristin Andrea Klump für die Beteiligung an einem vor 13 Jahren (!) verübten Bombenanschlag auf einen US-Stützpunkt im spanischen Rota zu 9 Jahren Haft verurteilt. Die von den bundesdeutschen Repressionsbehörden behauptete Mitgliedschaft in der RAF konnte Klump nicht nachgewiesen werden und wurde als Anklagepunkt fallengelassen. Die Generalbundesanwaltschaft meldete ferner, daß der seit 1982 einsitzende und zu lebenslanger Haft verurteilte RAF-Untergrundkämpfer Rolf Heißler im Oktober entlassen wird. Heißler hatte 1978 bei einem Feuergefecht zwei niederländische Zollbeamte erschossen. In Berlin wurde der Schauprozeß gegen 5 ehemalige Aktivisten der Revolutionären Zellen um Rudolf Schindler wieder aufgenommen. Abgesehen von einer Stellungnahme gegen den polizeistaatlichen Charakter der Prozeßumstände äußern sich die Angeklagten nicht zu den Vorwürfen. Teilweise sitzen sie seit 17 Monaten in Untersuchungshaft.
Das BKA will zudem endlich eine Spur im mysteriösen Mordfall Rohwedder gefunden haben. Nachdem die RAF jahrelang keine einzige Spur hinterließ, soll sie ausgerechnet bei der Ermordung des Treuhandmanagers, die den Weg für die Verschleuderung des DDR-Volkseigentums an das westdeutsche und internationale Finanzkapital durch Birgit Breuel freimachte, ein HANDTUCH vergessen haben. An diesem Textil, von dem bislang die Öffentlichkeit nichts erfuhr, will man nun durch Haaranalyse DNA-Spuren ausgerechnet des in Bad Kleinen von der GSG 9 ermordeten RAF-Aktivisten Wolfgang Grams gefunden haben. Es wurden noch Haare weiterer Personen gefunden, aber diese waren wie durch Zauberhand nicht mehr analysierbar, da sie unsachgemäß gesichert wurden. Wir gestatten uns die Anmerkung, daß Rohwedder aus fast 60 Meter Entfernung von einem hochqualifizierten Scharfschützen liquidiert wurde - durch derartige Ausbildungen fiel die RAF bislang noch nicht auf. Paßt alles etwas zu gut zusammen, nicht wahr?
Nach Angaben des arabischen Knesset-Abgeordneten Darausha planen Kreise innerhalb des israelischen Militärs und der Regierung die Ermordung von Palästinenserpräsident Arafat sowie die gewaltsame Liquidierung der Autonomiebehörde. Um den Jahrestag der israelischen Staatsgründung herum, an dem die Palästinenser vor allem der brutalen Vertreibungen gedenken, kam es erneut zu schweren Zusammenstößen und Gefechten. Auf immer rücksichtslosere Bombenanschläge antwortete Israel mit massiver Vergeltung. Erstmals seit 1967 erlebten die Palästinensergebiete Luftangriffe israelischer Kampfflugzeuge. In den Palästinensergebieten gingen Hunderttausende auf die Straße, um gegen den zionistischen Terror zu protestieren. Die schwedische EU-Präsidentschaft kritisierte in scharfer Form die andauernden Übergriffe der israelischen Armee in den Autonomiegebieten und die gezielte Ermordung palästinensischer Paramilitärs. Washington hingegen verhinderte zum dritten Mal mit einer Vetodrohung im UN-Sicherheitsrat die Entsendung von Beobachtern nach Palästina. Mittlerweile sind die Opferzahlen des Guerrillakrieges in Palästina auf 487 Tote auf palästinensischer und 86 auf israelischer Seite gestiegen.
Die baskische Untergrundorganisation ETA zündete im unmittelbaren Vorfeld der mit Spannung erwarteten Regionalwahlen im Baskenland eine Autobombe in einem Einkaufsviertel der spanischen Hauptstadt Madrid, wobei 14 Menschen zum Teil schwer verletzt wurden. Der Wahlgang selbst fand angesichts bürgerkriegsähnlicher Zustände unter dem Schutz von 5000 Polizeibeamten statt. Sehr zum Unwillen der spanisch-zentralistischen Allianz aus Sozialisten und Konservativen setzte sich die gemäßigt nationalistische Baskische Nationalpartei PNV mit 42,7 % der Stimmen und 33 von 75 Mandaten durch. Die Nationalisten gingen ein Listenbündnis mit der sozialdemokratischen Eusko Alkartasuna ein. Damit hat die PNV unter dem baskischen Regierungschef Juan José Ibarretxe das beste Wahlergebnis seit der Autonomieregelung von 1980 erreicht. Die radikalen Separatisten mit ihrem Wahlblock Euskal Herritarrok fielen, was angesichts des blindwütigen Aktionismus der ETA nicht weiter verwundert, auf 10,1 % und 7 Sitze zurück. Die konservative Volkspartei unter Führung des unbeliebten ehemaligen spanischen Innenministers Jaime Mayor Oreja legte auf 23 % und 19 Mandate zu, die Sozialisten fielen hingegen auf 17,8 % und 13 Abgeordnete zurück. Mit 79,9 % wurde die höchste Wahlbeteiligung aller Zeiten registriert. Damit hat der Pakt der Zentralisten die angestrebte absolute Mehrheit deutlich verfehlt. Diese Niederlage ist nicht zuletzt auf den Wahlkampf zurückzuführen, in welchem gezielt versucht wurde, die nationalen Regungen der Basken insgesamt zu diffamieren und zu kriminalisieren. Die kommunistische Vereinigte Linke konnte sich auf 3 Abgeordnete steigern. Ungeachtet des Wahlausganges zeigten sich sowohl die ETA als auch Madrid uneinsichtig. Bei einem Briefbombenanschlag der Separatisten wurde der Journalist Gorka Landabaru verletzt, während die Zentralregierung sich rundweg weigert, nach nordirischem Vorbild Allparteienverhandlungen aufzunehmen. Ibarretxe sprach sich für die Bildung einer Antiterrorfront aus, von der Euskal Herritarrok ausgeschlossen bleiben soll.
Der russische Ministerpräsident Kasjanow bestätigte, daß Moskau und Tokio seit dem letzten Gipfeltreffen über die Kurilenfrage verhandeln. Im März legte Japans gestürzter Premier Mori dem russischen Präsidenten Putin ein Schema zur Rückgabe der 1945 von Stalin besetzten Inselgruppe vor. Zunächst sollen die kleineren Inseln Shikotan und Habomai zurückgegeben werden, ehe man über die Hauptinseln Kunashir und Iturup verhandelt. Rußland dementiert jedoch japanische Meldungen, nach denen bereits ein Abkommen ausgehandelt sei. In diesem Zusammenhang gewinnen die immer wieder auftauchenden Berichte über bundesdeutsch-russische Geheimkontakte bezüglich Kaliningrad-Königsberg neues Gewicht.
Der SPIEGEL-Begründer Rudolf Augstein nahm in der Frankfurter Paulskirche, der traditionsreichen Quasselbude des deutschen Liberalismus, den Ludwig-Börne-Preis entgegen. Vor Augstein erhielten die für ein "aufklärerisch-freiheitliches Lebenswerk" vergebene Auszeichnung beispielsweise Marcel Reich-Ranicki oder der Publizist Josef Joffe (Atlantikbrücke). Nun braucht man sicherlich nicht auf die klägliche Demonstration eines Häufleins von Schwachköpfen einzugehen, die ausgerechnet Augstein Salon-Antisemitismus vorwarfen. Mehr Substanz haben die Vorwürfe der Historiker Alexander Bahar und Wilfried Kugel, die Augstein nicht ganz zu Unrecht die Beschäftigung der halben Abteilung Weltanschauliche Gegnerbekämpfung des Reichssicherheitshauptamtes in den 50ern vorhalten. Hier haben wir übrigens ein weiteres Indiz für die Nähe des "Sturmgeschützes der Demokratie" zu BND, CIA und britischem SIS, die sich bekanntermaßen allesamt alter SD-Profis bedienten. Zudem verweisen Bahar und Kugel auf die verhängnisvolle Rolle des SPIEGEL bei der Konstruktion der geschichtsklitternden Theorie, ausgerechnet Marinus van der Lubbe habe 1933 den Reichstag angezündet. Wir gestatten uns, noch nachzukarten: Gerade mit der jüngst erschienenen Serie über "die Schatten des Dritten Reiches" oder völlig am Stand der historischen Forschung vorbeigehenden Elaboraten des sattsam bekannten Joachim C. Fest (1999) vollstreckt der SPIEGEL das politische Testament des real existierenden Nationalsozialismus. "Der größte Hitler, den es je gab", der "Dämon", dem sich niemand zu entziehen vermochte - und nicht etwa ein von äußeren Umständen begünstigter Betriebsunfall des von uns ansonsten bejahten deutschen Sonderweges, der das ineffektivste jemals auf deutschem Boden bestehende Staatssystem und einen falsch verstandenen Nationalismus mit sich brachte - mit verhängnisvollen Folgen für ganz Europa.
Für den Beobachter unerwartet macht sich ausgerechnet Frankreichs sozialistischer Bildungsminister Jack Lang zum Fürsprecher der regionalen Sprachvielfalt, die unter den zentralistischen Exzessen seit der Revolution von 1789 schwer zu leiden hatte. Die regionalen Sprachen sollen gefördert werden, ohne daß Frankreich die als verfassungswidrig empfundene Europäische Charta zum Schutz der Regionalsprachen unterzeichnet. Lang definiert die Regionalsprachen nunmehr als Teil des reichen kulturellen Erbes der Französischen Republik. Künftig sollen sie auf Wunsch der Eltern an jeder Schule zweisprachig unterrichtet werden. Bislang lernen höchstens 1,5 % der 12 Millionen französischen Schüler eine der Regionalsprachen, und das oftmals in Privatschulen. Im Elsaß läuft Langs neues Modell bereits seit Anfang der 90er Jahre - hier lernen immerhin mehr als 4 % der Schüler auf Deutsch und Französisch. Hochburg des Sprachenkampfes ist nach wie vor Korsika, wo so gut wie alle einheimischen Kinder mit den Sprachen Französisch und Italienisch/Korsisch aufwachsen. Unterdessen hat die französische Nationalversammlung die Debatte über das Autonomiepaket für die unruhige Mittelmeerinsel aufgenommen. Bereits verabschiedet sind die Teile der Vorlage, nach denen das korsische Parlament Gesetze aus Paris an die Gegebenheiten der Insel anpassen kann.
Großbritannien und die USA haben dem UN-Sicherheitsrat eine Neuregelung der Sanktionen gegen den Irak vorgelegt. Während das Handelsembargo gegen Bagdad weitestgehend wegfallen soll, wird an eine Verschärfung der militärischen Sanktionen gedacht. Als Vorbedingung müßten die Iraker jedoch wieder UN-Waffeninspekteure ins Land lassen. China und Frankreich treten seit einiger Zeit für eine restlose Aufhebung des Sanktionsregimes ein, und Rußland teilte bereits mit, daß es den anglo-amerikanischen Vorschlag für nicht weitreichend genug hält. Mit ihrem Vorstoß haben Washington und London eingestanden, daß ihre bisherige Politik gegenüber Bagdad ein Fehlschlag war. Während auf der einen Seite die Kontrolle über die irakischen Rüstungsanstrengungen völlig verlorengegangen ist, sind bis Ende vorigen Jahres nach neuesten UN-Berechnungen bis zu 1,4 Millionen Iraker an den Folgen des Embargos gestorben.
In der libyschen Hauptstadt Tripolis trafen mit dem kubanischen máximo lider Fidel Castro und Revolutionsführer Muammar el Gaddhafi zwei der letzten großen Originale der Weltpolitik zusammen. Castro und Gaddhafi stellten die Gemeinsamkeiten der kubanischen und der libyschen Revolution heraus. Beide Staaten seien in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder böswilligen Attacken der USA ausgesetzt gewesen. "Doch mit unserer festen Überzeugung haben wir allen Angriffen getrotzt." An dieser Stelle empfehlen wir die jüngste Castro-Biographie: Volker Skierka - Fidel Castro, 544 Seiten, Kindler Verlag.
Bekanntermaßen sind Untersuchungen zufolge die deutschen Sprachkenntnisse der in der BRD lebenden Ausländerkinder (mittlerweile 1,7 Millionen, davon 42 % türkischer Abstammung) seit ca. einem Jahrzehnt dramatisch rückläufig. Die Betroffenen wachsen nicht in der multikulturellen Mittelstandsidylle rotweinsaufender Sozialpädagogen auf, sondern in Problemstadtteilen, in denen auch die deutschstämmige Wohnbevölkerung kaum einen grammatisch korrekten Satz zustandebringt. Zudem neigen die Eltern vieler ausländischer Kinder zur Ghettobildung, so daß es kaum ein freizeitliches peer group learning des Nachwuchses gibt. Für die Kinder wird keine aufgeklärte Erziehung gewünscht, sondern die Einhaltung eines oftmals aus der ehemaligen Heimat importierten Verhaltenskodex' (nicht selten religiös motiviert), der einer faktischen Abschottung von der bundesdeutschen Gesellschaft gleichkommt. Nun ist es jedoch verfehlt, die Sprachprobleme und die daraus resultierenden sozialen und edukativen Schwierigkeiten auf Integrationsverweigerung oder biologische Minderwertigkeit zu schieben - es handelt sich um eine Strukturkrise des bundesdeutschen Bildungssystems an sich. In Gebieten wie dem Berliner Wedding, wo eines der an den Händen abzuzählenden Sprachstandsmessungsprojekte der BRD läuft, weisen nämlich 75 % ALLER Grundschulkinder Förderbedarf im Deutschen auf, immerhin 40 % scheinen nur Gestammel von sich zu geben ("intensiver Förderbedarf") und sind weder imstande, dem Unterricht zu folgen, noch sich aktiv an ihm zu beteiligen. Deutschstämmige Kinder im Grundschulalter haben in prozentual ähnlicher Weise mit Sprachschwierigkeiten zu kämpfen wie ihre nichtdeutschen Altersgenossen. Elterliches Vorlesen als traditionelles Mittel zur Vermittlung der deutschen Sprache ist in bundesdeutschen Familien passé, anstatt Diskussionen und Gespräche zu führen, setzt man die Blagen lieber vor den Fernseher, wo sie dann mit dem extrem primitiven Wortschatz amerikanischer oder japanischer Zeichentrickmachwerke aufwachsen. Erschwerend wirkt sich das Zusammenpferchen von Kindern mit 18 unterschiedlichen Muttersprachen an Kindergärten und Schulen wie im Hamburger Veddel aus: Dem Großteil der Konversationen wohnt ein sprachliches Unsicherheitsmoment inne. Hier gibt es bereits Schulklassen, in denen kein einziges Kind mehr der deutschen Sprache mächtig ist sowie eine Förderklasse für Analphabeten. An den in den Problemstadtteilen gelegenen Schulen ist der Anteil deutschstämmiger Schüler bereits auf 10 % gefallen, da sowohl die Deutschen als auch sozial mobile Einwanderer die Ghettos seit Jahren fluchtartig verlassen.
Wider Erwarten braut sich doch noch ein Ermittlungsverfahren wegen Subventionsbetruges bei der Leuna-Affäre zusammen. Das Bundesfinanzministerium hegt den Verdacht, daß der BRD beim Verkauf der Leuna-Raffinerie und des Minol-Tankstellennertes ein finanzieller Schaden entstanden ist. Der französische Elf-Konzern und die mit dem Bau der neuen Raffinerie beauftragte Mitteldeutsche Erdölraffinerie GmbH MIDER sollen überhöhte Investitionskosten inclusive verdeckter Bestechungsgelder abgerechnet haben, um höhere staatliche Subventionen einzustreichen. Die Staatsanwaltschaft Magdeburg prüft die Einleitung eines Verfahrens, aber sämtliche Unterlagen über die Verhandlungen, bei denen bis zu 75 Millionen DM Schmiergelder an CDU-Politiker bis hin zum Bundesminister geflossen sein sollen, gelten als verschollen. Ohnehin reicht die Courage der karrierebewußten Magdeburger Staatsanwälte nur bis zum Vorwurf des Subventionsbetruges, an Vorteilsnahme und Bestechung wagt man sich nicht heran. Auch die Staatsanwaltschaft Saarbrücken betreibt die Ermittlungen gegen den Lobbyisten Dieter Holzer, eine Schlüsselfigur der Affäre, nur halbherzig und hat nicht einmal einen Staatsanwalt vollständig für die Untersuchungen freigestellt. Innerhalb eines halben Jahres wurde nicht ein einziger Verdächtiger oder Zeuge vernommen. Die Vorarbeiten zum Magdeburger Verfahren leistete eine Task Force des Bundesfinanzministeriums, der auch Mitarbeiter des Zolls, des BKA und des BND angehörten. Im Rahmen des Elf Aquitaine-Prozesses in Paris sickerten nun auch für Kohl unliebsame Einzelheiten durch: Der damalige Bundeskanzler hatte schon 1992 dem französischen Konzern staatliche Subventionen in der von Elf gewünschten Höhe zugesagt. Bislang hatte Kohl immer behauptet, er habe sich niemals direkt in die Verhandlungen eingeschaltet. Direkt bestochen worden sein soll der damalige Bundeswirtschaftsminister Hans Friderichs (FDP).
Wir müssen uns bei der geneigten Leserschaft entschuldigen, hinsichtlich der französischen Kommunalwahlen vom 11. und 18. März mangelhaften Informationen aufgesessen zu sein. Entgegen den hierzulande verbreiteten Meldungen konnten Front National und Mouvement National Républicain nämlich ihre Hochburgen in der Provence erfolgreich verteidigen. In Orange setzte sich Jacques Bompard (FN) mit 59,97 % im 1. Wahlgang gegen den Gaullisten Alain Agostini mit 15,99 % und den Sozialisten Claude Beroud mit 15,49 % durch. Catherine Mégret, Ehefrau des MNR-Vorsitzenden und Le Pen-Rivalen, verwies im 2. Wahlgang mit 45,32 % den Sozialisten Dominique Tichadou mit 44,07 % und den bürgerlichen Rechten Christian Rossi mit 10,61 % hinter sich und bleibt Bürgermeisterin von Vitrolles. In Marignane deklassierte Daniel Simonpieri vom MNR mit 65,52 % im 2. Wahlgang die bürgerliche Rechte. Lediglich in Toulon ging der Bürgermeistersitz des aus der FN ausgetretenen Jean-Marie Le Chevallier an die Liberaldemokraten verloren. Diese stehen zumindest im Dunstkreis von FN und MNR, denn ihre Fraktion im aquitanischen Regionalparlament nahm 1998 vier ehemalige Abgeordnete des Front National auf.
Sylvia-Yvonne
Kaufmann, PDS-Europaabgeordnete, übte heftige Kritik am durch die Sozialdemokratie
begangenen Verrat an den Idealen linker Rentenpolitik: "Die Mehrheit des
Europäischen Parlaments setzt beim Thema Rentenreform' auf allgemeine
Solidaritätslyrik statt auf konkrete Vorschläge zur solidarischen Erneuerung
der Rentensysteme in Europa. Sie trägt den Übergang zu einem Drei-Säulen-Modell
der Altersvorsorge voll mit. Der Cercas-Alonso-Bericht entwickelt keine grundlegenden
Alternativen zum unsozialen Rahmen der Rentenreform', den die EU-Gipfelbeschlüsse
von Lissabon und Stockholm vorgezeichnet haben. Die europäische Sozialdemokratie
leitet mit der Teilprivatisierung der solidarischen Rentenversicherung einen
drastischen Bruch mit ihrer gesamten historischen Tradition ein. Mehr als hundert
Jahre hat die Sozialdemokratie für das Projekt eines umverteilenden und solidarischen
Sozialstaats gekämpft - jetzt steht sie in vorderster Front, um ihn zu demontieren.
Die PDS kritisiert diese Wende aufs Schärfste und wird gemeinsam mit Kräften
aus Gewerkschaften und sozialen Initiativen Druck für eine zukunftsfähige und
solidarische Altersversorgung machen.
'Arbeite länger, spare
mehr, lebe bescheidener' ist das Leitmotiv der Rentenreform', die Kommission
und die Mehrheit der Regierungen der Mitgliedstaaten anstreben. Sowohl die Kommission
als auch die hochrangige Arbeitsgruppe zum Sozialschutz fordern neue Regelungen,
um das aktuelle Renteneintrittsalter hinauszuschieben. Die gesetzliche Rentenversicherung
soll künftig nicht mehr den erreichten Lebensstandard auch im Alter sichern,
sondern nur noch eine Basisversorgung' ermöglichen. Damit wird das Gewicht
solidarisch umverteilender Mechanismen in der Altersversorgung drastisch verringert.
Im Gegenzug werden kapitalgedeckte Formen der Altersversorgung gestärkt und
ausgebaut, die naturgemäß keine solidarisch umverteilenden Mechanismen kennen.
Die Arbeitgeber werden durch die Rentenreformen' finanziell entlastet.
Die Arbeitnehmer müssen durch privates Sparen ganz alleine die Beiträge für
die kapitalgedeckte Altersvorsorge aufbringen. Der Übergang zu einem Drei-Säulen-Modell'
der Altersvorsorge beinhaltet damit eine deutliche Umverteilung zugunsten der
Kapitalseite.
Den EU-Finanzministern
geht es um eine Entlastung ihrer Haushalte. Die Europäische Kommission sieht
in Betriebsrenten und Pensionsfonds ein Vehikel, um einen integrierten europäischen
Finanzmarkt zu schaffen. Die Profiteure dieser Reform' sind Banken, Investmentfonds
und Versicherungen. Die von den Reformen Betroffenen zahlen im Ergebnis höhere
Beiträge, erhalten niedrigere Leistungen und sind überdies den Risiken der Finanzmärkte
ausgeliefert."