Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 15. bis 21. Dezember 2001

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Amerikanischer Realitätsverlust

Vorbild Kuba!

 

 

Zitat der Woche:
„Westlerisch sein heißt: mit der Phrase der Freiheit auf Betrug ausgehen, mit dem Bekenntnis zur Menschlichkeit Verbrechen in die Wege leiten, mit dem Aufruf zur Völkerversöhnung Völker zugrunde richten.“
- Ernst Niekisch

 

Die US-Zeitung „International Herald Tribune“ führte eine interessante Umfrage unter einflussreichen Personen aus Medien, Politik, Wirtschaft, Kultur und Verwaltung in den USA und 23 weiteren Staaten durch. Danach sind 70 % der befragten Amerikaner davon überzeugt, die USA würden im „Kampf gegen den Terrorismus“ die Interessen ihrer Partner berücksichtigen. Außerhalb von god´s own country glauben daran gerade einmal 33 %. Während sich in den USA nur 18 % der Elite vorstellen kann, dass zahlreiche Menschen die Politik Washingtons für eine Ursache der Terrorakte vom 11. September halten, sind im Rest der Welt 58 % eben genau dieser Ansicht. Lediglich 21 % der nichtamerikanischen Elite finden, die USA verrichteten Wohltaten in aller Welt. Rund 60 % urteilen hingegen, die Vereinigten Staaten seien verantwortlich für die Kluft zwischen Industrie- und Entwicklungsländern und würden zu wenig für die internationale Armutsbekämpfung tun. Versöhnlich stimmt vor allem die Feststellung, dass zwei Drittel der Befragten den Amerikanern das Gefühl gönnen, die eigene Verwundbarkeit zu erkennen.

 

Erneut verhinderte ein Veto der USA eine von der Arabischen Liga beantragte Israel-kritische Resolution des UN-Sicherheitsrates. Der Entwurf verurteilte sowohl die palästinensischen als auch die israelischen Terrorakte in Nahost und vor allem die Gewalt gegen Zivilisten. Zur Deeskalation sollte eine internationale UN-Beobachtertruppe nach Palästina entsandt werden. Washington steht mit seiner proisraelischen Haltung unter den 15 Mitgliedern des Sicherheitsrates mittlerweile vollständig isoliert da. Mit China, Frankreich und Russland stimmten drei Ständige Mitglieder der Resolution zu; selbst das notorisch amerikatreue Großbritannien enthielt sich der Stimme. Auf einer Sondersitzung der Arabischen Liga kam es heftigen Auseinandersetzungen, da Ägypten und Jordanien den Abbruch aller Kontakte zu Israel ablehnten. Die Liga setzte eine Sondersitzung der UN-Vollversammlung durch, auf der die übergroße Mehrheit der Staaten Israel wegen der anhaltenden Besetzung der 1967 eroberten Gebiete und für seinen Staatsterrorismus verurteilte. Da die Lage in Nahost außer Kontrolle zu geraten drohte, rief Palästinenserpräsident Arafat in einer Fernsehansprache zur Einstellung aller bewaffneten Operationen gegen Israel auf. Von einem Abbruch der seit 15 Monaten andauernden Intifada gegen die zionistische Besatzungsherrschaft war jedoch keine Rede. Arafat bekräftigte seine Forderung nach einem unabhängigen Palästinenserstaat mit der Hauptstadt Ostjerusalem. Die Hauptverantwortung für die Eskalation der jüngsten Zeit lastete der Palästinenserpräsident der israelischen Regierung und ihrer Gewaltpolitik an. Mit dem gleichzeitigen Vorgehen gegen radikale Gruppen wie Hamas oder Islamischer Heiliger Krieg setzte die Autonomiebehörde ihre selbstmörderische Gratwanderung zwischen Widerstand und Anpassung an die israelische Fremdherrschaft fort. Mittlerweile unterstützen 80 % der Palästinenser die neue Intifada. Weiterhin lehnen 71,9 % ein Vorgehen der Autonomiebehörde gegen die militanten Gruppen ab, und 64 % befürworten auch Selbstmordattentate gegen die israelische Zivilbevölkerung.

 

Für Irritationen sorgte unterdessen die Meldung, Bundesaußenminister Fischer habe den USA nahegelegt, ihre finanzielle und militärische Unterstützung Israels zu kürzen. Vor allem das von zionistischen Hardlinern dominierte Simon-Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles zeigte sich in einer Presseerklärung „empört und schockiert“. Das US-Außenministerium und die bundesdeutsche Botschaft in Washington dementierten. Im Dementi hieß es, die BRD sei traditionell ein Unterstützer der amerikanischen Palästinapolitik und Israels zweitwichtigster Verbündeter. Damit unterstützt die rosa-grüne Bundesregierung eine israelische Besatzungspolitik, die sich in diesen Tagen in der Exekution gefangengenommener palästinensischer Polizisten sowie erneut in gezielten Todesschüssen auf jugendliche Steinewerfer äußerte. Als Sari Nusseibeh, Rektor der angesehenen Al-Quds-Universität in Ostjerusalem und Vertreter der PLO in der Stadt, im Hotel Imperial mit geladenen Gästen (darunter Angehörige des Diplomatischen Corps) das islamische Fest des Fastenbrechens begehen wollte, wurde er von der zionistischen Polizei verhaftet und verhört. Nach Angaben des UN-Gesandten Terje Larsen ist die wirtschaftliche und soziale Lage der Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland infolge der ökonomischen Kampfmaßnahmen Israels so schlecht wie noch nie seit dem Sechstagekrieg von 1967. Der al-Aqsa-Intifada sind mittlerweile 877 Tote auf palästinensischer und 240 auf israelischer Seite zum Opfer gefallen.

 

Der nach eigenem Bekunden fest an der Seite Israels und der USA stehende, seinerzeit mit CIA-Geldern aus der Taufe gehobene Springer-Verlag geriet in den vergangenen Wochen mehrfach mit dem Staat Israel und den in der BRD lebenden Juden aneinander. Nachdem die BILD-Zeitung ein unautorisiertes Interview mit radikal militaristischen Äußerungen aus israelischen Regierungskreisen veröffentlichte, hat es nun die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ erwischt. Die FAS veröffentlichte am 9. Dezember 8 Artikel und Notizen zur Lage nach dem 11. September, die es sich erlaubten, auch einmal von der Beweihräucherung Israels und der „besonderen Schuld der Deutschen“ abzugehen und den Nahostkonflikt wissenschaftlich oder auch von der arabischen Warte her zu betrachten. Stein des Anstoßes ist vor allem der Beitrag des türkischen Volkswirtschaftlers Tezel, welcher die Gründung des Staates Israel zu einer der Hauptursachen für den derzeitigen Kampf der westlichen und islamischen Traditionen bezeichnete. Nicht zu vergessen ist auch die Wortmeldung des FDP-Vizevorsitzenden Jürgen Möllemann: „Wer andere Länder besetzt, darf sich nicht wundern, wenn die sich wehren.“ Ein offener Protestbrief definierte derartige Ansichten als „gegen das Judentum und Israel gerichtet“, zudem spreche der Verfasser dem Staat Israel „recht eigentlich seine Existenz“ ab. Zu den rund 200 Unterzeichnern gehören der Publizist Ralph Giordano, der Potsdamer Judaist Professor Karl E. Grözinger, seine Kollegin Lea Rosh, Alexander Brenner als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, der Berufsprotestler und Bänkelsänger Wolf Biermann sowie Lala Süsskind, die Präsidentin der Women´s International Zionist Organization. Die FAS-Politikredaktion wies alle Vorwürfe als haltlos und mutwillig zurück, und der Deutsche Presserat schrieb den philozionistischen Kreisen mit Hinweis auf die im Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit ins Stammbuch, einer Zeitungsredaktion stehe es durchaus zu, Kritik auch am Staat Israel zu üben.

 

In dritter Lesung nahm die französische Nationalversammlung den umstrittenen Autonomieplan für die unruhige Mittelmeerinsel Korsika an. Durch die Gewährung von vermehrter Autonomie soll der bewaffnete Konflikt mit den korsischen Nationalisten beendet werden. Das Autonomiepaket ermächtigt das korsische Regionalparlament, in Frankreich gültige Gesetze gemäß den Anforderungen der Insel abzuändern, zudem soll die korsische Sprache (ein italienischer Dialekt) in Schulen und Kindergärten gelehrt werden. Kein einziger korsischer Abgeordneter in der Nationalversammlung stimmte der Vorlage zu, denn Paris verwässerte das mit ihren Vertretern ausgehandelte Abkommen in zahlreichen Punkten ab und wird beispielsweise auch weiterhin in die wirtschaftlichen Angelegenheiten der Insel hineinregieren. Zahlreiche Abgeordnete quer durch die Fraktionen kündigten an, die Vorlage wegen ihrer angeblichen Verfassungswidrigkeit vor den Staatsrat zu bringen. Ganz in der Tradition der zentralistischen und kulturimperialistischen Französischen Revolution definiert die Verfassung auch heute noch Frankreich als einzige und unteilbare Nation – die historischen Regionen und nichtfranzösischen Volksgruppen ignorierend.

 

Nach schweren Luftangriffen gelang es den Amerikanern und ihren afghanischen Verbündeten, die Bergfestung Tora Bora einzunehmen. Allerdings konnte sich das Gros der zu Osama bin Ladens al-Quaida gehörenden Verteidiger über die pakistanische Grenze absetzen. Auch der Islamistenführer bin Laden bleibt unauffindbar, so dass damit zu rechnen ist, dass sich die geschworenen Feinde der USA in absehbarer Zeit an anderen Schauplätzen wieder zu Wort melden werden. Für die Regierung Bush bedeutet die Flucht der Islamisten einen empfindlichen innenpolitischen Prestigeverlust, denn 62 % der Amerikaner machten einen erfolgreichen Afghanistanfeldzug von der Gefangennahme bin Ladens abhängig.

 

Die Bush-Administration und die hinter ihr stehenden Energiekonzerne lassen sich am Hindukusch jedoch nicht die Butter vom Brot nehmen. Obwohl die USA eine direkte Beteiligung an der geplanten UN-Friedenstruppe ablehnen, werden sie auch nach Einstellung der Operationen Streitkräfte in Afghanistan unterhalten. Versuche Großbritanniens, dem Central Command der US-Streitkräfte den Oberbefehl über die geplante UN-Friedenstruppe ISAF zuzuschanzen, scheiterten am Widerstand der BRD und Frankreichs. Die Mission hat Kompromisscharakter: Für die ersten 3 Monate wird Großbritannien (als aktive Kriegspartei!) die Führung übernehmen und sie dann möglicherweise an den engen US-Verbündeten Türkei abgeben. Im Ernstfall kann ISAF dem US-Oberbefehl unterstellt werden, ansonsten hat sie sich aus den anglo-amerikanischen Militäroperationen gegen die Taliban und die al-Quaida herauszuhalten. Gegen den Willen der afghanischen Übergangsregierung stattete der UN-Sicherheitsrat die neue Protektoratstruppe mit einem sogenannten robusten Mandat aus. Die Einheiten sind schwer bewaffnet und ermächtigt, zur Herstellung von Ruhe und Ordnung Gewalt anzuwenden. Bis auf die Angehörigen von Polizei und Spezialeinheiten soll die Bevölkerung Kabuls entwaffnet werden, alle Nordallianz-Kämpfer haben die afghanische Hauptstadt zu verlassen. Mit 3-5000 Soldaten wird ISAF den Schutz der Übergangsregierung übernehmen. Die Lage in dem zerrissenen Land wird zusehends unübersichtlicher, da sich im Raum Kandahar und im nordafghanischen Pol-e-Khomri rivalisierende Warlord-Verbände schwere Gefechte lieferten. Zudem hat sich Usbekenführer Dostum nachdrücklich gegen die Anwesenheit ausländischer Truppen in Afghanistan ausgesprochen und findet dabei offensichtlich Anklang bei den schiitischen Hazara – der Zusammenhalt der Nordallianz schwindet dahin.

 

Am Rande der NATO-Verteidigungsministerkonferenz in Brüssel wurde von Bundeskriegsminister Scharping (zur nicht geringen Verärgerung der US-Regierung) kolportiert, nur noch Narren würden einen amerikanischen Angriff auf Somalia ausschließen. Die Frage sei nur noch, wann und mit welchen Mitteln Washington losschlagen werde. US-Verteidigungsminister Rumsfeld eröffnete seinen Kollegen, der Kampf gegen den „Terrorismus“ sei noch nicht zu Ende. Als „harte und schmutzige Arbeit“ müsse man den Kampf dorthin tragen, wo sich Terroristen befänden. In diesem Zusammenhang wurden namentlich Somalia, der Jemen und der Sudan als Schlupfwinkel der al-Quaida genannt. Weitere Aktionen wollen die Amerikaner laut Rumsfeld notfalls auch ohne UN-Mandat durchführen. Das Auswärtige Amt in Berlin hingegen sprach von „absonderlichen Meldungen“ und erklärte, man wisse nichts von einer Ausweitung des „Krieges gegen den Terror“ auf Somalia. Ganz so ahnungslos dürfte man in bundesdeutschen Regierungskreisen nicht sein, denn die Bundesmarine wird in Kürze einen Flottenverband ans Horn von Afrika entsenden, um die Amerikaner zu unterstützen.

 

Eine seit Jahren andauernde Wirtschaftskrise, Machenschaften international operierender Spekulanten und die Politik des IWF stürzten mit Argentinien eines der potentiell reichsten Länder Lateinamerikas ins Chaos. Mit 7700 Dollar weist der Staat das höchste Pro-Kopf-Einkommen Lateinamerikas auf. Finanzminister Domingo Cavallo leitete die offene Krise ein, indem er einen Großteil der Bankguthaben einfror. Jeder Konteninhaber durfte fortan nur noch umgerechnet 250 Dollar pro Woche abheben, Zahlungen ins Ausland wurden nur noch im Rahmen von Handelsgeschäften und bei begründeten Verpflichtungen genehmigt. Die „Finanzmärkte“ reagierten prompt und bescherten den argentinischen Anleihen massive Kursverluste. Festzuhalten bleibt, dass es vor Cavallos Maßnahmen zu Attacken sogenannter Geier-Fonds gegen den Peso kam – die Finanzwelt spekulierte offen auf eine Abwertung der Landeswährung und löste Kursverluste aus. Nicht ganz zufällig verabschiedeten sich kurz zuvor die internationalen Gläubigerbanken aus dem vereinbarten Umschuldungsplan (Tausch der Schuldtitel in hochverzinste Staatsanleihen). Als an einem einzigen Tag 400 Millionen Dollar abgehoben wurden, um sie im Ausland anzulegen, musste Cavallo die Notbremse ziehen. Bislang war der argentinische Peso zwecks Inflationsverhinderung im Verhältnis von 1: 1 an den US-Dollar gebunden, und Buenos Aires gingen die Dollarreserven aus – verpulvert im Schuldendienst. Argentinien, die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas, ist bei einem BSP von 290 Millliarden mit 132 Milliarden Dollar verschuldet.

 

Zum Fürsprecher der Spekulanten machte sich IWF-Direktor Horst Köhler, der bereits im November auf eine Abwertung oder besser gleich auf die Einführung des Dollar als Landeswährung und damit die indirekte Herrschaft der US-amerikanischen Bundesbank drängte. Der IWF destabilisierte mit seinen Auflagen das Land seit geraumer Zeit. Durch die Dollarbindung stiegen die Preise für Konsumgüter, während im Rahmen der von Köhler geforderten „Reformen“ die Gehälter durch Staat und Unternehmen um 10 % gekürzt wurden. Mittlerweile leben 40 % der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, und zu allem Überfluss beabsichtigte die neoliberale Regierung noch, die Kassen der erst 1994 eingeführten privaten Altersrenten zugunsten des Schuldendienstes zu plündern. Die Arbeitslosigkeit liegt bei weitestgehend nicht vorhandener Arbeitslosenunterstützung bei offiziell 18 %. Weitere Probleme sind die Beeinträchtigung der Exportindustrie durch die Dollarbindung und die Deckung der Haushaltslücken auf Geheiß des IWF durch rücksichtslose Privatisierungen. Den Gnadenstoß versetzte New York der argentinischen Volkswirtschaft, indem der IWF die Auszahlung einer für den Umschuldungsplan unerlässlichen Kredittranche von 1,3 Milliarden Dollar verweigerte – der Staatsbankrott steht vor der Tür. Die argentinische Regierung kündigte einen rigiden Sparhaushalt und steuerliche Mehrbelastungen der Unternehmen an, um der Krise aus eigener Kraft Herr zu werden. Die gespannte soziale Lage entlud sich in Massenprotesten gegen die Wirtschaftskrise und die soziale Ungerechtigkeit. In den Städten kam es zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten, Plünderern und der Polizei. Der liberale Präsident Fernando de la Rua verhängte den Ausnahmezustand für 30 Tage Dauer und feuerte seinen Wirtschaftsminister Cavallo als Bauernopfer. Die peronistische Opposition, die nach den letzten Wahlen beide Kammern des Kongresses beherrschen und 13 der 24 Bundesstaaten regieren, sprach sich offen für den Sturz de la Ruas aus und lehnten die Mitarbeit in der Regierung ab. Ein machtvoller Generalstreik, der 8. seit de la Ruas Amtsantritt vor 2 Jahren, legte das Wirtschaftsleben lahm. dem mindestens 27 Tote, 400 Verletzte und 500 Festnahmen registriert wurden, demissionierte Fernando de la Rua als Staatsoberhaupt. Damit rückte der peronistische Senatspräsident Ramón Puerta zum neuen Präsidenten auf.

 

Erwartungsgemäß beendeten SPD und PDS ihre Koalitionsverhandlungen für das Bundesland Berlin erfolgreich. Das Regierungsprogramm ist angesichts der chaotischen Haushaltslage Berlins von drastischen Einsparungen im Personalbereich in Höhe von 2 Milliarden DM und Kürzungen in allen Politikbereichen geprägt. Trotz der Sparbeschlüsse wird man nicht umhinkommen, alleine bis 2003 13,4 Milliarden DM Neukredite aufzunehmen – das Bundesland ist mit 80 Milliarden DM verschuldet. Mit dem Verkauf von Landeseigentum und Staatsbeteiligungen beugen sich Sozialdemokraten und Sozialisten dem Globalisierungs- und Liberalisierungswahn. Für die Einwohner zeichnen sich deutliche Mehrbelastungen ab: Mietanstieg durch Erhöhung der Grundsteuer, Konzessionsabgabe auf Wasser für jeden Haushalt usw. Über die Verteilung der Senatorenposten wird im Januar entschieden. Ungeachtet aller sozialistischen Phraseologie ist die PDS nunmehr mitten in der „Berliner Republik“ angekommen und fügt sich auch deren Grundaxiomen – sozialem Kahlschlag und Abwälzung der Lasten auf den Endverbraucher.

 

Die in Washington ansässige Bildungsorganisation PREAL bescheinigte in einer Studie der Grundschulbildung Lateinamerikas einen mangelhaften Zustand. Löbliche Ausnahme ist der sozialistische Inselstaat Kuba, obwohl das Land unter einem völkerrechtswidrigen US-Embargo und dem Verlust der alten Handelspartner im Ostblock schwer zu leiden hat. Fast alle kubanischen Grundschüler absolvieren die 5. Klasse, was dem Niveau Chinas entspricht. Spätestens seit 1997 liegt die Einschulungsquote bei 100 % - höher als in den USA. Mit einem Lehrer-Schüler-Verhältnis von 1:12 ist für optimale Bedingungen gesorgt. Hinsichtlich Mathematik und Sprachkenntnissen sind die kleinen Kubaner ihren Altersgenossen aus allen anderen lateinamerikanischen Staaten überlegen. Bildungsmäßig kann der Insel laut PREAL das Niveau eines Industriestaates bescheinigt werden.

 

Seit mehr als 9 Monaten läuft in Moabit der Schauprozess gegen 5 Aktivisten der Untergrundorganisation Revolutionäre Zellen. Die Angeklagten sitzen seit beinahe 2 Jahren in U-Haft, da angeblich Fluchtgefahr bestehe. Einziges Beweismittel der Staatsgewalt sind die an den Haaren herbeigezogenen Aussagen des Kronzeugen Tarek Mousli, der trotz erheblicher Belastung Ende 2000 zu 2 Jahren auf Bewährung verurteilt wurde und seitdem vom BKA monatlich 2400 DM zuzüglich Pkw, Telefon und Spesen kassiert. Auf Geheiß des Bundeskriminalamtes tätigten mehrere Zeugen Falschaussagen, um Mousli zum Mitläufer herunterzustilisieren und seinen Einsatz zu ermöglichen. Entsprechende Abhörprotokolle wurden der Verteidigung bis vor kurzem vorenthalten, entlastende Zeugenaussagen zugunsten der Angeklagten kehrte das Gericht unter den Teppich. In mindestens drei Fällen machte Mousli eindeutige Falschaussagen gegen die Angeklagten, zudem ließ das BKA Lichtbilder verschwinden, anhand derer Tatzeugen (und Opfer!) der RZ-Anschläge völlig andere Personen identifizierten. Der angeblich im Berliner Mehringhof sichergestellte Sprengstoff wurde später von BKA-Beamten untergeschoben; Videoaufzeichnungen der zwei ergebnislosen Durchsuchungen des linken Logistikzentrums kamen im BKA ebenfalls abhanden. Der Schweizer Rechtsanwalt Marcel Bosonet als Prozessbeobachter kritisierte den Schauprozeß in scharfen Worten. Das Verfahren zeichne sich durch einen „höchst intransparenten Verlauf“ aus, was der Kronzeugenregelung und Unterschlagung von Beweismaterial zu verdanken sei. Bei dem RZ-Prozeß handele es sich um ein politisches Verfahren, und Gericht und Staatsanwaltschaft seien auf eine Verurteilung ausgerichtet.

 

Der EU-Gipfel auf Schloß Laeken bei Brüssel demonstrierte Einmütigkeit – offenbar, um das Tauziehen auf dem Nizza-Treffen im vergangenen Jahr vergessen zu machen. Beschlossen wurden unter anderem die Einführung eines EU-weiten Haftbefehls sowie die Schaffung einer EU-Lebensmittelbehörde. Letzteres ist eine Forderung von Gentechnik-Konzernen wie der bundesdeutschen Aventis oder dem US-Riesen Monsanto, die über eine Zentralbehörde einfacher an eine europaweite Zulassung für ihre manipulierten Nahrungsmittel kommen werden. Bezeichnend forderte vor allem das unter der Fuchtel der Mafia-Regierung Berlusconi stehende Italien die Ansiedelung der Behörde auf seinem Territorium. In der Verfassungsgeschichte geradezu einmalig nimmt sich die Einsetzung eines Verfassungskonvents aus. Dieses Gremium aus 100 ernannten Vertretern von Regierungen, Parlamenten, EU-Kommission, EU-Rat und der Beitrittskandidaten soll bis 2004 einer neuerlichen Gipfelkonferenz seine Ergebnisse vorlegen. Vorgesehen sind Kompetenzabgrenzung zwischen EU und Mitgliedsländern, Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen sowie Erweiterung der Befugnisse von EU-Kommission, EU-Rat und Europaparlament. Unter normalen Umständen obliegt die Ausarbeitung von Verfassungen einer gewählten Versammlung, aber mit derartigen Abweichungen von rechtlichen Normen sollten gerade die Bundesdeutschen vertraut sein. Unter den 100 Konventsmitgliedern werden sich nur 30 gewählte Abgeordnete der nationalen Parlamente befinden, aber als Beruhigungspille wurden Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Hochschulen zur Beteiligung an einem „Forum“ eingeladen. Als Vorsitzender des Konvents fungiert der ehemalige französische Präsident Valéry Giscard d`Estaing. Die Zeichen der Zeit waren zu erkennen, als die Polizei eine Protestkundgebung von Globalisierungsgegnern aus heiterem Himmel angriff, eine Reihe von Demonstranten festnahm und die Arbeit von Polizeikritikern und Anwälten behinderte.

 

Nach der Ermordung William Stobies, des wichtigsten Zeugen in der Mordsache Finucane, durch die loyalistischen Red Hand Defenders oder einen britischen Nachrichtendienst, tauchte der in die Affäre verwickelte Ken Barrett, wie Stobie ehemaliges Mitglied der Ulster Defence Association, unter. Im Rahmen einer von der nordirischen Staatsschutzpolizei RUC Special Branch geleiteten Operation ermordete Ende der 80er Jahre eine loyalistische Todesschwadron den bekannten katholischen Rechtsanwalt Pat Finucane. Wie unlängst bekannt wurde, vernichtete die RUC in den auf den Mord folgenden Jahren mehrfach bedeutsames Beweismaterial wie Tonbandaufzeichnungen. In loyalistischen Kreisen geht die Sorge um, die gegenwärtige Führung der UDA könnte gemeinsam mit der Special Branch bestrebt sein, ehemalige Doppelagenten für immer zum Schweigen zu bringen. Als weiterer Doppelagent wurde dieser Tage Kevin Fulton enttarnt. Fulton warnte seinerzeit die Polizei vor dem geplanten Bombenanschlag der Real IRA in Omagh und bangt angesichts erhaltener Morddrohungen um sein Leben. Die Sicherheitsorgane verweigerten ihm – wie auch Stobie – eine Schusswaffe zur Selbstverteidigung – Tote können keine unangenehmen Aussagen mehr machen. Im Jahr 1998 wurde in Omagh ein brutaler Bombenanschlag mit 29 Toten durch zwei innerhalb der Real IRA aktive Agenten des britischen Inlandsnachrichtendienstes MI 5 organisiert und durchgeführt, um die republikanischen Hardliner effektiv zu diskreditieren und eine noch tiefergehende Spaltung der verhandlungsbereiten Provisional IRA zu verhindern.

 

Das 1. Bundeslagebild Wirtschaftskriminalität zeichnet nicht überraschend ein unerfreuliches Bild. Im Jahr 2000 wurde durch – entdeckte – Wirtschaftsstraftaten ein volkswirtschaftlicher Schaden von mehr als 10,5 Milliarden DM verursacht. Bei einem Anteil von nur 1,5 % an der Gesamtkriminalität sind Wirtschaftsdelikte für knapp 60 % des registrierten Gesamtschadens aller in der BRD verübten Straftaten verantwortlich. Im Berichtszeitraum stellten die Sicherheitsorgane im Rahmen des Kampfes gegen die Organisierte Kriminalität Vermögenswerte von mehr als 583 Millionen DM sicher. Der Umfang der staatlichen Abschöpfungsmaßnahmen aus diesem nicht mehr wegzudenkenden volkswirtschaftlichen Segment versechsfachte sich zwischen 1997 und 2000 von 150 Millionen auf ca. 1 Milliarde DM. Seit 1993 ging die insgesamt registrierte Kriminalität um 9 % zurück, aber die Wirtschaftsdelikte steigerten sich seitdem um 50 %. Nach dem Drogenhandel stellt Wirtschaftskriminalität den zweitwichtigsten Aktivitätsbereich organisierter Verbrechersyndikate in der BRD dar.

 

Die OECD veröffentlichte die Ergebnisse ihre begleitend zur gerade für die BRD verheerend ausfallenden PISA-Studie durchgeführten Schülerbefragungen. Kritisiert werden vor allem das zunehmende Desinteresse der Lehrerschaft an etwaigen Erfolgen ihres Unterrichtes sowie ein erschreckender Kommunikationsmangel zwischen Schülern und Eltern. Nur noch knapp 40 % der bundesdeutschen Eltern reden regelmäßig mit ihren Kindern über schulische Angelegenheiten. In den Niederlanden sind es 60 %, in Italien sogar 80 %. Bereits 20 % aller Schüler (OECD-Mittel 10 %) sind der Ansicht, die Lehrer würden sich nicht am Lernerfolg aller Klassenangehörigen gleichermaßen interessiert zeigen. Zudem gebe es Defizite in puncto Hilfestellung durch die Lehrer und Berücksichtigung individueller Bedürfnisse.

 

Die indische Regierung drohte dem Nachbarland Pakistan als Konsequenz aus dem islamistischen Terroranschlag auf das Bundesparlament in Neu-Delhi mit massiven Vergeltungsmaßnahmen. Gemeint waren offensichtlich Luftschläge gegen Einrichtungen islamistischer Untergrundorganisationen auf pakistanischem Boden. Die Guerrilleros führen seit 1989 einen blutigen Kampf gegen die indische Fremdherrschaft im mehrheitlich muslimischen Kaschmir, dem bislang rund 35.000 Menschenleben zum Opfer fielen. Pakistan, wie Indien dem Kreis der Nuklearmächte zugehörig, versetzte daraufhin seine Streitkräfte in Alarmbereitschaft. Neu-Delhi lastete der pakistanischen Führung infolge ihrer Unterstützung islamistischer Untergrundbewegungen die Mitverantwortung für den Anschlag an. Pakistans Diktator Musharraf wiederum verlangte eindeutige Beweise, ehe er gegen die Islamisten vorgeht. Indien verschärfte die Spannungen durch ein Aufschließen seiner Truppen gegen die Demarkationslinie im Kaschmir und die Inmarschsetzung von Verstärkungen. Die indische Regierung wird zum Jahreswechsel ihren Botschafter zur Berichterstattung abberufen sowie die Bus- und Bahnverbindungen nach Pakistan kappen. In mehreren indischen Städten kam es zu schweren Zusammenstößen zwischen Hindus (83 % der Gesamtbevölkerung) und Muslimen (11 %). Nachdem entlang der Waffenstillstandslinie immer neue Gefechte und Artillerieduelle entbrannten, erscheint es nicht mehr unwahrscheinlich, dass der erste begrenzte Atomkrieg vor der Tür steht. Friedensappelle der USA wurden von der indischen Regierung zurückgewiesen. Erst kürzlich testete Indien seine auch für Atomsprengköpfe geeignete neue Mittelstreckenrakete Prithvi II.

 

Zwischen 1991 und 2000 sind nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes die realen Nettoeinkommen um 1 % gesunken. Ein noch weitergehender Rückgang wurde durch den ungebrochenen Trend zu kleineren Haushalten verhindert. Der Anstieg der Nettoeinkommen um 21 % war nicht ausreichend, um mit der allgegenwärtigen Verteuerung bzw. der Abgaben- und Steuerlast mitzuhalten. Je nach Haushaltsgruppe zeigen sich im Klassenstaat BRD deutliche Unterschiede. Selbständigenhaushalte steigerten ihr durchschnittliches Nettoeinkommen von 140.600 auf 173.000 DM. Es folgen die Beamtenhaushalte mit 76.500 DM, die Angestelltenhaushalte mit 69.000 DM und die Arbeiterhaushalte mit 56.400 DM. Menschen ohne Arbeitsplatz erzielen mit 40.300 DM das geringste durchschnittliche Nettoeinkommen. In Berlin gelten mittlerweile 10 % aller Haushalte als überschuldet. Die Zahl der betroffenen Haushalte steigerte sich von 100.000 im Jahr 1998 auf bis zu 180.000 im Jahr 2001. In einigen Bezirken hat sich der durchschnittliche Schuldenberg von Klienten der Schuldnerberatung seit 1996 von 17.000 auf 66.000 DM erhöht. Hauptsächlich betroffen sind kinderreiche Familien, Alleinerziehende, Landzeitarbeitslose, Existenzgründer und Jugendliche. Eine tatsächliche Entschuldung gelingt nur in 10 bis 20 % der Fälle. BRD-weit haben bereits 360.000 junge Menschen im Alter von 18 und 19 Jahren einen Kredit aufgenommen. Das Missverhältnis zwischen steigenden Mieten und sinkenden Realeinkommen wirkt sich auch auf dem Wohnungsmarkt aus: Seit 1996 steigerte sich beispielsweise in Hamburg die Zahl der Räumungsklagen um 44,6 %, im laufenden Jahr wurden mehr als 6000 Mieter auf diesem Wege auf die Straße gesetzt.

 

Obwohl durch die Ereignisse in Afghanistan weitgehend aus den Medien verdrängt, ist der albanische Untergrund in Mazedonien weiterhin aktiv. Im Nordwesten Mazedoniens halten Untergrundkämpfer der AKSh eine Reihe von Dörfern besetzt, bei Rataje kam es zu einem Gefecht mit mazedonischen Polizeieinheiten. Staatspräsident Trajkovski hat mittlerweile 55 der 88 inhaftierten albanischen Partisanen begnadigt, auf die übrigen werden wohl ungeachtet der im Friedensabkommen festgeschriebenen Amnestie Prozesse wegen Kriegsverbrechen und krimineller Delikte zukommen. Geradezu ermutigt wurde der albanische Nationalismus dieser Tage durch das mit UN-Richtern besetzte Oberste Gericht in der Kosovo-Hauptstadt Pristina. Die Justiz setzte 3 albanische Terroristen auf freien Fuß, die im Februar bei einem Bombenanschlag auf einen serbischen Reisebus 11 Personen ermordeten. Die Begründung lautete auf „Mangel an Beweisen“, da die UN-Protektoratsverwaltung im Kosovo nicht fähig oder willens ist, den ethnischen Säuberungen durch die ehemalige UCK entgegenzutreten.

 

Das österreichische Verfassungsgericht lieferte dem Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider Anlaß, sich erneut durch Appelle an den chauvinistischen Wahn in den Vordergrund zu spielen. Das Gericht weitete in einem Urteil die Regelung, in zu mindestens 25 % von Angehörigen der slowenischen Minderheit bewohnten Orten zweisprachige Ortsschilder aufzustellen, auf alle Orte mit einem slowenischen Bevölkerungsanteil von 10 % aus. Haider provozierte einen schweren Verfassungskonflikt, indem er sich weigerte, das bindende Urteil anzuerkennen, und ordnete die Entfernung der aufgrund des Spruches bereits angebrachten zweisprachigen Schilder an. Außerdem forderte er die slowenische Minderheit öffentlich auf, ihres verfassungsmäßigen Rechtes auf zweisprachige Ortsschilder zu entsagen. In der Diktion des Rechtspopulisten Haider handelt es sich bei der Gerichtsentscheidung um eine Verschwörung zwischen dem Verfassungsgerichtspräsidenten Adamovich und dem slowenischen Ministerpräsidenten Kucan. Nun sollte man sich jedoch hüten, den instinktsicheren Kärntner als paranoiden Verschwörungstheoretiker abzustempeln: Mit seinem Antislawismus knüpft Haider an alte österreichische Traditionen an. Der Argwohn der deutschsprachigen Kärntner wurde allerdings durch die Versuche von 1919 und 1945, das Land an Jugoslawien anzuschließen, nicht gerade abgemildert.

 

 

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