Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 14. bis 20. Juli 2001

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Polithooligans vs. marodierende Finanzmogule

Loyalistische Radikalisierung

 

Zitat der Woche:
"Ach, Kameraden, die Ihr glaubt, daß Ihr 'rechts' ständet in dieser Republik, und die Ihr von uns vermeint, wir ständen 'links'! Was haben wir, was habt Ihr mit dieser Republik zu schaffen? Wir stehen weder rechts noch links, wir stehen gar nicht in dieser Republik."
- Fritz Wolffheim

 

Die Autonome Antifa (M) legte eine Analyse der Veränderungen des Kapitalismus ("Polithooligans versus marodierende Finanzmogule") durch die Globalisierung vor, die wir hier auszugsweise dokumentieren wollen. "Da sich das nackte Interesse der Weltwirtschaft an freier Verfügung über möglichst billige Rohstoffe und Arbeitskraft schlecht verkauft, steht anderes auf dem Programm des Gipfels: der Weltöffentlichkeit zu erklären, wie diese wirtschaftlichen Interessen sich Dank einer glücklichen Fügung des Schicksals mit Forderungen nach Demokratisierung, Umweltschutz und sozialen Standards decken. (...) Es gibt wenig Neues an den Phänomenen, die unter dem vielstrapazierten Begriff 'Globalisierung' kritisiert werden. Für aufmerksam durch die Weltgeschichte wandelnde ZeitgenossInnen dürfte es nicht unbekannt klingen, daß Kapitalismus weltweit in all seinen häßlichen Erscheinungsformen vorzufinden ist, daß nationalstaatliche (Wirtschafts-)politiken durch internationale Machtinstrumente gelenkt werden, und nicht zuletzt, 'daß die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden'. (...) In der Folge des Wegfalls der Systemkonkurrenz hat der - auch nicht neue - Verteilungskampf um weltpolitische und ökonomische Einflußsphären an Dynamik gewonnen und dadurch dem neoliberalen Wirtschaftsmodell neue Durchschlagkraft verliehen. Es wäre daher eher angebracht von einer 'beschleunigten Globalisierung' zu sprechen. Gleichzeitig gerieten antikapitalistische Ideen generell, ob sie sich nun auf das staatssozialistische Modell bezogen oder nicht, unter die Abrißbirne der Siegermoral. Kapitalismus soll als alleinseligmachende Ordnung aller Dinge gelten. 'Kritik' wird mit 'Verbesserungsvorschlag' übersetzt. Vorschnell wurde gar das 'Ende der Geschichte' ausgerufen. (...) Die Wende zum Neoliberalismus läßt sich bereits auf die 70er und 80er Jahre datieren - als Beispiele wären Chile, die USA und Großbritannien zu nennen. Chile wurde mit dem Putsch von 1973 zum Paradies für Investoren, indem mit staatsterroristischen Methoden Möglichkeiten ökonomischer und politischer Forderungen aus dem Weg geräumt wurden. Aus diesem Grund wurde Pinochet in den westlichen Demokratien auch als Retter der Freiheit gefeiert - und im Sinne der Freiheit des Kapitals ist dies nicht einmal falsch. In den USA und GB wurde das Prinzip der Senkung gesamtgesellschaftlicher Lohnkosten zwar nicht offen staatsterroristisch, und ausgehend von einem relativ hohen Lebensstandard, aber mit drastischen Kürzungen im sozialen Sektor und Privatisierung von zuvor staatlichen Versorgungseinrichtungen durchgesetzt. (...) Zur weltweit gültigen Maxime konnte der Neoliberalismus aber erst mit der - zunächst ökonomischen - Eroberung des osteuropäischen Wirtschaftsraums nach 1989 werden. Wie im Fall Jugoslawiens, wird diese Eroberung notfalls auch militärisch vollzogen, wenn sich ein Staat widersetzt. 'Das Kapital ist international mobil, und es ist in der Lage, jeden beliebigen Ort in Konkurrenz zu einem anderen zu setzen, wenn die Bedingungen vergleichbar sind. In diesem Sinne ist Deregulierung zu verstehen.' (...) Die Auswirkungen des Neoliberalismus auf die Staaten außerhalb der kapitalistisch entwickelter Zentren, wie sie von 7/8 der G8-Staaten repräsentiert werden, und insbesondere auf den Trikont treffen Regionen, die bereits eine mehrhundertjährige Eroberungs- und Ausplünderungsgeschichte hinter sich haben. (...) Die neueren Dekrete von IWF und Weltbank schreiben ihren Mündeln dieselben Maßnahmen vor, wie sie in den Industrienationen auch ohne Vorschriften von außen verkürzt ausgeführt werden. (...) Ohne Frage existiert die Tendenz, die Rolle des über der Einzelkonkurrenz stehenden 'ideellen Gesamtkapitalisten' von ihrem traditionellen Träger, dem Nationalstaat, an überstaatliche Instanzen abzugeben. Dennoch bleibt auch die staatliche Funktion bestehen, den kapitalistischen Laden möglichst glatt am Laufen zu halten. EU-Staaten zeigen sich diesbezüglich durchaus handlungsfähig, den freien Humankapitalimport durch Einwanderungsregelungen wirtschaftlichen Bedürfnissen gemäß zu organisieren, das Sozial- in ein Billigarbeitszwangsystem umzubauen, Krieg gegen unbotmäßige Staaten zu führen und die Etats für Polizei und Knastneubauten aufzustocken. Kurz gesagt: dem Kapitalismus werden beste Bedingungen geschaffen und sich um die Überwindung von Verwertungsblockaden und Folgeschädenbeseitigung gekümmert. (...) Kapitalismuskritik muß nach langer Flaute von vielen offenbar erst wiederentdeckt bzw. -erfunden werden,und so lesen sich viele Analysen und gesellschaftliche Alternativvorschläge wie Manifeste aus der Kinderstube des utopischen Sozialismus. (...) Bedacht wird dabei nicht, daß Industrialisierung und globaler Güteraustausch auch nach einer eventuellen Weltrevolution unumkehrbar sein werden, und daß nicht die Höhe des Lohns, sondern die Lohnarbeit selbst das Problem ist. Erfreulich ist jedoch, daß überhaupt wieder Gedanken über andere als das kapitalistische Gesellschaftsmodell aufkommen. (...) Auch die 'Neue Weltordnung' - die strategisch-militärische Dimension der beschleunigten Globalisierung - hat bislang wenig Niederschlag in der Wahrnehmung der Bewegung gefunden - von Protesten gegen NATO-Tagungen hat man in den letzten Jahren jedenfalls nichts gehört, obwohl dies dringend notwendig wäre. Es bleiben also viele Fragen für kommende Gegengipfel, -kongresse und -aktionen."

 

Einem Bericht der ZEIT zufolge kann die Offenheit des bundesdeutschen Schulsystems ins Reich der Fabel verwiesen werden. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise kommen auf 100 Schüler, die in eine niedriger angesiedelte Schulstufe absteigen, nur 5 Kinder, die in einen anspruchsvolleren Bildungsgang wechseln. Im Jahre 1990 betrug das Verhältnis noch 20:100, vor 20 Jahren sogar 40:100. Ursachen sind zum einen allgemein gesunkene Zulassungsprofile an den Gymnasien und zum anderen zu hohe Schülerzahlen in allen Schulstufen. Weitere beschämende Zahlen: An den bundesdeutschen Hochschulen sind lächerliche 10 % der Dozenten weiblichen Geschlechtes, zudem können nur 13 % aller Jugendlichen aus Haushalten mit geringem Einkommen ein Studium aufnehmen.

 

Kurz vor der Vereidigung des wiedergewählten baskischen Regierungschefs Ibarretxe (PNV) tötete ein Kommando der Untergrundorganisation ETA den konservativen Kommunalpolitiker José Javier Mugica. Mugica starb in der Kleinstadt Leiza nahe Pamplona, als eine Haftladung von 3 Kilogramm Dynamit unter seinem Lieferwagen explodierte. Nur Stunden später fiel im nahegelegenen Leaburu der ranghohe baskische Polizeibeamte Mikel Uribe mitten auf dem Hauptplatz einem mit Maschinenpistolen verübten Attentat zum Opfer. Ibarretxe kündigte an, "die Barbarei der ETA mit all meiner Kraft" zu bekämpfen. Die spanischen Sicherheitskräfte wurden vor allem in den Tourismusgebieten in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.

 

Im mecklenburgischen Neubrandenburg kam es anläßlich einer von SPD und PDS angemeldeten Gegdendemo gegen eine Kundgebung des selbsternannten Nationalen Widerstandes zu Zusammenstößen zwischen militanten Anti-Faschisten und der Polizei. Bei den Krawallen wurden 12 Autonome und 2 Polizeibeamte verletzt, es gab 44 vorläufige Festnahmen. Die Sicherheitsorgane konstatierten ein völliges Versagen der linken Demonstrationsleitung, die entweder nicht fähig oder nicht willens war, aus ihrer Kundgebung hervorgehende Gewalttaten zu verhindern. Als Hauptverantwortlicher wurde der PDS-Landtagsabgeordnete Monty Schädel genannt.

 

Im Vorfeld des G8-Gipfels in Genua setzte die italienische Regierung ankündigungsgemäß das Schengener Abkommen vorübergehend außer Kraft, um durch strikte Grenzkontrollen die Anreise militanter Globalisierungsgegner zu behindern. Zudem wurden die beiden Bahnhöfe der Hafenstadt geschlossen, und die bereitgestellten Polizeikräfte in Stärke von mehr als 17.000 Beamten erhielten Unterstützung durch 2700 Mann Militär. Die Altstadt wurde hermetisch abgeriegelt, die Italiener hatten sogar Raketenabwehrsysteme installiert. Während die einheimische Bevölkerung aus der Stadt flüchtete bzw. von der Polizei aus den eigenen Wohnungen gejagt wurde, erhielten für diese "Rote Zone" nur Personen mit Sonderausweis Zutritt. Rund 150.000 Genuesen hatten ihre Heimatstadt verlassen, jedes zweite Geschäft hatte geschlossen. Vor der Gipfeleröffnung wurde ein Polizist bei einem Briefbombenattentat verletzt. Unter einem Campingwagen in einem Zeltlager gemäßigter Globalisierungsgegner wurde eine Zeitbombe unschädlich gemacht. Eine weitere Verletzte gab es bei einem Briefbombenanschlag auf Berlusconis Mailänder Fernsehsender. In der Innenstadt von Bologna konnte eine Sprengladung unschädlich gemacht werden, auch ein versuchter Paketbombenanschlag auf die Firma Benetton scheiterte. In Mailand wurde ein Brandanschlag auf das Büro einer Arbeitsvermittlung verübt. Die Urheber sämtlicher Anschläge sind unbekannt. Am italienisch-schweizerischen Grenzübergang Chiasso kam es zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften beider Länder und bei der Einreise abgewiesenen Globalisierungsgegnern. Insgesamt verweigerte Italien rund 700 Personen die Einreise. In Genua, Mailand, Florenz und Neapel durchsuchte die Polizei Kulturzentren und Büros linker Organisationen. Eine Gruppe offenbar von vollständiger politischer Degeneration heimgesuchter "Rechter" trat mit einer Morddrohung gegen den prominenten Antiglobalisierungsaktivisten Agnoletto an die Öffentlichkeit. Verkehrte Fronten.

 

Die EU-Innenminister verabschiedeten ein Aktionsprogramm zur Verhinderung weiterer Unruhen im Umfeld internationaler Konferenzen. Dieses umfaßt nicht zuletzt ein Ausreiseverbot für polizeibekannte Gewalttäter sowie enge Koordination und Informationsaustausch zwischen den Sicherheitskräften der EU-Mitgliedsstaaten. Das BKA gestattete dem BGS und den LKA den Zugriff auf seinen Datenbestand Landfriedensbruch, in dem Informationen über 2000 Politstraftäter gespeichert sind. Insgesamt sprachen bundesdeutsche Länderpolizeien daraufhin 78 paß- und melderechtliche Beschränkungen der Reisefreiheit aus, weitere 56 Personen bekamen Besuch von Polizeibeamten. Eine Zentralstelle beim BKA wertete die von den LKA eingehenden Informationen über Abfahrtszeit, Abfahrtsroute, Reiswege, Reisemittel und polizeilich bekannte Personen aus. An der Grenze, auf Bahnhöfen und auf Flugplätzen kam es zu massiven Kontrollmaßnahmen des BGS. Zur Verweigerung der Ausreise aus der BRD bedarf es mittlerweile keines konkreten Tatverdachtes mehr, die Formulierung "begründete Anhaltspunkte" ist ausreichend.

 

Auf dem russisch-chinesischen Gipfel in Moskau unterzeichneten die beiden Staatspräsidenten Wladimir Putin und Jiang Zemin einen Freundschaftsvertrag als Grundlage für die künftige Zusammenarbeit beider Staaten. Diese erfolgt vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet, hinzu kommt noch gemeinsames Vorgehen gegen den Islamismus in Zentralasien. Putin und Jiang kritisierten zudem in einer gemeinsame Erklärung die amerikanischen Aufrüstungspläne. An die Stelle der weltpolitischen Dominanz der USA solle eine "gerechte und vernünftige neue internationale Ordnung" treten. Putin forderte die Auflösung der NATO, die durch eine gesamteuropäische Sicherheitsorganisation ersetzt werden solle. Es handelt sich um den ersten Freundschaftsvertrag, den Peking seit 1979 abschließt. Festzuhalten bleibt, daß Rußland im Gegensatz zu China bereits wie ein ökonomischer Zwerg anmutet. Das Handelsvolumen zwischen beiden Staaten liegt bei 8 Milliarden Dollar im Jahr. Beträgt das Handelsvolumen zwischen China und seinen Haupthandelspartnern USA bzw. Japan 115 bzw. 84 Milliarden Dollar, so kommt der Kreml mit der BRD als Hauptpartner auf 20 Milliarden Dollar. Chinesen und Russen werden bis 2003 eine 1700 Kilometer lange Erdölpipeline fertigstellen, die zunächst 20 Millionen und ab 2010 30 Millionen Tonnen Erdöl im Jahr nach China liefern wird. Trotz erfolgreich voranschreitender Grenzverhandlungen ist man in Moskau besorgt, denn den 7 Millionen Russen im erst 1858 annektierten Fernöstlichen Gebiet Rußlands stehen mehr als 140 Millionen Chinesen in der Mandschurei gegenüber, und jährlich strömen mindestens 300.000 Chinesen über die Amurgrenze.

 

In Italien hat der Zerfall des Mitte-Links-Bündnisses Ulivo eingesetzt. Vier Splitterparteien aus der Konkursmasse der Christdemokraten haben sich zur neuen Partei Margherita zusammengeschlossen. Es handelt sich um die Volkspartei, die Demokraten, Lamberto Dinis "Italienische Erneuerung" und die kleine UDEUR. Insgesamt vereinigt Margherita nun 14 % der Wählerstimmen auf sich und hat damit die Führung der Opposition übernommen. Fraktionsvorsitzender wird ausgerechnet Berlusconis von den Linksdemokraten auf den Schild gehobener Gegenkandidat Francesco Rutelli, der wieder einmal seinem Ruf als politisches Chamäleon gerecht wird. Den geschwächten postkommunistischen Linksdemokraten droht angesichts heftiger Richtungskämpfe der Zerfall. Auf der anderen Seite verhindert die Gründung von Margherita den Versuch von Berlusconis Forza Italia, das vollständige Erbe der Democrazia Cristiana anzutreten. Die neue Partei hat zudem ihren Austritt aus der christdemokratischen Europäischen Volkspartei eingeleitet. Die EVP ist Margherita durch die von CDU und spanischem Partido Popular betriebene Aufnahme der Forza Italia zu weit nach rechts gerückt.

 

In Short Strand, einem katholischen Viertel im ansonsten mehrheitlich protestantischen East Belfast, kam es zu erneuten Zusammenstößen und Schießereien zwischen Loyalisten und Republikanern. Loyalistische Randalierer aus dem Umfeld der Ulster Defence Association UDA wurden von IRA-Selbstschutzeinheiten mit einer Reihe von Warnschüssen vertrieben, und in der UDA-Hochburg Tiger´s Bay nahmen die Loyalisten Polizeieinheiten unter Feuer. Bei weiteren Krawallen in North Belfast erlitten 9 Polizeibeamte Verletzungen. Mittlerweile gehen die Katholiken von der Selbstverteidigung zur aktiven Vergeltung über: Übergriffe von radikalen Republikanern auf protestantische Wohngegenden häufen sich vor allem in North Belfast. In Castlewellan attackierte die Real IRA eine Polizeistation mit mehreren Schüssen und einem Sprengsatz. Gegenstand einer offiziellen Untersuchung wurde unterdessen das Vorgehen der Polizei bei den schweren Unruhen der letzten Woche: Die britisch-protestantische Kolonialpolizei soll katholische Kinder mit Gummigeschossen unter Feuer genommen haben, zudem versuchte ein Polizeifahrzeug, mehrere Kinder zu überfahren. In Nordirland klagt jeder vierte Katholik über grundlose Durchsuchungen und Personalienkontrollen durch die Polizei, und jeder fünfte Katholik wurde von den "Ordnungshütern" mit rassistischen, antikatholischen oder sexistischen Bemerkungen belästigt.

 

Anläßlich des 5. Jahrestages ihrer Gründung bekannte sich die Loyalist Volunteer Force LVF zum Kampf gegen das Karfreitagsabkommen, welches der protestantischen community absolut nichts eingebracht habe, und zu ihrer Fehde mit der Ulster Volunteer Force UVF. Die LVF warf den großen unionistischen Parteien und der britischen Regierung vor, gegenüber der pan-nationalistischen Front von Sinn Féin und SDLP eine Appeasement-Politik zu betreiben. Die Splittergruppe der Orange Volunteers kündigte für den Fall eines Scheiterns der Waffenruhe Attentate auf freigelassene republikanische Gefangene und den irischen Tourismussektor an. In New Lodge/North Belfast scheiterte ein mit Schußwaffen ausgeführter Mordanschlag der Red Hand Defenders, einer Tarnbezeichnung für gemeinsame Operationen von UDA und LVF, auf einen im Ashton-Gemeindezentrum beschäftigten ehemaligen republikanischen Kriegsgefangenen. Die RHD kündigten eine Eskalation ihrer Kampagne an und erklärten jeden irischen Nationalisten und Republikaner zum legitimen Ziel.

 

Die Regierungen der Republik Irland und Großbritanniens planen offenbar, den nordirischen Parteien ein Maßnahmenpaket vorzuschlagen, um die durch den Rücktritt des Regierungschefs David Trimble entstandene Lage zu retten. Den Konfliktparteien bleibt dann die Wahl zwischen Annahme oder Ablehnung. Tony Blair vergleicht die schleppende Umsetzung des Karfreitagsabkommens von 1998 bereits mit dem faktisch gescheiterten Friedensprozeß in Nahost. Berichten zufolge wird London einen teilweisen Truppenabzug aus Nordirland mit Entwaffnungsschritten der IRA verknüpfen. Wir erinnern daran, daß in Nordirland bis zum 12. August eine Einigung gefunden werden muß, weil ansonsten Neuwahlen oder die Suspendierung der nordirischen Selbstverwaltung fällig sind. Die Ulster Unionist Party als stärkste politische Kraft auf protestantischer Seite wird einer weitergehenden Polizeireform nur dann zustimmen, wenn die IRA ihren Bekenntnissen zur Entwaffnung auch Taten folgen läßt. Sinn Féin hingegen pocht auf Polizeireform, Entmilitarisierung und Sicherstellung der grenzüberschreitenden gesamtirischen Institutionen als Voraussetzung für eine Unbrauchbarmachung des IRA-Waffenarsenals.

 

Das iranische Parlament hat die Vereinten Nationen aufgefordert, den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon wegen Kriegsverbrechen vor Gericht zu stellen. Mehr als 220 der 290 Abgeordneten unterzeichneten eine entsprechende Petition an den UN-Sicherheitsrat. Sie erklärten, Sharon und andere israelische Politiker seien für ein Massaker an palästinensischen Flüchtlingen in Libanon 1982 verantwortlich. Auch namhafte Völkerrechtsexperten vertreten die Auffassung, daß Sharon wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Prozess gemacht werden könne.

 

Zwischen Dänemark und Israel bahnt sich eine diplomatische Krise an. Die Regierung Sharon ernannte mit Carmi Gillon den ehemaligen Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes zum neuen Botschafter in Kopenhagen. Nun handelt es sich bei Gillon jedoch um einen bekennenden Befürworter der Folterung von Verdächtigen, was weiten Kreisen der dänischen Öffentlichkeit übel aufstößt. Führende Vertreter von Opposition und Regierungsparteien kündigten bereits an, sie würden Kontakte mit dem israelischen Botschafter, sollte er sein Amt denn antreten, konsequent ablehnen. Mehrere Menschenrechtsorganisationen haben bereits Strafanzeige gegen Gillon angekündigt.

 

Ungeachtet der Verhandlungen um die Zukunft des nordirischen Friedensprozesses und der eskalierenden Spannungen treibt die IRA ihre Kampagne Direct Action Against Drugs weiter voran. Jüngstes Opfer ist der prominente Großdealer Seamus "Shavo" Hogan, welcher bereits einen Mordanschlag der Provisionals überlebt hatte. Der mit Kokain und Heroin handelnde Hogan wurde in Dublin von einem IRA-Kommando erschossen. Schon sein Pate Martin "The General" Cahill starb durch IRA-Kugeln.

 

Einem dem Pseudo-Nachrichtenmagazin "Focus" gegebenen Interview zufolge beabsichtigt Hamburgs umstrittener Rechtspopulist Ronald Schill, mit seiner obrigkeitsstaatlichen Partei Rechtsstaatliche Offensive PRO bei der Bundestagswahl 2002 anzutreten. Grundvoraussetzung für diese "Bereicherung" des deutschnational-nationalliberalen Parteiendschungels ist laut Schill jedoch ein gutes Abschneiden bei den anstehenden Hamburger Bürgerschaftswahlen. Das Bundesverfassungsgericht wies unterdessen einen Eilantrag der Republikaner zurück, mit dem diese ihre Nennung im VS-Bericht 2000 unter der Rubrik Rechtsextremismus verhindern wollten.

 

Unser geliebtes Puzzlespiel um eine nachrichtendienstliche und militärische Beteiligung der USA an der albanischen Untergrundarmee UCK ist um ein Stückchen reicher: Bereits während des Kosovo-Krieges von 1999 entstand eine sogenannte Atlantikbrigade, in der 400 albanischstämmige US-Bürger gegen Jugoslawien kämpften. Bei den Verhandlungen zwischen albanischen und slawischen Parteien in Mazedonien beanspruchen die Albaner mittlerweile die Aufstellung albanischer MIlitärkontingente sowie faktisch die Kontrolle über die Polizei in ihren Siedlungsgebieten, was diese der UCK ausliefern würde. Zudem soll Albanisch überall dort zweite Amtssprache werden, wo die Albaner mehr als 20 % der Bevölkerung stellen. Im Parlament verlangen die albanischen Parteien ein Vetorecht, das von einem Parlamentskomitee wahrgenommen werden soll. Für Belange der albanischen Volksgruppe betreffende parlamentarische Entscheidungen wäre fortan die Zustimmung von 50 % der nichtslawischen Abgeordneten nötig. Aus Rücksicht auf die explosive Stimmung unter der slawischen Bevölkerungsmehrheit und zum Erhalt des mazedonischen Staates verweigerten die slawischen Parteien jedoch die Zustimmung zu diesem nicht zuletzt mit westlicher Hilfe ausgehandelten "Kompromiß". Ministerpräsident Georgievski warf dem Westen vor, gemeinsame Sache mit den albanischen Separatisten zu machen und deren militärische Operationen logistisch zu unterstützen. Die Vertreter von NATO und EU stellten sich daraufhin öffentlich auf die Seite der albanischen Parteien, was sie nun auch offiziell in die Nähe der UCK-Partisanen rückt. Wir erinnern daran, daß Bundesaußenminister Fischer bereits im Frühjahr die albanischen Guerrilleros ermunterte: "Die albanische Frage ist nach wie vor offen!"

 

Die Serie von Rassenunruhen in Großbritannien nahm ihren Fortgang. In Stoke-on-Trent südlich von Manchester lieferten sich jugendliche Nachkommen muslimischer Einwanderer aus Pakistan und Bangladesh Straßenschlachten mit der Polizei. Erst nach Stunden konnten die Unruhen eingedämmt werden; die Polizei meldete 49 Festnahmen.

 

Bundesverteidigungsminister Scharping und sein Generalinspekteur Kujat planen laut SPIEGEL die Bildung eines neuen Militärgeheimdienstes. Der bisherige Militärische Abschirm-Dienst MAD ist lediglich im Inland für die Abwehr von Spionage und Zersetzung zuständig, während die Beobachtung potentieller Einsatzgebiete im Ausland Aufgabe des BND ist. In Gelsdorf bei Bonn befindet sich derzeit das Kommando Strategische Aufklärung im Aufbau, dem auch das Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr zugeführt wurde. Endziel ist die Beobachtung des Auslandes durch militärische Fachleute, die auf Satelliten, Aufklärungsdrohnen und mobile elektronische Beobachtungssensoren zurückgreifen können. Der BND soll sich im militärischen Bereich auf langfristige Beobachtung und strategische Analysen beschränken und wäre ansonsten wohl nur noch für Wirtschaftsspionage und Organisierte Kriminalität zuständig. Mit dem Kommando Strategische Aufklärung würde die BRD nach BND, VS und MAD ihren vierten geheimen Nachrichtendienst erhalten - den Polizeilichen Staatsschutz nicht mitgezählt.

 

 

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