Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 24. Februar bis 2. März 2001

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Der Staatsschutz und die Statistik

PDS kritisiert rot-grüne Außenpolitik

VS, Zeckentod und Netz-Antifa

IRA-Stabschef droht London

Auslieferung von RZ-Aktivisten abgelehnt

Protest am Maghaberry Prison

2:0 für Rudolf Schindler

Irak-Sanktionen werden überdacht

Loyalistische Gewalt und kein Ende

Serbisch-kroatischer Dialog

Bildungskollaps steht vor der Tür

Überstunden auf Rekordhöhe

NMD-Beteiligung nicht ausgeschlossen

Begnadigungsskandal um Clinton

USA kritisieren humanitäre Lage in Israel

Neuwahlen in Moldawien

China kritisiert US-Menschrechtsverletzungen

Soziale Ungerechtigkeit als Normalität

Rot-Grün - die Händler des Todes

Pulverfaß Balkan

G 8 gegen Nazis

Linksbündnis in Berlin?

2050: 9,3 Milliarden Menschen

 

Zitat der Woche:
"Die größte Gefahr des Nationalismus ist seine Gefolgschaft. Sie bringt die Mode mit sich, die Konjunktur. Die Amateure nehmen sich der Idee an, die Idee wird zur Bewegung, diese beherbergt Interessen, Nützlichkeiten, Erfolge und dergleichen Gewinne. Die Anreger... werden von den Pächtern des Nationalismus verdrängt, sobald die Chance seiner Verwirklichung in das Blickfeld der Opportunisten fällt. Der Revolutionär wird unbequem, wird zum schlechten Gewissen... Aber seine Idee - im gleichen Grade, in dem sie sich verwirklichte - wurde Allgemeinheit, Vielheit, Körperschaft, Substanz, wurde Macht und Besitz. Die neuen Herren sind die Kompromisse von gestern."
- Hanns Johst

Im Jahr 2000 registrierte der Kriminalpolizeiliche Meldedienst Staatsschutz insgesamt 19.915 Straftaten. Diese Summe setzt sich aus 10.979 rechtsextremistischen Straftaten, 3594 fremdenfeindlichen Straftateten, 1378 antisemitischen Straftaten, 3173 linksextremistischen Straftaten und 791 Straftaten im Bereich politisch motivierte Ausländerkrininalität zusammen. Insgesamt haben damit Delikte des politischen Extremismus gegenüber dem Jahr 1999 um 27,4 % zugenommen. Während im Bereich Linksextremismus ein Anstieg um 3,9 % zu verzeichnen ist, nahmen die rechtsextremistisch motivierten Delikte um 58,3 % zu. Hier handelt es sich zu 85 % um Propagandadelikte - die Anzahl der rechtextremistischen Gewaltdelikte ist mit 328 vernachlässigenswert. Hier sind ausdrücklich nicht die aus Volltrunkenheit oder niedrigen Beweggründen verübten, zumeist auf das Konto von nichtorganisierten Trittbrettfahrern und Sozialneurotikern gehenden Gewaltdelikte der Sektoren Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus (zusammen 670) eingerechnet - schließlich taucht ja auch nicht jede von ALDI-Punks oder HipHoppern angezettelte Rauferei im VS-Bericht auf. Beim Linksextremismus sieht die Sache mit 688 Gewalttaten gegen Personen und Sachen dann schon etwas anders aus - jede fünfte linke Straftat ist ein Gewaltakt aus politischen Gründen. Die Zunahme dieser Gewaltdelikte beträgt gegenüber dem Vorjahr 20,5 % und erklärt sich aus der Zunahme von Übergriffen gegen als "rechts" verortete Personen.

 

Offensichtlich aus nachrichtendienstlichen Kreisen wurden zwei obskure Computerprogramme im Internet verbreitet, die sich mit plakativem Begleittext und ebenso plaktiven Titeln (zeckentod.exe und judentool.exe) offensichtlich an entsprechend empfängliche Kleingeister wandten. Bei Zeckentod handelte es sich um einen äußerst tückischen 'password stealer', beim Judentool um den Trojaner Subseven. Sinnigerweise tauchte ein Verwandter des 'judentools' in Gestalt einer Filmsequenz (demo.avi) bei Antifa-Gruppen im gesamten  Bundesgebiet auf. Nun wird jedoch durch den Betreiber der Netzpräsenz von netz-antifa.org die haarsträubende Vermutung geäußert, Drahtzieher der Operation seien "Nazis", um "Schaden innerhalb unserer Struktur" anzurichten: "es darf nicht sein, daß sich nazis im internet breit machen, eine infrastruktur aufbauen, linke menschen bedrohen und mit viren bombardieren, einschüchtern und dadurch an stärke gewinnen auf kosten der linken bewegung." Angesichts gewisser Vorkommnisse in puncto nachrichtendienstlicher Unterwanderung sollten die Anti-Faschisten sich mal die Frage stellen, auf welche Rechnung netz-antifa.org eigentlich arbeitet...

 

Die Staatsanwaltschaft Paris lehnte die Auslieferung der als Aktivisten der Revolutionären Zellen verdächtigen Sonja Suder und Christian Gauger ab und setzte beide auf freien Fuß. Suder und Gauger sollen in den 70er Jahren drei Sprengstoffanschläge und eine Brandstiftung verübt haben; letzterer wird zudem beschuldigt, an der logistischen Vorbereitung des Überfalles auf die OPEC-Konferenz in Wien beteiligt gewesen zu sein. Die beiden wurden im Januar 2000 in Lille verhaftet, wo sie unter falschem Namen lebten.

 

Das Berliner Kammergericht verweigerte die Eröffnung eines Verfahrens wegen Mitgliedschaft bei den Revolutionären Zellen gegen den im Frankfurter OPEC-Prozeß freigesprochenen Rudolf Schindler, da die Anklagepunkte bereits daselbst verhandelt worden seien. Schindlers Freilassung wurde angeordnet, und die Generalbundesanwaltschaft hat gegen die Entscheidung Beschwerde beim Bundesgerichtshof eingelegt. Nehm hat mittlerweile ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen Schindler eingeleitet, um ihm eine Mittäterschaft bei der Ermordung des FDP-Politikers Heinz-Herbert Karry anzuhängen - wobei dieser ebensogut als unbequemer Mitwisser der Flick-Affäre von Nachrichtendiensten beseitigt worden sein könnte. Ungeachtet dieser Pleite wird am 22. März das Verfahren gegen vier ehemalige RZ-Aktivisten beginnen. Ihr im Dezember dank seiner Redefreudigkeit nur zu einer Bewährungsstrafe verurteilter Genosse Mousli tritt als Kronzeuge auf.

 

Im Norden von Belfast verübte die Ulster Volunteer Force einen Bombenanschlag auf das Taxiunternehmen von Jackie Mahood, einem prominenten Renegaten der Progressive Unionist Party, des politischen Flügels der UVF. Mahood überlebte bereits zwei Mordanschläge der UVF, sein Bruder Bobby war weniger glücklich und wurde im vergangenen August während der innerloyalistischen Fehde erschossen. Zur Vergeltung zündeten entweder UDA oder LVF zuzuordnende Personen einen Sprengsatz in einem der UVF nahestehenden Taxibetrieb. In Lurgan tötete eine loyalistische Todesschwadron den polizeibekannten Kriminellen Bobby McGuigan, womit sich die Zahl der seit Jahresbeginn von protestantischen Paramilitärs ermordeten Menschen auf zwei erhöht hat. Zwischen dem 31. Januar und dem 27. Februar 2001 wurden in Nordirland 28 Bombenanschläge und 6 Feuerüberfälle mit 6 Verletzten gezählt, hinzu kommt eine erneute Straßenschlacht zwischen Katholiken und Protestanten in Derry.

 

Die Kultusministerkonferenz in Hannover machte die Feststellung, daß es den bundesdeutschen Universitäten (nicht den Fachhochschulen) in absehbarer Zeit an Studienanfängern fehlen wird. Verantwortlich sind nicht die geburtenschwachen Jahrgänge, sondern die drastisch gesunkene Studienbereitschaft der Abiturienten. Nahmen noch 1990 82 % aller Oberschulabsolventen ein Studium auf, so sind es im Jahr 2000 nur noch 68 % gewesen - Tendenz weiter fallend. Während im Schnitt der OECD-Staaten 40 % eines Altersjahrganges ein Studium aufnehmen, beträgt dieser Anteil in der BRD schon jetzt nur noch 28 %; hinzu kommt eine überdurchschnittlich hohe Abbrecherquote. Angesichts veralteter Ausstattungen, unterfinanzierter Bibliotheken, rückständiger Lehrinhalte, unmotivierter Dozenten und einer faktisch nichtexistenten staatlichen Studienförderung kein Wunder. Schlimmer noch: Bis zum Jahr 2010 werden in den alten Bundesländern gut 50 % aller Lehrkräfte an den Schulen in Pension gehen, und vor allem in den Bereichen Berufsschulen, Informatik und Mathematik gibt es schon jetzt zuwenig Neulehrer. Zum landesweiten Mangel an Lehrern und Informatikern wird sich bald eine verhängnisvolle Knappheit an Natur- und Ingenieurswissenschaftlern gesellt haben. Bundesinnenminister Schily will die herannahende Krise auf seine Weise lösen und die Green Card-Regelung auf alle Bereiche ausweiten.

 

Bundeskanzler Gerhard Schröder gab dem Fernsehsender N24 ein Interview, in dem er sich nicht überraschend für eine Beteiligung der BRD am umstrittenen Raketenabwehrsystem NMD aussprach - das Bundesverteidigungsministerium sandte schon zu Jahresbeginn entsprechende Signale über den großen Teich. Zitieren wir die Pressestelle der Bundesregierung: "Bundeskanzler Schröder sagte zuletzt mit Blick auf das von den USA angestrebte Raketenabwehrsystem (NMD), man müsse erst mal die notwendigen Fragen diskutieren: Welche Bedrohungsszenarien liegen zugrunde und wie reagiert man darauf: Mit einer rein nationalen Verteidigung oder einer, die Europa einbezieht und Russland nicht außen vor lässt? Zudem habe Deutschland auch ein wirtschaftliches Interesse an einer Teilhabe an der Technologie." Auch in der "Stuttgarter Zeitung" äußerte der Bundeskanzler sich entsprechend. Die Frage einer Beteiligung stelle sich aber erst dann, wenn die Diskussionen innerhalb der NATO - an deren Ausgang vor allem angesichts der Tatsache, daß NMD auf die in Großbritannien stehende NATO-Ortungsstation mit 5000 km Reichweite angewiesen sein wird, kein Zweifel besteht - sowie mit Moskau und Peking zu dem Ergebnis kämen, man solle das Projekt umsetzen. Astrium-Sprecher Götz Wange verwies auf die technologischen Kenntnisse seines Unternehmens hinsichtlich der Ortung von Objekten im Weltraum.

 

Im jährlichen Menschenrechtsbericht der US-Regierung (als wenn in den Vereinigten Staaten alles eitel Sonnenschein wäre) wird Israel in bislang unbekannter Schärfe kritisiert. Washington kreidete den Israelis "übertriebene Gewaltanwendung" gegen palästinensische Demonstranten an. Zudem kritisierte der Report gezielte Mordanschläge auf palästinensische Politiker und den unzureichenden Schutz der arabischen Bevölkerung gegen die Gewaltexzesse jüdischer Faschisten. Die israelische Polizei habe "darin versagt, arabisches Leben und Eigentum zu schützen". Weitere Vorwürfe betreffen die Folterung palästinensischer Häftlinge durch israelische Sicherheitskräfte. Zu deren jüngsten Glanztaten gehören die Erschießung eines Neunjährigen in seinem Elternhaus in El Bireh sowie diejenige eines geistig Behinderten auf offener Straße bei Nezarim. Die blutige Bilanz der seit Ende September anhaltenden Zusammenstöße und Unruhen beläuft sich mittlerweile auf 371 Tote auf palästinensischer und 65 auf israelischer Seite. Jehosha Mor-Josef als Sprecher des israelischen Siedlerrates forderte mittlerweile unumwunden die Ermordung Arafats. Die noch amtierende Regierung Barak wies dieses Ansinnen zurück und warnte, auch nur der Versuch eines Attentates auf den Palästinenserpräsidenten werde einen "totalen Krieg" auslösen.

 

Die im gleichen Bericht geäußerte Kritik an Menschenrechtsverletzungen in China, denen vor allem nationale und religiöse Minderheiten sowie Dissidenten zum Opfer fallen, wurde von Peking scharf zurückgewiesen. Die VR China konterte mit einer Studie über die Zustände in den Vereinigten Staaten. Zu den dortigen Menschenrechtsverletzungen zählen die Chinesen "eskalierende Gewalt, ungerechte Justizverfahren, eine größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich, weit verbreitete Diskriminierung auf Grund des Geschlechts und der Rasse, Mißhandlung von Kindern und Minderheiten sowie willkürliche Einmischung in Menschenrechtsfragen anderer Länder".

 

Seit Antritt der rosa-grünen Bundesregierung ist das finanzielle Volumen der Rüstungsexporte noch über das der Regierung Kohl geklettert. Im Jahr 1999 hat die BRD Waffen und Kriegsgerät im Wert von 5,9 Milliarden DM exportiert, davon entfallen 1,5 Milliarden DM auf Länder außerhalb von EU und NATO. Hauptempfänger ist jedoch der Bürgerkriegs- und Folterstaat Türkei. Auf der Kieler HDW hat der Bau von 3 U-Booten der neuen Klasse 214 für Griechenland, den potentiellen Kriegsgegner Ankaras, begonnen. Kriegsminister Scharping sicherte auf seiner Asienreise Indien die Wiederaufnahme der nach Atomtests vor 3 Jahren ausgesetzten Rüstungskooperation zu. Als neuester Streich des durchtriebenen Duos Fischer-Scharping wurde bekannt, daß die 64 an die Vereinigten Arabischen Emirate verkauften Spürpanzer vom Typ Fuchs entgegen aller Versicherungen bewaffnet ausgeliefert wurden. Im Rahmen der galoppierenden Degeneration der Grünen hielt Rebecca Harms, Fraktionsvorsitzende im niedersächsischen Landtag, übrigens als erste grüne Spitzenpolitikerin die Gelöbnisrede auf der Vereidigung von 500 Rekruten in Neustadt am Rübenberge.

 

In Mailand trafen die Innen- und Justizminister der G 8-Staaten USA, Großbritannien, Kanada, BRD, Frankreich, Japan, Italien und Rußland zusammen, um Fragen des internationalen Terrorismus, der Hightech-Kriminalität, der Korruption, der Kinderpornographie, der Geldwäsche und des Menschenhandels zu besprechen. In einem gemeinsamen Schlußkommuniqué vereinbarten die G 8-Staaten die Bekämpfung der organisierten transnationalen Kriminalität. Auf Betreiben Schilys ist nunmehr neben Kinderpornographie zwecks weiterer Kriminalisierung auch der "Rechtsextremismus" in die Liste der staatenübergreifenden Schwerkriminalität im Internet aufgenommen worden. Es ist also damit zu rechnen, daß die geplanten internationalen Datenbanken über Tatverdächtige in Bälde auf im Internet tätige Aktivisten ausgeweitet werden. Etwaigen jubelnden "Linken" sei an dieser Stelle zugerufen: Wir sehen uns bald in den BKA-Rechnern wieder. In jedem Fall werden die IT-Sicherheitsbehörden der Teilnehmerstaaten enger zusammenarbeiten.

 

Die UNO veröffentlichte eine in Fachkreisen umstrittene Untersuchung, nach der die Weltbevölkerung bis 2050 von derzeit 6,1 auf bis zu 9,3 Milliarden Menschen anwachsen könnte. 90 % der Menschheit werden dann in Entwicklungsländern leben, jeder sechste davon in Indien und 2 Milliarden in Afrika. Die Bevölkerung in den 48 ärmsten Staaten der Welt wird sich bis 2050 verdreifacht haben. Ohne Zuwanderung werde sich der Bevölkerungsrückgang in Europa und Japan bereits ab dem Jahr 2003 bemerkbar machen (Rentensystem!). Innerhalb der nächsten 50 Jahre schrumpft die Bevölkerung der Ukraine um 40 % zusammen, diejenige Rußlands und Italiens um 25 %. Infolge anhaltender Zuwanderung wächst die Bevölkerung der USA von 283 auf 400 Millionen an.

 

Der PDS-Parteivorstand übte in Frankfurt/Main heftige Kritik an der Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung: "Wir fordern die Bundesregierung auf, ihre Außen- und Sicherheitspolitik neu zu konzipieren und dabei eigene friedenspolitische Akzente gegenüber der neuen Administration in den USA zu setzen. Im Mittelpunkt müssen Fortschritte bei der Abrüstung, das Gewaltverbot in der internationalen Politik und die strikte Einhaltung aller bestehenden Vereinbarungen zu Abrüstung und Rüstungskontrolle stehen. Gerade die aktuellen Entwicklungen zeigen, daß die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik in die Sackgasse manövriert: Verteidigungsminister Scharpings Scharfmache vor und während des KosovoKrieges ist als Lügenpropaganda entlarvt worden, ohne daß Scharping offenbar eine Klage auf Gegendarstellung wagen kann. Ausgerechnet unter Rot-Grün hat der jährliche deutsche Rüstungsexport Rekordhöhe erreicht. Unter Schröder, Fischer und Scharping wurden mehr Rüstungsexporte genehmigt als unter der Kohl-Regierung. Außenminister Fischer billigt in seiner innenpolitischen Bedrängnis nicht nur die amerikanisch-britischen Bombenangriffe auf Irak, er beschönigt dazu noch gegenüber der deutschen Öffentlichkeit die amerikanische Position. Es geht Washington offenbar eben nicht in erster Linie um eine Verhandlungslinie, sondern darum - wie sich jetzt beim Treffen Bush-Blair gezeigt hat -, ‚Saddam in Schach (zu) halten'. Die Kritik, die derzeit und zunehmend an der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik und insbesondere an Außenminister Fischer und Verteidigungsminister Scharping geübt wird, muß zur Chance für eine politische Neuakzentuierung gemacht werden. Es ist der falsche Weg, wenn Joschka Fischer der Kritik an seiner Rolle im gewaltbereiten Straßenkampf der 70er Jahre durch aktive Befürwortung einer gewalttätigen Außenpolitik heute begegnet."

 

Im nordirischen Creggan wagte sich der geheimnisumwitterte IRA-Stabschef Brian Keenan zu einem seiner seltenen Auftritte an die Öffentlichkeit. Kennan beruhigte die gereizte republikanische Basis, sie brauche sich keine Sorge um die gegenwärtige friedliche Phase des Kampfes zu machen. Bei einem Scheitern des Friedensprozesses werde man erneut zu den Waffen greifen. Ein Kollaps des Karfreitagsabkommens werde die Republikaner nicht davon abhalten, Freiheit und Gleichberechtigung zu erkämpfen. Bis die republikanischen Forderungen erfüllt seien, werde man jede Phase des Kampfes nutzen, um die Revolution voranzutreiben. Gewalt und Verhandlungen seien legitime Formen der Revolution, und beide müßten bis an ihre Grenzen vorangetrieben werden. Keenan appellierte vor allem an die Adresse der radikalen Hardliner von Real IRA und Continuity IRA, nicht die Einheit der republikanischen Bewegung zu gefährden. "Ich glaube nicht, daß diejenigen, die sagen, der Krieg ist vorbei, wissen, wovon sie sprechen. Die Revolution kann niemals vorbei sein, bis wir unser Land erobert haben, bis wir den britischen Imperialismus dort haben, wohin er gehört - auf den Abfallhaufen der Geschichte." Sinn Féin-Präsident Gerry Adams verweigerte eine Verurteilung der Äußerungen Keenans und warnte London vor einer etwaigen Suspendierung des nordirischen Parlaments und der Selbstregierung.

 

Die Hardliner von Republican Sinn Féin demonstrierten anläßlich der 20. Wiederkehr des Hungerstreiks von Bobby Sands vor dem Gefängnis von Maghaberry, in dem renitente republikanische und loyalistische Paramilitärs gefangengehalten werden. Mit Tommy Crossan sitzt hier auch der einzige derzeit um einen Status als politischer Gefangener kämpfende republikanische Stadtguerrillero ein. Man wollte dem Gefängnisdirektor ein Protestschreiben gegen die Kriminalisierung der republikanischen Gefangenen, denen man seit dem Karfreitagsabkommen jegliche Sonderrechte genommen hat, übergeben, doch der hohe Herr verschanzte sich hinter Stacheldraht, Panzerwagen und Gefängnismauern.

 

US-Außenminister Powell absolvierte eine Rundreise durch den Nahen Osten. Während in Palästina radikale Palästinenser gegen den Besuch bei Arafat protestierten und amerikanische Flaggen verbrannten, brachten die Regierungen Ägyptens, Jordaniens und Syriens ihren Unmut über die Bombenangriffe auf den Irak und die amerikanische Unterstützung Israels zum Ausdruck. Anläßlich des 10. Jahrestages der Vertreibung der irakischen Truppen aus Kuwait bekräftigte Powell die Schutzmachtrolle Washingtons für das reaktionäre Golfemirat. Die USA und Großbritannien kündigten eine Änderung der Sanktionspolitik an, um die Leiden der irakischen Bevölkerung zu lindern. Der zivile Import soll nicht mehr beschränkt werden, hingegen ist eine drastische Kontrolle militärisch verwertbarer Einfuhren vorgesehen. Bagdad ("Wenn wir jetzt intelligente Sanktionen bekommen, dann heißt das, daß wir in den letzten zehn Jahren dümmliche Sanktionen hatten.") nannte die in Frage kommenden Alternativen: Entweder vollständige Aufhebung der Sanktionen oder Rüstungskontrollmaßnahmen für alle nahöstlichen Staaten inclusive der Atommacht Israel. Bagdads Außenminister el Sahhaf nahm dennoch die seit zwei Jahren unterbrochenen Verhandlungen mit der UNO wieder auf. Der Irak will über die Flugverbotszonen, das Wirtschaftsembargo und die Rüstungskontrollinspektionen verhandeln und forderte über UN-Generalsekretär Annan den UN-Sicherheitsrat auf, sich auf eine gemeinsame Linie zu einigen.

 

In Belgrad fand der serbisch-kroatischer Dialog zur Aussöhnung statt. Unter Vermittlung des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, des Instituts für Auslandsbeziehungen und des dem griechischen Außenministerium nahestehenden Centre for Democracy and Reconciliation, Thessaloniki, trafen sich serbische und kroatische Schriftsteller und Journalisten in der jugoslawischen Hauptstadt, um über eine Versöhnung der Kriegsgegner zu diskutieren. Die bundesdeutschen Vertreter brachten die Erfahrungen der BRD bei der Wiederaussöhnung mit den Nachbarstaaten nach dem Zweiten Weltkrieg ein, die Griechen hingegen den nationalen Ausgleich nach dem Bürgerkrieg der 40er Jahre. Man kam jedoch überein, Serben und Kroaten nicht zu bevormunden, sondern sie ihren Weg selbst finden zu lassen.

 

Nach Berechnungen der Bundesanstalt für Arbeit wird im laufenden Jahr der Überstundenrekord des Vorjahres noch überboten werden. Insgesamt wird die Arbeitnehmerschaft 1,887 Milliarden registrierte Überstunden zu leisten haben - der höchste Stand seit 10 Jahren. Verschämt erinnerte die IG Bau Bundesregierung und Kapital an die im Bündnis für Arbeit - das seit 8 Monaten nicht mehr tagte - vereinbarte Reduzierung der Überstunden. Ursula Engerlen-Kefer als DGB-Vizevorsitzende erklärte dpa, durch Abbau nur eines Drittels der Mehrarbeit könnten 300-500.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Klaus Zwickel, streitbarer Vorsitzender der IG Metall, nannte die Überstundenentwicklung angesichts von 4 Millionen Arbeitslosen einen Skandal. Sollte sich die Arbeitnehmerseite weiterhin einem Abbau des Überstundenberges verweigern, droht die IG Metall mit einer "knallharten Lohnrunde", aber was von den Drohungen des Papiertigers DGB zu halten ist, sollte sattsam bekannt sein.

 

Verschwörungstheoretiker aufgepaßt: Bekanntlich ist Bill Clinton durch die Begnadigung des wegen Steuerbetruges weltweit gesuchten Rohstoffspekulanten Marc Rich in die Schlagzeilen geraten. Der jüdische Wirtschaftskriminelle spendete über seine Frau zum Dank reichlich an Clinton, die Demokratische Partei sowie an jüdische Einrichtungen. Zu Richs (nomen est omen) Fürsprechern zählten neben seinen Finanzmitteln u.a. der israelische Premier Ehud Barak, der Dirigent Zubin Mehta, die Bürgermeister von Tel Aviv und Jerusalem, ex-Mossad-Chef Shabtai Shavit und der designierte israelische Außenminister und Friedensnobelpreisträger Shimon Peres. In diesen Zusammenhang sei angemerkt, daß Clinton nach seiner Wiederwahl auf der Homepage der B´nai B´rith als "unser Präsident" gefeiert wurde. Falls jemand Interesse hat, Clinton als Vortragsredner zu mieten, ist dieses für einen sechsstelligen Betrag möglich - in der BRD über die Künstleragentur von Paul Spiegel, dem Vorsitzenden des Zentralrates.

 

Bei den nach einer mehrmonatigen Regierungskrise angesetzten Neuwahlen in Moldawien, dem Armenhaus Europas, errang die kommunistische PCM mit 50,5 % der Stimmen und 60 von 101 Abgeordneten die absolute Mehrheit. KP-Chef Woronow dürfte nicht zuletzt von den ukrainischen und russischen Minderheiten gewählt worden sein, die 35 % der Bevölkerung ausmachen und denen er die Gleichberechtigung der russischen Sprache versprach. Mit dem Wahlergebnis entschied die Bevölkerung sich für die wirtschaftliche Annäherung an Rußland und gegen den Westen. Von Bedeutung sind ferner noch die konservative Union mit 13,4 % und Iurie Roscas großrumänische Christdemokraten mit 7,6 %. Die Wahlbeteiligung lag bei 61 %. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist die Wirtschaftsleistung Moldawiens auf 40 % gefallen, das Pro-Kopf-Einkommen ist mit 640 DM im Jahr noch niedriger als in Albanien.

 

Einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" zufolge hat beinahe ein Drittel der Bundesbürger nicht einmal die Hälfte des Durchschnittseinkommens zur Verfügung. Von dieser relativen Armut betroffen sind vor allem alleinerziehende Frauen, Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger. Auch ein fester Arbeitsplatz schützt nicht mehr vor einem Leben in relativer Armut: Nahezu 20 % der 36 Millionen Erwerbstätigen beziehen höchstens die Hälfte des durchschnittlichen Jahresbruttoeinkommens von 65.000 DM. Weitere 15 % der Arbeitnehmerschaft verdienen nur zwischen 50 und 75 % des Durchschnitts. Auf der anderen Seite verdienen 6,7 % der steuerzahlenden Arbeitnehmer mehr als das Doppelte des Durchschnittseinkommens. Verantwortlich für dieses Gefälle sind Scheinselbständigkeit und der wachsende Anteil von Zeitarbeitsfirmen. Schätzungsweise 750.000 Menschen befinden sich in der BRD in den Fängen dieser modernen Sklavenhändler und verdienen im Schnitt nur 60 % der Tariflöhne. Ein weiterer Faktor der Lohndrückerei ist die Beschäftigung illegaler Einwanderer. Der Zentralverband des deutschen Handwerks schätzt, daß Illegale 640 Milliarden DM pro Jahr erwirtschaften, was 16 % des BIP entspricht. Im Jahr 2000 hagelte es bereits 250.000 Bußgeldbescheide für die Beschäftigung illegaler Einwanderer.

 

An der Grenze zum Kosovo lieferten sich albanische Partisanen und mazedonische Truppen weitere Gefechte. Mazedoniens Präsident Boris Trajkovski warnte in einer Rede an die Nation vor einer Destabilisierung des Landes. Im grenznahen Tanusevci haben militante Albaner die Aufstellung einer regionalen Miliz begonnen. Drahtzieher der Aktivitäten ist Xhavit Hasani, ein aus der Region stammender Mafiosi, Schmuggler und ehemaliger UCK-Offizier, vor dessen Anhängern auch Teile der albanischen Bevölkerung bereits die Flucht ergriffen haben. Beunruhigt über die von ihr gerufenen Geistes des großalbanischen Nationalismus hat die NATO eine Verkleinerung der entmilitarisierten Zone entlang der Kosovo-Grenze zu Serbien angekündigt. Diese erfolgt jedoch nur schrittweise, damit ein Zugriff der jugoslawischen Streitkräfte auf die UCPMB-Partisanen erschwert wird. Weiterhin deutet einiges auf klammheimliche Absprachen zwischen interessierten Kreisen im Westen und den albanischen Ultranationalisten hin: Während die UCPMB eine Waffenruhe anbietet und internationale Verhandlungen über die Albanergebiete in Südserbien fordert, bringt man in NATO-Kreisen die Entsendung einer internationalen Truppe ins Presevo-Tal ins Gespräch.

 

Die Landesdelegiertenkonferenz der Berliner Grünen hat sich mit überwältigender Mehrheit für die Ablösung der Großen Koalition durch ein Linksbündnis mit SPD und PDS ausgesprochen. Während die PDS Gesprächsbereitschaft signalisierte, zeigt die SPD sich vorerst ablehnend, obwohl die Berliner CDU von einem neuen Korruptions- und Spendenskandal erschüttert wird. Angesichts der desaströsen Umfragewerte der Berliner SPD wohl eine verständliche Haltung, da das Linksbündnis nur eine knappe Mehrheit hätte und eventuell Neuwahlen ausschreiben müßte. Der Bundesvorstand der Grünen reagierte zurückhaltend - im Gegensatz zu den sonstigen Landesverbänden. Die PDS wies zudem darauf hin, daß ein rigider Sparkus erforderlich sei - nach 11 Jahren Großer Koalition sei die Bundeshauptstadt faktisch bankrott.

 

Der bisherige spanische Innenminister Jaime Mayor Oreja wird als Spitzenkandidat der konservativen Volkspartei bei den am 13. Mai anstehenden Wahlen im Baskenland antreten. Da Mayor maßgeblich an der energischen Bekämpfung des nationalen Unabhängigkeitswillens im Baskenland beteiligt ist, kann die Kandidatur nur als maßlose Provokation der militanten Nationalisten bezeichnet werden. Ziel Madrids ist es, bei den Regionalwahlen die bislang regierende gemäßigt nationalistische PNV durch ein Bündnis von Sozialisten und Konservativen abzulösen. Premier Aznar äußerte auf einer Wahlkampfrede im Herz des Baskenlandes, in Bilbao, das Gebiet werde niemals unabhängig sein, sondern immer ein Teil Spaniens bleiben. Xavier Arzalluz von der PNV erklärte, hier handele es sich um eine Kriegserklärung an den baskischen Nationalismus. Nach einem etwaigen Wahlsieg Mayors wäre eine beispiellose Eskalation vorprogrammiert. Im Baskenland verhafteten die spanischen Sicherheitsbehörden derweil weitere 10 der Mitgliedschaft in der ETA verdächtige Personen.

 

 

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