Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 7. bis 13. Juli 2001

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Schwerste Unruhen in Nordirland

Israel bereitet Offensive in Nahost vor

 

 

Zitat der Woche:
"Die Grundlage für Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit ist die Souveränität der Nation."
- Kemal Atatürk

 

Im Gegensatz zu den blutigen Ausschreitungen der Vorjahre verlief der berüchtigte Marsch des Orange Order zur Kirche von Drumcree bei Portadown weitgehend friedlich. Hierzu trugen Aufrufe der Orangisten und der loyalistischen Untergrundarmeen Ulster Volunteer Force und Ulster Defence Association ebenso bei wie ein massives Aufgebot von Polizei und britischen Fallschirmjägern. Der angestrebte Weg durch die katholische Garvaghy Road wurde den Protestanten verwehrt. Bei Krawallen im Anschluß wurden 19 Polizeibeamte und 2 katholische Randalierer verletzt. Im katholischen Stadtviertel Ardoyne in North Belfast, einer Hochburg der republikanischen Bewegung, kam es hingegen erneut zu schweren Unruhen. Anlaß war eine Parade des Orange Order durch eine katholische Straße. Als die Polizei versuchte, den Orangisten den Weg freizuknüppeln, wurde sie von Hunderten aufgebrachter Katholiken mit Brandsätzen, Säurebomben und Feuerwerkskörpern überschüttet. Erneut gelang es den Republikanern, die Kolonialpolizei in Nahkämpfe zu verwickeln, wobei 113 Polizeibeamte teilweise schwerstens verletzt wurden. Die Randalierer errichteten Straßensperren aus umgerissenen Laternenmasten und brannten eine Tankstelle nieder. Offensichtlich wurden die Krawalle von der IRA vorbereitet und generalstabsmäßig geleitet. Wieder einmal demonstrierte die Untergrundarmee, daß sie sich für die wahre Polizeimacht in den katholischen Vierteln hält - die Kolonialpolizei hat dort nichts zu suchen. In Derry kam es zu Unruhen, bei denen auch die anrückende Feuerwehr von katholischen Jugendlichen mit Pflastersteinen angegriffen wurde. Auslöser waren hier Übergriffe loyalistischer Gangs auf katholische Wohngegenden. Im Rahmen einer Kundgebung in der protestantischen Shankill Road drohten Mitglieder von UVF und UDA offen mit einer Wiederaufnahme der militärischen Operationen, wenn die republikanische Seite nicht mehr Zurückhaltung zeige.

 

In Schottland machte der Orange Order sich mehr als unbeliebt: Jack Ramsay als Großsekretär der Grand Orange Lodge of Scotland erklärte, im Falle eines Abfalles Schottlands von der britischen Krone würden die schottischen Logen sich in eine paramilitärische Organisation zum Kampf gegen den Separatismus verwandeln. Ein Aufschrei ging durch die Reihen der nationalgesinnten Schotten, und Ramsay mußte seine skandalösen Auslassungen zur rein privaten Meinungsäußerung erklären.

 

Die Pläne von Bundesinnenminister Schily zur Schaffung einer Bundespolizei machen weitere Fortschritte. Als zweite Stufe nach den Sicherheitspartnerschaften mit einzelnen Bundesländern wie Bremen, Hamburg, Brandenburg, Sachsen-Anhalt usw. ist offenbar die Etablierung von Sicherheitskooperationssystemen geplant. Das erste entsprechende Abkommen unterzeichnete Schily mit dem nordrhein-westfälischen Innenminister Behrens. Landespolizei und Bundesgrenzschutz werden fortan im Routinedienst und bei besonderen Einsätzen ein "engmaschiges Sicherheitsnetz knüpfen". Dieses besteht aus der Bildung gemeinsamer Ermittlungsgruppen, dem Austausch aktueller Informationen, gemeinsamen Lagebildern zur Sicherheitslage und der Abstimmung von Fahndungsschwerpunkten.

 

Lord Laird, sympathischer Exzentriker und Wortführer der kulturellen Renaissance der Ulster-Schotten, hielt der Regierung der Republik Irland vor, auch sie habe ihre Verpflichtungen aus dem Karfreitagsabkommen nicht erfüllt. Dublin habe bislang keinerlei Schritte ergriffen, alle kulturellen Traditionen Irlands mit gleichem Respekt zu behandeln. Die irische Regierung unterhalte keinerlei Verbindungen zur Ulster Scots Agency. Habe man erhebliche Beträge für die gälisch-irische Kulturarbeit in Nordirland bereitgestellt, so stünden der Ulster Scots Agency nur 10 % dessen zur Verfügung. Laird schriebt Dublin ist Stammbuch, es ignoriere die ulster-schottische Minderheit im Land, die durch die rigide Katholisierung Irlands seit den 20er Jahren am Rande des Abgrundes stehe.

 

Die der UDA nahestehende Ulster Democratic Party hat die Verhandlungen zur Stabilisierung der durch David Trimbles Rücktritt angespannten Lage in Nordirland verlassen. Das Oberkommando der UDA erklärte daraufhin, es betrachte seine politische Unterstützung des Karfreitagsabkommens für beendet. Während man Sinn Féin ein Zugeständnis nach dem anderen mache, kümmere sich niemand mehr um die loyalistische Community. In der Tat sind die Quartiere der protestantischen Unterschicht dabei, die Rolle der katholischen Elendsviertel in den 60er Jahren einzunehmen. Die UDA will jedoch weiterhin am Waffenstillstand von 1994 festhalten. Ferner hat auch die der UVF nahestehende Progressive Unionist Party die Verhandlungen zwischen Trimble, Adams, Blair und dem irischen Ministerpräsidenten Ahern verlassen, da diese angesichts der harten Haltung Sinn Féins ohnehin zu nichts führen würden. Die Republikaner lehnten kategorisch jedes Entgegenkommen in der Entwaffnungsfrage ab und verwiesen auf die Nichteinhaltung der britischen Verpflichtungen hinsichtlich Polizeireform und Truppenabzug.

 

In Brüssel kamen die Innenminister der EU zu einem Sonderrat zusammen, um die Konsequenzen der Krawalle von Göteborg zu besprechen. Die Mitgliedsländer werden ihre operativen Maßnahmen gegen militante Globalisierungsgegner auf europäischer Ebene vereinheitlichen und verstärken. Alle "bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten" (man beachte den Unterschied!) sollen zugunsten von Informationsaustausch und Zusammenarbeit ausgeschöpft werden. Vor allem Bundesinnenminister Schily fordert nichts weniger, als Personen, die als militante Globalisierungsgegner verdächtig sind, die Demonstrations- und Reisefreiheit abzuerkennen. Zudem wird das BKA auf Anforderung Sicherheitsexperten und Verbindungsleute an Brennpunkte im Ausland entsenden.

 

Im nordenglischen Bradford fand die Reihe Großbritannien erschütternder Rassenunruhen ihre jüngste Forsetzung. Nach einem verbotenen Aufmarsch der National Front eskalierte eine Demonstration der Anti Nazi League zu schweren Zusammenstößen zwischen weißen und pakistanischen Jugendlichen. Bei den drei Nächte andauernden Straßenschlachten wurden mehr als 150 Polizeibeamte verletzt. Die asiatischen Randalierer brannten neben zahllosen Pkw je ein Parteibüro der Labour Party und der Konservativen, mehrere Autowerkstätten und ein Hotel nieder. Nach dem Einsatz berittener Polizei kehrte Friedhofsruhe ein, über 50 Randalierer festgenommen. In Bradford sind 15 % der 475.000 Einwohner asiatischer Herkunft. Das britische Innenministerium untersagte in der Stadt alle Demonstrationen und Versammlungen unter freiem Himmel bis zum 27. September. Einem Bericht der Gesellschaft für Rassengleichheit zufolge wagt die Polizei in Bradford kaum noch, nichtweiße Straftäter zu verfolgen - sie befürchtet Rassismusvorwürfe und Unruhen.

 

In den Ländern der sogenannten Dritten Welt haben derzeit 170 Millionen Menschen in den Städten und mehr als 855 Millionen auf dem Land keinen Zugang zu sauberem Wasser. Zur Wasserknappheit kommt die Belastung der Brunnen und Flüsse durch Abfall, Umweltgifte und Schwermetalle. An den Folgen von Wassermangel und Wasserverschmutzung sterben jährlich 9 Millionen Menschen. Betroffen sind vor allem Regionen in Nordafrika, in Nahost und in Schwarzafrika. In 26 Staaten reichen die Wasservorkommen nicht aus, um den Mindestbedarf der Bevölkerung zu decken. Neben ländlichen Regionen sind auch Metropolen wie Mexico City, Kairo, Lagos, Dhacca, Peking, Shanghai, Bombay, Kalkutta, Karachi, Bangkok und Sao Paulo. Ein Land gilt dann als wasserarm, wenn das jährliche Angebot aus inländischen Quellen für die gesamte Versorgung von Haushalten, Landwirtschaft, Handwerk und Industrie geringer als 1000 Kubikmeter pro Kopf ist. Als wasserärmstes Land gilt Ägypten, wo gerade 36 Kubikmeter auf einen Einwohner kommen - ein Bundeskonsumbürger verbraucht alleine 83 Liter Wasser täglich in Bad und WC. Als Wasserkonfliktregion Nr. 1 gilt der Nahe Osten, also die Region mit der höchsten Konzentration von unter Wassermangel leidenden Staaten. Ägypten ist zu 97 % von auswärtigem Flußwasser abhängig, Syrien zu 79 %, der Sudan zu 70 %, der Irak zu 66 %, Jordanien zu 36 % und Israel in den Grenzen von 1967 zu 60 %. Brennpunkte sind hier der türkische Atatürk-Staudamm am Euphrat, der zu dauernden Spannungen mit Syrien und dem Irak führt, sowie das israelische Wasserimperialismus im Jordanraum.

 

Rudi Pawelka als Bundesvorsitzender der Schlesischen Landsmannschaft forderte die Gleichstellung deutscher Nachkriegs-Zwangsarbeiter und früherer NS-Zwangsarbeiter. "Wir können nicht zulassen, daß das schwere Schicksal deutscher Zwangsarbeiter nach dem Krieg...vergessen wird, während man die moralische Verpflichtung für ausländische Zwangsarbeiter als Gradmesser für humanes Handeln betrachtet." Die Bundesregierung solle ihrer Obhutspflicht vor allem gegenüber jenen Deutschen nachkommen, die nach 1945 Zwangsarbeit in Polen und der Sowjetunion leisten mußten. Polen und andere osteuropäische Staaten wuiden aufgefordert, ihre Vertreibungs- und Enteignungsdekrete aufzuheben. Hierbei handele es sich um einen klaren Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

 

Im Rahmen der krampfhaften Versuche, so etwas wie einen demokratischen Widerstand im Dritten Reich zu konstruieren - Graf Stauffenberg oder die Kommunisten rotieren in ihren Gräbern - macht das berüchtigte Hamburger Institut für Sozialforschung nunmehr gegen den Grafiker Andreas Paul Weber mobil. Der Germanist Thomas Dörr verlangt gebieterisch eine Neubewertung Webers, der als populärer Grafiker und Aktivist des Widerstands-Kreises seit den späten 20er Jahren zu den ersten Warnern vor einer Herrschaft Hitlers gehörte. Nicht zuletzt illustrierte der Zeichner Ernst Niekischs unvergessene Broschüre "Hitler - ein deutsches Verhängnis". Neben Bildbeilagen des VB war Weber auch an der von Joseph Goebbels herausgegebenen Zeitschrift "Das Reich" oder an der antibritischen Propaganda des Jahres 1941 beteiligt. Auf der anderen Seite hielt er engen Kontakt zu vom Regime verfolgten Künstlern wie Rudolf Schlichter und arbeitete in Ernst Niekischs Untergrundzelle mit, wofür der Grafiker 1937 ein halbes Jahr in Gestapo-Haft verbrachte. Für einen nationalrevolutionären Intellektuellen (ebenso wie für den Großteil des deutschen Widerstandes) bedeutete Widerstandsarbeit nun einmal nicht die kritiklose Verherrlichung westlich-kapitalistischer Dekadenz - wir verweisen hier auf den Begriff der systemimmanenten Opposition im Dritten Reich. Die Arbeit des Widerstandskreises und damit der Kampf auch anderer Querdenker wie Richard Scheringer, Beppo Römer, den Edelweißpiraten oder Harro Schulze-Boysen wird vom Hamburger Institut für Sozialforschung kurzerhand als "faschistische Konkurrenz" abqualifiziert. Welche Position Gesinnungsschnüffler und Gedankenpolizisten wie Dörr im Dritten Reich eingenommen hätten, können wir nur erahnen.

 

Das für gewöhnlich äußerst wohlinformierte Militärfachblatt "Jane´s" berichtet, das israelische Militär und Teile der israelischen Regierung planten die Zerschlagung der palästinensischen Autonomiebehörde. Die nächste größere terroristische Operation militanter Palästinenser soll hierfür als Rechtfertigung dienen. Zunächst wird Israel mit schweren Luftschlägen gegen palästinensische Positionen reagieren und letztendlich 30.000 Mann Militär in die Autonomiegebiete in Marsch setzen. Ziel ist die Internierung oder Vernichtung der auf 40.000 Mann geschätzten Palästinensergebieten. Arafat soll in das Ausland vertrieben, die internationale Gemeinschaft vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Nach einer vorübergehenden Entspannung flammte die neue Intifada wieder auf und hat mittlerweile das Niveau der low intensiy warfare erreicht - eine militärische Eskalation scheint angesichts von Terror und immer brutalerem israelischen Gegenterror jederzeit möglich. Tel Aviv hat durch ein neues Waffengesetz mit der Bewaffnung seiner zionistischen Wehrbauern im Westjordanland begonnen. Die Bilanz des Guerrillakrieges in Nahost beläuft sich mittlerweile auf 537 Tote auf palästinensischer sowie 131 auf israelischer Seite.

 

Syriens Staatspräsident Bashar el-Assad stattete der BRD einen offiziellen Staatsbesuch ab. Die Visite führte zu vehementen Protesten des Jüdischen Zentralrates, der unter Führung des Hardcore-Zionisten Paul Spiegel in ganzseitigen Zeitungsanzeigen (Springerpresse) das Oberhaupt eines souveränen Staates als inakzeptablen Gesprächspartner für die Bundesregierung abstempelte. An der Baustelle des Denkmals für die ermordeten Juden Europas fanden sich klägliche 70 Personen zu einer von der Jüdischen Gemeinde Berlin und dem Berliner Bündnis gegen IG Farben organisierten Kundgebung ein. Die selbsternannte Nazi-Jägerin Beate Klarsfeld handelte sich ein Ermittlungsverfahren wegen Beleidigung eines auswärtigen Staatsoberhauptes ein, da sie Assad als den "arabischen Goebbels" attackierte. Eine Gegendemo von Anhängern der Arabischen Sozialistischen Baath-Partei wurde von immerhin 200 Aktivisten besucht. Hintergrund sind Äußerungen Assads, der die Juden als Verräter an Jesus Christus und Mohammed bezeichnete und Israel als "eine rassistischere Gesellschaft als der Nationalsozialismus" titulierte. Als Drahtzieher der auch von der CDU unterstützten Kampagne kann das israelische Außenministerium unter Friedensnobelpreisträger Shimon Peres angesehen werden, das schon über jüdische Kreise in Frankreich entsprechende Propagandamaßnahmen initiierte. Kritische Worte des Jüdischen Zentralrates zu den zahllosen Kriegsverbrechen Israels in Nahost und zur zionistischen Terrorherrschaft in den besetzten Palästinensergebieten sucht man bislang vergebens. Selbst Bundeskanzler Schröder machte dem Zentralrat unmißverständlich klar, daß immer noch die Bundesregierung entscheidet, zu welchen Staaten sie diplomatische Beziehungen unterhält. Die BRD ist für Syrien der wichtigste Lieferant von Industrieprodukten, zudem gilt der an guten Kontakten zu Berlin interessierte Assad als eine Schlüsselfigur für einen Verständigungsfrieden in Nahost, den man im Zentralrat offensichtlich nicht wünscht. Wir stimmen dem FDP-Vizevorsitzenden Jürgen Möllemann ausnahmsweise einmal zu: "Herr Sharon gefährdet den Nahost-Friedensprozeß meines Erachtens gewiß mehr als Präsident Assad." Zudem erinnerte Möllemann an die Verantwortung Sharons für das Massaker von Sabra und Shatila. Die Grünen geiferten daraufhin, Möllemann habe den "Grundkonsens der deutschen Außenpolitik gegenüber Israel" verlassen.

 

Ariel Sharon, Premier des klerikal-faschistischen Regierungsbündnisses in Israel, stattete nach seinem Besuch in der BRD seinem italienischen Amtskollegen Silvio Berlusconi einen Kurzbesuch ab. Gegenüber der italienischen Presse begrüßte Sharon die "ausgewogenere Position" der rechtsreaktionären italienischen Regierung in der Nahostfrage. Rom habe sich entschlossen, bei internationalen Krisen enger an die prozionistische Position der USA heranzurücken. Die übrigen EU-Staaten hingegen seien weniger "objektiv" als Berlusconi oder Bush. Sharon erklärte die Kritik vieler Europäer an der zionistischen Gewaltherrschaft in den Palästinensergebieten allen Ernstes zur Überkompensation der in den 30er und 40er Jahren weitverbreiteten Zusammenarbeit mit dem Faschismus: "Und vielleicht versuchen sie jetzt, aus der Rolle der Schuldigen zu schlüpfen, indem sie die Juden anklagen."

 

Die baskische Untergrundorganisation ETA zündete eine Autobombe in der Nähe des Madrider Justizministeriums, wobei durch Trümmerteile der spanische Polizist Luís Ortiz getötet wurde. Ferner wurden 13 Verletzte und 100 beschädigte Wohneinheiten gezählt. In Vitoria wurde der baskische Regierungschef Juan José Ibarretxe wiedergewählt. Die Abgeordneten der ETA-nahen Wahlplattform Euskal Herritarrok verließen den Sitzungssaal, als eine Gedenkminute für den getöteten Polizisten abgehalten wurde. Ibarratxe kündigte Maßnahmen zur Befriedung des Baskenlandes ebenso an wie ein Referendum über die Unabhängigkeit der derzeit noch zu Spanien gehörenden Region.

 

Angesichts für die alteingesessenen Parteien beunruhigender Umfrageergebnisse von Ronald Schills Partei Rechtsstaatlicher Offensive veröffentlichte die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di eine Broschüre zur Hamburger Bürgerschaftswahl. Ver.di erhebt Schills nationalliberale Law-and-Order-Partei zur gefährlichen rechtspopulistischen Bewegung, gegen die "man etwas tun müsse". Auf Kosten der Gewerkschaftsmitglieder ließ Ver.di eine Broschüre drucken, die in 15.000 Hamburger Betrieben kostenlos verteilt wird. In die gleiche Kerbe schlägt der Bundesgerichtshof in Leipzig. Schill wurde bekanntermaßen in einem mehr als fragwürdigen Verfahren wegen Rechtsbeugung zu einer Geldstrafe verurteillt, doch die Generalbundesanwaltschaft attestierte dem Hamburger Urteil "einen zum Nachteil des Angeklagten wirkenden durchgreifenden Rechtsfehler" und beantragte Freispruch ohne mündliche Hauptverhandlung. Die Leipziger Richter folgten - erstmals in der Geschichte des BGH - der Empfehlung der GBA nicht und setzten auf den 4. September einen Verhandlungstermin fest. Die PRO wird sich über die kostenlose Wahlwerbung erfreut zeigen, lebt sie doch ausschließlich von der örtlichen Popularität des rechtsreaktionären "Richter Gnadenlos".

 

Im Raum Tetovo besetzten albanische Rebellen erneut mazedonische Dörfer und vertrieben die slawischen Bewohner. Die UCK-Guerrilleros kontrollieren bereits das Umland der wichtigen Städte Tetovo und Kumanovo sowie die Region um Radusa - die mazedonische Verwaltung hat hier nichts mehr zu bestellen. Presseberichten zufolge konzentriert die chronisch unterschätzte UCK bei Tetovo Kräfte in Stärke von 2000 Mann und bereitet die Einnahme der Stadt vor. Angesichts eines möglichen Scheiterns der Verhandlungen über die Minderheitenrechte der Albaner treffen beide Seiten Vorbereitungen für neuerliche Kämpfe. Der Westen - wir erinnern daran, daß vor allem die USA erst Ausrüstung und Ausbildung der albanischen Untergrundkämpfer besorgt haben - hat bislang die mazedonische Armee mit einem Sammelsurium von zum Partisanen- und Nahkampf untauglichem Kriegsmaterial beliefert. Nun geht man daran, die Regierungstruppen mit neuen Waffenlieferungen auf einen reellen Bürgerkrieg vorzubereiten und treibt damit die Eskalation der Kampfhandlungen voran. Und diese Eskalation wird benötigt, um eine massive Intervention und die Stationierung von NATO-Truppen zu rechtfertigen. Das Gerede über eine 30-Tage-Mission zur Entwaffnung der UCK nach friedlicher Konfliktlösung wirkt wie reine Augenwischerei.

 

Nachdem man vor geraumer Zeit bereits einen Augsburger Staatsanwalt mittels Manipulationen am Fahrzeug aus dem Wege räumte, gibt es nun den zweiten ungeklärten Todesfall im Zusammenhang mit der Leuna-Affäre. In seiner Villa in Cannes wurde der Multimillionär Diethelm Höner tot aufgefunden, nachdem er - einem medizinischen Gutachten zufolge wohl mit fremder Nachhilfe - die Treppe hinunterstürzte. Der "Unfall" ereignete sich bereits am 17. Januar, und just an diesem Tag fielen verdächtigerweise die Überwachungskameras aus. Höner verfügte über Insiderwissen über den Leuna-Skandal sowie über die Unterschlagung von Milliardengeldern in Rußland, ferner unterhielt er mindestens seit 1995 Kontakte zur amerikanischen CIA und traf regelmäßig mit Kohls Geheimdienstkoordinator Schmidbauer zusammen. Bereits Ende 1998 fühlte der Holzer-Freund sich bedroht und lebte in ständiger Todesangst.

 

Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) machte sich die bislang nur von Belgien und Luxemburg vorgebrachte Forderung nach einer EU-Steuer für Bürger und Unternehmen zu eigen. Durch diese Abgabe soll die bislang auf Mehrwertsteuer und Zolleinnahmen beruhende Finanzierung der EU transparenter machen und zudem das Interesse der Betroffenen an europäischer Politik erhöhen. Mit ätzendem Sarkasmus verwies Eichels niederländische Finanzminister Gerrit Zalm auf das 16. Jahrhundert, als eine geplante neue Steuer einen 80jährigen Krieg zwischen den Niederlanden und der damaligen Hegemonialmacht Spanien auslöste. Der britische Finanzminister Gordon Brown erinnerte gar an den Unabhängigkeitskrieg in Nordamerika, der sich im 18. Jahrhundert ebenfalls an Steuerfragen entzündet habe.

 

Im "Hamburger Abendblatt" äußerte sich Peter Robejsek, Direktor des BND-nahen Internationalen Instituts für Politik und Wirtschaft Haus Rissen und Gründungsmitglied des Club of Rome Deutschland, zum Verhältnis zwischen Großkonzernen und nationalstaatlichen Regierungen: "Die Macht der deutschen Wirtschaft spürt man immer dann, wenn es darum geht, wie Erträge besteuert werden oder was Gewerkschaften in Unternehmen alles dürfen. Dann mischt sich die Wirtschaft mit lauter Stimme ein - ein Zeichen ihrer Souveränität. Wirtschaft und Staat sind ohne Zweifel zwei Spieler im Wettstreit um Machtanteile. Die Unternehmen streben dabei tendenziell eine Monopolstellung an. Der Staat versucht, dies zu verhindern, um seinerseits die Kontrolle über die Wirtschaft zu behalten. Aber keiner von beiden hat die Vormachtstellung für lange Zeit. (...) Die Macht eines Staates ist heute eindeutig wirtschaftlich definiert, nicht mehr militärisch. Große Landesflächen oder Bevölkerungszahlen machen nicht mehr automatisch aus einem Staat eine Großmacht. Rohstoffe sind nur dann von Bedeutung, wenn ein Staat auch in der Lage ist, sie zu hoch entwickelten Produkten zu verarbeiten. Die Staaten befinden sich nicht mehr im Wettbewerb um Territorien, sondern um Anteile am Wohlstand. Durch Ausübung wirtschaftlicher Macht können andere Staaten zur Gefolgschaft gezwungen werden, beispielsweise indem man ihnen den Zugang zu einem Markt wie der EU verspricht oder versperrt. Das ist eine wirtschaftliche Kriegsführung, die zwar nicht blutig, aber für schwächere Staaten ebenso existenzbedrohend sein kann. In Frankreich gibt es sogar einen gleichnamigen Studiengang. (...) Deutschland erwacht langsam aus dem Traum, daß seine Zukunft nur in der Europäischen Union liegt. Die EU ist ein starres, kaum reformierbares Gebilde, das Deutschland eher bremst als beflügelt. Für Frankreich ist die EU ein Mittel, um den mächtigen Nachbarn Deutschland wirtschaftlich und politisch im Zaum zu halten. Bis vor kurzem hat Deutschland keine eigenen nationalen Interessen formuliert und machte wichtige Entscheidungen von der Meinung seiner Nachbarn abhängig. Aber die nachwachsende Generation von Führungskräften aus der Wirtschaft und Politik erkennt, dass der europäische Integrationsprozeß erstarrt, während das alte Ziel, die Deutschen unten zu halten, lebendig bleibt. Ich beobachte bei den Führungskräften Anzeichen für eine Suche nach Räumen, in denen sich die gestalterischen Energien eines starken und selbstbewußt gewordenen Deutschlands wieder freier entfalten können."

 

 

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