Wochenschau
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Die politische Wochenschau
vom 2. bis 8. Juni 2001
Schlagzeilen der Woche zusammengestellt von Christian Klee |
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Zitat der Woche: |
"Sicher aber haben wir in der mechanischen Gesellschaft erst Fäulnis und dann Kälte vor uns. Fäulnis, weil das lebendige Verhältnis zwischen Ich und Du verfault und durch das Verhältnis zwischen Ich und Es ersetzt wird: aus dem Du ist eine Sache geworden, an welcher das Ich allein noch der Nutzeffekt interessiert, den es erzielen kann, und den es mit seinen Denkmaschinen ausrechnet. Und die Kälte folgt dann aus dem tödlichen Ablaufe der Funktionen, bei denen Tausende aneinander vorbeifluten können, ohne daß sie sich etwas zu sagen hätten; an die Stelle der Einsamkeit tritt die Verlassenheit und an die Stelle des Vertrauens die Berechnung. Niemand ist verlassener als der Großstädter inmitten seiner Millionen..." |
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Friedrich Hielscher
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Untersuchungen des Hamburger Soziologen Prof. Dr. Alfred Opholzer zufolge haben sich die Veränderungen in der Arbeitswelt im vergangenen Jahrzehnt dramatisch auf den Gesundheitszustand der Bevölkerung ausgewirkt. Beispielsweise hat sich die Zahl derjenigen, die an stress- und bewegungsmangelbedingten Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben, auf 25 % der Gesamtbevölkerung verdoppelt. Ausgewirkt haben sich vor allem neue Technologien, der gestiegene Konkurrenzdruck und neue Arbeitsweisen wie Call-Center. Ende 1999 klagten 44 % aller Beschäftigten, sie seien durch ein hohes Maß an Verantwortung stark belastet. Weitere Stressfaktoren sind Zeitdruck bei 36 %, Arbeitsüberlastung bei 25 % und eingeschränkte Handlungsfreiheit bei 22 %. Gesundheitliche Auswirkungen manifestieren sich als Erschöpfung, Schlafstörungen sowie Schmerzen in Kopf, Rücken und Gelenken - das vegetative Nervensystem revoltiert offensichtlich gegen unnatürliche Arbeits- und Lebensweisen. Das Arbeitsschutzgesetz hat seinen Schwerpunkt in direkten gesundheitlichen Gefahren im Beruf und nicht in Problemen der Arbeitsorganisation oder der sozialen Beziehungen im Betrieb. Nach Angaben der DAK nahmen Fehltage durch psychische Erkrankungen wie Angststörungen, Phobien und Neurosen zwischen 1997 und 2000 um 42 % zu. Insgesamt entfallen bereits 21 % aller Krankheitstage auf psychische Schwierigkeiten, die durch permanente Arbeits- und Informationsverdichtung ausgelöst werden.
Nicht zuletzt unter Berufung auf Niklas Luhmann verbreitete sich Christian Schlüter in der "Berliner Zeitung" über den Begriff Macht. "Eine Gesellschaft ohne Machtverhältnisse bleibt eine Abstraktion. (...) Vor dem Hintergrund des hier skizzierten Verständnisses wird deutlich, warum die Macht als unvereinbar mit der modernen Idee der Autonomie erscheinen muß: Innerhalb von Machtverhältnissen agieren die Machtunterworfenen nicht mehr autonom, sondern heteronom, von Machthabern abhängig; Macht stellt allenfalls ein unvermeidliches Schicksal dar, in das sich der Einzelne nur deswegen fügt, weil er - wie etwa in Hobbes' Vertragsmodell - sonst Schlimmeres zu befürchten hätte: den Krieg aller gegen alle. Die Unvermeidlichkeit der Macht erscheint hier zwar als eine Bastion gegen die alles zerstörende Gewalt, mit der kein Staat zu machen ist. Doch bedarf sie klarerweise der Begrenzung, sei es durch eine moderne Gewaltenteilung oder ein staatliches Gewaltmonopol. In dieser Sicht bleibt auch die gebändigte Macht ein grundsätzliches Übel. Dabei macht schon eine einfache Überlegung deutlich: Die Begrenzung der...Macht kann nur mit Hilfe der...Macht gelingen; Machtmäßigung und -begrenzung durch Öffentlichkeit, Gewaltenteilung und Gewaltmonopol bedeutet immer auch eine Machtsteigerung. Darüber hinaus zeigen uns insbesondere die machtanalytischen Untersuchungen Michel Foucaults, daß Macht keineswegs im Gegensatz zur Freiheit steht. Bei Foucault erscheint sie als Kooperationsphänomen: In Gesellschaft leben heißt so leben, daß man gegenseitig auf sich einwirken kann. Eine Gesellschaft ohne Machtverhältnisse' kann nur eine Abstraktion sein.' (...) Foucaults basaler Machtbegriff formuliert eine Machtbeziehung ohne Repression, auch wenn durch Aufnahme zusätzlicher Bedingungen die Überführung in eine Form repressiver Macht immer möglich ist. Nun bedeutet Macht immer auch die Anonymisierung zwischenmenschlicher Beziehungen. Damit eröffnet sich die Perspektive der Sozialisation oder Vergesellschaftung und es kommen nicht zuletzt die verschiedenen Formen der Disziplinierung und Normierung ins Spiel. In dieser Hinsicht kann von einer regulierenden Macht gesprochen werden. (...) Die Wirksamkeit der regulierenden Macht entfaltet sich - mit einem Wort Niklas Luhmanns - in der Reduktion von Komplexität. Dies gilt immer dann, wenn (wertende) Oppositionen im Spiel sind, wenn etwa von positiv-negativ, männlich-weiblich, jung-alt, vernünftig-wahnsinnig, fleißig-faul und dergleichen mehr die Rede ist. Dabei soll sich eine der beiden Seiten als überlegen durchsetzen, insofern die Durchsetzung nur einer Seite die Generalisierung, Egalisierung und Homogenisierung gegenüber einem ansonsten unübersichtlichen Kontext zur Folge hat. Auf diese Weise werden zum einen - aus der Innenperspektive - die Lücken in der Wirklichkeit' gefüllt und insofern handhabbar und zum anderen - in der Außenperspektive - die Empfindlichkeiten angesichts störender, fremder und anderer' Wirklichkeiten erhöht. Es entsteht die Differenz zwischen Potenzialität und Aktualisierung der Macht und insofern ihre Reflexivität: Nicht alles, was potenziell möglich erscheint, ist auch aktuell durchsetzbar, es kann immer auch schief gehen, weshalb eine (Selbst-) Verständigung über die Durchsetzung der eigenen Möglichkeiten notwendig wird, über das Erwartbare oder, in reflexiver Steigerung, die Erwartbarkeit von Erwartungen, über die Andeutungen und Anspielungen des Kooperationspartners, oder über die Vorleistungen, das Entgegenkommen, das Ermuntern, aber auch die Drohung. (...) Erst an diesem äußersten - negativen - Punkt der Macht kommt die Gewalt tatsächlich ins Spiel, und doch bleibt sie auch hier produktiv, solange sie ein normgerechtes Verhalten erzeugt. Diesseits der Gewalt aber beschreibt die Macht ein soziales Phänomen von allererstem Rang. Eine ernst zu nehmende Analyse des gemeinsamen, kooperativen oder kollektiven Handelns muss sie ins Zentrum ihrer Überlegungen stellen, denn kollektives Handeln ist im Grunde nichts Anderes als tagtägliche Politik. Macht ist ihr Rohstoff: In all ihren Erscheinungsformen bedeutet sie die Einrichtung von Möglichkeits- und insofern auch Durchsetzungskontinua, die weiter reichen können und gegen Herausforderungen stabiler zu sein versprechen als die ursprünglichen Kontinua. Macht dient - das klingt paradox, aber so ist es - der Bewältigung von Problemen der Art, die es ohne sie nicht gäbe. Sie ist der - offene oder versteckte - Unterpfand des menschlichen Handelns."
Angesichts immer besserer Umfragewerte für Sinn Féin plant die irische Regierung gesetzliche Maßnahmen gegen die auswärtige Finanzierung politischer Parteien. Die republikanische Bewegung wird bekanntermaßen massiv von irischstämmigen Nordamerikanern unterstützt. Durch eine gesetzliche Regelung will Dublin Sinn Féin finanziell schwächen, da die Partei dann nicht mehr auf die Hilfsgelder der Übersee-Iren zurückgreifen kann. Bereits im Vorjahr scheiterte ein derartiges Vorhaben jedoch am Einspruch der irischen Justizbehörden, die derartige Pläne für verfassungswidrig erklärten. In der Light-Version sollen nunmehr Nichtinhaber der irischen Staatsbürgerschaft als Spender ausgeschlossen werden. Seit 1995 strömten aus den USA mehr als 3 Millionen Pfund Spendengelder in die Parteikasse Sinn Féins.
In North Belfast kam es zu Zusammenstößen zwischen katholischen und protestantischen Jugendlichen, bei denen die Polizei 12 Verhaftungen vornahm. Zudem kam es zu nächtlichen Angriffen von Loyalisten auf die Häuser zugezogener Katholiken. In Portadown kam es zu wiederholten Straßenschlachten zwischen der Polizei und loyalistischen Jugendlichen. Zudem erlitten Prügelbullen der RUC eine demütigende Niederlage gegen katholische Randalierer, die zwei Mobile Support Units gehörig aufmischten - mehr als 50 Polizeibeamte wurden verletzt. Die presbyterianische Kirche im Vorort New Mills wurde niedergebrannt. Hintergrund der eskalierenden Spannungen ist die marching season in Nordirland. Durch die Paraden und Aufmärsche demonstriert der Orange Order den protestantischen Charakter der Provinz, wobei erwähnt werden muß, daß es durchaus auch vergleichbar provozierende katholische Aufmärsche gibt. Brennpunkt der Streitigkeiten ist wieder einmal der Wunsch des Orange Order, durch die katholische Garvaghy Road in Portadown zu marschieren, um an der Kirche von Drumcree der Gefallenen des Ersten Weltkrieges zu gedenken.
Auf Einladung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit werden in Kürze 15 Vertreter indianischer Völker aus Lateinamerika an einem Kongreß in der BRD teilnehmen. Als Bestandteile der grundlegenden Menschenrechte der indianischen Völker werden genannt das Recht auf eigene nationale Identität, die Rückgabe geraubten Landes, der Erhalt der einheimischen Sprachen und Möglichkeiten der politischen Selbstorganisation. Würde ein Deutscher oder Europäer derartige Forderungen erheben, wäre er in diesen Zeiten sicherlich des "Rechtsextremismus" verdächtig.
Die Unterhauswahlen in Großbritannien endeten erwartungsgemäß mit dem Sieg der regierenden Labour Party. Die Sozialdemokraten konnten mit 413 Sitzen ihre Mehrheit bei leichten Verlusten behaupten. Noch nie zuvor in der britischen Geschichte wurde eine Regierung mit einer so großen Mehrheit wiedergewählt. Ungeachtet verheerender Popularitätswerte für Premier Tony Blair gewannen die oppositionellen Konservativen lediglich 1 Mandat hinzu und sind nunmehr mit 166 Abgeordneten in Westminster vertreten. Oppositionsführer William Hague als Hauptverantwortlicher für den erbärmlichen Zustand der Tories zog die Konsequenzen und stellte seine Parteiämter zu Verfügung. Drittstärkste Fraktion sind die Liberaldemokraten, die sich trotz des rabiaten Mehrheitswahlrechtes auf 52 Abgeordnete steigern konnten. Während die Scotish National Party einen Sitz verlor und auf 5 Mandate zurückfiel, wahrte die walisische Plaid Cymru ihre 4 Unterhaussitze. In Prozenten erhielten Labour 41,98, die Konservativen 32,7 und die Liberaldemokraten 18,8 % - für letztere das beste Ergebnis seit 1929. Mit 59 % lag die Wahlbeteiligung so niedrig wie zuletzt nach dem Ersten Weltkrieg - die Labour-Regierung ist nur durch die Zustimmung von 25 % der Bevölkerung legitimiert.
Und wieder kam England in den Genuß von Segnungen der multikulturellen Gesellschaft. Nach den mehrtägigen Rassenunruhen in Oldham brannte es nunmehr in Leeds. Asiatische Jugendliche lieferten der Polizei Straßenschlachten, plünderten Geschäfte und setzten Autos und Häuser in Brand. In Oldham kandidierte der BNP-Parteivorsitzende Nick Griffith für das Unterhaus und holte 16 % der Stimmen. Hier gaben 6552 von 40.257 Wählern ihre Stimme für Griffith ab, der den Kandidaten der Liberaldemokraten klar schlagen konnte. Der Unterhaussitz ging jedoch deutlich an den bisherigen britischen Umweltminister Michael Meacher von der Labour Party.
In Nordirland erlitt vor allem die mit David Trimble den Chef der Regionalregierung stellende Ulster Unionist Party UUP eine herbe Niederlage. Die UUP verlor 4 Unterhaussitze und fiel somit auf 26,8 % der Stimmen und 6 Mandate zurück. Strahlender Gewinner auf protestantischer Seite ist Ian Paisleys reaktionäre Democratic Unionist Party DUP mit nunmehr 22,5 % und 5 Mandaten sowie einem Stimmenplus von 8,9 Prozentpunkten. Im katholischen Lager vollzog sich die erwartete Wachablösung: Stärkste Partei ist nunmehr Sinn Féin, die sich um 5,6 Prozentpunkte steigerte und ihre Abgeordnetenzahl in Westminster von 2 auf 4 verdoppelte. Zum Entsetzen vieler Protestanten konnte die republikanische Bewegung der UUP die Wahlkreise Fermanagh/South Tyrone und West Tyrone abnehmen und behauptete West Belfast und Mid Ulster, wo sich Gerry Adams mit imposanten 66 % und der ehemalige IRA-Stabschef Martin McGuinness mit 51 % der Stimmen durchsetzten. Mit 21,7 % haben die Republikaner die gemäßigte SDLP überrundet, die auf 21 % der Stimmen zurückfiel, aber weiterhin mit 3 Abgeordneten in London vertreten ist. Mit diesem Wahlerfolg und der erfolgreichen Kampagne gegen den Nizza-Vertrag in Irland im Rücken avanciert Sinn Féin zur politisch mitbestimmenden Kraft in Nordirland und hat gute Aussichten, sich auch in der Republik Irland vermehrt durchzusetzen. In Nordirland streben die Republikaner nun an, sich zur stärksten politischen Kraft zu entwickeln.
In Schottland stellt Labour 56 Abgeordnete und bleibt mit 43,9 % der Stimmen weiterhin stärkste politische Kraft. Die SNP verlor mit 8,6 Prozentpunkten deutlich und fiel auf 20,1 % und 5 Abgeordnete zurück. An dritter Stelle rangieren die Liberaldemokraten mit 16,4 % und 10 Mandaten. Mit nur 15,6 % und 1 Abgeordneten werden die Konservativen in Schottland weiterhin als britische Regionalpartei gehandelt. In Wales verlor Labour 6,1 Prozentpunkte, ist mit 48,6 % und 34 Abgeordneten aber ebenfalls die dominierende politische Kraft. Plaid Cymru legte um 4,4 Prozentpunkte auf 14,3 % zu und stellt weiterhin 4 Abgeordnete. Die Konservativen steigerten sich zwar auf 21 %, konnten aber keinen einzigen Wahlkreis holen, während die Liberaldemokraten mit 13,8 % 2 Abgeordnete stellen.
Vor einem Nachtlokal in Tel Aviv sprengte sich ein palästinensischer Selbsmordattentäter in die Luft und riß 20 junge Israelis mit in den Tod, damit die Opferzahl auf mehr als 600 Tote auf beiden Seiten treibend. Die Hamas übernahm die Verantwortung für die Operation. Als Reaktion auf diesen im übrigen auch in den Augen namhafter islamischer Gelehrter durch nichts zu rechtfertigenden Anschlag auf ein "weiches Ziel" ordnete die israelische Regierung die vollständige Blockade der Palästinensergebiete an - der Nahe Osten stand am Abgrund. Palästinenserpräsident Arafat kündigte umgehend Maßnahmen an, um einen bedingungslosen Waffenstillstand durchzusetzen und die befürchteten massiven Vergeltungsschläge Israels zu verhindern. In der Tat scheinen sich selbst die Tanzim-Milizen der Fatah aus der Widerstandkoalition mit Dschihad, Hamas und PFLP zurückgezogen zu haben, was zu einem deutlichen Abflauen der Guerrillaaktivitäten führte. Scheich Ahmed Jassin als Führer der Hamas-Bewegung kündigte jedoch an, man werde die Operationen gegen Israel fortsetzen. Zudem scheint bei den Palästinensern Konsens darüber zu herrschen, den Waffenstillstand nur für die israelischen Kerngebiete gelten zu lassen. Überraschend avancierte der gerade in Nahost weilende Bundesaußenminister Fischer zum Vermittler zwischen Sharon und Arafat und konnte durch Pendeldiplomatie eine Eskalation verhindern. Die Federführung der Verhandlungen reichte Fischer anschließend an den EU-Sicherheitsbeauftragten Solana und den CIA-Chef Tenet weiter. Die seit September anhaltenden Auseinandersetzungen haben Israel und den Palästinensergebieten bislang einen volkswirtschaftlichen Schaden von insgesamt 6 Milliarden Dollar eingebracht.
Italiens designierter Ministerpräsident Silvio Berlusconi kündigte die Einsetzung von drei Untersuchungskommissionen an, die Korruptionsaffären innerhalb der italienischen Linken auf den Grund gehen sollen. Die "Aufarbeitung" der unwürdigen Zustände traf in den 90er Jahren vornehmlich rechte Politiker - nun soll der Spieß offenbar umgedreht werden. Die erste Kommission soll sich mit der Spionagetätigkeit italienischer Politiker für das sowjetische KGB beschäftigen. Kommission Nr. 2 soll ergründen, ob sich der Antikorruptionsfeldzug der 90er absichtlich gegen das konservativr Lager richtete. Wir erinnern daran, daß Berlusconi selbst im Zentrum zahlreicher Korruptionsaffären stand und steht. Zuguterletzt wird es für den gegenwärtigen EU-Kommissionspräsidenten Romano Prodi eng: Eine dritte Kommission wird untersuchen, ob Prodi 1997 als italienischer Regierungschef in Schmiergeldzahlungen an den jugoslawischen Diktator Slobodan Milosevic verwickelt war, als die italienische Telecom bestrebt war, in den serbischen Telekommunikationssektor einzusteigen. Im übrigen: Mit Prodi steht der wahrscheinlich korrupteste Politiker innerhalb der EU an der Spitze der Kommission: Bereits in den frühen 80er Jahren war er in die Veruntreuung der anläßlich des verheerenden Erdbebens in Sizilien gezahlten Wiederaufbauhilfe in Milliardenhöhe verwickelt. Wenig Positives für die Zukunft lassen Berlusconis erste außenpolitische Andeutungen erahnen. Der dubiose Medienmogul deutete bereits an, daß Italien das Klimaschutzabkommen von Kyoto nach dem ausdrücklichen Vorbild der USA nicht ratifizieren werde.
Das Institut der deutschen Wirtschaft führte eine Umfrage unter 1435 Hochschullehrern bezüglich der Qualifikation ihrer Studenten durch. Beklagt wird vor allem der zunehmende Mangel an logischem Denkvermögen. Die Studienanfänger finden sich in ihrer deutschen Muttersprache nur schlecht zurecht. Nicht nur hier versagt die Schule auf ganzer Linie, sondern auch in puncto analytischen Fähigkeiten, Abstraktionsvermögen und Kreatität. Nur 24,5 % der Neuimmatrikulierten haben in den Augen ihrer Dozenten das Zeug zu einem guten Studenten, weitere 41 % gehen noch als mittelmäßig durch. In 12 von 16 bewerteten Schulfächern haben die Erstsemester eklatante Wissenslücken.
Mit dem zeitweiligen Absturz des Euro auf ein neues Halbjahrestief von unter 0,85 ist das Märchen von einer stabilen EU-Währung mit Parität zum Dollar wohl endgültig vom Tisch. Die bundesdeutsche Finanzwelt geht von einer langanhaltenden Euroschwäche und möglicherweise noch weiteren Kursverlusten bis hin zum Stand von 0,80 Dollar aus. Ursachen sind die zurückhaltende Geldpolitik der EZB, die schlechten Wirtschaftsdaten und Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Euro-Bargeldeinführung. Auslöser der neuen Krise ist wieder einmal der offensichtlich inkompetente EZB-Präsident Duisenberg, der einer möglichen Interventionspolitik eine klare Absage erteilte. Zudem ist seit geraumer Zeit ein massiver Kapitalabfluß aus der Eurozone nach Nordamerika zu beobachten. Da von einem Wahlsieg Labours der Anschluß Großbritanniens an die Eurozone befürchtet wurde, gab nach den britischen Unterhauswahlen auch das britische Pfund gegenüber dem US-Dollar deutlich nach.
Nach erneuten Partisanenaktivitäten kam es in mehreren mazedonischen Städten zu Pogromen gegen die albanische Bevölkerungsgruppe. UCK-Oberbefehlshaber Ali Ahmeti konkretisierte unterdessen die Forderungen seiner Bewegung an den mazedonischen Staat: Verfassungsreform zwecks Verbesserung des rechtlichen Status der Albaner, Vetorecht der albanischen Bevölkerung gegen Regierungs- und Parlamentsbeschlüsse, Amnestie für alle Guerrillakämpfer und die mazedonische Staatsbürgerschaft für alle aus dem Kosovo nach Mazedonien geflüchteten Albaner. Die Regierungstruppen erweisen sich immer deutlich als außerstande, ein Gegenrezept gegen die elastische Taktik der albanischen Rebellen zu finden. UCK-Einheiten können praktisch an jedem Ort des Landes zuschlagen, sie operieren auch wieder im Raum Tetovo, aus dem sie erst vor zweieinhalb Monaten vertrieben wurden. Zudem haben Guerrilleros die Wasserversorgung Kumanovos, der größten Industriestadt in Nordmazedonien, unterbrochen. Die Vorbereitungen für die neue Offensive vollzogen sich wieder einmal unter den Augen der KFOR. Verdächtigerweise sind die Albaner mittlerweile mit nagelneuen US-Luft-Boden-Raketen Marke Stinger ausgerüstet. Derzeit stehen rund 2000 Guerrilleros im Kampf gegen die Regierungstruppen, und weitere 600 werden von amerikanischen (CIA) und britischen Ausbildern (SAS) in Traingscamps in Albanien auf den Einsatz vorbereitet. Seit Beginn der Kampfhandlungen ist die Zahl der Flüchtlinge auf 40.000 angestiegen.
Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch Mazedonien der stabilisierenden Hand des Westens bedarf - die Trasse für den geplanten Energiekorridor, eine Erdöl- und Erdgaspipeline vom Schwarzen Meer an die Adria ist dann in amerikanischer Hand. Nicht ganz zufällig erneuerten die USA im neuen Energieprogramm ihr Interesse an den Erdölvorkommen am Kaspischen Meer. Die Ausbeute soll über eine Pipeline vom aserbaidschanischen Baku über das georgische Tiflis an die türkische Schwarzmeerküste gepumpt werden. Da der Bosporus in absehbarer Zeit für moderne Supertanker nicht mehr passierbar sein wird, kommt dann der Balkan ins Spiel - eine weitere Pipeline soll durch Bulgarien, Mazedonien und die albanischen Siedlungsgebiete gebaut werden. Zwar werden die kaspischen Vorkommen aus Rentabilitätsgründen wohl kaum auf dem nordamerikanischen Markt landen, aber sie dürften den Preisdruck auf dem Weltmarkt erheblich verringern. Erstes Anzeichen einer bevorstehenden Intervention der NATO gegen die von ihr selbst geschaffene UCK ist die Ankündigung des griechischen Verteidigungsministers Tschatzopoulos, im Herbst über den Einsatz der multinationalen Südosteuropäischen Brigade SEEBRIG zu entscheiden. Beteiligt an SEEBRIG sind neben Griechenland Italien, die sich traditionell als Schutzmacht der Albaner definierende und eben am Erdölplan der USA beteiligte Türkei, Rumänien, Bulgarien und Mazedonien selbst. Bundeskriegsminister Scharping als Frontmann der imperialistischen Balkanpläne des Westens forderte auf der NATO-Frühjahrstagung die Einrichtung ständiger Missionen von NATO und EU in Skopje. Zudem erwartet NATO-Generalsekretär Robertson eine formelle Einladung Mazedoniens, der Westen möge nach dem Vorbild Südserbiens für eine Entwaffnung der albanischen Partisanen sorgen.
Die sicherheitspolitischen Spannungen in Asien fanden ihren Ausdruck in einem riesigen Waffengeschäft zwischen Rußland und Indien, das der russischen Industrie in den folgenden Jahren Rüstungsaufträge von 10 Milliarden Dollar einbringen wird. In Moskau unterzeichneten Vizepremier Ilja Klebanow und der indische Außen- und Verteidigungsminister Jaswant Singh mehrere Verträge. Unter anderem sind der gemeinsame Bau des militärischen Transportflugzeuges Iljuschin 214, die Lieferung von U-Booten an Indien und die Entwicklung eines hochmodernen Kampfflugzeuges beabsichtigt. Zudem wird Moskau der indischen Regierung noch im laufenden Jahr ein Projekt für ein landesweites Raketenabwehrsystem vorstellen. Mit entsprechenden Maßnahmen der Volksrepublik China und Pakistans kann gerechnet werden.
Auch auf die Gefahr hin, uns strafbar zu machen: Loik Le Floch-Prigent, der zu 3 ½ Jahren Haft verurteilte ehemalige Chef des französischen Erdölriesen Elf-Aquitaine, bestätigte scharfzüngig, daß es sich bei der Bundesrepublik Deutschland um eine Bananenrepublik handelt. Le Floch erklärte, um die Leuna-Subventionen von BRD und EU in Höhe von geschlagenen 2 Milliarden DM einzustreichen, habe man durch Bestechung von Politikern und DGB-Funktionären zu "afrikanischen Maßnahmen" gegriffen. Zuvor scheiterte Elfs Versuch, die Raffinerie in Schwedt zu erwerben, an Angeboten der übermächtigen Konkurrenz. Le Floch erklärte hierzu, nach dem Zusammenbruch habe ein Kartell aus BP, Shell, RWE und der VEBA die ehemalige DDR buchstäblich kolonisiert. Ferner legen seine Ausführungen in der "ZEIT" den begründeten Verdacht nahe, daß ranghohe Mitarbeiter der Treuhand von den anglo-germanischen Energiekonzernen gekauft wurden. Also griff man tief in die Tasche, um Politiker und Funktionäre auf Bundes- und Länderebene vom Verkauf Leunas an Elf Aquitaine und vom Nichtbau zweier konkurrierender Pipelines von der Ostseeküste ins Landesinnere zu überzeugen. Deutlich stellte Le Floch die BRD in puncto Korruption in eine Reihe mit diversen schwarzafrikanischen Regimes. Übrigens hat der gestürzte Erdölmagnat seit 1995 Einreiseverbot in der BRD - wohl, um ihn von den wenigen neugierigen Staatsanwälten fernzuhalten.
Die Iren hatten das innerhalb der demokratiedefizitären EU seltene Privileg, über den Vertrag von Nizza abstimmen zu dürfen. Bei einer Wahlbeteiligung von nur 33,7 % lehnten 53,87 % der Teilnehmer den "Reformvertrag" ab. Da dieser der Zustimmung aller 15 Mitgliedsstaaten bedarf, ist das Vertragswerk damit Makulatur - es sei denn, die irische Regierung setzt sich über den erklärten Willen des irischen Volkes und über die Verfassung hinweg. Die Kampagne gegen den Nizza-Vertrag wurde vor allem von der republikanischen Bewegung, den Grünen und der Arbeiterpartei getragen. Beinahe drohend klingt die Erklärung des schwedischen Ministerpräsidenten Göran Persson als EU-Ratspräsident und des Kommissionspräsidenten Prodi: "Wir vertrauen darauf, daß die irische Regierung jede Anstrengung unternimmt, um die Ratifizierung innerhalb des vereinbarten Zeitrahmens sicherzustellen." Die Volksabstimmung in Irland ging für die EU-Befürworter in den etablierten Parteien Fianna Fáin, Fine Gael und Labour verloren, obwohl das Gros der Medien auf ihrer Seite stand und selbst die katholischen Bischöfe für den Ausverkauf der nationalen Interessen Irlands an Brüssel eintraten. Sylvia-Yvonne Kaufmann als verdiente Europaabgeordnete der PDS erklärte sehr treffend: "Die Ablehnung des Vertrages von Nizza durch die Bürgerinnen und Bürger Irlands ist kein Nein zur EU-Erweiterung. Es ist vielmehr die Antwort des Volkes eines kleinen Mitgliedstaates auf die aggressive Art und Weise der EU-Kommission, sich in die Haushaltspolitik Irlands einzumischen und das Land mittels eines blauen Briefes' für eine zu hohe Inflationsrate zu rügen, die zudem nicht in erster Linie Folge der irischen Wirtschafts- und Finanzpolitik, sondern Ergebnis Brüsseler Vorgaben aufgrund Euro und Währungsunion ist. Außerdem will die irische Bevölkerung keine europäische Eingreiftruppe und eine irische Beteiligung an ihr."
In Berlin ist die Katze nach mehrmonatiger Vorbereitung durch den SPD-Landesvorstand aus dem Sack. Die SPD erklärte die Große Koalition mit der CDU unter dem seit 15 Jahren regierenden Eberhard Diepgen für gescheitert, was angesichts des vor der Tür stehenden Staatsbankrotts und zahlloser Korruptionsaffären nicht weiter verwunderlich ist. Allerdings sei die Bemerkung gestattet, daß die Sozialdemokratie die an der Spree herrschenden Zustände mit zu verantworten hat, sich aber nun nach dem Motto "Haltet den Dieb" davonschleicht. Als designierter Regierender Bürgermeister ist der SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit im Gespräch, der zwingend auf die Tolerierung oder die Machtbeteiligung der PDS angewiesen wäre. Auf dem Programm stehen nun das konstruktive Mißtrauensvotum gegen Diepgen, die Neuwahl eines Senats und vorgezogene Neuwahlen zur Klärung der politischen Lage. Die PDS liegt bei den Umfragen gegenwärtig bei 20 % der Wählerstimmen und sucht bereits ihre Senatskandidaten aus, ferner ist nicht auszuschließen, daß Gregor Gysi vom Rücktritt zurücktritt und als Spitzenkandidat antritt. Berlin steuert auf den härtesten Wahlkampf seit Jahrzehnten zu. Unter Umständen werden die Berliner Ereignisse eine Sogwirkung auf Brandenburg ausüben, wo es in der Großen Koalition zwischen SPD und CDU ebenfalls kriselt und rein rechnerische eine rosa-rote Landesregierung mehrheitsfähig ist. Im SPD-Landesvorstand macht man sich zumindest Gedanken über ein derartiges Bündnis nach der Landtagswahl von 2004.
In der "Berliner Zeitung" äußerte sich der Sicherheitsexperte Jürgen Scheffran über die Tatsache, daß es unabhängig von den US-Plänen auch innerhalb der EU Absichten zur Schaffung einer Raketenabwehr (MEADS) und zur Militarisierung des Weltraumes gibt. "Es gibt Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Auf beiden Seiten geht es im Rahmen des strategischen Nato-Konzepts darum, trotz der Existenz von Massenvernichtungswaffen interventionsfähig zu werden und die eigenen Truppen bei Auslandseinsätzen gegen Raketenangriffe zu schützen. Widersprüche gibt es jedoch wegen der Dominanzansprüche der USA, von denen sich auch manche Europäer bedroht fühlen. Differenzen zeichnen sich ab wegen der hohen Kosten der Raketenabwehr und der Frage des Zugangs europäischer Firmen zu US-Technologie. Dazu kommt, daß eine enge Waffenbrüderschaft mit den USA bei der Raketenabwehr das Ansehen Europas schädigen kann. Es wird in der Nato daran gearbeitet, die Luftabwehr so zu erweitern, daß sie auch ballistische Raketen abfangen kann. Dabei geht es etwa um die Modernisierung der Patriot-Flugabwehrrakete. Das geplante mobile Abwehrsystem MEADS ist dabei weniger zum Modell für transatlantische Kooperation geworden als vielmehr zum Streitfall. Die US-Firmen verstehen Zusammenarbeit gern als Einbahnstraße. Sie möchten, daß Europa US-Systeme wie Patriot oder das schiffgestützte AEGIS-Abwehrsystem einfach kauft. Frankreich versucht deshalb, eigene Abwehrtechnologien zu entwickeln, um unabhängiger zu sein. Wie es weitergeht wird sich zeigen, wenn die Nato Entwicklungsaufträge an Firmenkonsortien vergibt, darunter auch der europäische Konzern EADS. Bereits unter der Kohl-Regierung gab es Bestrebungen, Europa zu einer militärischen Weltraummacht auszubauen. Bislang ging es aber weniger um rein militärische Projekte, als vielmehr um die zivil-militärische Doppelnutzung von Satelliten zur Erdbeobachtung, Kommunikation, Navigation oder Wettervorhersage. Der offiziell niedrige Militäranteil am deutschen Weltraumbudget ist positiv, kann aber auch bedeuten, dass das Militär einen kostengünstigen Zugriff auf zivile Satelliten erhält. Diskutiert werden die Entwicklung militärischer Aufklärungssatelliten (Helios, SAR-Lupe) ebenso wie der Einsatz der geplanten GMES-Beobachtungssatelliten für Umwelt- und Sicherheitsaufgaben. Das GALILEO-Navigationssystem ließe sich auch für militärische Operationen nutzen, so für eine mobile Raketenabwehr. Bislang wird an der zivilen Nutzung von GALILEO festgehalten, denn es gibt Widerstände in der Industrie, die in Konfliktzeiten eine Beeinträchtigung des Systems befürchtet, sowie bei Wissenschaftlern und Raumfahrtbeschäftigten. Zudem fehlt es an Geld für militärische Weltraumprogramme."