Wochenschau
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Die politische Wochenschau
vom 10. bis 16. Februar 2001
Schlagzeilen der Woche zusammengestellt von Christian Klee |
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Noch einmal Finkelstein | Indien auf Großmachtkurs |
Terror im Kosovo | Drohgebärden zwischen USA und Rußland |
Politstrafrecht am Arbeitsplatz | George Bush im Größenwahn |
Zitat der Woche: |
"Massen haben von sich aus keinen Elan, und wo sie im Bewußtsein ihrer Lage die Revolution organisieren wollen, organisieren sie das Bonzentum." |
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Ernst von Salomon
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Baltasar Garzón, Oberster Richter am spanischen Sondergericht Audiencia Nacional, mußte eine empfindliche Niederlage einstecken. Im Februar 2000 ordnete Garzón eine großangelegte Verhaftungswelle gegen baskische Separatisten an, um die Kriminalisierung des nationalen Widerstandes im Baskenland voranzutreiben. Gegen 16 Mitglieder des Vereins XAKI, darunter Abgeordnete und Vorstandsmitglieder des Wahlbündnisses Euskal Herritarok, Vorstandsmitglieder der baskischen Anwaltskammer und Aktivisten in der Gefangenenbetreuung, wurde Anklage erhoben, einem internationalen Kommando der baskischen Befreiungsbewegung ETA anzugehören. Grundlage waren die durch Folter erpreßten Aussagen des am 15. März 1999 verhafteten internationalen Sprechers von XAKI - Garzón forderte 68 Jahre Haft für jeden Angeklagten. Der Schauprozeß des spanischen Zentralismus scheiterte im Widerspruchsverfahren vor dem 4. Obersten Strafsenat; die Anklage wurde als substanzlos niedergeschlagen. Wie in den vorangegangenen Verfahren gegen die Redaktion der Zeitung "Egin" (12 Journalisten wurden inhaftiert) und den Parteivorstand von Herri Batasuna (Spanien sperrte den 25köpfigen Vorstand der drittgrößten baskischen Partei zwei Jahre lang ein, und in der Haft trieb man einen der Politiker in den Selbstmord) wurde festgestellt, die Beklagten seien keinesfalls Mitglieder der ETA, auch wenn sie mit deren politischen Zielen übereinstimmten. Madrid setzt seine Unterdrückungsmaßnahmen jedoch weiterhin fort. Pepe Rei, Chefredakteur der Zeitschrift "Ardi Beltza", wurde unlängst das fünfte Mal wegen angeblicher Mitgliedschaft in der ETA festgenommen. In Madrid versagte die Fernzündung einer von der ETA plazierten 40-Kilo-Autobombe. Ziel des örtlichen ETA-Kommandos war Eliseo Fernández Centeno, Richter am Obersten Rechnungshof Spaniens. An der französischen Atlantikküste südlich Bordeaux wurde ein in einem Waldgebiet verborgener Waffenübungsplatz der baskischen Untergrundbewegung entdeckt, auf dem die Etarras ihre selbstproduzierten Jotake-Granaten erprobten.
Das nicht zuletzt durch das Massaker vom Bloody Sunday berüchtigte britische Fallschirmregiment ist erneut in die Schlagzeilen geraten. Die in der nordirischen Grafschaft Fermanagh stationierten Paras terrorisieren derzeit die katholische Bevölkerungsmehrheit. Soldaten bedrohen unmotiviert Zivilisten mit Schußwaffen, lungern in ihren Gärten herum, belästigen katholische Kirchgänger und führen "kalte" Schießübungen auf herannahende Fahrzeuge aus. Im direkten Kontakt mit Katholiken fallen sie durch Arroganz, Aggressivität und ein vollkommen inakzeptables Benehmen auf. Unlängst ließ das Regiment sich gar eine massive Verletzung der irischen Grenze zuschulden kommen. Tommy Gallagher von der gemäßigt nationalistischen SDLP forderte bei britischen und irischen Regierungsstellen die Entfernung der Soldateska aus Nordirland. Seit Jahresbeginn wurden 69 katholische Familien Opfer von mit Rohrbomben, Benzinbomben und Schußwaffen durchgeführten Angriffen auf ihre Häuser.
Im Frankfurter OPEC-Prozeß wurden die Urteile gesprochen. Das LG Frankfurt verurteilte Hans-Joachim Klein zu 9 Jahren Haft wegen gemeinschaftlichen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Mord in 3 Fällen und Geiselnahme in 70 Fällen. Da Klein sich gegenüber den Strafverfolgunsgbehörden kooperativ zeigte, kam die Kronzeugenregelung zur Anwendung. Sein Mitangeklagter Rudolf Schindler, Aktivist der Widerstandsbewegung Revolutionäre Zellen, kam mit einem Freispruch aus Mangel an Beweisen davon - Klein hatte ihn fälschlicherweise belastet, an der Vorbereitung der Operation gegen die OPEC-Konferenz beteiligt gewesen zu sein. In Berlin kommt jedoch noch ein weiteres Verfahren auf den RZ-Aktivisten zu. Wir drücken die Daumen!
Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Main informierte den Immunitätsausschuß des Bundestages, daß sie gegen Bundesaußenminister Joschka Fischer ein Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage einleiten wird. Hintergrund ist die von Fischer geleugnete Tatsache, daß er vorübergehend unter einem Dach - wenn auch in getrennten WGs - mit der RAF-Aktivistin Margrit Schiller lebte. Schiller weilte 1973 in Frankfurt, um Fischers Gruppe Revolutionärer Kampf für eine logistische Unterstützung der RAF zu gewinnen. Neben Schiller wurde in betreffendem Wohnobjekt auch ihre RAF-Kameradin Astrid Proll gesichtet. Die entsprechenden VS-Akten über den Revolutionären Kampf sind in Hessen übrigens noch immer Verschlußsache, da die Gruppe von einem Spitzel unterwandert war. Wie dem auch sei - sollte sich wider Erwarten ein an einem vorzeitigen Ende seiner eigenen Karriere interessierter Richter finden, drohen dem Außenminister zwischen 3 Monaten und 5 Jahren Knast. Ins Gerede kam Fischer unlängst auch, weil er 1969 an einer internationalen Unterstützerkonferenz für die PLO in Algier teilnahm, auf der unumwunden das gewaltsame Vorgehen gegen Israel propagiert wurde.
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse setzte die staatliche Teilfinanzierung der bundesdeutschen Systemparteien für das Jahr 2000 fest. Vom Selbstbedienungsladen BRD streichen die SPD 79,91 Millionen DM, die CDU 66,73 Millionen DM, die CSU 13,94 Millionen DM, die Grünen 13,54 Millionen DM, die FDP 12,37 Millionen DM und die PDS 11,95 Millionen DM ein. Hierbei handelt es sich lediglich um die Zuschüsse für die Bundesverbände, aus denen sich die quartalsweisen Abschlagszahlungen des Jahres 2001 ergeben.
Die Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung genehmigte sich höhere Aufwandsentschädigungen für die Abgeordneten sowie eine Anhebung der Fraktionszuschüsse, nachdem sie bereits im Herbst 1999 die Mindestgröße einer Fraktion von 4 auf 3 Stadträte senkte. Gemeint waren die nur mit 3 Abgeordneten vertretenen Grünen, doch auch die ebenfalls mit 3 Sitzen präsente DVU kam in den Genuß der Regelung. Nach der Erhöhung erhält die DVU-Fraktion nunmehr 73.000 statt 60.000 DM pro Jahr aus der Stadtkasse. Ob das Geld auch tatsächlich der Fraktionsarbeit zugute kommt, dürfen wir anhand der bislang mit der Phantompartei des reaktionären Immobilienspekulanten Frey gemachten Erfahrungen ruhigen Gewissens bezweifeln.
John Gray, englischer Historiker und geläuterter Neoliberalist, warnte in der "Süddeutschen Zeitung" vor den Folgen des Turbokapitalismus: " In den 80-er und 90-er Jahren wurde der moderne Staat von den Neoliberalen immer als ein Hindernis für eine erfolgreiche Marktwirtschaft verteufelt. Dabei ist der freie Markt mit all seinen rechtlichen Reglementierungen selbst eine zivilisatorische Hervorbringung des Staates. Die Befreiung des Handels von gesetzlichen Regeln und jeglicher staatlichen Kontrolle führt am Ende zu mafiösen Strukturen. (...) Amerika versucht, sein Modell der übrigen Welt aufzudrängen, und in gewisser Weise ist das auch gelungen. In den letzten zwanzig Jahren war man bestrebt, die Rolle des Staates immer weiter zurückzudrängen, weil man in ihm eine Gefahr an sich sah. Man konnte sich dabei auf die Erfahrungen des 20. Jahrhunderts berufen, in dem die großen Verbrechen tatsächlich von autoritären Staaten verübt wurden. Aber wir leben jetzt in einer veränderten Welt, und diese historische Sicht macht uns blind für die aktuellen sozialen Bedrohungen. (...) Der Versuch Blairs, sozialdemokratische Werte in einer Zeit des Turbo-Kapitalismus zu bewahren, ist gescheitert. Der traditionelle Sozialstaat existiert nur noch in Norwegen. Der britische Staat kann die notwendigen Grundversorgungen der Bevölkerung nicht mehr gewährleisten. Wenn Sie heute in England richtig krank werden, benötigen Sie Ersparnisse oder eine private Krankenversicherung. In England stehen wir inzwischen an der vordersten Front der Globalisierung. (...) Natürlich läßt sich der Wandel nicht aufhalten. Mir geht es darum, auf die Gefahren dieses Prozesses aufmerksam zu machen. Es wäre naiv zu glauben, dass diese enormen Veränderungen friedlich ablaufen werden. (...) Ich spreche nicht nur von zukünftigen Katastrophen. Die Katastrophe ist längst zu unserem Alltag geworden. Großen Teilen der Welt wird der Zugang zum Wohlstand verwehrt. Wir in den Industrie-Nationen haben uns an die Nachrichten über Hunger und Armut in der Dritten Welt als eine Art tägliches Hintergrundrauschen gewöhnt. Ich kritisiere diese pervertierte Normalität, in der vermeidbares menschliches Leid gewaltigen Ausmaßes einfach akzeptiert wird. (...) Es wäre ein erster Schritt, wenn die Politiker zu einem realistischeren Denken zurückfänden. Die neoliberalen Ideen, die in der Vergangenheit von großem Einfluss auf Blair, Schröder oder Clinton waren, haben ihre Relevanz erschöpft. Sie sind gefährlich geworden, weil sie den Blick auf die Wirklichkeit verstellen. Viele werfen mir vor, ich übertreibe, wenn ich vor den Auswirkungen der Globalisierung warne. Die Leute mögen keine Apokalypsen."
Das Europaparlament billigte die neue EU-Richtlinie zur Harmonisierung des Urheberrechtes. Unter dem Vorwand des besseren Schutzes vor Raubkopien sowie unter Hinweis auf die finanziellen Interessen der "Künstler" ist die Nutzung neuer digitaler Sendemethoden fortan den Unternehmen vorbehalten, bei welchen die Größen der Unterhaltungs- und Kulturindustrie unter Vertrag sind. Damit spielt Brüssel den Medienkonzernen in die Hände, bei denen die Künstler gegen lächerliche Lizenzgebühren unter Vertrag sind. Neben dieser Erschwerung des Zuganges zum digitalen Markt haben öffentlich-rechtliche Funk- und Fernsehsender außerdem hinzunehmen, daß sie fortan auf die Verwendung archivierter Eigenproduktionen für neue Sendungen und Abrufdienste verzichten müssen.
Johnny Adair, loyalistischer Hardliner aus Belfasts Shankill Road, wird Großbritannien vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verklagen. Stein des Anstoßes ist das Verfahren vor der Sentence Review Commission im Januar, bei dem die weitere Inhaftierung des im August 2000 erneut verhafteten UDA-Aktivisten beschlossen wurde. Während der Anhörung präsentierte die nordirische Polizei in Abwesenheit Adairs und seiner Rechtsanwälte nicht nachprüfbares nachrichtendienstliches Material; insgesamt soll London damit gegen sechs Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention - vor allem gegen das Recht auf einen fairen Prozeß - verstoßen haben.
Wir hätten es eigentlich niemals für möglich gehalten, daß ausgerechnet Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) einmal zitierbare Sätze entweichen sollten, aber dieser wandte sich öffentlich gegen die fortschreitende Verlotterung der deutschen Sprache: "Eigentlich ist es doch das Selbstverständlichste der Welt, daß man seine eigene Sprache verteidigt. Allerdings: man muß sie mögen. Nur dann wird man sensibel sein für ihre Verhunzung, Verluderung, ja Zerstörung. Nur dann wird man sie pflegen. Gilt das auch für uns Deutsche? Ich hoffe sehr. Es geht dabei nicht um sprachliche Aus- und Abgrenzungen. Ein Gesetz oder ein Katalog von Verboten scheinen mir unangemessen. Es geht viel mehr um das gute Beispiel, das nachahmenswerte Vorbild, den unaufdringlichen, aber wirksamen Einfluß guter Praxis. In der Schule (schon) sollte man sie kennenlernen können und dürfen: die Schönheit und den Ausdrucksreichtum der deutschen Sprache - an beispielhaften literarischen Texten von Goethe und Heine bis zu Brecht und Grass. Liebe Lehrer habt Ausdauer und Mut und Geschick dazu! In den Zeitungen sollte man die Chance haben, Texte in verständlichem plastischem Deutsch zu lesen. Das ist vor allem ein Appell an Journalisten der Boulevardzeitungen. Chefredakteure nehmt Euch die Zeit, Euren Redakteuren auf die gelegentlich schmutzigen sprachlichen Finger zu schauen. Das gilt erst recht für die privaten die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten: Was hier an sprachlich-moralischer Verluderung stattfindet, ist immer schwerer zu ertragen. In den Amtsstuben schließlich, den Behörden, den Parlamenten: welch' weites Feld fürs gute sprachliche Vorbild, fürs Zurückdrängen von menschenunfreundlichem Beamtendeutsch, von Juristen- und Politikjargon, von Anglizismen und Amerikanismen. Wie könnten da Vorgesetzte, Behördenchefs, Senatoren, Minister, Debattenredner mit guten Beispiel vorangehen! Tun wir's einfach unbeirrt! Sprache ist Heimat - lassen wir uns nicht aus ihr verdrängen."
Der radikale Flügel der republikanischen Bewegung in Irland und Nordirland hat das Jahr 2001 anläßlich der 20. Wiederkehr des großen IRA- und INLA-Hungerstreiks von 1981 (11 Kriegsgefangene hungerten sich aus Protest gegen die Kriminalisierung des nationalen Widerstandes zu Tode, darunter der unvergessene Bobby Sands) zum "Jahr des Hungerstreikenden" erklärt. Die ersten Feierlichkeiten fanden am 11. Februar auf dem republikanischen Heldenfriedhof im irischen Ballina statt. Hier gedachte man unter Federführung Republican Sinn Féins jedoch nicht der Aktivisten von 1981, sondern Opfern vorangegangener Hungerstreiks: Frank Stagg, 1976 im britischen Wakefield Prison gestorben; Sean McNeela, 1940 im irischen Arbour Hill Prison gestorben; und Michael Gaughan, 1974 im britischen Parkhurst Prison gestorben. Alle drei stammten aus Mayo, neben dem nur noch Cork auf eine höhere Zahl von Hungerstreikopfern verweisen kann. Trauerredner Dan Hoban erklärte, die Toten seien wohl kaum für ein wiederhergestelltes separatistisches Parlament in Belfast und für eine reformierte britische Herrschaft in Nordirland gestorben. Josephine Hayden, nach 6 Jahren Haft aus dem irischen Gefängnis von Limerick entlassen, setzte hinzu, durch die Mitarbeit im Stormont-Parlament würde Sinn Féin die republikanische Bewegung ebenso verraten wie Fianna Fáil in den 40er Jahren.
Nach der Wahl Sharons zum neuen israelischen Ministerpräsidenten verschärften sich die Zusammenstöße in Palästina wieder. Offensichtlich ist der Wahlausgang Wasser auf die Mühlen des Militärs, das mit außerordentlicher Brutalität gegen palästinensische Freischärler und Demonstranten vorging und selbst Flüchtlingslager von Panzern und Hubschraubern unter Feuer nehmen ließ. Im Gazastreifen wurde ein 16jähriger palästinensischer Ziegenhirte von einer israelischen Panzergranate (sic!) getötet, ein belgischer Pressefotograf wurde von israelischen Soldaten durch einen Beinschuß verletzt. Nach massivem Beschuß durch zionistische Besatzungstruppen mußte die Redaktion der palästinensischen Tageszeitung "Al Hajat el Jedida" aus El Bireh verlegt werden; auf der Flucht wurden die Journalisten wie Hasen von israelischen Scharfschützen gejagt. In einem erneuten Akt des zionistischen Staatsterrorismus wurde Major Massud Ajjad, Mitglied der palästinensischen Elitepolizeitruppe Force 17, als angeblicher Terrororganisator ermordet - sogar die EU forderte Tel Aviv zur Einstellung seiner Mordoperationen auf, aus Washington kam außergewöhnlich scharfe Kritik an Israels Adresse. Zur Vergeltung lenkte ein palästinensischer Busfahrer sein Fahrzeug in eine wartende Gruppe Soldaten und tötete 8 Personen. Weiterhin verweigert Israel jede Zusammenarbeit mit einer in Nahost eingetroffenen Beobachtermission der UNO und erklärte deren Ergebnisse im vornherein für einseitig. Palästinensische Minister werden von israelischen Soldaten belästigt und gedemütigt, außerdem setzt die Besatzungsmacht starkes Reizgas gegen Demonstranten ein. Marwan Barguti als Führer der Fatah-Militanten im Westjordanland erklärte, sein Ziel sei es, Sharon ebenso zu stürzen wie Barak. Die USA haben Israel vor der weiteren Fortsetzung der Wirtschafts- und Finanzblockade gegen die Palästinensergebiete gewarnt und kritisierten vor allem die Einbehaltung den Palästinensern zustehender Geldbeträge. Mittlerweile sind bei den seit Ende September anhaltenden Unruhen 358 Palästinenser und 63 Israelis umgekommen, wobei wir fairerweise festhalten wollen, daß in den letzten drei Wochen die israelischen Opferzahlen höher waren.
In
der "Berliner Zeitung" kommentierte Arno Widmann die Dokumentation
Tina Mendelsohns zum Finkelstein-Buch: "Der US-Politologe Norman Finkelstein
hat ein Buch geschrieben, in dem er von der Holocaust-Industrie schreibt. Er
spricht von Holocaust-Erpressern, die sich auf einem Raubzug durch die europäischen
Staaten befänden. Er belegt das nicht. Israel Singer vom Jüdischen Weltkongress
nennt Finkelstein in dem Film einen Holocaust-Leugner'. Auch das bleibt
unbelegt. (...) An diesem Wochenende war er dann in den dritten Programmen des
SWR, NDR und SFB doch sendefähig, nachdem einige wenige distanzierende Sätze
der Autorin hinzugefügt worden waren. Diese Zutaten machen den Film nicht schlecht,
aber sie stören. Die Stellen wirken, als wolle die Autorin bestimmten Zuschauern
zu verstehen geben: Finkelstein ist ein verrückter Eiferer. Seht ihr.
Ich sag es ganz deutlich.' Das ist schade. Denn von diesen paar Sekunden abgesehen,
hat der Zuschauer das seltene Glück, einmal für voll genommen zu werden.
Am Ende weiß er, daß
Finkelstein ein brillanter Irrer ist, einer, der sich in die Radikalität seiner
Invektiven so sehr verliebt hat, daß er glaubt, auf Belege für seine Beschuldigung
verzichten zu können, jüdische Organisationen nutzten den Kampf um die Entschädigungsgelder
aus, um sich zu bereichern. Der Zuschauer hat auch Israel Singers Beschreibung
seiner Verhandlungen mit deutschen Regierungsvertretern gehört: Er brachte stets
Holocaust-Opfer mit in die Sitzungen, und so verhandelte nicht Singer
mit Lambsdorff oder Hombach, sondern es sprachen die Stimmen der Toten durch
die Überlebenden'. Singer selbst nennt das eine zynische Technik'.
Man muss nicht verrückt sein, um das anstößig zu finden. Manche werden bezweifeln,
dass Finkelsteins Buch schädlicher ist als die Äußerung des Mitgliedes des jüdischen
Zentralrats, Salomon Korn: Wenn man das Buch nach seinem aufklärerischen
Gehalt bewertet, dürfte man es eigentlich nicht abdrucken. Weil es nicht aufklärerisch
ist, sondern polemisch.' Julius Schoeps, der sich gegen eine Veröffentlichung
in Deutschland aussprach, erklärte ähnlich unsinnig: Natürlich ist ein
Kern Wahrheit in seinen Thesen. Aber wir müssen uns jetzt mit den Konsequenzen
auseinander setzen.'
Keiner der von Norman
Finkelstein angegriffenen und von Tina Mendelsohn befragten Vertreter jüdischer
Organisationen hat das Naheliegendste gesagt: Ich halte es nicht für ausgeschlossen,
dass sich in fünfzig Jahren Wiedergutmachung jemand illegal bereichert hat.
Ich würde mich freuen, Herr Finkelstein legte Belege für seine Behauptungen
vor und wir könnten gegen diese Verbrecher gemeinsam vorgehen.'
Im Raum Strpce/Nordkosovo wurde ein von KFOR gesicherter serbischer Zivilkonvoi von albanischen Terroristen angegriffen, wobei es einen Toten und drei Verletzte gab. Im Anschluß lieferte die serbische Bevölkerung Strpces sich heftige Straßenschlachten mit ihren KFOR-"Beschützern". Ein weiterer Anschlag im Raum Strpce konnte verhindert, die sechs Sprengladungen entschärft werden. Ferner verübten Albaner einen Bombenanschlag auf einen weiteren Zivilkonvoi bei Podujevo im Südwesten, wobei es mindestens 7 Tote und 43 Verletzte gab. KFOR lastete die Verantwortung für die sich in den letzten Wochen häufenden Zusammenstöße und Anschläge extremistischen Albanern an, die für ein ethnisch reines Kosovo kämpfen. Der Einsicht werden wohl auch weiterhin keine Taten folgen, und die NATO verweigert jugoslawischen Truppen weiterhin den Zugang zur Pufferzone, um den daselbst operierenden Ultranationalisten der UCPMB das Handwerk zu legen. Wir erinnern daran, daß seinerzeit die Meldung kursierte, zur vollständigen Kontrolle des Kosovo würde man um die 150.000 Mann benötigen, was alleine für die Bundeswehr die Entsendung eines kompletten Armeekorps hieße. Vollmundig versprach NATO-Generalsekretär Robertson, man werde den albanischen Guerrilleros den Nachschub aus dem Kosovo abschneiden - als wüßte er nicht, daß dieser längst via Mazedonien befördert wird.
Die Bundesregierung hat den Entwurf des neuen Betriebsverfassungsgesetzes verabschiedet. Klammheimlich wurden in diesen eine Reihe politischer Sonderbestimmungen gegen Oppositionelle von "Rechts" eingebaut. In § 80 heißt es in Abs 1. Satz 7, zu den allgemeinen Aufgaben der Betriebsräte gehöre es "Maßnahmen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb zu beantragen". Die Freiwilligen Betriebsvereinbarungen sehen nach § 88, Abs. 3, Satz 4 "Maßnahmen zur Integration ausländischer Arbeitnehmer sowie zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb" vor. Personelle Einzelmaßnahmen können nach § 99 Abs. 2 Satz 6 gegen Mitarbeiter verhängt werden, wenn diese "insbesondere durch rassistische und fremdenfeindliche Betätigung" auffallen. Konsequenterweise sieht § 104 Abs. 1 die Entfernung derartig betriebsstörender Mitarbeiter vor. Nette Gummiparagraphen, der Verfasser dieser Zeilen definiert sich durchaus nicht als Rassisten, könnte aber wohl anhand dieser Bestimmungen entlassen werden.
In der "Süddeutschen Zeitung" äußerte sich Frankreichs umstrittener Konservativer Alain Finkielkraut über die Arroganz der BRD gegenüber Europa: "Ich kann nicht beurteilen, ob die Konferenz von Nizza im Dezember ein Erfolg war oder ein Mißerfolg. Voreilige Europäer wie Daniel Cohn-Bendit haben nach dem Gipfel von Nizza erklärt, die europäischen Staaten hätten sich schlecht betragen, weil sich jeder von ihnen an seine Vorrechte und Besonderheiten klammerte, anstatt dem gemeinsamen Interesse zu opfern. Doch das Gegenteil trifft zu, Europa muß seine Verschiedenheiten anerkennen. Frankreich beruft sich zum Beispiel auf seine kulturelle Ausnahme': Das Land will nicht, dass seine Kultur wie eine Ware verscherbelt wird. Dieser kulturelle Sonderstatus ist für uns unverzichtbar - und ich frage mich, warum die Franzosen mit dieser Position allein dastehen. Es wäre eine Katastrophe, wenn Europa auf Kosten der nationalen Besonderheiten entstünde. (...) Deutschland spielt natürlich eine Sonderrolle, die noch stark von der deutschen Vergangenheit geprägt ist; aber sie ist auch sehr problematisch, weil sich die Deutschen wie Supereuropäer aufführen. Die Deutschen haben in gewisser Weise ihre Geschichte über Bord geworfen - nicht indem sie Auschwitz verdrängen, sondern indem sie ganz im Gegenteil allzu sehr an Auschwitz denken. Die Deutschen haben vergessen, daß ihre Kultur unendlich mehr ist als die Vorgeschichte zu Auschwitz oder die Konsequenz daraus. Ich halte es da mit Hannah Arendt, die sagt: Auschwitz sei nicht der Gipfel der deutschen Tradition, sondern die Zerstörung jeder Tradition. Hinter der systematischen Scham der Deutschen aber verbirgt sich - klammheimlich - ein neuer Imperialismus und eine neue Arroganz, weil die Deutschen von den anderen Europäern erwarten, sich so zu verhalten wie sie selbst. Der Verfassungspatriotismus wird zur Exportstrategie. (...) Ich sehe in Deutschland sogar eine doppelte Arroganz - die Arroganz jener, die bereits einen gewissen Weg durchschritten haben, gegenüber den Zurückgebliebenen, und eine Arroganz der Gegenwart über die Vergangenheit. (...) Der Begriff Undankbarkeit scheint mir die heutige Stimmung am besten zu beschreiben. Wir sind undankbar gegenüber unseren Vorgängern, unserer Vergangenheit. Als seien alle Schulden, die wir gegenüber der Vergangenheit haben, zugunsten von Gegenwart und Zukunft schon abgetragen worden. Wir sehen die Zukunft im Zeitalter der technischen Machbarkeit des Möglichen. Die Vergangenheit aber taucht nur auf, wenn es gilt, die Ideologien, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu brandmarken. Wir brauchen aber die Vergangenheit, um dem tyrannischen und vulgären Aspekt der Gegenwart zu entgehen. Die deutsche Geschichte, das ist eben auch Novalis, Hölderlin - und sogar Heidegger. Die deutsche Kultur ist viel mehr als die Vorgeschichte zu Hitler. (...) Mit Habermas' Denken übernimmt Deutschland die Fackel der Aufklärung, um der ganzen europäischen Zivilisation Nachhilfeunterricht in Postromantik zu geben. (...) Europa braucht aber bei aller Konkurrenz zwei Erbschaften: die Erbschaft der Aufklärung und die der Romantik. Sonst entstehen Monster."
Kommende Woche wird das neue britische Terrorismusgesetz in Kraft treten. Fortan ist die Regierung berechtigt, Organisationen zu verbieten, die inner- und außerhalb Großbritanniens Gewalttaten verüben. Als Gewalttat gilt auch die Störung der Stromversorgung oder von Computersystemen. Die Polizei kann gehen Sympathisanten vorgehen, die Spenden sammeln oder Mitglieder werben. Strafbar sind auch der unbefugte Besitz von für Terroristen nützlichen Informationen, das Tragen von T-Shirts mit den Emblemen terroristischer Gruppen oder gar eine Rede auf einem Treffen zugunsten solcher Organisationen. Verdächtige können ohne Haftbefehl festgenommen und ohne Anklage bis zu eine Woche lang festgehalten werden. Im Klartext: London weitet die in Nordirland seit Jahrzehnten üblichen Polizeistaatsmaßnahmen auf den Gesamtstaat aus. Eine genaue Liste der betroffenen Organisationen hat das Innenministerium noch nicht vorgelegt, und angesichts des unbestimmten Gesetzestextes können nunmehr Gruppierungen von den srilankanischen Befreiungstigern bis hin zu militanten Tierschutzorganisationen oder gar Hackergruppen verboten und mit massiven polizeilichen Verfolgungsmaßnahmen überzogen werden. Vor allem innerhalb der islamischen Gemeinde regt sich Widerstand, da das Gesetz jeden Mohammedaner, der den Freiheitskampf der Hamas oder der Hizbollah in Nahost unterstützt, als Terroristen brandmarkt.
Das Bundesverfassungsgericht setzte der NPD eine Frist von 6 Wochen, um sich zum Verbotsantrag der Bundesregierung zu äußern. Bis zum Sommer will Karlsruhe eine Vorentscheidung treffen, ob das Verbotsverfahren überhaupt zulässig ist. Ist der Antrag offensichtlich unbegründet, ist mit einem Verfahrensende zu rechnen; ansonsten wird das Bundesverfassungsgericht noch geraume Zeit beraten. Der zuständige Richter Hans-Joachim Jentsch wies entschieden Überlegungen der Bundesregierung zurück, das Verfahren werde maximal ein Jahr dauern. Selbst Gerichtspräsidentin Jutta Limbach wollte sich nicht auf eine Prognose über die Gesamtdauer des Verfahrens einlassen. Die angekündigten Verbotsanträge von Bundestag und Bundesrat lassen noch immer auf sich warten - sie werden die Stellungnahmefrist der Nationaldemokraten weiter verlängern.
Im Bundestag fand auf Antrag der PDS eine Aktuelle Stunde zu den von Bundesverteidigungsministerium und Auswärtigem Amt zu verantwortenden Propagandalügen im Vorfeld des Kosovo-Krieges statt. Gregor Gysi warf Kriegsminister Scharping vor, er habe Fakten manipuliert. Die Öffentlichkeit habe ein Recht darauf, nicht "belogen und betrogen" zu werden. Die SPD konterte, die PDS betreibe Geschichtsklitterung. Unisono erscholl es von Union, Grünen und FDP, man habe aufgrund der Gesamtlage entschieden. Christian Schmidt, CSU-Vorstandsmitglied, und Vizevorsitzender der einflußreichen Loge Atlantikbrücke (wir erinnern uns, wie er damals durch die Talkshows tingelte und im Privatfernsehen werbewirksam für einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg agitierte), erklärte: "Wir würden wieder zustimmen." Wir sind gespannt, welcher internationale Störenfried als nächster an der Reihe ist. Anbieten würden sich wegen Menschenrechtsverletzungen und ethnischer Säuberung derzeit Großbritannien (Nordirland) und Israel.
Erstmals seit Bildung der Eurozone ist ein Mitgliedsland von den Partnern offiziell abgemahnt worden. Hierbei handelt es sich nicht etwa um Staaten wie Belgien, Italien, Frankreich oder die BRD, die allesamt bei der Erfüllung der Eurokriterien kräftig schummelten, nein, die EU-Finanzminister erkoren sich die Republik Irland zum Opfer aus. Die Kritik der Minister zielt auf die seit Monaten stark ansteigende Inflationsrate und das überhitzte Wirtschaftswachstum, das durch die prozyklische und expansive Haushaltspolitik sogar noch vorangetrieben statt eingedämmt werde. Hintergrund ist eine von Dublin geplante neuerliche Steuersenkung, begleitet von Lohnerhöhungen. Die Entwicklung in Irland steht nach Ansicht der Minister nicht mehr mit den EU-Anforderungen im Einklang, wie sie in den Stabilitätskriterien zur Europäischen Währungsunion festgeschrieben sind. Die Regierung in Dublin müsse deshalb noch in diesem Jahr dem Trend gegensteuern. Erstmals wird eine Hauptschwäche der Währungsunion offenbar: Es wird den Staaten unmöglich, die Wirtschaftsentwicklung über eine nationale Geldpolitik zu beeinflussen. In Zeiten von Rezession und Wirtschaftswachstum senkte man die Zinsen, um über günstige Kredite die Nachfrage anzukurbeln; in wachstumsstarken Zeiten wurden die Zinsen erhöht, um die kreditfinanzierte Nachfrage und damit auch die Inflation zu drosseln. Die Zinsen werden jedoch heutzutage ohne Rücksicht auf nationale Bedürfnisse und Interessen von der EZB festgelegt, die eine jährliche Inflation von weniger als 2 % anstrebt. Sollen die Mitgliedsstaaten doch sehen, wie sie die vorgegebenen Stabilitätskriterien einhalten, gegebenenfalls übt die Mehrheit der "Partner" politischen Druck aus, um eine Wirtschaftspolitik gegen die ökonomischen Interessen der Bevölkerung durchzusetzen. Die eingeplanten Lohnsteigerungen beispielsweise sind Bestandteil des nationalen Lohnpaktes zwischen Staat, Gewerkschaften und Unternehmen - derartige Einrichtungen sind den Mächtigen in der neoliberalistisch-globalisierungskapitalistischen EU ein Dorn im Auge.
In Kroatien demonstrierten bis zu 100.000 Nationalisten und Kriegsveteranen gegen den auf den pensionierten General Mirko Norac ausgestellten Haftbefehl. Die Innenstadt von Split und die umliegenden Straßenverbindungen wurden durch Demonstrationszüge und Blockaden lahmgelegt. Die Verkehrsblockaden weiteten sich rasch auf das gesamte Landesinnere aus. In Zagreb marschierten 4000 Menschen vor dem Amtssitz der Regierung auf und verlangten deren Rücktritt, wobei zahlreiche Teilnehmer den Römischen Gruß entboten. Hintergrund ist die von Norac, der als Verteidiger der Stadt Gospic zu landesweitem Ruhm gelangte, zu verantwortende Exekution von 40 serbischen Zivilisten. Seit dem Sturz Tudjmans geht die kroatische Mitte-Links-Regierung vermehrt gegen Kriegsverbrecher vor, um das Verhältnis zum Westen zu verbessern.
Der Deutsche Presserat sprach gegenüber der BILD-Zeitung, der "Berliner Morgenpost" und der "taz" eine offizielle Rüge aus. Anlaß war die demagogische und vorverurteilende Berichterstattung im Fall Sebniz, deren Irrbilder noch immer durch die umnebelten Hirne angeblich systemkritischer "Anti-Faschisten" spuken. Kritisiert wurden vor allem die Artikelüberschriften, die einen eindeutigen Tathergang suggerierten. Die Grenze zwischen zuverlässiger Verdachtsberichterstattung und unzulässiger Tatsachenbehauptung sei überschritten worden. Der Rest der Presse wurde ausdrücklich nicht entlastet. Bei den offensichtlich falschen Berichten über die Tragödie von Sebniz handele es sich um "einen Tiefpunkt der Medienberichterstattung". In einem Mainstreameffekt - die "Antifa" entlarvte sich wieder einmal als Bestandteil des politischen Mainstream - wurden allgemeine Vorurteile und Stereotypen übernommen.
Frankreichs Staatspräsident Chirac hat das zwischen der Regierung Jospin und dem gemäßigten Flügel der korsischen Nationalisten ausgehandelte Autonomiepaket von der Tagesordnung des Ministerrates. Der Ministerpräsident wurde aufgefordert, das Projekt angesichts der "konstitutionellen Schwierigkeiten" zu überdenken. Keinesfalls dürfe der Reformprozeß in Korsika gegen die "fundamentalen Prinzipien unseres republikanischen Paktes" verstoßen. Angesichts der nahenden Wahlen dürften bald Bürgerliche und Sozialisten darum wetteifern, wer der bessere Statthalter des französischen Zentralismus ist, dem seit der Pöbelrevolte von 1789 in Jahrhunderten gewachsene Regionen und Traditionen bis hin zur Sprache zum Opfer fielen.
Dem US-Historiker Eugen Weber zufolge benutzte noch 1835 jeder zweite französische Staatsbürger im Alltag seine Muttersprache. Im Norden dominierte das Flämische, im Westen das Bretonische, im Südwesten das Baskische, im Vorfeld der Pyrenäen das Katalanische, an der Mittelmeerküste das Okzitanische und Provenzalische, auf Korsika und in den Alpen das Italienische, im Elsaß das Alemannische sowie in Lothringen ein dem Luxemburgischen ähnlicher Dialekt. Infolge eines rigorosen kulturellen Kahlschlags und mit rabiaten Erziehungsmethoden in den staatlichen Schulen drängte man die überkommenen Sprachen und Dialekte seitdem immer weiter zurück, die letzten Opfer waren Elsässer und Bretonen im 20. Jahrhundert.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, daß "rechtsextreme" Demonstrationen an symbolträchtigen Terminen wie dem Holocaustgedenktag künftig leichter verboten werden können. Die Provokationswirkung von Versammlungen an historisch bedeutsamen Tagen könne eine "erhebliche Beeinträchtigung des sittlichen Empfindens" der Bevölkerung bedeuten und deshalb als Störung der öffentlichen Ordnung angesehen werden.
Robert McNamara, Sicherheitsexperte und ehemaliger US-Verteidigungsminister, forderte die in dieser Frage eher wie Kolonialstaaten reagierenden europäischen NATO-Partner auf, endlich eine "sehr viel aktivere Rolle" bei den Diskussionen um NMD einzunehmen und ihre eigenen Interessen zu vertreten. Es gehe um zu viel, als daß man schweigen dürfe. McNamara vermag keinen Grund zu erkennen, warum NMD im Interesse der Europäer sein dürfte. Zudem erwartet er ein massives chinesisches Aufrüstungsprogramm, sobald die USA sich an die Umsetzung NMDs machen würden.
Bei gleichbleibendem (!) Aufbautempo der interkontinentalen Vernichtungskapazität wäre China, vorausgesetzt, NMD wurde implementiert, auch 2015 noch keine nukleare Gefahr - die Prioritäten der Regierung liegen auf Wirtschafts- und Sozialpolitik. Sha Zhukang, seines Zeichens chinesischer Abrüstungsbeauftragter, droht mittlerweile offen mit dem Austritt der Volksrepublik aus dem Atomwaffensperrvertrag, sollten die Amerikaner ihre Raketenabwehr tatsächlich aufbauen. NMD würde die chinesische Zweitschlagdoktrin wirkungslos machen und sehr wahrscheinlich erhebliche Rüstungsanstrengungen Pekings nach sich ziehen. In den USA zeigen sich vor allem Luftwaffe und CIA besorgt über das wachsende Potential Chinas. Für das Jahr 2015 rechnet das Pentagon damit, daß das Reich der Mitte in Ostasien "ein multidimensionaler regionaler Wettbewerber" ist, und im gleichen Jahr dürfte die Volksrepublik das an Strukturmängeln dahinsiechende Japan als zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt ablösen. US-Außenminister Powell gehört zu den Sprachrohren der antichinesischen Fraktion in Washington und Wallstreet und ließt die strategische Partnerschaft mit Peking - ebenso wie diejenige mit Rußland - bereits aus dem diplomatischen Vokabular streichen.
Eine Aufrüstung der VR China jedoch hätte verhängnisvolle Auswirkungen für die militärische Stabilität Asiens. Bereits jetzt arbeitet der politische, militärische und wirtschaftliche Rivale Indien (beide Länder lieferten in den 60er Jahren heftige Grenzkämpfe im Himalaya) an einem neuen Atomsprengkopf, mit dem Ende dieses Jahres die neue Mittelstreckenrakete Agni II in Dienst gestellt werden soll. Agni II kann mit einer Reichweite von 2200 Kilometern zahlreiche Städte innerhalb Chinas treffen. Bislang ist die Volksrepublik den Indern auf dem Gebiet der Mittelstreckenraketen haushoch überlegen. Expertenkreise auf dem indischen Subkontinent erwarten bereits weitere Atomtests, um Agni II endlich frontreif zu machen. Delhi setzt auf eine Zweitschlagdoktrin - die Atomstreitmacht soll so weit aufgerüstet werden, daß auch nach einem atomaren Angriff der feindlichen Nachbarn China und Pakistan ein Vergeltungsschlag erfolgen kann. Neben militärischen Zielen soll (im Zweitschlag!) die nukleare Vernichtung von 6 pakistanischen und 8 chinesischen Städten möglich werden. Berichten zufolge ist geplant, ein Vernichtungspotential von bis zu 2000 Atomraketen aufzubauen. Der indische Verteidigungshaushalt 2001 wurde um 28 % angehoben. NMD wird diese Planungen nachhaltig anheizen, da China mit seinen 20-60 interkontinentalen Sprengköpfen sich eine faktische Ausschaltung als Atommacht durch die US-Raketenabwehr nicht bieten lassen und nachrüsten wird.
Die amerikanische Initiative zur Verringerung des atomaren Vernichtungspotentials über START II hinaus wurde in Moskau begrüßt. Rußland warnte jedoch vor jeder Verletzung des ABM-Vertrages durch NMD und drohte gegebenenfalls mit Gegenmaßnahmen. Sogar der Washington ansonsten hündisch ergebenen Bundesregierung erschien dieser Vorschlag Bushs zur Beruhigung Chinas und Rußlands angesichts der NMD-Pläne als etwas zu einfach. Außenminister Fischer lehnte auf seinem Besuch in Moskau eine Vermittlung zwischen den beiden Atomgiganten ab, forderte diese aber zu einem konstruktiven Dialog über NMD und NATO-Erweiterung auf, anstatt wie seit einigen Wochen wüste Drohungen gegeneinander auszustoßen. Als wenig hilfreich dürften sich hierbei die Attacken von Verteidigungsminister Rumsfeld auswirken, der Moskau die Verbreitung von Raketentechnologie vorhielt - als wenn derartige Geschäfte dem Westen fremd wären. Rußlands Präsident Putin warnte vor einer neuen Spaltung Europas und lehnte eine erneute NATO-Erweiterung nach Ost- und Südosteuropa ab. Die NATO habe nach dem Ende des Warschauer Paktes ihre Existenzberechtigung verloren. Als Drohgebärde führten die strategischen Atomstreitkräfte Rußlands Manöver durch, bei denen man 3 Interkontinentalraketen erfolgreich testete sowie den Luftraum Japans und Norwegens mit Langstreckenbombern verletzte.
Im
Marinefliegerhorst Norfolk/Virginia erging US-Präsident Bush sich unter dem
Tarnmantel der Verteidigung des Westens gegen neue Bedrohungen in militaristisch-imperialistischen
Weltherrschaftsphantasien: "Als die NATO gegründet wurde, bestand die große
Herausforderung in der Verhinderung von Konflikten in Europa durch ein System
der kollektiven Verteidigung (...)
Das gilt auch heute noch. Unsere Herausforderungen haben sich verändert, und
die NATO verändert und vergrößert sich, um sie zu bewältigen. Aber der Zweck
der NATO hat Bestand. Wie wir auf dem Balkan gesehen haben, können wir gemeinsam
- vereint - Aggression abwenden und den Kontinent vor den Auswirkungen von ethnischem
Hass bewahren. (...)
Auf meine Bitte hin hat Verteidigungsminister Rumsfeld begonnen, eine umfassende
Überprüfung des amerikanischen Militärs, unserer Strategie, der Struktur unserer
Streitkräfte und ihrer Haushaltsansprüche vorzunehmen. Ich habe ihm ein umfassendes
Mandat erteilt, den Status quo im Rahmen der Neugestaltung der Verteidigung
der Vereinigten Staaten und unserer Bündnispartner in Frage zu stellen. Wir
werden einige vorhandene Waffen und vorhandenes Gerät modernisieren, eine Aufgabe,
die wir viel zu lange vernachlässigt haben. Allerdings werden wir dabei umsichtig
und selektiv vorgehen. Unser Ziel ist es, über geringfügige Verbesserungen hinaus
zu kommen und die neuen Technologien zur Unterstützung einer neuen Strategie
zu nutzen.
Wir kennen die genaue Form unseres zukünftigen Militärs noch nicht, aber wir
kennen die Richtung, in die wir uns bewegen müssen. Am Boden werden unsere Panzertruppen
leichter und unsere leichte Infanterie tödlicher sein. Alle werden einfacher
zu stationieren und zu unterhalten sein. In der Luft werden
wir punktgenau angreifen, sowohl mit Flugzeugen als auch unbemannten Systemen.
Auf dem Meer werden wir Informationen und Waffen neuartig miteinander verbinden
und so unsere Fähigkeit, Macht über Land zu projizieren, maximieren. Im Weltall
werden wir das für den reibungslosen Ablauf unseres Handels und die Verteidigung
unserer Interessen wesentliche Satellitennetzwerk schützen. Alles das erfordert
erhebliche Anstrengungen und Mehrausgaben. (...)
Unsere Bündnispartner
in der NATO haben ihre eigenen Eigenschaften und ihren Mut zur Verteidigung
der Freiheit mitgebracht. Wir sind miteinander in einem gemeinsamen Kampf und
einem geteilten Sieg verbunden. Hier an der Stelle, an der einst drei Schiffe
aus England auf ihrem Weg nach Jamestown vorbeikamen, setzen wir das Bündnis
fort, das die Alte und Neue Welt zusammenführte.
Wir sind Bündnispartner und Freunde. Solange wir zusammenstehen, wird die Macht
immer auf der Seite von Frieden und Freiheit sein. Gott
segne die Streitkräfte der Vereinigten Staaten. Gott segne die NATO, und Gott
segne Amerika."