Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 3. bis 9. Februar 2001

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Weiter loyalistischer Terror in Nordirland

Scharping-Untersuchungsausschuß gefordert

Erneut mehr als 4 Millionen Arbeitslose

Zuversicht bei der PDS

Arbeitsamtdirektor ermordet

37. Münchener Konferenz für Sicherheitspolitik

Waffenschmuggel bei der Bundeswehr

USA provozieren Rußland und China

EU plant gemeinsamen Rechtsraum

Die PDS zur Münchener Konferenz

Massenelend in Osteuropa

232 Jahre Haft für ETA-Aktivisten

Konkurrenz für Sinn Féin

Zensur beim Bayerischen Rundfunk

SPD besetzt die politische Mitte

Linke feiern Bombardierung Dresdens

BRD emittiert mehr Treibhausgase

ARD: Streit um Finkelstein-Dokumentation

Wirtschaftliche Folgen der Klimakatastrophe

„Die Holocaust-Industrie“

Ariel Sharon gewinnt Wahlen in Israel

„Nach dem Holocaust“

Araber normalisieren Beziehungen zum Irak

Gute Aussichten für Schill-Partei

Österreich plant NATO-Beitritt Joschka Fischer als Transatlantiker
Fischer ist Europäer des Jahres 2000 Millionäre in der BRD

 

Zitat der Woche:
"Provoziere nie eine Schlange, bevor du darüber nachgedacht und deine Fähigkeiten eingeschätzt hast, ihr den Kopf abzuschlagen."
- Saddam Hussein

 

Der loyalistische Terror setzte sich in Nordirland mit Schießereien und Bombenanschlägen unvermindert fort. Die Anzahl der Bombenanschläge auf die katholische Bevölkerungsgruppe hat diejenige des Jahres 2000 bereits jetzt übertroffen. Die britische Regierung und die RUC drücken sich um die Feststellung herum, daß die protestantische UDA den Boden des Karfreitagsabkommens verlassen hat, und verhängen keinerlei Sanktionen. Die Überwachungsposten und Beobachtungstürme von Polizei und Armee stehen nicht in den gemischtkonfessionellen Krisengebieten von Larne, Coleraine, Ballymena, Portadown oder Lisburn, wo die katholische Bevölkerung zum Freiwild geworden ist, sondern in den ruhigen, mehrheitlich katholischen Regionen. John Hume, Vorsitzender der SDLP, konstatierte, die Loyalisten wollten die IRA mit ihrer Terrorwelle zum Bruch des Karfreitagsabkommens zwingen.

 

Im Januar 2001 hat die Zahl der Arbeitslosen in der BRD wieder die Grenze von 4 Millionen überschritten. Nach knapp 3,81 Millionen registrierten Arbeitslosen hat sich die Zahl auf 4,05 Millionen erhöht - rund 200.000 weniger als im Januar 2000. In Städten wie Düsseldorf kommen noch immer 4 Arbeitslose auf eine offene Stelle (in Hamburg sogar 7), und gut 25 % aller Erwerbslosen sind jenseits des 55. Lebensjahres, haben also faktisch keine Chance mehr, eingestellt zu werden. Selbst FDP-Vize Rainer Brüderle schrieb den deutlichen Rückgang gegenüber dem Vorjahreszeitraum der zunehmenden Frührente bei älteren Arbeitslosen zu. Experten prognostizieren bei anhaltend günstiger Wirtschaftslage einen Rückgang der Erwerbslosigkeit auf 3,4 bis 3,3 Millionen, scheinen hierbei aber reichlich optimistisch, wie einige Zahlen belegen sollen: Im laufenden Jahr werden im bundesdeutschen Einzelhandel nach Angaben der DAG rund 40.000 Arbeitsplätze wegfallen. Seit 1990 gingen innerhalb der EU im Banken- und Versicherungssektor durch Fusionen und Computerisierung bereits 130.000 Arbeitsplätze verloren, weitere 300.000 sollen bis Ende 2002 folgen. Die Fleisch- und Wurstindustrie rechnet infolge der BSE-Krise mit dem Verlust von 40.000 Stellen. Ferner ist bedingt durch den technischen Fortschritt und die abflauende Börsenhysterie mit massivem Stellenabbau in der IT- und Telekommunikationsbranche zu rechnen - in den USA haben die Massenentlassungen bereits eingesetzt.

 

In Verden wurde Arbeitsamtdirektor Klaus Herzberg vor seiner Wohnung von einem verzweifelnden Langzeitarbeitslosen erstochen. Der Täter, seines Zeichens Ingenieur für Maschinenbau (naja, anstelle eines 46jährigen Deutschen stellt man als globalisierungsbewußter Arbeitgeber lieber eine Billigkraft aus der Dritten Welt oder Osteuropa ein), dürfte den Tag der Tat bewußt gewählt haben, denn an diesem Datum gab die Bundesanstalt für Arbeit die aktuellen Arbeitslosenzahlen bekannt. Zudem hatte er sich im linken Netzwerk Hoppetosse engagiert, das im Internet zu kreativem Widerstand gegen das kapitalistische System auffordert.

 

Nach der - wie angesichts der durchschnittlichen Geisteshaltung des Bundeswehrsoldaten zu vermuten - gruppenweisen Vergewaltigung Minderjähriger in mazedonischen Bordellen hefteten die bundesdeutschen Besatzungstruppen im Kosovo neuen Ruhm ans schwarzrotgoldene Panier. Die Staatsanwaltschaften München, Zwickau, Augsburg und Darmstadt haben Anklage gegen KFOR-Soldaten erhoben, da diese erhebliche Mengen an Waffen in die BRD schmuggelten. Alleine ein Kampfmittelbeseitigungszug der Pioniere soll unter Federführung zweier Feldwebel, eines Hauptmanns und eines Majors in 10.094 Fällen gegen das Sprengstoffgesetz und in 7144 Fällen gegen das Waffengesetz verstoßen haben, und zwar durch Schmuggel von Munition, Handgranaten- und Minenzündern, Sprengkapseln, Rauchranaten, Artilleriegranaten, Übungsminen sowie Treibladungen für Mörsergranaten. Bislang waren die bundesdeutschen Friedensstifter vor allem durch den Schmuggel von Zigaretten, Schnaps und Raubkopien auf CDs aufgefallen.

 

Auf der Konferenz der Innen- und Justizminister der EU in Stockholm drängten Schily und Däubler-Gmelin auf weitere Schritte zum Ausbau des gemeinsamen Rechtsraumes, den die EU nach dem Beschluß von Tampere 1999 bis 2004 abzuschließen hat. Einleitend sollen die polizeiliche Zusammenarbeit und die Gesetzgebung vereinheitlicht werden, was mit einem Ausbau von Europol und der staatsanwaltschaftlichen Kooperation Eurojust einhergeht. Nationale Gerichtsurteile werden automatische Rechtsgültigkeit in allen EU-Staaten erhalten. Angesichts der rapiden Zunahme illegaler Einwanderung wollen die EU-Staaten zudem ihre Asylpolitik vereinheitlichen.

 

Einer im Auftrag UNICEFS erstellten Studie des italienischen Innocenti Research Centre zufolge sind im Jahrzehnt nach dem Zusammenbruch des Ostblocks rund eine halbe Million Kinder und Jugendliche in Osteuropa gestorben. Alleine in Rußland hat sich die Wahrscheinlichkeit für Angehörige dieser "verlorenen Generation", durch Unfälle, Gewalt, Selbstmord, Krankheit, Mangelernährung oder medizinische Versorgungsmängel umzukommen, um 300 % erhöht. Die Selbstmordraten haben sich verdoppelt, der Drogenkonsum nimmt epidemische Ausmaße an. Bis Ende 1999 haben sich zudem 360.000 Menschen mit AIDS infiziert, hauptsächlich Kinder und Jugendliche. In Osteuropa haben im Jahr 1998 9 Millionen Jugendliche die Schule ohne Abschluß verlassen, in Teilen Zentralasiens besucht nur noch jedes vierte Kind eine Schule. Die Jugendarbeitslosigkeit ist doppelt so hoch wie die ohnehin schon horrenden Erwerbslosenzahlen, und 40 % dieser Jugendlichen sind bereits Langzeitarbeitslose. Unter diesen Bedingungen ist es nicht verwunderlich, daß beispielsweise in Rußland zwei Drittel aller jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren den staatlichen Institutionen ablehnend gegenüberstehen. Eine weitere Million Kinder und Jugendliche ist ausgewandert - oftmals enden diese legalen und illegalen Emigranten in Kriminalität, Prostitution und Billigjobs.

 

In West Belfast könnte es bei den anstehenden Wahlen zum britischen Unterhaus zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Sinn Féin-Präsident Gerry Adams und einer radikalrepublikanischen Gegenkandidatin kommen. Marion Price, wichtige Mitarbeiterin des der Real IRA nahestehenden 32 County Sovereignty Committee und bekannt durch ihren Hungerstreik gegen die Kriminalisierung der IRA-Kriegsgefangenen, ist als unabhängige Kandidatin im traditionellen Adams-Wahlkreis im Gespräch. Neben dem 32 CSC scheint auch Republican Sinn Féin hinter der Kandidatur zu stehen.

 

SPD-Generalsekretär Franz Müntefering hat in der "Frankfurter Rundschau" zum Großangriff auf das politische Koordinatensystem geblasen. Unumwunden stellt Müntefering die Behauptung auf, für die CDU sei in der politischen Mitte kein Platz mehr. "Mitte ist da, wo die linke Volkspartei SPD ist." (...) "Das Zentrum der Gesellschaft hat sich verschoben: Die linke Volkspartei SPD, das ist die Mitte." Offensichtlich strebt die Sozialdemokratie an, durch politische Polarisierung die Union aus dem "Zentrum der Gesellschaft" zu vertreiben und als "rechte Volkspartei" zu marginalisieren. Bezeichnenderweise richtete Schröders "Aufstand der Anständigen" sich nicht gegen "Rechtsradikale" oder "Rechtsextremisten", sondern gegen "Rechts". Angesichts des chaotischen Zustandes der bürgerlichen Volkspartei und vor allem angesichts der Fehlanzeige bei klaren Gegenkonzepten zu Schröders Neuer Mitte dürfte die Strategie Münteferings aufgehen. Auf eine sozialfaschistische Neue Mitte, die von Sozialdumping, politischer Repression, Polizeistaatstendenzen, Umweltzerstörung und imperialistischer Außenpolitik geprägt ist, kann die Welt jedoch verzichten.

 

Unter der Ägide eines grünen Bundesumweltministers ist in der BRD der Kohlendioxidausstoß im Jahr 2000 erstmals seit langer Zeit wieder angestiegen. Hauptursache ist einer Studie des Trittin-Ministeriums zufolge der vermehrte Einsatz von Braunkohle in der ostdeutschen Industrie. Es werde zusehends schwieriger für die BRD, die 1992 in Rio zugesagte Reduktion der Kohlendioxidemission um 25 % wie geplant bis 2005 umzusetzen. Vom kommenden Energieprogramm des Wirtschaftsministeriums sind im übrigen weitere negative Auswirkungen auf die Treibhausgasproduktion zu erwarten. Die bundesdeutschen Atommeiler werden - zu Recht! - bis 2030 nach und nach abgeschaltet, aber die Planungen Berlins sehen eine Ablösung durch Kohle- und Gaskraftwerke vor, anstatt auf umweltverträgliche Energieträger zu setzen. Auch das weitere Wachstum der Wirtschaft werde den Kohlendioxidausstoß zusätzlich erhöhen.

 

In Nairobi trafen rund 100 Umweltminister zur 21. Verwaltungsratssitzung des UN-Umweltprogrammes UNEP zusammen. Einem UNEP-Bericht zufolge werden die Kosten für vorbeugende Maßnahmen gegen Auswirkungen der Klimakatastrophe 304 Milliarden Dollar betragen. In tiefliegenden Staaten wie den Malediven, den Marshall-Inseln, Mikronesien oder Bangladesh werden die durch die Erwärmung der Erdatmosphäre verursachten Unkosten 10 % des BIP übersteigen. Im Jahr 2050 wird die Kohlendioxidkonzentration in der Atmosphäre doppelt so hoch sein wie vor dem Beginn der Industriellen Revolution. Alleine in der Wasserwirtschaft fallen 2050 durch Sicherheitsschemata für Wohngebiete, Fabriken und Kraftwerke gegen Überschwemmungen Extrakosten von 47 Milliarden Dollar im Jahr an. In Land- und Fortswirtschaft werden jedes Jahr durch Großbrände und Dürrekatastrophen Schäden von 42 Milliarden Dollar anfallen. Innerhalb der EU werden sich durch steigende Gesundheitskosten und höhere Sterberaten 22 Milliarden Dollar Unkosten anhäufen, hinzu kommen 14 Milliarden für das Wassermanagement. UNEP erstellt bereits ein Frühwarnsystem, um klimabedingten Naturkatastrophen vorzubeugen. Registriert werden die Regionen, in denen die Bevölkerung durch Umweltschäden gefährdet ist. Als erste Krisenregion wurde Zentralamerika bearbeitet.

 

Die Neuwahl des israelischen Ministerpräsidenten, abgesichert durch 15.000 Mann Polizei und Militär, fand unter Boykott durch die immerhin 20 % der Bevölkerung ausmachenden Araber statt und endete nicht überraschend mit dem Sieg Ariel Sharons (62 % der abgebebenen Stimmen). Der Großmufti von Jerusalem hatte allen Muslimen verboten, an der Wahl teilzunehmen - mit 62 % war die Wahlbeteiligung so gering wie noch nie in der Geschichte Israels. In den Palästinenensergebieten kam es nach Bekanntwerden des Wahlergebnisses zu Krawallen mit zahlreichen Verletzten. Nun ist Sharon zwar als Hardliner und Araberfresser bekannt und provozierte durch seinen Auftritt auf dem Tempelberg Ende September 2000 die blutigen Unruhen in Palästina, aber nicht zu Unrecht weist sein politischer Berater Meir Schetreet auf einige Paradoxa der israelischen Politik hin: "Hier gibt es Friedensfalken und Kriegstauben." In der Tat hat der Likud-Premier Begin 1978 mit Ägypten Frieden geschlossen und den besetzten Sinai geräumt. Für die mit militärischer Gewalt durchgeführte Deportation renitenter zionistischer Siedler vom Sinai sorgte damals Verteidigungsminister Ariel Sharon. Das Hauptproblem des neuen israelischen Premiers dürfte die Bildung einer regierungsfähigen Koalition sein - angesichts der Zersplitterung der Parteienlandschaft zieht Sharon eine Große Koalition mit der Arbeitspartei des Wahlverliereres Barak einem Bündnis mit rechtsextremistischen Kleinparteien vor. In jedem Fall werden die Karten in Nahost neu gemischt, die alten Regelungen von Camp David und Oslo gehören der Vergangenheit an.

 

Der Ausgang der israelischen Wahlen ist Wasser auf die Mühlen der Extremisten im arabischen Lager. Infolge der Verschärfung der arabisch-jüdischen Spannungen gelang es dem irakischen Staatschef Saddam Hussein, zunehmend aus seiner seit 1990 anhaltanden Isolation innerhalb der arabischen Welt auszubrechen. Bagdad leitete die Aussöhnung mit der feindlichen Bruderpartei in Syrien ein, was auch den wirtschaftlichen Beziehungen zugute kam. Ägyptens Präsident Mubarak und König Abdullah von Jordanien bereiten vorsichtig eine Normalisierung der Beziehungen zum Irak vor. Saddam Hussein konnte unlängst hochrangige Regierungsdelegationen aus Kairo und Amman empfangen, zudem wird er im März auf dem arabischen Sondergipfel in der jordanischen Hauptstadt erwartet. Unter den Palästinensern wirbt die irakische Baath-Partei derzeit mit geschickter Propaganda. So erschienen Abgesandte Bagdads bei den Hinterbliebenen von 323 gefallenen Palästinensern, sprachen das Beileid Saddam Husseins aus und überreichten den Familien Schecks über jeweils 10.000 Dollar - eine palästinensische Durchschnittsfamilie verdient rund 1500 Dollar im Jahr.

 

Zwischen Österreich und Rußland ist es zu einer nachhaltigen diplomatischen Verstimmung gekommen. Die rechtsreaktionäre Regierung in Wien liebäugelt derzeit mit einem Beitritt ihres Landes zur NATO und handelte sich prompt einen geharnischten Protest des russischen Botschafters Golowin ein. In der Tat verstößt Österreich mit einem NATO-Beitritt gegen ein gültiges internationales Abkommen: Der Staatsvertrag von 1955 verpflichtet Wien zur immerwährenden Neutralität nach Schweizer Muster. SPÖ und Grüne wissen die Mehrheit der österreichischen Bevölkerung hinter sich und wollen an der Neutralität festhalten.

 

Joschka Fischer, dessen Ministerium sich 1998/99 neben Scharpings Kriegsministerium maßgeblich an der antijugoslawischen Greuelpropaganda zur Legitimierung eines völkerrechtswidrigen Angriffskrieges beteiligte, ist in Paris mit dem Preis des "Europäers des Jahres" ausgezeichnet worden. Frühere und zu Fischers unangenehmer Persönlichkeit passende Preisträger waren der UN-Protektor im Kosovo, Bernhard Kouchner, verantwortlich für die Tatenlosigkeit der "westlichen Wertegemeinschaft" bei der ethnischen Säuberung des Kosovo von Serben und Roma, oder der käufliche Exkanzler Helmut Kohl.

 

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Willy Wimmer, ehemaliger Staatssekretär im Verteidigungsministerium und langjähriger Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, meldete sich auf der Tagung über gewaltfreie Konfliktlösungen in der Bremer Bürgerschaft mit interessanten Ansichten über die Hintergründe des Kosovo-Krieges zu Wort. "Die NATO-Intervention in Jugoslawien war ein Schlag gegen die OSZE, der irreparabel sein könnte." Seinerzeit sprachen sich im von 55 Staaten beschickten Parlament der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa 95 % der Vertreter gegen eine militärische Intervention ohne UN-Mandat und für eine friedliche Vermittlung der OSZE aus. Die NATO-Regierungen setzten sich selbstherrlich über dieses Votum hinweg und griffen zur nicht legitimierten Gewalt. Als Folgeerscheinung des Kosovo-Krieges hat die seinerzeit zur gemeinsamen Konfliktlösung mit dem Ostblock geschaffene OSZE dramatisch an Einfluß verloren. An ihre Stelle ist die militärische Dominanz der NATO getreten, und die Russen wurden praktisch aus der europäischen Konfliktbewältigung hinausgedrängt. Brigadegeneral a.D.  Heinz Loquai, seinerzeit Leitender Militärberater der deutschen OSZE-Vertretung in Wien, pflichtet Wimmer bei: "Man wollte keinen Erfolg (der friedlichen OSZE-Mission, der Verfasser), weil der zu Lasten der NATO gegangen wäre." Wimmer und Loquai fordern die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch den Bundestag, der sich mit den Machenschaften von Kriegsminister Scharping bei der Durchsetzung des Angriffskrieges gegen Jugoslawien befassen soll. Scharping habe die Zahl der in das Kosovo eingerückten jugoslawischen Soldaten von 13.000 auf 40.000 aufgebauscht, den Hufeisenplan zur Vertreibung der Albaner als Fälschung aus dem Hut gezaubert und Greuelmärchen über KZ und Massenmorde in die Welt gesetzt. Die sozialfaschistische Regierung Schröder-Fischer hat bewußt die bundesdeutsche Öffentlichkeit manipuliert, um einen Krieg durchzusetzen, der schon lange beschlossene Sache war. Mit Recht fragt Wimmer: "In welchem Land leben wir eigentlich?"

 

Die PDS sieht sich - ungeachtet ihres von politischen Grabenkämpfen, ideologischem Hickhack und Vergreisung im Osten geprägten Zustandes - knapp 2 Jahre vor der Bundestagswahl 2002 nach einer bundesweiten Studie im Aufwind. Die Partei habe gute Chancen, ihr Wahlziel von mehr als 6 % zu erreichen, erklärte Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch. In den neuen Bundesländern sind 37 % der Wähler der Meinung, dass sich die PDS für soziale Gerechtigkeit einsetze, im Westen nur 9 %. Für die kommende Bundestagswahl wollten 23 Prozent der Ostdeutschen eine SPD/PDS-Koalition.

 

Auf der 37. Münchener Konferenz für Sicherheitspolitik kam es zu heftigen Auseinandersetzungen um das amerikanische Raketenabwehrprogramm NMD. Sergej Iwanow als Sekretär des russischen Sicherheitsrates erklärte, NMD unterminiere das weltweite strategische Gleichgewicht zwischen den Atommächten. Moskau drohte verklausuliert mit der Kündigung des ABM-Vertrages und dem Aufbau einer eigenen strategischen Raketenabwehr, sollten die USA ihre Pläne in die Tat umsetzen. Ferner hielt er der NATO vor, sie sei, wie die Zustände im Kosovo zeigten, zur Umsetzung friedensschaffender Maßnahmen unfähig. Als Alternative bot Iwanow eine Zusammenarbeit mit dem Westen bei der globalen Raketenkontrolle und der Nichtverbreitung spaltbaren Materials an. Berlins Kriegsminister Scharping versuchte, die Wogen zu glätten und Rußland zu bewegen, trotz der NATO-Osterweiterung in der - durch die NATO entmachteten - OSZE sowie in allen weiteren Sicherheitsorganisationen mitzuwirken. Auf der anderen Seite warnten neben den meisten europäischen NATO-Staaten sogar Scharping, Schröder und Fischer vor einem durch NMD ausgelösten atomaren Wettrüsten in Asien und Rußland. Oppositionsführer Merz kreidete den USA ihre zunehmende Selbstherrlichkeit an, wies vorsichtig auf die Unpopularität der Raketenabwehr in der BRD hin und forderte eine Einbeziehung der Europäer in die militärischen Entscheidungsprozesse. Franz Lamers, außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, hielt den Amerikanern vor, es gehe ihnen bei NMD "womöglich" nicht um Verteidigung, sondern um Unverwundbarkeit und Unangreifbarkeit. US-Verteidigungsminister Rumsfeld stellte jedoch klar, daß seine Regierung das System auch gegen die Bedenken der Partner weiterentwickeln werde. Ferner warnte er die EU nachdrücklich davor, durch ihre Eingreiftruppe eine Parallelstruktur zur NATO zu schaffen.

 

Direkt nach der Münchener Konferenz dachte US-Außenminister Powell in einer nicht nur für die politischen Rivalen Rußland und China, sondern auch für die NATO-Vasallen provozierenden Weise laut über die Kündigung des ABM-Vertrages nach. Washington handelte sich eine scharfe Republik des russischen Verteidigungsminister Igor Sergejew ein, der neben der Kündigung beider START-Abkommen die Wiederbelebung der asymmetrischen Verteidigungsmaßnahmen androhte, die man bereits in den 80er Jahren gegen Reagans SDI-Programm entwickelt habe. Hierunter fallen Mehrfachsprengköpfe, Flugkörper zur Ablenkung der NMD-Abfangraketen und nicht zuletzt der Auswurf von ballonartigen Gebilden, die das NMD-Frühwarnsystem empfindlich stören können. Moskau zweifelt nicht daran, daß auch andere Atommächte entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen werden. Um ein neues Wettrüsten zu verhindern, schlug Sergejew erneut eine internationale Kontrolle der Nichtverbreitung von Raketentechnologie vor, die für die EU, für die USA, für Rußland und "andere Staaten" einen gleichmäßigen Sicherheitsstandard schaffen solle. Auch das chinesische Außenministerium warnte Washington vor NMD und einer Militarisierung des Weltraums. Großbritannien, ansonsten getreuer Brückenkopf der USA in Europa, erklärte eine nukleare Bedrohung Nordamerikas durch Nordkorea, den Irak oder den Iran für abwegig und forderte Washington zum Dialog mit Rußland auf.

 

Sylvia-Yvonne Kaufmann, Mitglied des PDS-Parteivorstandes und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Vereinigten Europäischen Linken im Europaparlament, erklärte zur Münchener Sicherheitskonferenz: "Die am Wochenende in München abgehaltene jährliche Wehrkundetagung stand wie so oft unter keinem guten Stern. Die Druckerschwärze mit der Ankündigung Bushs, die Pläne zum Aufbau einer neuen Raketenabwehr in die Tat umzusetzen, war noch nicht ganz trocken, da reiste auch schon der US-amerikanische Verteidigungsminister an, um seine europäischen Kollegen und Militärs von der Notwendigkeit des Projekts zu überzeugen. Hier wurde eine Suppe gebraut, die wahrlich schwer verdaulich ist. Ein land-, luft- und weltraumgestütztes Raketenabwehrsystem, das das gesamte bisher vereinbarte Rüstungskontrollgebäude zum Einsturz bringen würde, soll der "freien Welt" angeblich mehr Sicherheit und Schutz geben. Was wollen uns die Herren denn noch alles weismachen? Wer soll denn um alles in der Welt mit den technologisch weit überlegenen USA im Weltraum Krieg spielen wollen? Etwa die von Unterentwicklung und internationalen Sanktionen ausgemergelten sogenannten Schurkenstaaten Libyen, Nordkorea, Iran und Irak? Aber wenn keine reale Bedrohung besteht, welche anderen Gründe stecken dann hinter einem solch riskanten und kostspieligen Projekt? Eigene Unverwundbarkeit und Erstschlagsfähigkeit sollen Macht- und Führungsambitionen der USA den nötigen Nachdruck verleihen. Die Welt wird zum Spieltisch und die USA drehen das Roulette und geben die Spielregeln vor."

 

Der Nationale Gerichtshof Spaniens in Madrid fällte ein drakonisches Urteil gegen einen Aktivisten der baskischen Befreiungsbewegung ETA. Für einen 1997 verübten Autobombenanschlag vor einem Luftwaffenstützpunkt bei Granada erhielt der Delinquent sage und schreibe 232 Jahre Haft. Bei dem Attentat kam ein Zivilangestellter der Basis ums Leben, 17 weitere Personen wurden verletzt.

 

Gerhard Fuchs als Fernsehdirektor des Bayerischen Rundfunks ließ eine für März geplante Dokumentation über die Münchener Räterepublik von 1919 aus dem Programm nehmen. Hintergrund ist der Umstand, daß Nick Wagner es in seiner zweiteiligen Dokumentation wagt, auf den überproportional hohen Anteil von Juden unter den linkssektiererischen Revolutionären hinzuweisen - in der Tat machte die kurze Räteherrschaft das einstmals liberale Bayern zur ersten Hochburg des deutschen Antisemitismus und Rechtsextremismus (die hier allerdings an gewisse christliche Traditionen anknüpfen konnten). Wir merken an, daß vielleicht auch die Erwähnung eines Ernst Niekisch oder eines Silvio Gesell, die über ihre Beteiligung an der Räterepublik schließlich zum Nationalbolschewismus fanden, den interessierten Zuschauer auf dumme Gedanken bringen könnte. Die Kritiker in Sender und Rundfunkrat befürchten die Belebung antisemitischer Vorurteile und Verstöße gegen das Rundfunkgesetz. Fachleute, darunter der Berliner Faschismusforscher Wolfgang Benz, sollen den Film nun überprüfen.

 

In Bremen kündigte die linksextremistische Gruppe Bremer Krätze, Bestandteil der Antinationalen Gruppe, eine an niedriger Gesinnung und geschmacklicher Perversion kaum zu überbietende Party an: "Dresden Night - 56 Years of Dresden Bombraid" Als Unterstützer zeichneten der AStA der Uni Bremen, die Bremer Gesamtschülervertretung und der Buchladen Ostertor. Erst, nachdem die Öffentlichkeit auf die "Dresden Night" aufmerksam wurde, kamen teilweise reichlich dünne Distanzierungen und Dementis. Die unwürdige Festivität sollte auf einen - vom AStA finanzierten - Vortrag des Journalisten Hermann Gremliza (SPIEGEL und konkret) zum Thema "Elf Jahre Superdeutschland - mit Volldampf in die Barbarei?" folgen. Stellt sich die Frage, wer hier für Barbarei Sorge trägt.

 

Der Südwestrundfunk SWR setzte in einem Akt politisch korrekter Zensur die von Tina Mendelsohn gedrehte Dokumentation über Norman Finkelsteins dieser Tage in der BRD erscheinendes Buch "The Holocaust Industry" kurzerhand ab. Obwohl eine Reihe durch Viktor Niemann vom Piper Verlag in Auftrag gegebener historischer Gutachten die Thesen Finkelsteins absegnete, mußte die volkspädagogisch unerwünschte Sendung überarbeitet werden. Im Anschluß an die Ausstrahlung der verschobenen Sendung brachte man eine Diskussionsrunde, in der nicht unerwartet Fürsprecher der Holocaust-Gewinnler in Jüdischem Weltkongreß und Jewish Claims Conference sowie Betroffenheitshistoriker das Übergewicht hatten. Der Historiker Michael Wolffsohn kritisierte die Maßnahmen in einem offenen Brief an den ARD-Vorsitzenden Pleitgen und seinen SWR-Kollegen Voß. Erst durch Absetzung und Überarbeitung müsse jedermann denken, "die Juden hätten etwas zu verbergen" oder seien so einflußreich, daß sie Einfluß auf das TV-Programm nehmen könnten. Neben Wolffsohn hat sich auch der Nestor der Holocaustforschung, Raul Hilberg, hinter Finkelstein gestellt. In diesem Zusammenhang sei sowohl aus juristischen wie aus ideologischen Gründen nochmals angemerkt, daß dem Verfasser dieser Zeilen keinesfalls an einer Verharmlosung der Exzesse des real existierenden Nationalsozialismus gelegen ist.

 

In der "Süddeutschen Zeitung" äußert sich Jefferson Chase zu Finkelsteins Theorie: "Wenn Adorno und Horkheimer mit ihrer Behauptung recht haben, daß die westliche Kultur zur Kulturindustrie verkomme, dann ist es unsinnig zu erwarten, daß die Kultur um den Holocaust eine Ausnahme sei, eine kleine Oase der Seriosität. Tatsächlich bietet sich der Holocaust überall als Ware dar, wo Kultur geschaffen wird - von den Leinwänden Hollywoods bis zu den etwas erhabeneren, aber schlechter besuchten Mauern des akademischen Elfenbeinturms. Der Holocaust ist, so frivol das klingen mag, ein beliebtes Produkt, der Mercedes gewissermaßen unter den Filmsujets, zuverlässig und imponierend zugleich. Er ist eine Ware, die auf dem Markt gehandelt wird, wie jede andere. Und wie bei jeder anderen auch folgt deren Marketing den Trends und Moden der Zeit. (...) Es war nur eine Frage der Zeit, bis auch die Akademiker die Verschwörungstheorie, nicht nur als Forschungsthema, sondern auch als Arbeitsmethode, für sich entdeckten. Ein prominentes Beispiel dafür ist etwa Daniel Jonah Goldhagens von der Harvard Universitätspresse herausgegebener Bestseller "Hitlers willige Vollstrecker". Seine antideutsche Verschwörungstheorie hat die Paranoia komplett salonfähig gemacht, genauso tauglich für den Vorlesungssaal wie für den Massenvertrieb. Finkelstein hat erst öffentliche Aufmersamkeit erregt, als er, zusammen mit der kanadischen Holocaust-Historikerin Ruth Bettina Birn, Goldhagen für dessen demagogischen Moralismus und mangelnde Beherrschung relevanter Fachkenntnisse attackierte. Umso ironischer ist es nun, daß die ‚Holocaust-Industrie' nichts so sehr ähnelt wie ‚Hitlers willigen Vollstrecker'. Wo Goldhagen eine blutlechzende antisemitische Konspiration unter Germanen unterschiedlicher Epochen, politischer Auffassungen und Konfessionen zu offenbaren glaubt, wähnt Finkelstein ein in den Spätsechzigern geschlossenes Komplott zwischen Politikern, Militärs und Schriftstellern, das darauf abzielt, mit europäischen Geldern die arabische Welt einem US-israelischen Kartell zu unterwerfen. (...) Der Schlüssel zum Erfolg von Finkelsteins wie auch Goldhagens Buch ist, daß beide, so verrückt sie auch sind, einen Kern Wahrheit, eine legitime, wenn auch surrealistisch in die Breite und Länge gezogene Idee, enthalten. So, wie es wahr ist, daß auch diejenigen Deutschen, die nicht Mitglieder der SS waren, eine Mitverantwortung am Holocaust trugen, so ist es auch wahr, daß die Holocaustexperten und -verwalter nach dem Krieg vom Leiden anderer Menschen profitierten. Dieser Punkt aber ist, ähnlich wie Goldhagens These, nicht gerade neu. Raul Hilberg, Michal Bodemann und Saul Friedländer haben die Problematik jedes Umgangs mit dem Holocaust bereits nuancierter als Finkelstein analysiert. Schon sie haben klargestellt, daß der Profit am Holocaust unvermeidbar ist: Was ist, so könnte man Hegel umformulieren, ist vermarktbar. Eine Figur wie Elie Wiesel ist nicht schon deshalb zu verabscheuen, weil er 60 000 Mark Gage und eine chauffierte Limousine für einen öffentlichen Auftritt verlangt. Verwerflich wäre nur, wenn er es etwa aus Starrsinn, Selbstverliebtheit oder Furcht um die eigene Karriere ablehnte, über seine bitter-ironische Erwerbsquelle zu reflektieren. Sechsundfünfzig Jahre nach dem Ende des Holocaust wissen wir alle, daß das Schreiben darüber unangenehme ethische Fragen aufwirft; aber auch, wie wichtig es ist, trotzdem darüber zu schreiben. Die Alternative wäre Schweigen. Egal, ob man Elie Wiesel für einen gezwungenen Profiteur oder einen böswilligen Ausbeuter hält, man muß die Schwierigkeit seiner Position als bezahlter Holocaust-Experte einsehen. Finkelstein aber verkennt, daß es die Gesetze der Marktwirtschaft sind und nicht Individuen wie Wiesel, die die Kommerzialisierung des Holocausts erzwingen. Außerdem ist es absurd, sich vorzustellen, daß sich Wiesel mit Cynthia Ozick, Bibi Netanjahu und Stuart Eizenstadt in dunklen Hinterzimmern trifft, um den nächsten Clou auszuhecken, wie sie den Goyim ihr Geld aus der Tasche ziehen und gleichzeitig den Arabern eine aufs Maul hauen können. So abwegig ist es wiederum nicht, daß Schriftsteller, Politiker und Reparationsrechtsanwälte ähnlich auf ihren Vorteil bedacht sind." 

 

Gleichzeitig mit Finkelsteins in der Tat etwas demagogisch daherkommendem Buch veröffentlichte die Deutsche Verlags-Anstalt Peter Novicks "Nach dem Holocaust", das bereits 1999 in den USA erschien und wissenschaftlichen Ansprüchen gerechter wird . Ferner sei auf den von Ernst Piper im Pendo Verlag herausgegebenen Sammelband "Gibt es wirklich eine Holocaust-Industrie?" hingewiesen. Reinhard Rürup formulierte in der ZEIT: "Die Feststellung, daß es in den Vereinigten Staaten so etwas gebe, was man vielleicht als ‚Holocaust-Industrie' bezeichnen könne, wird von einem Teil der Kritiker nicht grundsätzlich bestritten, von anderen sogar bejaht. Zugleich wird jedoch betont, daß solche Themen sehr viel ernsthafter und vor allem unpolemischer diskutiert werden müßten, als das bei Finkelstein geschieht. (...) Ein Buch, mit dem die Auseinandersetzung in jeder Hinsicht lohnt, ist dagegen Nach dem Holocaust von Peter Novick. (...) Zu den Ergebnissen der historischen Untersuchung gehört die Feststellung, daß das ‚Holocaust-Bewußtsein' in den USA sich nicht kontinuierlich, sondern in großen Schüben entwickelte. In den ersten 20 Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fehlte nicht nur der Begriff des Holocaust, so wie er seit den späten sechziger Jahren sich entwickelte, sondern auch weitgehend jede öffentliche Diskussion über die Ermordung der europäischen Juden und deren Bedeutung für die Gegenwart. Die führenden Repräsentanten des amerikanischen Judentums förderten eher das Schweigen als das Sprechen derjenigen, die als Überlebende des Holocaust in den USA lebten. In den so genannten ‚goldenen Jahren' der amerikanischen Juden setzte man auf das Gemeinsame aller US-Bürger, wobei eine deutliche Akzentuierung der traumatischen Erfahrungen in der NS-Zeit nur störend wirken konnte. ‚Überlebender' war in den jüdischen Gemeinden kein Ehrentitel wie in späteren Jahrzehnten, und an den Erfahrungen dieser Menschen war lange Zeit kaum jemand interessiert (...).  In der amerikanischen Öffentlichkeit spielten die Juden als Holocaust-Opfer dementsprechend keine besondere Rolle, sie galten als eine Opfergruppe unter vielen. Mit dem Eichmann-Prozeß, der Kontroverse um Hannah Arendt oder auch der Broadway-Aufführung von Hochhuths Stellvertreter setzte in den sechziger Jahren eine öffentliche Diskussion über den Holocaust ein. Jetzt begann sich auch der Holocaust-Begriff, der in Israel schon länger als englische Übersetzung für das hebräische ‚Schoah' gebräuchlich war, in seinem heutigen Verständnis durchzusetzen. Während Israel bis Mitte der sechziger Jahre im amerikanisch-jüdischen Bewusstsein ‚keine große Rolle' spielte, änderte sich das mit dem Sechstagekrieg vom Juni 1967 und noch einmal mit dem Jom-Kippur-Krieg von 1973. Angesichts der Bedrohung Israels war der Holocaust nicht mehr nur Geschichte, er wurde in der Wahrnehmung amerikanischer Juden vielmehr ‚zu einem drohenden und furchterregenden Zukunftsaspekt'. Vor allem seit 1973 gab es ein ‚erneuertes Bewußtsein der jüdischen Verwundbarkeit', da Israel nicht mehr als unbesiegbar erschien. Große jüdische Organisationen wie die Anti-Defamation League erklärten nun, daß die verblassende Erinnerung an den Holocaust eine entscheidende Ursache für die Isolierung und Gefährdung Israels sei, und sie zogen daraus den Schluss, dass die Entwicklung von ‚Holocaust-Programmen' nötig sei. Eine der Folgen des ‚goldenen Zeitalters' der amerikanischen Juden unter den Bedingungen des sozialkulturellen ‚Schmelztiegels' bestand in der raschen Abnahme jüdischer Bindungen und einer damit verbundenen dramatischen Schwächung jüdischer Identität, so daß eine neue Frage des ‚Überlebens' der amerikanischen Judenheit formuliert wurde - man sprach sogar von einem ‚stillen Holocaust' oder einem ‚geistigen Holocaust', der das Ende jüdischer Existenz in den USA bedeuten würde. Da gleichzeitig in der amerikanischen Gesellschaft das Leitkonzept des ‚Schmelztiegels' von einem neuen Ethnizitätskonzept abgelöst wurde, das die Besonderheiten der einzelnen Bevölkerungsgruppen positiv bewertete und der Identität des US-Bürgers die Gruppenidentitäten an die Seite stellte, vollzog sich die Ausbildung einer neuen jüdischen Identitätspolitik in einem günstigen gesellschaftlichen Klima. Unter den neuen Bedingungen war nun auch der ‚Opferstatus', der in den ersten 20 Jahren nach dem Krieg entschieden abgelehnt worden war, für die amerikanischen Juden akzeptabel. Vergangene Leiden galten nun - wie auch bei anderen Bevölkerungsgruppen - als Legitimation für aktuelle Ansprüche, sodass gelegentlich auch von einer ‚Opferkonkurrenz' gesprochen worden ist. Angesichts der starken religiösen und kulturellen Zersplitterung der jüdischen Bevölkerung in den USA wurde nun die Erinnerung an den Holocaust als die größte Gemeinsamkeit aller amerikanischen Juden definiert, die als Ausgangspunkt für die Ausbildung eines neuen jüdischen Bewusstseins dienen sollte. Spätestens seit dem Ende der siebziger Jahre gilt die Erinnerung an den Holocaust als eine Notwendigkeit nicht nur für die Juden, sondern für die amerikanische Gesellschaft insgesamt. (...) Novick ist kritisch gegenüber allen Sakralisierungstendenzen des ‚Holocaust-Bewußtseins'. Er diskutiert Eli Wiesels Positionen mit Respekt, zieht aber zugleich einen klaren Trennungsstrich. Für ihn ist der Holocaust nicht ein ‚Mysterium, das niemals verstanden, das niemals dargestellt werden kann' (Wiesel). Als Historiker besteht er auf der Notwendigkeit der quellenkritischen Analyse und des Vergleichs auch bei der Darstellung des Holocaust. (...) Novick lehnt auch die Diskussionen um die ‚Einzigartigkeit' des Holocaust entschieden ab: ‚Die Behauptung, der Holocaust sei einzigartig - wie die, er sei unfaßbar oder nicht darstellbar -, ist tatsächlich zutiefst beleidigend. Was könnte sie anders bedeuten als: ,Eure Katastrophe ist im Gegensatz zu unserer gewöhnlich, faßbar und darstellbar.' Skeptisch ist er hinsichtlich der ‚Lehren des Holocaust', weil der Holocaust dabei in der Regel nur benutzt werde, um einer bereits bestehenden Meinung zusätzliches Gewicht zu verleihen. Die großen internationalen Katastrophen von Biafra und Kambodscha, Somalia und Ruanda demonstrieren nach Novicks Überzeugung in erschreckender Weise, daß ernsthafte Lehren aus der Erfahrung des Holocaust nicht gezogen worden sind. Schließlich zögert er nicht, seiner Befürchtung Ausdruck zu geben, daß die Aneignung der Holocaust-Erinnerung durch die US-Gesellschaft dazu beitragen könne, die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit den Schattenseiten der eigenen Geschichte weiter zu verdrängen."

 

Das Springersche "Hamburger Abendblatt" und der Fernsehsender Hamburg 1 beauftragten das Psephos-Institut mit einer vorgezogenen Wahlumfrage. Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß der rosa-grüne Senat weiterhin fest im Sattel sitzt. Die "Partei Rechtsstaatliche Offensive" des Amtsrichters Ronald Schill hingegen kann bereits jetzt auf die Stimmen von 9 % der Wahlberechtigten zählen. SPD und CDU halten ihre Ergebnisse von 1997, aber die nationalliberale PRO kann angesichts des jeder Beschreibung spottenden Zustandes der Hamburger und der Bundes-CDU die bürgerlichen Stimmen von STATT-Partei, DVU, NPD und Republikanern größtenteils aufsaugen und wäre der einzige Wahlsieger. Die aus dem linksradikalen Flügel der Grünen hervorgegangene Regenbogen-Gruppe würde ungeachtet aller Versuche zur Bildung einer linken Einheitsliste mit deutlich unter 1 % wieder in der Versenkung verschwinden.

 

Auf der 37. Münchener Konferenz für Sicherheitspolitik hielt Bundesaußenminister Joschka Fischer eine entlarvende Rede zur transatlantischen Partnerschaft: "Wenn sich Europa heute als ein Kontinent der Freiheit, des Friedens und der Sicherheit präsentiert, so ist dies auch ein Ergebnis weitsichtiger amerikanischer Außenpolitik. Ohne die Präsenz der Vereinigten Staaten in Europa, ohne ihren jahrzehntelangen Einsatz für ein freies, demokratisches Europa wäre das historische Projekt der europäischen Einigung niemals Realität geworden. Und gewiß wäre auch die Wiedervereinigung Deutschlands nicht gelungen, wenn sich die USA nicht so vorbehaltlos und geradlinig für das Selbstbestimmungsrecht der Deutschen eingesetzt hätte. Die USA sind bis heute in Europa präsent, sie sind eine ‚europäische Macht'. Und dies sollte auch für die Zukunft gelten. Dies ist deshalb von so grundlegender politischer Bedeutung, weil die doppelte - europäische und transatlantische - Verankerung Deutschlands in unserem dauerhaften Interesse ist und bleibt. (...) Die USA verfügen heute über einen in der Weltgeschichte einzigartigen globalen Einfluß und eine entsprechende Verantwortung. (...) Aber auch der alte Kontinent Europa hat sich in den vergangenen zehn Jahren dramatisch verändert, bedingt durch das Ende des Kalten Krieges und der Teilung Europas. (...) Am Ende wird eine nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch geeinte Europäische Union stehen. Ein solches politisch handlungsfähiges, geeintes Europa bietet den USA die Chance einer echten globalen Partnerschaft, wie sie kein nationaler Partner in Europa jemals wird leisten können. (...) Europa bleibt auch künftig für den Erhalt seiner Sicherheit auf die USA angewiesen. Und umgekehrt gilt: Ein friedliches, prosperierendes Europa liegt im fundamentalen Interesse der USA. Die Europäische Union hat aus der Erfahrung im Kosovo die Lehre gezogen, daß sie auch selbst in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik handlungsfähig werden muß. Dies liegt auch in der Konsequenz des europäischen Einigungsprozesses. Er gewinnt damit eine völlig neue Dimension. Die wirksame Verbindung ziviler und militärischer Mittel wird im 21. Jahrhundert zu einem Markenzeichen der EU werden. (...) Die EU wird damit künftig über alle Ebenen politischer Einwirkung von der Frühdiagnose entstehender Konflikte bis hin zum Einsatz militärischer Mittel verfügen. (...) Die USA haben immer wieder die Stärkung des ‚europäischen Pfeilers' im Bündnis gefordert. Genau dieses Ziel verfolgt die ESVP. Sie ist als Ergänzung der NATO und nicht als Konkurrenz zu ihr gedacht. Sie soll das Bündnis ausgewogener und dadurch noch stärker machen. Wir wissen, daß der Erfolg der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik entscheidend davon abhängen wird, daß sie in einer für die USA transparenten Weise und kompatibel zur NATO aufgebaut wird. Wir wollen die NATO nutzen, um ihre Ressourcen auch der EU zu erschließen. Umgekehrt werden die neuen Fähigkeiten, die eine glaubwürdige ESVP erfordern wird, zugleich der NATO zur Verfügung stehen." Angesichts dieses geradezu penetranten Proamerikanismus wundert es beinahe, daß Fischer tatsächlich zu vorsichtiger Kritik am Raketenabwehrsystem NMD findet.

 

Einer Studie der Investmentbank Merrill Lynch und der Unternehmensberatung Cap Gemini Ernst & Young zufolge lebten 1999 in der BRD 365.000 Millionäre. Das Vermögen der ohnehin schon Reichen (0,5 % der Gesamtbevölkerung) nimmt jährlich um 10 % zu und macht mehr als 25 % des gesamten bundesdeutschen Geldvermögens aus. Die 3700 Bundesdeutschen mit einem Vermögen von mehr als 30 Millionen Euro besitzen zusammen 612 Milliarden Euro, was 8 % des Volksvermögens entspricht. Demgegenüber entfallen 50 % des Volksvermögens auf die breite Masse von 95 % der Bevölkerung. Im europäischen Vergleich weist die BRD eine ungewöhnliche hohe Konzentration von Millionenvermögen auf - sie stellt 30 % aller besonders vermögenden Personen innerhalb der EU.

 

 

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