Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 31. März bis 6. April 2001

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Die Stimme der Front

Kroatenunruhen in Bosnien

Ganzheitliche Politik

Kaliforniens Re-Hispanisierung

NEIN zum Nizza-Vertrag

C-18-Sympathisant verurteilt

Ansehensverlust der Grünen

Bosnische Serben beliefern RIRA und ETA

Ernste Krise zwischen China und den USA

Massenrekrutierungen durch Loyalisten

Chinas Militärpläne

FBI-Kronzeuge gegen RIRA-Kommandeur

Kalter Krieg im Fernen Osten

Das NATO-Massaker von Varvarin

Slobodan Milosevic verhaftet

Klimaschutz vor dem Ende

 

 

Zitat der Woche:
"Und wenn sie gegen alle Vernunft vom hohen Turme springen, sehnsüchtig und hoffnungsschwer, so mögen sie sogar die Lust des Fliegens empfinden; ja sie mögen im Augenblick glauben emporzusteigen.
Über kurz oder lang jedoch werden sie stürzen, viele werden zerschellen.
Diejenigen, die diesen mörderischen Spaß überleben, können - verkrüppelt - nun ewig erzählen über die schönste Zeit ihres Lebens, über gelebte, aktive, die freudige, fliegende Zeit der Jugend mögen sie sprechen.
Nur wenige aber genesen von ihren Wunden, den Rissen in Bauch und Auge, dem Schnitt in Herz und Hand - blutig gefärbt. Diese wenigen versuchen zu warnen jene, die heut auf hohem Turme stehen; sie mahnen und berichten von der Tiefe, dem Sturz und dem Schmerz, den Wunden auch."
- anonym

 

Mit Hilfe der Uni Potsdam und des Museums für Kommunikation hat die Berliner Medienwissenschaftlerin Katrin Kilian ein verdienstvolles Forschungsprojekt eingeleitet. Das Projekt "Die Handschrift des Krieges" soll die zumeist noch in Privatbesitz befindlichen 40 Milliarden Feldpostbriefe der Deutschen Wehrmacht aus dem Zweiten Weltkrieg in einem digitalen Archiv erfassen. Unterstützung kommt von Ortwin Buchbender, Professor an der Akademie der Bundeswehr in Strausberg. Bisher wurden 13.000 Dokumente beim Museum für Kommunikation abgegeben, zudem ist die Erarbeitung einheitlicher Standards bei der digitalen Erfassung durch andere Institutionen wie die Bibliothek für Zeitgeschichte in Stuttgart, das Landeshauptarchiv Koblenz oder das Bundesarchiv für Militärgeschichte in Freiburg geplant. Inspiration Kilians waren die Feldpostbriefe ihres Großvaters von der Ostfront: "Ich habe einen Einblick in den Kriegsalltag bekommen, der so authentisch war, daß ich das Gefühl hatte, die unverfälschte Stimme der Kriegsteilnehmer zu hören."

 

Einem Artikel Christian Schlüters in der "Berliner Zeitung" entnehmen wir folgende Zeilen zum unvergessenen Carl Schmitt: "Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet. Mit diesem einprägsamen Satz leitete Carl Schmitt zu Beginn des 20. Jahrhunderts seine ‚Politische Theologie' ein. In den vier sich anschließenden ‚Kapiteln zur Lehre von der Souveränität' versuchte er nichts Geringeres als eine Neubegründung des Politischen. Anlaß war sein Befund, daß der zu seiner Zeit vorherrschende ‚rechtsstaatliche Liberalismus' das Wesen, den eigentlichen Gehalt des politischen Handelns verfehle - vor allem den ‚eminenten Sinn der Entscheidung' und der ‚absoluten Ausnahme'. Mit anderen Worten, der Rechtspositivismus der Weimarer Republik müsse geradewegs zu einer Zerstörung, wenigstens aber einer Zurückdrängung des Politischen führen, weil und insofern durch ihn jeder Sachverhalt zum bloßen Anwendungsfall einer rechtlichen Verfahrensregel wird; wo aber das Verfahrensreglement herrscht, so Schmitt, könne es keine klaren Entscheidungen mehr geben, sondern nur noch ‚in Wiederholung erstarrte Mechanik' und ‚inhaltliche Indifferenz'. Schmitt galt das politische Handeln nicht als ein Akt bürokratischer, also verfahrensorientierter Abwicklung: Der Politik soll es vielmehr und endlich wieder um das Ganze gehen - als Gebiet aller Gebiete. Konzeptionell wird sie damit zum entscheidenden Ordnungsfaktor über alle gesellschaftliche Differenzierungen hinweg. Ihre Geltungs- und Gestaltungsansprüche sind als unbedingt zu verstehen. In diesem Sinne verweist das Schmitt- 'sche Bonmont, alle ‚prägnanten Begriffe der modernen Staatslehre' seien nichts anderes als ‚säkularisierte theologische Begriffe', auf den Umstand, daß von einem politischen Souverän nur dann die Rede sein kann, wenn es ihm gelingt, das Unbedingte zur Maxime seines Handelns zu machen: Der moderne Gemeinschafts- und Ordnungsverlust, die grassierende Unverbindlichkeit und Unübersichtlichkeit können nur politisch geheilt werden; Politik gerät zum Letztbegriff."

 

Republican Sinn Féin rief das irische Volk auf, bei der Volksabstimmung über den Nizza-Vertrag am 31. Mai mit Nein zu stimmen. Die Republik Irland setzt den neuen Unionsvertrag als einziger EU-Mitgliedsstaat einem Referendum aus, und eine Ablehnung würde das auf einstimmige Annahme angewiesene Vertragswerk zu Fall bringen. Als Gründe für die Ablehnung werden die zunehmende Machtzentralisierung in Brüssel, die Dominanz der großen Mitgliedsländer und die Militarisierung der EU hin zu einem atomar bewaffneten Superstaat genannt. Die nationale Souveränität Irlands sei vollständig durch die Entwicklung der EU unterminiert worden. Der Nizza-Vertrag verkörpere die Abkehr vom Gleichberechtigungsprinzip hin zur Vorherrschaft der vier großen Mitgliedsstaaten BRD, Frankreich, Großbritannien und Italien. Zudem strebe die Regierung in Dublin über die Partnerschaft für den Frieden, die seinerzeit ohne die bei Fragen von Bedeutung übliche Volksabstimmung unterzeichnet wurde, den Beitritt zur NATO an. Der Ausgang der Volksabstimmung kann zu einer unangenehmen Überraschung für die EU-Befürworter werden: Im Mai 1999 lehnten einer Umfrage zufolge 57 % der Iren die militärischen Pläne der EU ab.

 

Für die Grünen wird es immer enger: Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap nimmt das Ansehen der Partei in der Bevölkerung zusehends ab. Auf die Frage "Glauben sie, dass die Grünen auf Dauer eine politisch bedeutsame Kraft bleiben werden?" antworteten danach 36 % mit "ja" und 61 % mit "nein". In den neuen Bundesländern traute nur noch jeder Vierte den Grünen eine bedeutsame Rolle zu, 73 % aber nicht mehr. Auch bei den Befragten im Alter von 18 bis 29 Jahren sahen laut Umfrage nur 40 % die Grünen als bedeutsame politische Kraft der Zukunft, 57 % dagegen nicht. Selbst 24 % der eigenen Parteianhänger gehen von einem deutlichen Verlust an politischem Einfluß aus.

 

Zwischen den USA und der Volksrepublik China kam es zu einer ernsthaften diplomatischen Krise. Ein amerikanisches Spionageflugzeug vom Typ EP-3E "Aries II" verletzte im Südchinesischen Meer den chinesischen Luftraum und wurde daraufhin von Militärmaschinen gestellt. Nachdem bei einer Kollision ein chinesischer Pilot ums Leben kam, wurde der US-Marineaufklärer zur Landung auf der Insel Hainan gezwungen, wo die 24köpfige Mannschaft sich seitdem in Gewahrsam befindet. Drei US-Zerstörer gingen vor Hainan in Drohstellung, während die erfreuten Chinesen die EP-3 einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Nahe Hongkong drangen 5 amerikanische Maschinen in den chinesischen Luftraum ein, zogen sich aber angesichts anfliegender Abfangjäger zurück. Während die USA die Herausgabe von Besatzung und Flugzeug fordern, verlangt China eine Entschuldigung und die Einstellung der Spionageflüge. Bereits am 23. März kam es im Gelben Meer zu einer gefährlichen Konfrontation zwischen einer chinesischen Fregatte und dem US-Spionageschiff "Bowditch".

 

In China läuft derzeit ein ehrgeiziges Militärprogramm. Die 21 Armeegruppen werden von der schwerfälligen Divisions- auf die beweglichere Brigadestruktur umgestellt. Mit 2,5 Millionen aktiven Soldaten ist die Volksrepublik den USA mit ihren 1,3 Millionen zahlenmäßig überlegen. Während China 7060 Kampfpanzer und 3000 Flugzeuge aufbieten kann, verfügen die USA über 8300 bzw. 4700. Bei den Überwasserkampfschiffen ist Peking mit 60 zu 126, bei Interkontinentalraketen mit 20 zu 980 klar unterlegen. Unter der Meeresoberfläche bewegen die Chinesen sich jedoch mit 65 gegen 74 U-Boote langsam auf die Parität zu. Insgesamt gibt die Volksrepublik im laufenden Haushaltsjahr nach Expertenschätzungen 150 Milliarden DM statt der offiziell genannten 36 Milliarden DM für Militärzwecke aus. China hat in Rußland Zerstörer, U-Boote, Raketen und Kampfflugzeuge bestellt und ein gigantisches Flottenbauprogramm aufgelegt, das bis 2049 Gleichstand mit den Amerikanern schaffen soll. Auf beiden Seiten des Pazifik existieren mächtige militärisch-industrielle Komplexe, die erheblichen Einfluß auf die Politik ausüben.

 

Die chinesische Regierung reagierte gereizt auf einen ausgedehnten Besuch das Dalai Lama in Taiwan. Pekings Presse warf dem geistigen Oberhaupt der Tibeter vor, er wolle die Spaltung des chinesischen "Mutterlandes" vertiefen. Zu weiteren Spannungen tragen die in der Luft liegenden Waffenlieferungen der USA an Taiwan bei. Die von Peking als abtrünnige Provinz betrachtete Inselrepublik ist vor allem an modernen Zerstörern, U-Booten und dem Raketenabwehrsystem PAC-3 interessiert, zudem strebt Washington danach, Taiwan in das ostasiatische Raketenabwehrsystem TMD (Tactical Missile Defence) einzubinden, das sich noch offensichtlicher als NMD gegen das Mutterland China richtet. Bei seinem unlängst beendeten Arbeitsbesuch in Washington schloß Chinas Vizepremier Qian Qichen bei Waffenlieferungen an Taiwan eine militärische Antwort nicht aus. US-Präsident Bush ließ wiederum keinen Zweifel daran, daß er seine Bündnisverpflichtungen gegenüber dem SEATO-Partner Taiwan erfüllen werde. Ein weiterer Frontabschnitt in Fernost ist Nepal, wo in den letzten maoistische und von China unterstützte Guerrilleros eine Offensive gegen Polizeistationen eröffneten und alleine in Rumkot 30 Beamte töteten. Der Kalte Krieg im pazifisch-asiatischen Raum ist keine Drohung - er ist bereits Realität.

 

Nachdem die USA Jugoslawien mit der Sperrung ihrer Finanzhilfen drohten, ließ die serbische (!) Regierung nach einer kurzen Schießerei den ehemaligen Präsidenten Slobodan Milosevic festnehmen. Die Festnahme ist Ausdruck eines schwelenden Machtkampfes zwischen den Radikalreformern um den serbischen Ministerpräsidenten Zoran Djindjic und den Gemäßigten um den jugoslawischen Staatspräsidenten Kostunica - Djindjic drängte die USA geradezu, ein Ultimatum zu stellen, und Kostunica befürchtete von der Festnahme geradezu die Auslösung eines Bürgerkrieges. Festzuhalten ist jedoch, daß Djindjic in Fragen des staatlichen Zusammenhaltes (Kosovo, Montenegro) weitaus härtere Positionen vertritt als Kostunica und hierbei auf Armee, Polizei und Frenki Simatovics gefürchtete JSO-Paramilitärs setzt. Belgrad wird Milosevic nicht an den Westen ausliefern, sondern ihm im Einvernehmen mit Rußland vor einem jugoslawischen Gericht den Prozeß wegen Amtsmißbrauches, Korruption und Mordes machen. In der Tat hat das serbische Volk am meisten unter den Etappen des jugoslawischen Bürgerkrieges gelitten - es ist der Hauptverlierer des Zerfallsprozesses einer staatlichen Mißgeburt. Die andere Frage ist diejenige, ob den Serben angesichts der chauvinistischen und militant antiserbischen Tendenzen in Gebieten wie Kroatien, Bosnien oder dem Kosovo etwas anderes als der bewaffnete Überlebenskampf übriggeblieben wäre. Da auf Milosevics Anwesen auch Waffenlager und Umsturzpläne sichergestellt wurden, prüft die Staatsanwaltschaft eine Anklage auf kriminelle Verschwörung zum Sturz der staatlichen Ordnung. Im günstigeren Fall drohen dem entmachteten Potentaten zwischen 5 und 15 Jahre Haft, im Extremfall die Todesstrafe. In einem Interview mit der rumänischen Tageszeitung "Curentul" richtete Slobodan Milosevic heftige Angriffe gegen den Westen. Die NATO wolle in Südosteuropa ihre neokolonialistischen Pläne mit Waffengewalt durchsetzen. "Wir haben gegen niemanden etwas Feindliches unternommen. Die Wirklichkeit (...) ist eine andere: Nicht das Problem der Albaner im Kosovo hat die NATO-Generäle 'sensibilisiert'. Ziel der Politik des Westens ist die Globalisierung, was Zerstörung der nationalen Identität, Föderalisierung, Abhängigkeit von ausländischen Finanzinstitutionen bedeutet. (...) Man wollte nicht, daß wir im Europa der Einheitswährung als Macht existieren."

 

Param Cumaraswamy, Sonderberichterstatter der UN-Menschenrechtskommission in Nordirland, forderte eine internationale und vor allem unabhängige Untersuchung des schmutzigen Krieges, den britische Nachrichtendienste unter Ausnutzung loyalistischer Paramilitärs gegen die katholische Bevölkerungsgruppe führten. Cumaraswamy pocht insbesondere auf Durchleuchtung der Begleitumstände der Morde an Pat Finucane und Rosemary Nelson, die von nachrichtendienstlich ferngesteuerten Todesschwadronen getötet wurden. Am Verlauf der Untersuchungen der britischen Stevens-Kommission ließ der Sonderberichterstatter kaum ein gutes Haar. Tony Blair erhielt bereits im September einen einschlägigen Brief des UN-Abgesandten, den Downing Street 10 bislang unbeantwortet ließ. Mit neuen Hinweisen darauf, daß auch die sogenannte Forgotten Campaign der UVF, in deren Rahmen in Dublin und Monaghan bei Bombenanschlägen 33 Menschen getötet wurden, vom britischen Militär unterstützt wurde, droht London neues Ungemacht. Die Forgotten Campaign und nicht die gerne ins Feld geführte RIRA-Bombe von Omagh war die blutigste, sinnloseste und brutalste Operation des nordirischen Bürgerkrieges. Der ehemalige IRA-Aktivist Gerard Magee brachte der britischen Regierung eine empfindliche Prozeßniederlage bei. Magee wurde 1988 wegen angeblicher Beteiligung an einem Bombenanschlag auf Soldaten zu 20 Jahren Haft verurteilt und 1998 nach dem Karfreitagsabkommen auf Bewährung freigelassen. Magee konnte nachweisen, daß sein seinerzeitiges Geständnis auf Druck und Mißhandlungen durch die RUC erzwungen wurde. Sein Fall wurde im Juni 2000 vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angenommen und zur Neuverhandlung an die britische Justiz verwiesen. Nach dem nachträglichen Freispruch wird mit einer Prozeßlawine gerechnet - es soll mehr als 100 vergleichbare Fälle geben, in denen republikanischen Verdächtigen unter Vorenthaltung anwaltlichen Beistandes und durch Folter Geständnisse abgepreßt wurden, die zu langjährigen Haftstrafen führten.

 

Der 2. Wahlgang der Oberbürgermeisterwahlen in Frankfurt/Main endete mit einem Sieg der christdemokratischen Amtsinhaberin. Petra Roth setzte sich mit 53,1 % gegen den sozialdemokratischen Herausforder Achim Vandreike durch. Dieser lastete die Verantwortung für seine deutliche Niederlage dem Ausbleiben einer grünen Wahlempfehlung für seine Person an. Die Wahlbeteiligung fiel auf rekordverdächtige 40,2 %.

 

Ende März 2001 waren in der BRD rund 3,999 Millionen Menschen arbeitslos, also rund 113.100 weniger als im Vormonat und 141.400 weniger als im Vorjahresmärz. Saisonbereinigt ist die Arbeitslosenzahl allerdings um 12.000 angestiegen. Gegenüber dem Vorjahresmonat hat sich der Frühjahresaufschwung erneut verlangsamt: Im März 2000 ging die Zahl der Arbeitslosen im Verhältnis zum Vormonat um 136.100 zurück, im März 1999 sogar um 176.400. In der BRD arbeiten mittlerweile bis zu 4 Millionen Menschen als sogenannte geringfügig Beschäftigte auf 630-DM-Basis und gehen keiner weiteren Tätigkeit nach. Ferner gelten rund 2,6 Millionen Privathaushalte als überschuldet und können ihre Zahlungsverpflichtungen nicht mehr aus ihren Einkünften bestreiten.

 

Einer Studie des Institutes für Bevölkerungsforschung und Sozialpolitik der Uni Bielefeld zufolge erkranken Kinder aus armen Familien überdurchschnittlich häufig. Hauptbeschwerden sind Kopfschmerzen, psychosomatische Störungen und Krebserkrankungen. Hinzu kommen Einsamkeit, Streß und eine Tendenz zum Drogenkonsum. Hauptursache für die erhöhten Anfälligkeiten ist die Tatsache, daß ärmere Familien finanziell nicht mehr in der Lage sind, ihren Kindern eine regelmäßige, gesunde und ausgewogene Ernährung zu bieten, zudem werde die Gesundheitserziehung katastrophal vernachlässigt. Anstelle von Grundbedürfnissen wie Nahrungsaufnahme und Kleidung würden oftmals irrationale Konsumwünsche befriedigt. Untermauert werden diese Ergebnisse durch Zahlen aus Hamburg: In Stadtteilen mit niedrigem Sozialniveau ist die Sterberate an Leberzirrhose 240 % höher als in solchen mit hohem Sozialniveau. Die Zahlen für andere Alkoholismusfolgen bzw. Lungenkrebs liegen bei 310 % bzw. 190 %. Fettsucht und Überernährung sind um 320 % häufiger, die Sterblichkeit bis zum 50. Lebensjahr ist doppelt so hoch, der Anteil von Kindern mit gesunden Zähnen ist hingegen halb so hoch.

 

Im Raum Mostar stürmten SFOR-Protektoratstruppen und internationale Polizei die Filialen der Herzegovacka Bank, die als Logistikzentrale der kroatischen Nationalisten fungiert. Wolfgang Petritsch, Satrap des internationalen Finanzkapitals in Bosnien, ordnete die Operation an, um den nach Loslösung vom korruptionszerfressenen bosnischen Zentralstaat strebenden Kroaten die Geldmittel zu entziehen. In Mostar selbst kam es daraufhin zu einem Feuergefecht mit kroatischen Nationalisten und zu schweren Unruhen. Insgesamt wurden 21 UNO-Söldner aus Irland, Frankreich, den USA und Italien verletzt, aber nur 4 Kroaten - alles in einem eine nicht sehr schmeichelhafte Bilanz für SFOR. Im nordwestlich Saravevo gelegenen Kiseljak hieß es wieder einmal "Germans to the Front": Das Bundeswehrkontingent im Rahmen SFORs verstärkte seine Präsenz vor Ort, um die zu 85 % von Kroaten besiedelte Region an der Ausübung des Selbstbestimmungsrechtes der Völker zu hindern. Uncle Sam schickte Panzer und Hubschrauber. In den Städten Busovaca und Vitez haben sich die Einheiten der bosnischen "Bundesarmee" den kroatischen Nationalisten angeschlossen.

 

Der Volkszählung 2000 zufolge sind im US-Bundesstaat Kalifornien die "Weißen" in die Minderheit gedrängt worden und sind mit 46,7 % Bevölkerungsanteil nur noch die größte Bevölkerungsgruppe. Seit 1990 ist der Anteil der Weißen um 7,1 Prozentpunkte gefallen. Zweitgrößte Volksgruppe Kaliforniens sind die spanischsprachigen Latinos, die nunmehr 32,4 % ausmachen. Bei den Einwohnern unter 18 Jahren stellen sie bereits mit 44 % die größte Gruppe gegenüber 35 % Weißen. Die 2,18 Millionen Schwarzen fallen bei zudem stagnierender Kopfzahl noch weniger ins Gewicht als die 3,65 Millionen Asiaten, die beispielsweise in San Francisco bereits 30,7 % der Bevölkerung ausmachen. Derartige Zahlen geben Raum für interessante Spekulationen über die langfristige Zukunft Kaliforniens, das, seit 1770 von Spaniern bzw. Mexikanern erschlossen, 1848 von den USA in einem imperialistischen Raubkrieg annektiert wurde.

 

William Ian Thompson, ehemaliger Unteroffizier des Royal Irish Regiment in Nordirland, wurde zu einer Haftstrafe von 9 Jahren verurteilt. Thompson hat Kontakte zur hitleristischen Gruppe Combat 18 und versteckte Waffen für loyalistische Paramilitärs. Zudem scheint er in die vom britischen Nachrichtendienst zu verantwortende Ermordung der katholischen Rechtsanwältin Rosemary Nelson verwickelt zu sein, die derzeit Gegenstand einer umfangreichen Untersuchung ist. Die Polizei stellte bei Thompson nachrichtendienstliches Material über die nordirischen Loyalistenmilizen sowie Propagandamaterialen von C 18 sicher - ein weiteres Indiz für die partielle Fernsteuerung der protestantischen Paramilitärs durch MI 5 und den britischen Armeenachrichtendienst sowie für ihren Einsatz als Todesschwadronen im Solde der Londoner Kolonialherrschaft.

 

Einer Dokumentation des spanischen Fernsehsenders Antena 3 zufolge sind die Verbindungen der Real IRA nach Südosteuropa stärker als bislang angenommen. Bislang war bekannt, daß die republikanischen Hardliner Sprengstoff und Raketenwerfer aus Kroatien erhielten. Nunmehr wurde offenbar, daß die RIRA weiteres Kriegsmaterial von Parteigängern des bosnischen Serbenführers Radovan Karadzic erwarben. Neben der Real IRA beziehen außerdem die baskische Befreiungsbewegung ETA und die kolumbianische FARC militärischen Nachschub aus Bosnien. Die Lieferungen werden über das Kosovo, Kroatien und die BRD abgewickelt, was die Beteiligung bundesdeutscher Stellen als nicht unwahrscheinlich erscheinen läßt. Ein Beleg für die Aktivität der BRD-Nachrichtendienste in Nordirland ist beispielsweise der Versuch, über die RZ die INLA zu infiltrieren (wir berichteten).

 

Im protestantischen Waterside-Viertel von Derry machte die Polizei eine Autobombe von beachtlicher Sprengkraft unschädlich. Das betreffende Fahrzeug wurde als Unfallwagen hergerichtet, um Polizeibeamte anzulocken und dann per Fernzündung in die Luft zu sprengen. Die Sicherheitsorgane machen republikanische Hardliner für den Anschlagsversuch verantwortlich. Berichten aus Sicherheitskreisen zufolge bereiten die nordirischen Loyalistenmilizen sich derzeit auf ein mögliches Wiederaufleben des Bürgerkrieges vor. Orange Volunteers, UDA und UVF rekrutieren vor allem perspektivenlose Jugendliche zu Hunderten. Die UDA argumentiert, daß die Rekrutierungsmaßnahmen die Jugend davor bewahren, sich der extremistischen LVF oder Drogengangs anzuschließen, und ihr außerdem Identität und Lebensinhalt verleihen. Es gebe kein paramilitärisches Training, sondern EDV-Schulungen, Fortbildungsmaßnahmen und politische Schulung. Die UVF fügt hinzu, man werbe die Jungmitglieder an, damit sie nicht der semikriminellen UDA beitreten - und betreibt weiterhin Waffenausbildung. Alleine die verbündeten Organisationen UVF und Red Hand Commandos zählen mittlerweile 2000 Mann. Als drittgrößer Machtfaktor im loyalistischen Lager erscheinen langsam die Orange Volunteers auf dem Schauplatz. Bislang hatte die Gruppe nur knapp 100 aktive Mitglieder, aber nun erlebt sie einen regen Zustrom an neuen Freiwilligen. Neben Jugendlichen gehören zu diesen kampferfahrene Veteranen, die den Dienst in Armee und RUC quittierten. Die Orange Volunteers treten offen für ein unabhängiges Nordirland ein (dieser Standpunkt verfügt auch bei der UDA über einigen Anhang) und drohten unlängst bei einer Fortdauer der RIRA-Aktivitäten mit Operationen in der Republik Irland, Seit dem Waffenstillstand haben die Paramilitärs beider Seiten ihre Positionen in den jeweiligen Stadtvierteln noch ausgebaut, und zumindest in den traditionell loyalistischen Gegenden gehört es für Jugendliche zum guten Ton, sich einer der Milizen anzuschließen.

 

Im Verfahren gegen den mutmaßlichen Kommandeur der Real IRA, Michael McKevitt, wird ein Spitzel des FBI als Kronzeuge auftreten. David Rupert schloß sich 1997 dem amerikanischen Ableger von Republican Sinn Féin an, um sich 1999 nach von ihm provozierten internen Konflikten den Parteiausschluß einzuhandeln. Nun nahm ihn das der RIRA nahestehende 32 County Sovereignty Committee mit offenen Armen auf. Da man eine Sicherheitsüberprüfung anscheinend nicht für nötig hielt, konnte der Spitzel rasch an Interna gelangen. Die irische Regierung soll dem bereits unter dem FBI-Zeugenschutzprogramm stehenden Verräter eine Kronzeugenregelung angeboten haben.

 

Der Berliner Rechtsanwalt Ulrich Dost bereitet eine Zivilklage jugoslawischer Bombenopfer gegen die BRD vor. Gegenstand ist der Angriff alliierter Terrorbomber auf die Morava-Brücke bei Varvarin, Pfingstsonntag 1999: Zur Mittagszeit tauchten drei NATO-Maschinen über dem belebten Marktörtchen auf und nahmen mit Luft-Boden-Raketen den Flußübergang unter Feuer, auf dem sich reger Zivilverkehr abspielte. Damit nicht genug, die Verteidiger der westlichen Wertegemeinschaft flogen noch einen weiteren Angriff und feuerten zwei Raketen auf Teilnehmer der Rettungsarbeiten ab. Das Resultat dieser militärischen Heldentat waren 10 Tote und 16 Schwerverletzte. Bei dem Angriff handelt es sich eindeutig um ein Kriegsverbechen: Varvarin liegt mitten in Serbien, 180 km südlich Belgrad und 200 km vom Kosovo entfernt. In der Stadt gibt es keinerlei Militäreinrichtungen, es fand auch kein Militärverkehr statt. In Varvarin hielten sich viele Kinder auf, die vor dem NATO-Bombenterror aus Belgrad evakuiert werden mußten. Hier liegt eindeutig ein völkerrechtswidriger Angriff zur Terrorisierung der Zivilbevölkerung vor. Da Bundestag und Bundesregierung die Mitwirkung der BRD am Kosovo-Krieg beschlossen haben, tragen sie auch die völkerrechtliche Mitverantwortung für die Kriegsrechtsverletzung. Mit weiteren Klagen ist zu rechnen, da nach unabhängigen Angaben der Großteil der westlichen Luftangriffe gegen "weiche" Zivilziele erfolgte, was übrigens auch die lächerlich geringen Materialverluste der jugoslawischen Armee erklärt. Ein kanadisches Gericht hat bereits eine zivile Schadenersatzklage über 50 Millionen Dollar zugelassen.

 

Der Entschluß der US-Regierung, sich aus dem internationalen Klimaschutzabkommen von Kyoto zu verabschieden, zeitigt bereits erste Auswirkungen. Nachdem schon Kanada eine Unterstützung dieser destruktiven Haltung durchklingen ließ, wurde der australische Ministerpräsident John Howard deutlicher. Dieser erklärte, im Klimaschutz solle man die Entwicklungsländer stärker zur Verantwortung ziehen - was ohne entsprechenden finanziellen Ausgleich deren Industrialisierung und wirtschaftliche Entwicklung erheblich hemmen würde. Das Kyoto-Protokoll lastet hingegen den Industriestaaten die hauptsächliche Verantwortung für die Treibhausgasemissionen an. Allerdings macht die Dritte Welt bereits 45 % des Ausstoßes an klimaschädigenden Abgasen aus, so daß die Position Australiens bei aller Bitterkeit eine gewisse Berechtigung hat. Wir wiederholen uns: Derartige Überlegungen treten zwar auch bei Bush auf, sind aber nur das Feigenblatt für die knallhart profitorientierte Umweltpolitik der US-Energiekonzerne. Auch der Bundeskonsumbürger hat keinen Grund, sich über die umweltfeindlichen Angelsachsen erhoben zu fühlen: Bundeswirtschaftsminister Werner Müller erklärte, die BRD werde ihr bis 2010 gesetztes Klimaschutzziel nicht erreichen. Das Wirtschaftswachstum werde höher als erwartet sein, zum anderen müsse man den Ausstieg aus der Atomkraft teilweise mit Kohlekraftwerken kompensieren. In der Tat hat Berlin noch kein brauchbares Energieprogramm für den - notwendigen - Ausstieg vorgelegt, und orthodoxe Energiegewinnung kommt den Interessen des Großkapitals weiterhin entgegen. Bezeichnenderweise muß auch die UN-Wüstenkonferenz Oktober 2001 in Bonn entfallen, da das Bundesentwicklungsministerium sich unumwunden weigerte, die für die im Vorjahr vollmundig angekündigte Ausrichtung erforderlichen Mittel bereitzustellen. Wir konstatieren: Trotz allen Theaterdonners beabsichtigt die rosa-grüne Bundesregierung nicht, das Kyoto-Protokoll einzuhalten oder auch nur einen Finger für den globalen Umwelt- und Klimaschutz zu rühren. Übrigens: Um den Trend zur Klimaerwärmung noch aufzuhalten, müßte der Kohlendioxidgehalt der Atmosphäre auf dem gegenwärtigen Stand stabilisiert werden, was eine Absenkung der Emissionen um 90 % bedeutet. In Kyoto wurde jedoch nur von 38 Industriestaaten eine Reduktion um 5,2 % bis 2008/2012 vereinbart. Der Zug ist abgefahren.

 

Ausgerechnet die OECD, die Organisation der Industrieländer, legte eine erschreckende Studie namens Umweltausblick 2001 vor. Kostproben: Die Fischbestände der Weltmeere sind zu 75 % überfischt oder von Überfischung bedroht, die Zerstörung des tropischen Regenwaldes beschleunigt sich, die Luftverschmutzung nimmt zu, in den meisten Staaten ist das Grundwasser verunreinigt, die Abfallberge der Wegwerfgesellschaft ufern aus und giftige Chemikalien bedrohen die Gesundheit. Verheerend ist die Lage vor allem beim Ausstoß von Treibhausgasen. Im Vergleich zu 1995 wird bis 2020 die Emission durch die Industriestaaten um 33 % zunehmen. Bis 2020 werden sich der Automobilverkehr verdoppeln und der Luftverkehr verdreifachen. "Der Klimawandel, der Artenverlust, der saure Regen und das Ozonloch deuten darauf hin, daß die Menschheit die natürliche Umwelt überstrapaziert." Die Umweltpolitik stehe als Korrektiv auf verlorenem Posten, vielmehr seien nunmehr die Wirtschaftsministerien gefragt, um die Vernichtung der menschlichen Lebensgrundlagen aufzuhalten. Instrumente dieser neuen Politik sollen Ökosteuern, Kohlendioxidabgaben, Abbau von Energiesubventionen, strengere Grenzwerte, freiwillige Vereinbarungen mit der Industrie, Informationskampagnen und Förderung umweltfreundlicher Technologien sein.

 

Andrea Nahles, profilierte Parteilinke und SPD-Bundestagsabgeordnete, kritisierte Kanzler Schröder ob seiner außenpolitischen Haltung. Die Bundesregierung habe ohne jede vorherige Debatte eine Beteiligung der Europäer am amerikanischen Raketenabwehrsystem NMD in Aussicht gestellt. Schröder habe auf seinem Besuch in Washington bereits eine Vorfestlegung auf NMD getroffen. Ausführliche Diskussionen über die Sicherheitspolitik würden von der SPD-Parteiführung unterdrückt.

 

In Palästina drangen bei der Verhaftung von des Terrorismus verdächtigen Angehörigen der Leibwache Arafats erstmals israelische Sicherheitskräfte in die palästinensischen "Autonomiegebiete" ein. Ansonsten war die Woche gekennzeichnet von einer zunehmenden Eskalation der Zusammenstöße. Palästinensischen Granatangriffen auf israelisches Kerngebiet und weiteren Bombenanschlägen wurde israelischerseits mit massiven Angriffen auf den Gazastreifen begegnet. Hierbei kamen erstmals auch Boden-Boden-Raketen zum Einsatz. Da die Ziele zumeist Polizeistationen sind, werden neben den Hardlinern auch zunehmends die paramilitärischen Kräfte der Autonomiebehörde in die Gefechte hineingezogen. Gegen den Gazastreifen vollzieht sich zur Zeit ein bedrohlicher Israelischer Truppenaufmarsch. Sharon genehmigte den Bau von 700 weiteren Wohnungen für jüdische Siedler im Westjordanland. Erneut wurden zwei palästinensische Widerstandskämpfer von israelischen Todesschwadronen getötet, womit die Zahl dieser Morde auf 15 steigt. Der Nahe Osten nähert sich dem Zustand des offenen Krieges.

 

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