Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 17. bis 23. Februar 2001

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Unzufriedenheit bei der Real IRA

G-7-Ministertreffen in Palermo

Politik, Kultur und Skinheads

Risikofaktor Japan

BGS-Partnerschaft auch in Brandenburg

Belgrad übt Druck auf NATO aus

Karlsruhe beschränkt Polizeiwillkür

Kämpfe greifen auf Mazedonien über

Kinderarbeit in der BRD

2x OB-Wahlen

Massenarmut in den Städten

Legale und illegale Drogen

Luftangriffe auf den Irak

BRD als Schrittmacher der Liberalisierung

Die irakische Zivilwirtschaft liegt am Boden

Schwerer Schlag gegen ETA

Bagdad rüstet wieder auf

Rainer-Urteil bestätigt

Luftangriffe sind völkerrechtswidrig

Nazis und Bundeswehr

Fischers Kniefall in Washington

Fischers Außenpolitik

Kritik bei Grünen und SPD

 

 

Zitat der Woche:
"Wir deutschen Sozialisten haben das stärkste Interesse daran, die nationale Selbstbestimmung des deutschen Volkes innerhalb einer europäischen Völkerorganisation gesichert zu sehen. Wir wollen die Internationale um des Sozialismus und der Nation willen, wir wissen aber, daß eine internationale Gesinnung und Organisation nur möglich ist, wenn wir als Nation geeint und frei dastehen. Uns ist die Nation kein Durchgangspunkt zu einem kulturlosen Menschheitsbrei, sondern die schicksalgebundene Lebensform, in der wir an den übernationalen Zielen der Menschheit allein mitarbeiten können und wollen."
-Hermann Heller

Unter dem Druck unzufriedener Extremisten genehmigte Michael McKevitt, der Kommandeur der Real IRA, einen Bombenanschlag auf die Eisenbahnlinie vom irischen Dundalk nach Newry. Ferner wurde ein britischer Armeekadett durch einen Sprengfallenanschlag auf einen Stützpunkt des Territorialheeres in London schwer verletzt. Scotland Yard ist sich nicht sicher, ob das Attentat auf Kriminelle oder eine in der britischen Hauptstadt befindliche Active Service Unit der Real IRA zurückzuführen ist. Da McKevitt die erhoffte Anschlagserie gegen die Briten seit Monaten verzögert und eher auf Nadelstiche setzt, regt sich bei der RIRA-Basis zusehends Unmut.

 

Der sogenannte Nationale Widerstand demonstrierte in Hamburg "Für die Freiheit der Kunst". Als "Kunst" verstand man nicht etwa das, was gemeinhin unter derselben begriffen wird, sondern propagierte im teutonischen Kommandoton "Rechtsradikale Musik für alle - überall!", was im Kontext wohl bedeuten soll, es handele sich bei sog. "Nazi-Rock" um schützenswertes Kulturgut. Hierzu stellt sich uns die Frage, was bitteschön von Sexismus, Rassenverachtung, deutschnationaler Reaktion und radikalisiertem Spießertum gekennzeichnetes Geklampfe mit "Kultur" oder noch besser mit "Nationalem Widerstand" zu tun haben mag. Unter Skinhead-Rock ist in den Augen des Verfassers wohl kaum eine Rückbesinnung auf klassische Werte europäischer Kultur und Tonkunst zu verstehen. Womit wir beim nächsten Thema wären: Wieder einmal wird die verhängnisvolle Gleichsetzung der "nationalen Bewegung" mit der Skinhead-Sub"kultur" vollzogen, die nicht zuletzt für den miserablen Ruf der ersteren verantwortlich ist. Frei nach Ernst Jünger die feinsinnige Bemerkung einstreuend, es handele sich bei Jugendsubkulturen ohnehin um nichts anderes als Zuchthausrevolten, merken wir an, daß zu zielgerichteter und sinnvoller politischer Arbeit (und zu "Kunst") wohl doch ein wenig mehr gehört. Das war schon lange mal fällig, aber der kulturell-musikalisch durchaus anderweitig orientierte Verfasser ist es (so wie viele andere Kameraden) leid, sich andauernd in derartige Schubladen stecken lassen zu müssen.

 

Nach Bremen, Hamburg und Sachsen-Anhalt ging auch Brandenburg eine Sicherheitspartnerschaft der dem BGS ein. Während in den Westländern vor allem die Klein- und Drogenkriminalität als Begründung für die Ausweitung der Zuständigkeiten der Bundespolizei herhalten muß, sind es im Osten wieder einmal "Neonazis". Vor allem im Bahnbereich werden 80 Beamte in der Niederlausitz stationiert. Im Raum Cottbus reicht es den Angaben des BMI zufolge derzeit schon aus, "rechts" auszusehen, um von den Sondereinheiten des Innenministeriums mit willkürlichen Personenkontrollen belästigt zu werden.

 

Einem erfreulichen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zufolge wird die seit Jahren ausufernde Willkür bei Hausdurchsuchungen durch Polizei und Staatsanwaltschaften hoffentlich bald der Vergangenheit angehören. Derzeit werden zwischen 75 und 90 % aller Hausdurchsuchungen unter Berufung auf "Gefahr im Verzug" (Verlust von Beweismitteln) ohne richterliche Anordnung von StA und Polizei durchgeführt, was zu einer erheblichen Einschränkung des Grundrechtes auf Unverletzlichkeit der Wohnung führte. Karlsruhe urteilte nun, die Hausdurchsuchung ohne richterliche Anordnung müsse auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben. Vor allem wurde den Staatsanwaltschaften untersagt, durch gezielte Verschleppung eines Falles die Eilbedürftigkeit selbst herbeizuführen. Jede Eilentscheidung ist fortan zeitnah in den Ermittlungsakten zu dokumentieren und hinreichend mit auf den Einzelfall bezogenen Tatsachen zu begründen, außerdem unterliegt sie einer richterlichen Überprüfung. Außerdem haben die Gerichte dafür Sorge zu tragen, daß ein für Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen zuständiger Ermittlungsrichter rechtzeitig erreichbar ist.

 

Während die rosa-grüne Bundesregierung sich international für die Ächtung der Kinderarbeit stark macht, vernachlässigt sie diesen Aspekt im Inland sträflich. Nach Angaben des Deutschen Kinderschutzbundes arbeiten bundesweit 700.000 schulpflichtige Kinder regelmäßig vor oder nach dem Unterricht. Offiziell sind im Wohlfahrtsstaat BRD nur 1000 Fälle verbotener Kinderarbeit pro Jahr registriert, was mit dem Desinteresse der Gewerbeaufsichts- und Jugendämter zusammenhängt. Der Kinderschutzbund konstatiert, in diesem Bereich weise die BRD ein "Vollzugsdefizit lateinamerikanischen oder osteuropäischen Ausmaßes" auf.

 

Eine Familie mit einem Bruttoeinkommen von jährlich 60.000 DM fällt hierzulande spätestens mit dem vierten Kind unter die Armutsgrenze, wodurch die Nachkommenschaft beinahe automatisch von der gesellschaftlichen Entwicklung abgekoppelt wird. Seit 1980 hat sich die Zahl der unter der Armutsgrenze lebenden Kinder von 2,1 auf 8 % beinahe vervierfacht. In München wird jedes vierte Kind als arm klassifiziert. Dabei ging hier die Zahl der Sozialhilfeempfänger im vergangenen Jahr um 3,1 % auf "nur noch" 50.000 zurück. Mit einer Dichte von 37 Sozialhilfeempfängern auf 1000 Einwohner schneidet München bei einem Bundesdurchschnitt von 61 gut ab. Herausragend hoch ist die Dichte mit 95 in Bremen, mit jeweils 74 in Hamburg und Hannover, mit jeweils 68 in Köln und Dortmund sowie in Düsseldorf mit 63. Während in München 73 von 1000 jungen Erwachsenen (die anderen stehen wahrscheinlich am Bahnhof oder sitzen in der Innenstadt - manchmal bleibt einem nur noch Sarkasmus übrig) Sozialhilfe beziehen, sind es in Bremen 221, in Berlin 161 und in Hamburg 155.

 

Erstmals seit Dezember 1998 flogen alliierte Terrorbomber Luftangriffe auf irakische Gebiete außerhalb der Flugverbotszonen, bei denen es 2 Tote und 20 Verletzte gab. Der Luftschlag galt irakischen Luftabwehrstellungen bei Bagdad, die jedoch kaum in Mitleidenschaft gezogen wurden. Wenige Tage später erfolgte ein zweiter Luftangriff auf Stellungen im Nordirak. Hintergrund sind die gesteigerten Aktivitäten der mit chinesischer Hilfe modernisierten irakischen Luftverteidigung, die sich der permanenten Verletzung der nationalen Souveränität durch den westlichen Imperialismus naturgemäß entgegenstellt. Nach Angaben des ehemaligen humanitären UN-Beauftragten Hans von Sponeck flogen Briten und Amerikaner alleine im Jahr 1999 132 Luftangriffe auf den Irak, bei denen es 144 Ziviltote und 446 Verletzte gab. Mit Rußland, China und Frankreich kritisierten drei Ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates die Angriffe in scharfer Form. Moskau ließ verlauten, die USA und Großbritannien beharrten auf der Anwendung völkerrechtswidriger Gewaltmaßnahmen gegen den Irak, die eine Lösung des Nahostproblems nur komplizieren würden. Ferner donnerte das russische Militär, es handele sich um eine "Provokation der gesamten internationalen Gemeinschaft". Saddam Hussein antwortete mit wüsten Drohungen an die Adresse Israels und der USA und ordnete die Aufstellung von Freiwilligeneinheiten zur Befreiung Jerusalems an. Angesichts des verheerenden Echos in der islamischen Öffentlichkeit - selbst ansonsten treue Verbündete wie Ägypten und die Türkei drückten ihr Unverständnis aus - befürchten Sicherheitskreise die Bildung einer antiisraelischen Achse Iran-Irak-Syrien. Die vorab nicht einmal informierte Bundesregierung übte sich - wie zu den meisten gegenwärtig bedeutenden Fragen internationaler Politik - in Stillschweigen.

 

Die irakische Wirtschaft liegt nach 10 Jahren Sanktionen am Boden, und eine Wende ist eigentlich erst mit deren Aufhebung zu erwarten. Bei der Banque Nationale de Paris sind mittlerweile 11 Milliarden Dollar Verkaufserlöse aus irakischen Erdölexporten deponiert, aber Bagdad hat keinerlei Verfügungsgewalt über seine Vermögenswerte. Die Gelder stehen unter UN-Verwaltung und können lediglich zur Bezahlung der vom Sanktionskomitee bewilligten Güter benutzt werden. Die Hungerkatastrophe konnte mittlerweile beendet werden, aber die UNO kauft die Nahrungsmittel auf dem Weltmarkt auf, was zum Ruin der irakischen Landwirtschaft und zum Zusammenbruch der Lebensmittelpreise geführt hat. Bagdad kann seine Gewinne nicht im eigenen Land ausgeben, um die veralteten Industriebetriebe oder die marode Infrastruktur zu modernisieren. Auch angeforderte Ersatzteillieferungen werden vom Sanktionskomitee zurückgehalten oder monatelang verzögert. Parallel zu den offiziellen Erdölexporten hat sich eine von der UNO kaum zu kontrollierende Schattenwirtschaft entwickelt. Diese verdeckten Exporte (Erdöl, Nahrungsmittel aus der Inlandsproduktion) werden über die Türkei, Syrien und den Iran abgewickelt und dienen hauptsächlich zur Finanzierung der im Wiederaufbau befindlichen irakischen Militärmaschinerie, an der sich vor allem Jugoslawien, Nordkorea, Rußland und China rege beteiligen. Russische und chinesische Unternehmen haben bereits umfangreiche Verträge zur Erschließung neuer Ölfelder und zur Erhöhung der bestehenden Förderkapazitäten abgeschlossen, warten aber letztlich auf die Aufhebung des Handelsembargos. Die USA und Großbritannien signalisierten trotz der Luftangriffe, daß man vom bisherigen Blockadesystem abgehen und vielmehr "intelligente Sanktionen" einführen wolle, die dem Irak ein normales Wirtschaftsleben gestatten, ihm aber den Zugang zu Massenvernichtungswaffen unmöglich machen.

 

Nach Einschätzung des BND hat der Irak sein Atomwaffenprogramm wieder aufgenommen. Namentlich an der Forschungsanlage von Al Qaim seien vermehrte Aktivitäten zu beobachten, hieß es. Bagdad beschaffe über ein weltweites Netz von Tarnfirmen Material zur Herstellung von Atomwaffen. Auch auf dem Gebiet der C-Waffen treibe der Irak seit Sommer 1999 seine Aufrüstung wieder voran, und die Produktion bakteriologischer Kampfmittel könne im Bedarfsfall innerhalb weniger Tage aufgenommen werden. Das irakische Raketenprogramm laufe ebenfalls wieder auf Hochtouren. Derzeit sind die Kurzstreckenraketen Al-Samoud und Ababil 100/Al Fatah in Arbeit, die einen Sprengkopf von 300 Kilogramm bis zu 150 Kilometer weit transportieren können. Bis zum Jahr 2005 hält Pullach die Entwicklung irakischer Mittelstreckenraketen für möglich, mit denen Saddam Hussein auch die EU-Staaten bedrohen könne. Gegenstand der irakischen Rüstungsanstrengungen dürfte nach Meinung Pullachs jedoch eher der Erzfeind Iran sein, da Saddam Hussein nach dem Debakel im Golfkrieg auf jede direkte Provokation des Westens verzichten werde. Im Bereich der konventionellen Rüstung verfüge der Irak derzeit nur über 10-20 % seiner Kapazitäten von 1990, aber ein Großteil der 250 Rüstungsbetriebe hat die Arbeit in den vergangenen Monaten wieder aufgenommen. Bereits bei der großen irakischen Militärparade im Januar zeigte sich nach Einschätzung der US-Nachrichtendienste, daß vor allem die Eliteeinheiten der Republikanischen Garde schon wieder bis zu zwei Drittel ihrer alten Stärke aufweisen.

 

Andreas Paulus, Professor für Völkerrecht an der Uni München, übte in der "Süddeutschen Zeitung" heftige Kritik an der Irakpolitik Londons und Washingtons. Alle Rechtfertigungsgründe der Anglo-Amerikaner für ihre Militäreinsätze seien "sehr problematisch und weit hergeholt". Von einer legitimen Selbstverteidigung gegen die irakische Luftabwehr könne keine Rede sein, weil die Flugverbotszonen in keiner einzigen UN-Resolution auftauchen und auch vom UN-Sicherheitsrat nicht genehmigt wurden. Auch militärische Eingriffe in den nach UN-Resolution 688 gebildeten Schutzzonen für Schiiten und Kurden sind ausdrücklich nicht genehmigt. "Die humanitäre Intervention war schon im Kosovo-Krieg als Rechtfertigungsgrund sehr umstritten. Im Fall des Iraks ist sie noch fragwürdiger. Denn es ist zweifelhaft, ob die Flugverbotszonen und damit einhergehend die Luftschläge gegen den Irak überhaupt noch in erster Linie dem Schutz der Kurden und Schiiten dienen. Es scheint doch so zu sein, daß sie hauptsächlich darauf abzielen, den Irak niederzuhalten."

 

US-Außenminister Powell empfing seinen bundesdeutschen Juniorpartner Joschka Fischer zu Gesprächen. Beide Minister bekannten sich zu einer "vitalen und offenen atlantischen Allianz" sowie zur Entwicklung einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik durch die EU. Diese ist selbstredend nur dazu gedacht, die westliche Allianz zu stärken. Seit 50 Jahren würden die BRD und die USA zur Verteidigung von Freiheit, Gerechtigkeit, Wohlstand und Sicherheit für ganz Europa zusammenstehen. Powell kündigte an, in puncto NMD würden die USA alle Verbündeten sowie Rußland und China konsultieren. Zur Rechtfertigung der alliierten Terrorangriffe auf den Irak erklärte Fischer ("Wir haben die USA nicht zu kritisieren"), die BRD sei ebenso wie die USA durch das von der irakischen Regierung verkörperte Sicherheitsrisiko betroffen. Dieses bestehe in der Verbreitung (!) von Massenvernichtungswaffen und Trägerraketen. Natürlich richte sich die Embargopolitik der Anglo-Amerikaner im UN-Sicherheitsrat nicht gegen das irakische Volk, sondern gegen die irakische Politik. Ein wahrhaft tröstlicher Satz für die nach Hunderttausenden zählenden Hunger- und Krankheitstoten.

 

Zur Ehrenrettung von Teilen der Grünen sei angemerkt, daß Fischers würdeloses und opportunistisches Verhalten scharfe Kritik hervorrief. Umweltminister Trittin sprach von "Verwunderung bis Befremden" bei zahlreichen Parteimitgliedern, die Verteidigungsexpertin Angelika Beer wiegelte hingegen ab, bei den Positionen der Fraktion und eines Bundesministers gebe es "automatische Differenzen". Generell erklärte die Bundestagsfraktion, die Luftangriffe seien völkerrechtlich nicht gedeckt gewesen und würden die Situation in Nahost weiter destabilisieren. Zu den Kritikern zählten auch die Hamburger Landesvorsitzende Antje Radcke und ihr nordrhein-westfälischer Amtskollege Frithjof Schmidt. Detlev von Larcher als prominenter Vertreter der SPD-Linken kommentierte die Unterwerfungshaltung Berlins im NDR: "Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie sich zu dieser Aktion kritisch äußert. Wenn das französische Außenministerium kritisch dazu Stellung nehmen kann, dann fragt man sich, warum das die Bundesregierung nicht kann." Vielleicht, weil die BRD ein halbkoloniales Gebilde ist, Herr von Larcher?

 

Während eines Besuches in Peking versuchte BRD-Kriegsminister Scharping, die Verärgerung der Volksrepublik China über den aggressiv-militaristischen Kurs der NATO-Führungsmacht USA einzudämmen. Natürlich richte sich das Raketenabwehrsystem NMD nicht gegen China, und außerdem sei die Form der Umsetzung keineswegs beschlossene Sache, lamentierte der Besucher aus Berlin. Scharping zeigte sich mit seinem bundesdeutschen Kadavergehorsam gegenüber Washington und Wall Street offensichtlich überfordert, eine konkrete Stellungnahme zur Haltung der BRD abzugeben. General Gao Jindian verhöhnte den ersten in China empfangenen "deutschen" Verteidigungsminister, seine Äußerungen seien von Philosophie und Strategie geprägt und stellte ihn sarkastisch in eine Reihe mit Hegel und Clausewitz. Chinesische Sicherheitsexperten erläuterten, die absurde Behauptung einer potentiellen Bedrohung der USA durch Nordkorea, den Iran oder den Irak sei lediglich ein Vorwand. "Die USA haben nur das eine Ziel, ihre absolute militärische Überlegenheit zu sichern und in einer Position zu bleiben, wo sie den Ton angeben und anderen Befehle erteilen", urteilte Professor Chen Feng. Cheng Jingye, stellvertretender Abrüstungsbeauftragter Pekings, mußte Scharping gar Nachhilfeunterricht über Inhalt und Zweck des ABM-Vertrages zum Verbot von Raketenabwehrsystemen erteilen. Dieser begrenze bekanntlich die Abwehrsysteme zwecks Aufrechterhaltung des strategischen Gleichgewichtes und sei die Grundlage aller großen Abrüstungsabkommen. Am Folgetag nahm kein Geringerer als Staats- und Parteichef Jiang Zemin den sich um seine Verantwortung herumdrückenden Amateur von der Hardthöhe ins Gebet. Jiang warnte, NMD bedeute eine Sabotage des strategischen Gleichgewichtes und werde sich negativ auf die weltweite Abrüstung auswirken. In Peking geht man fest von einer Kündigung der START-Verträge durch Rußland aus, sollte NMD umgesetzt werden. Direkt nach seinem Chinabesuch reiste Scharping nach Indien weiter und hatte nichts besseres zu tun, als ausgerechnet mit dem chinesischen Erzrivalen militärische Stabsbesprechungen zu vereinbaren.

 

In Bangkok trat die 10. UN-Konferenz über Handel und Entwicklung (UNCTAD) zusammen. Auf dieser forderte die BRD in Gestalt des Globalisierungsfanatikers Siegmar Mosdorf, seines Zeichens Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, ein weltweit gültiges Regelwerk für private ausländische Direktinvestitionen. Diese Neuauflage des guten alten MAI-Abkommens der OECD soll Mindeststandards beim Marktzugang und beim Investitionsschutz enthalten und Wettbewerbsverzerrungen durch die Unverschämtheit einer an nationalen Interessen orientierten Wirtschaftspolitik verhindern. Als Trostpflaster versprach Mosdorf die Aufhebung der Zollschranken für Agrar- und Textiprodukte aus der Dritten Welt.

 

Im sizilianischen Palermo trafen die Finanzminister und Notenbankpräsidenten der G-7-Staaten USA, Japan, BRD, Frankreich, Italien, Großbritannien und Kanada zusammen. Hauptgegenstand der Gespräche waren die einsetzende Rezession in den USA und die drohende Krise in Japan. Man gab sich trotz mahnender Expertenstimmen weiterhin optimistisch. An die anwesenden Amtskollegen aus Rußland erging die Aufforderung, die Reformen fortzusetzen und die Schulden in Höhe von 47 Milliarden Dollar zurückzuzahlen. Einem Schuldenerlaß für Moskau wurde eine kategorische Absage erteilt. Während die Finanzgewaltigen im Königspalast von Palermo konferierten, marschierten auf den Straßen Gewerkschafter auf und forderten die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

 

Norbert Walter, Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, erklärte Japan zum zentralen Problem der Weltwirtschaft. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist auf Exporte und einen schwachen Yen angewiesen, um wieder auf Touren zu kommen. Ein schwacher Yen macht wiederum Investitionen in Japan für Ausländer unattraktiv, und Kapital fließt aus dem Land ab. Kapitalflucht wirkt sich negativ auf den Nikkei-Index aus, und die sinkenden Aktiennotierungen zwingen die Banken dazu, ihre Aktieneinlagen nach unten zu korrigieren. Sollte es tatsächlich zu einer ernsten Finanzkrise in Japan kommen, werden die Folgen weltweit zu spüren sein. Tokio ist Hauptinvestor und Hauptkapitalgeber in den asiatischen Ländern - sollte die Krise übergreifen, werden die Exporte der übrigen OECD-Staaten nach Fernost einbrechen. Ein Teufelskreis.

 

Aus Protest gegen die nach wie vor mangelhaften Maßnahmen gegen den albanischen Terror haben die Serben in Mitrovica die Zusammenarbeit mit der UN-Verwaltung UNMIK und der Besatzungstruppe KFOR eingestellt. Die serbischen Enklaven im UN-Protektorat und die Bevölkerung Jugoslawiens hielten einen Tag der Staatstrauer für die jüngsten Opfer des albanischen Chauvinismus ab. Ibrahim Rugova als Führer der gemäßigten Kosovo-Albaner und die albanische Regierung verurteilten die Aktivitäten der ehemaligen Untergrundarmee UCK. In der entmilitarisierten Pufferzone zwischen Südserbien und dem Kosovo kam es zu neuerlichen Gefechten zwischen jugoslawischer Polizei und albanischen Guerrilleros, was den jugoslawischen Präsidenten Kostunica und Außenminister Svilanovic dazu bewegte, erneut den Westen mit Nachdruck zum Handeln aufzufordern. Die NATO zieht mittlerweile eine deutliche Verkleinerung der Pufferzone in Erwägung, um den Partisanen das Wasser abzugraben.

 

Für den Eingeweihten nicht unerwartet hat sich die Brisanz des albanischen Pulverfasses mittlerweile verstärkt: Nachdem mindestens 200 albanische Partisanen über die mazedonische Grenze eingesickert sind und sich die ersten Feuergefechte mit den Grenztruppen lieferten, mußte KFOR auch noch die Sicherungen an der Südostgrenze des Kosovo verstärken. In der Region um das mazedonische Kumanovo leben ebenso wie im serbischen Gebiet von Presevo hauptsächlich Albaner, die sich durch das zögerliche Verhalten der jugoslawischen und KFOR-Truppen zum Aufstand ermuntert fühlen. Insgesamt sind rund 25 % der Bevölkerung Mazedoniens albanischer Herkunft.

 

Bei den Saarbrückener Oberbürgermeisterwahlen wurde Amtsinhaber Hajo Hoffmann (SPD), zugleich Präsident des Deutschen Städtetages, mit 50,87 % für weitere 8 Jahre gewählt. Sein Herausforderer Gerd Bauer von der CDU erhielt 38,2 % der Stimmen. Die vorgezogenen OB-Wahlen in Wolfsburg endeten hingegen mit einem Sieg des Christdemokraten Rolf Schnellecke, der 54 % der Stimmen erhielt. Seine Konkurrenten Ingolf Viereck (SPD) und Bärbel Weist (PUG) scheiterten mit 29,5 % bzw. 16,54 %.

 

Im Jahr 2000 sind mit 2023 Todesopfern (ohne Dunkelziffer) so viele Menschen an illegalen Drogen gestorben wie seit 1992 nicht mehr. Im Jahr 1999 hing laut WHO-Generaldirektorin Gro Harlem Brundtlandt in den EU-Staaten jeder vierte männliche Todesfall zwischen 15 und 29 Jahren mit den Auswirkungen des Alkohols zusammen. Insgesamt raffte die Volksdroge Nr. 1 55.000 junge Menschen dahin. Brundtlandt kritisierte auf der EU-Ministerkonferenz über Jugend und Akohol in Stockholm vor allem die Getränkekonzerne, die bereits junge Menschen durch Identifikation von Lifestyle, Sex, Sport und Spaß mit Alkohol fixieren und sie bewußt zu Gewohnheitstrinkern manipulieren.

 

Die von "Sozialdemokraten" und "Ökosozialisten" gestellte Bundesregierung hat ein entlarvendes Positionspapier zur EU-Wirtschaftspolitik vorgelegt. Demnach will die BRD sich als europäischer Schrittmacher für den Ausverkauf wichtiger Wirtschafts- und Dienstleistungsbereiche an das nationale und internationale Großkapital profilieren. Liberalisiert werden sollen die Post bis 2003, die Gas- und Stromversorgung bis 2004 und die Telekommunikation bis Ende 2001.

 

Im Berufsverkehr vor einem Bahnhof in San Sebastián detonierte eine von der baskischen Untergrundorganisation ETA plazierte Autobombe und tötete zwei Passanten, darunter ironischerweise ein Mitglied der ETA-nahen Wahlplattform Euskal Herritarrok. Die Zielperson, der sozialistische Stadtrat Inaki Dubreuil, überlebte ebenso wie ein Leibwächter mit Verletzungen. Nur wenige Stunden später verhaftete die französische Polizei nahe der spanischen Grenze Xabier García Gaztelu ("Txapote"), den angeblichen militärischen Kommandeur der ETA. Gaztelu lebte seit 1992 im Untergrund und soll direkt oder indirekt für den Tod von mindestens 35 Menschen verantwortlich sein. Bei der Festnahme konnten wichtige Unterlagen sichergestellt werden, die den gesamten militärischen Apparat der baskischen Befreiungsorganisation offenlegen. Im baskischen Zumarraga gingen der spanischen Polizei 4 ETA-Sympathisanten in die Fänge, nachdem sie ein neugebautes Jugendzentrum in die Luft sprengten. Bei weiteren Razzien gegen den nationalen Widerstand im Baskenland wurden mindestens 15 Personen verhaftet.

 

Der Oberste Kassationsgerichtshof Italiens bestätigte das Skandalurteil von 20 ½ Jahren Haft gegen Peter Paul Rainer. Der im Januar in Wien verhaftete Rainer soll im Februar 1997 den Südtiroler Politiker Christian Waldner, Landtagsabgeordneter der Lega Nord, erschossen haben. Die Verteidigung kündigte an, sie werde Widerspruch gegen die Auslieferung an Italien einlegen, da Rainer keinen fairen Prozeß hatte. Dem abschließenden Urteil liegen Vertuschungen und Tatsachenverdrehungen durch die italienische Polizei und Justiz zugrunde - man ließ aus offensichtlichem Desinteresse an den wahren Hintergründen des Mordes nicht einmal die vollständige Akte ins Italienische übersetzen. Christian Waldner stand unter Beobachtung des italienischen Inlandsnachrichtendienstes, der nicht gerade für Zimperlichkeit bei der Behandlung unliebsamer Personen bekannt ist.

 

Im vergangenen Jahr hat sich nach Angaben des Wehrbeauftragten Penner (SPD) die Zahl der "rechtsextremen Delikte" bei der Bundeswehr mit 196 mehr als verdoppelt. Den Schwerpunkt derartiger Taten bilden Schmierereien in Kasernen, Abspielen von Nazi-Rock und das Grölen entsprechender Parolen, wenn der Soldatenproll und Stammtischnazi nach dem sechsten Halben wieder Manns genug ist. In diesem Zusammenhang fällt eine Sinus-Studie auf, nach der 16 % aller potentiellen Bundeswehrfreiwilligen Neigungen zu den deutschnationalen Parteien NPD, DVU und Republikanern besitzen. Diese Gruppe verfügt aber auch über das niedrigste Bildungsniveau unter den Bewerbern, also sei ihnen verziehen. Stellt sich abschließend die Frage, was die Tätigkeit in einer im Dienst des internationalen Großkapitals stehenden Söldnertruppe eigentlich mit deutschen Interessen zu tun hat, aber da sollen unsere Patrioten besser ihre parteipolitischen Sympathieträger konsultieren.

 

In der "Berliner Zeitung" kommentierte Gerold Büchner die obskure Außenpolitik der Bundesregierung: "Die Bündnisgrünen und ihr Außenminister haben das öffentliche Schweigen zum Programm erhoben. (...) Am Anfang dieser besonderen Schweigespirale steht der Bundesminister des Äußeren. Seit Wochen enthält er sich Stellungnahmen zu wichtigen internationalen Fragen. Raketenabwehr, transatlantisches Verhältnis, Luftangriffe im Irak - über all das waren von Fischer lediglich Floskeln zu hören. Zunächst konnte er darauf verweisen, dass er die neue US-Regierung erst kennenlernen müsse, bevor er sich äußere. Seit seinem USA-Besuch sticht dieses Argument nicht mehr. (...) Fischers Satz, Deutschland habe die USA nicht zu kritisieren, hat allerdings nicht nur seine Parteifreunde aufhorchen lassen. Wenn er meint, was er sagt, dann hat der Außenminister ungewollt eine Maxime seines Handelns bloßgelegt: der Weg des geringsten Widerstands als Maßstab deutscher Außenpolitik. Mit seinen Äußerungen in Washington stellt der einstige Star und Vordenker der Grünen die drei Werte in Frage, die erklärtermaßen Grundlage rot-grüner Außenpolitik sein sollten: Vorrang des Völkerrechts, Einsatz für die Menschenrechte und friedliche Konfliktlösung. (...) Die Flugverbotszonen im Irak und die Luftangriffe sind vom Völkerrecht nicht gedeckt. Ein Bundesaußenminister, der dies öffentlich sagte, würde weder den Beziehungen zu den USA noch dem deutschen Interesse schaden. (...) Unverständlich auch, dass Fischer in Washington die Defizite der Irak-Politik nicht benennen mag: Das Sanktionsregime lässt die Bevölkerung leiden und berührt elementare Rechte wie das auf Gesundheit. (...) Das Zögern Fischers, zum Irak oder zur Raketenabwehr deutlich Position zu beziehen, hat weniger mit diplomatischen Zwängen als mit der tief verwurzelten Scheu vor einem Begriff zu tun, der in anderen Ländern gang und gäbe ist. "Nationales Interesse" klingt für viele Grüne und SPD-Linke noch immer verdächtig. EU-Integration und Partnerschaft mit den USA, die meist als Antwort auf entsprechende Fragen fallen, sind nicht Inhalt, sondern Form. Andere Staaten aber haben Anspruch darauf zu erfahren, was die Bundesregierung will und was nicht. (...) Hier entfalten die Attacken der Opposition unselige Wirkung: Um Fischer zu schützen, erklärt die Koalition seine Außenpolitik für tabu. Schaden droht dem Land aber nicht durch einen Minister mit gewundenem Lebensweg, sondern durch Mängel in der außenpolitischen Konzeption und das Schweigen darüber."

 

Zur dilettantischen Außenpolitik der Bundesregierung äußerte sich auch kein Geringerer als Klaus Kinkel, ehemals Außenminister und BND-Chef. "Die Einrichtung der Flugverbotszonen und deren Überwachung waren von Anfang an völkerrechtlich strittig. Aber die Vereinten Nationen haben die Durchführung dieser Maßnahmen ohne ernsthafte Einwendungen geduldet. Völkerrechtliches Argumentieren hilft deshalb heute kaum weiter. In jedem Fall halte ich die Militärschläge politisch für bedenklich. (...) Der Militäreinsatz hat erneut die arabische Welt zu Solidarisierungen mit Saddam Hussein gebracht, seine eigene Bevölkerung wieder fester um ihn geschart und diesem schlimmen Diktator eine Gelegenheit verschafft, sich ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit zu stellen. Für den zerbrechlichen Friedensprozess im Nahen Osten war das sicher nicht hilfreich. (...) Nein, im Gegensatz zu Herrn Fischer, der vielleicht auch wegen seiner innerdeutschen Schwierigkeiten vor den Amerikanern kuscht, glaube ich, dass man unter guten Freunden auch mal ein kritisches Wort sagen darf - ja manchmal sogar sagen muß." Zur Raketenabwehr NMD heißt es: "Nein, auch hier glaube ich, dass die Bundesregierung gegenüber der neuen US-Regierung deutlicher Stellung beziehen muß. Und zwar gegen eine einseitige nationale Raketenabwehr. Denn die provoziert ein neues Wettrüsten, führt in der Nato zu Zonen unterschiedlicher Sicherheit und stellt die so genannten ‚Risikostaaten', von denen Nordkorea, der Iran und auch Libyen sich ja zurzeit durchaus bewegen, unnötig in eine Bedrohungsecke. Diese Einwände müssen wir äußern, auch wenn sich Washington dadurch von seinen Plänen wohl nicht abbringen läßt."

 

Die NPD hat beim Bundesverfassungsgericht beantragt, das anstellige Verbotsverfahren auszusetzen und dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen. Luxemburg soll entscheiden, ob aus den EU-Verträgen die Folgerung zu ziehen ist, eine sich an Wahlen zum Europaparlament beteiligende Partei könne nicht von einem Mitgliedsstaat aufgrund eines einzelstaatlichen Gesetzes verboten werden. Als Rechtsgrundlage des NPD-Antrages dient Artikel 234 Absatz 3 der Konsolidierten Fassung des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV). Nach diesem ist Karlsruhe verpflichtet, dem Antrag Folge zu leisten und gemäß Artikel 20 Absatz 1 des Protokolls über die Satzung des Europäischen Gerichtshofes das Verfahren bis zur Entscheidung ruhen zu lassen.

 

 

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