Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 28. Oktober bis 3. November 2000

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Linksextreme Krawalle in Düsseldorf und Kassel

BND-Konferenz zur Information Warfare

NPD-Verbotsantrag in der Kritik

Ziviler Widerstand im Baskenland

Soziale Ungerechtigkeit nimmt zu

ETA und Politik

Jugoslawien wieder UNO-Mitglied

ETA tötet spanischen Militärrichter

Rußland und China bauen Zusammenarbeit aus

USA lockern Sanktionen gegen Kuba

EU-Rußland-Gipfel

BRD-Bildungssystem nur Mittelmaß

Verfassungsklage gegen Euro

Nader als Konkurrenz für Gore

Loyalistische Kritik an der RUC-Debatte

Langsame Entspannung in Nahost

Machtkampf UUC-Sinn Féin

PDS streitet über linken Patriotismus

Schlagabtausch zwischen UVF und UDA

Kolumbien vor dem wirtschaftlichen Kollaps

Hintergründe der Eskalation in North Belfast

Rugova gewinnt Kosovo-Wahlen

Loyalistische Extremisten weiter aktiv

StA Saarbrücken nimmt Leuna-Ermittlungen auf

 

Zitat der Woche:
"Lasst greise des erworbnen guts sich freuen
Das ferne wettern reicht nicht an ihr ohr.
Doch alle jugend sollt ihr sklaven nennen
Die heut mit weichen klängen sich betäubt
Mit rosenketten überm abgrund tändelt.
Ihr sollt das morsche aus dem munde spein
Ihr sollt den dolch im lorbeerstrausse tragen
Gemäss in schritt und klang der nahen Wal."
- Stefan George

Im Rahmen der Kundgebung gegen den Aufmarsch der Freien Nationalisten in Düsseldorf verkündete Paul Spiegel, seines Zeichens Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland: "Wir sind hier die übergroße Mehrheit, und wir lassen uns die Freiheit nicht nehmen, gegen diesen Pöbel aufzustehen." Der von Spiegel propagierte Ruck durch die Bevölkerung blieb nicht aus: Aus einer vor allem von PDS und AStA organisierten Parallelkundgebung heraus kam es zu wiederholten Versuchen von 1500 militanten Anti-Faschisten, die "rechte" Kundgebung zu stören. Erneut endeten die Störversuche in Zusammenstößen mit der Polizei, wobei 210 wehrhafte Demokraten und 21 Freie Nationalisten vorübergehend festgenommen wurden. In Kassel überrannte ein 150 Köpfe starker militanter Block Polizeiabsperrungen und erzwang mit Sitzblockaden die Umleitung des "rechten" Demonstrationszuges. Ein Brandanschlag auf die Parteizentrale der NPD scheiterte kläglich, wogegen in Spandau ein nationaldemokratischer Infostand gestürmt wurde.

 

FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle übte heftige Kritik am geplanten Verbotsantrag gegen die NPD. Das Material der Bund-Länder-Kommission enthalte keinerlei Neuigkeiten, es sei ein "Totalausfall" und "erschreckend" dünn. Zur Genehmigung des von Westerwelle als rein kosmetische Maßnahme (wohl vorwiegend aus außen- und wirtschaftspolitischen Gründen, der Verfasser) definierten Verbotsantrages müsse das Bundesverfassungsgericht die Meßlatte für Parteiverbote deutlich nach unten senken. Der FDP-Kronprinz forderte Schily auf, die Akten der Öffentlichkeit zugängig zu machen, und konstatierte, das Bundesministerium des Inneren fürchte eine öffentliche Diskussion seines schwachen Belastungsmaterials. Die Grünen kritisierten Schilys Vorgehensweise und das Verbotsverfahren ebenfalls als reine Kosmetik. Schily untermauert seine Papiere mit dem Hinweis auf die 350 laufenden Ermittlungsverfahren (davon 270 Propagandadelikte) gegen NPD-Mitglieder - wir warten auf die Erklärung der CDU zur kriminellen Vereinigung anhand der Spendenaffäre. Rechtexperten und Bund-Länder-Arbeitsgruppe sind sich keinesfalls sicher, ob Karlsruhe auch bei ausreichender Beweislast ein Parteiverbot erläßt: Zahlenmäßige Schwäche, marginale politische Bedeutung und unerhebliche Wahlerfolge machen das Urteil zu einer Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel.

 

Einer Untersuchung des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken zufolge stieg 1999 das Privatvermögen der Bevölkerung auf 12,8 Billionen DM an. Davon entfielen 7,45 Billionen DM auf Wohneigentum und 1,38 Billionen DM auf sonstige Anlagen, womit wohl klar wäre, welche Bevölkerungsgruppen vom rot-grünen Aufschwung profitieren. Geradezu lachhaft mutet die statistische Angabe an, die Privathaushalte besäßen im Durchschnitt ein Nettovermögen von 342.000 DM. Das Bundesarbeitsministerium legte seinen ersten Armuts- und Reichtumsbericht vor, nach dem sich der Wohlstand in der BRD immer ungleichmäßiger verteilt. Im Jahr 1998 verfügten 1,1 Millionen Haushalte über ein Jahresbruttoeinkommen von mehr als 130.000 DM, also mehr als das Doppelte des Durchschnittsverdienstes. Hinzu kommt ein großes Privatvermögen, mit dessen Hilfe diese 3 % der Bevölkerung ihren Anteil am Immobilien-, Geld- und Wertpapiervermögen zwischen 1993 und 1998 von 14 auf 15,4 % ausbauten. Damit verfügt diese Oberschicht über mehr als 8 % des gesamten Nettovolkseinkommens. Rund 27.000 Personen in der BRD wiesen 1995 ein Jahreseinkommen von mehr als 1 Million DM auf. Demgegenüber müssen 20 % der Bevölkerung mit weniger als 60 % des Durchschnittseinkommens auskommen - im Osten gilt dies sogar für ein Drittel. Nur ein Viertel dieser Armen leidet unter Arbeitslosigkeit. Zwischen 1993 und 1998 stieg der Anteil der Menschen, die trotz eines Arbeitsplatzes als arm gelten, von 38 auf 44 %. Alleine im Westen ist die Zahl der überschuldeten Haushalte zwischen 1989 und 1997 von 1,2 auf 2,1 Millionen gestiegen, hinzu kommen 580.000 weitere Haushalte in den neuen Ländern.

 

Auf Antrag Kostunicas, mit Unterstützung der EU und auf einstimmige Empfehlung des UN-Sicherheitsrates ist die Bundesrepublik Jugoslawien als 190. Mitglied in die Vereinten Nationen aufgenommen worden. Belgrad nahm damit seinen seit 1992 verwaisten Sitz in New York wieder ein. Der Siegerstaat Jugoslawien gehörte 1945 zu den UN-Gründungsmitgliedern. Die USA bereiten nunmehr die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen vor.

 

Der russische Ministerpräsident Michail Kasjanow trat einen zweitägigen Staatsbesuch in China an. Moskau und Peking unterzeichneten ein neues Handelsabkommen sowie ein Dutzend weitere Vereinbarungen über die wirtschaftliche, militärische, technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit. Die Volksrepublik ist am Erwerb des russischen Frühwarnflugzeuges A 50 interessiert. Im Gespräch sind ebenfalls russische Erdgaslieferungen sowie der Bau neuer Pipelines in Zentralasien. Im den ersten 9 Monaten dieses Jahres wuchs der russisch-chinesische Handel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 42,6 %.

 

Auf dem EU-Rußland-Gipfel in Paris lehnte der russische Präsident Putin - unter Anerkennung einer politischen Lösung - erneut jegliche Verhandlungen mit dem tschetschenischen Widerstand kategorisch ab. Der französische Philosoph André Glucksmann bemerkte treffend, Exzesse wie diejenigen der Russen in Grosny habe es seit dem Wüten der Hitler-Truppen in Warschau 1944 auf europäischem Boden nicht mehr gegeben. Dessen ungeachtet vereinbarten Putin, sein französischer Amtskollege Chirac und EU-Kommissionspräsident Prodi, verstärkt in der Sicherheitspolitik zusammenzuarbeiten. Nach dem EU-Gipfel von Nizza soll Moskau vermehrt in das europäische Krisenmanagement eingebunden werden. Rußland sicherte ferner zu, seine Erdöl- und Erdgaslieferungen an die EU zu vergrößern.

 

Angesichts eines Absturzes ins Bodenlose, katastrophaler Umfragewerte und vernichtender Kritik der Finanzmärkte an Duisenberg bequemte sich die EZB, zugunsten des Euro zu intervenieren. Zwar wurde die Situation hierdurch vorübergehend entschärft, doch die Europäische Zentralbank sollte sich davor hüten, die gegenwärtige Stabilisierung als ihr Verdienst zu verkaufen. Weitaus wichtiger dürften sich die schlechten Wirtschaftsdaten aus den USA und vor allem ein Schachzug des Irak ausgewirkt haben. Saddam Hussein setzte nämlich mit der Drohung eines Exportstops seine Forderung durch, fortan die irakischen Erdöllieferungen in Euro anstelle des ungeliebten US-Dollar abzurechnen. Die als Eurogegner bekannten Professoren Hankel und Schachtschneider haben eine Verfassungsklage gegen die EU-Währung angekündigt. Das Bundesverfassungsgericht befand nämlich 1993, die Stabilität des Euro sei die Geschäftsgrundlage für die Umsetzung der Währungsunion. Stabilitätskritterium war eine Inflationsrate von höchstens 2 % - sie liegt mittlerweile bei 2,8 %. Hankels Begründung lautete: "Der schwache Euro hat unsere Wirtschaft mindestens 18 Monate in ihrer Entwicklung zurückgeworfen. Zwar floriert das Exportgeschäft in den Dollar-Raum, weil deutsche Erzeugnisse außerhalb der Euro-Zone billig sind, aber das betrifft nur etwa 20 Prozent der Gesamtausfuhr. Die drastisch gestiegenen Importpreise belasten dagegen alle Unternehmen." Auch Ex- Finanzminister Hans Apel (SPD), heute Professor für europäische Integration an der Uni Rostock, gehört zu den Euro-Skeptikern: "Mit der Mark gäbe es heute keine Währungssorgen in Deutschland."

 

Billy Mitchell, ein PUP/UVF nahestehender nordirischer Publizist, bemerkte zur Diskussion um die überfällige Reform der Polizeitruppe RUC, diese habe nichts mit Ideologien oder praktischer Politik zu tun und könne daher problemlos durch Kompromisse beigelegt werden. Ein Namenswechsel ändere nichts, vielmehr sei eine neue und effektive Polizei- und Justizphilosophie für Nordirland vonnöten. Diese fußt nach wie vor auf dem Vergeltungsprinzip anstatt auf Ausgleich und Wiedergutmachung. An die Adresse der Unionisten geht der Hinweis, der neue Police Service (N.I.) werde so britisch sein wie jeder Polizeidienst in England, Wales und Schottland. Auf der anderen Seite beharren die Republikaner plötzlich auf der Bezeichnung Nordirland, die sie für gewöhnlich strikt ablehnen. Beide Seiten lenken die Aufmerksamkeit der breiten Masse von den strukturellen Ungerechtigkeiten ab, um die sie sich eigentlich kümmern sollten.

 

In Belfasts Waterfront Hall trat der Ulster Unionist Council zusammen, um auf Betreiben der Hardliner um Jeffrey Donaldson über das politische Schicksal von David Trimble zu entscheiden. Trimble vereint die Ämter des nordirischen Regierungschefs und des Vorsitzenden der Ulster Unionist Party in seiner Person. Nur durch umfangreiche Zugeständnisse an die Hardliner konnte er mit 445 zu 374 Stimmen seinen Hals aus der Schlinge ziehen. Beispielsweise wurde die Polizeireform bis auf weiteres auf Eis gelegt, und ungeachtet der Tatsache, daß die IRA bereits eine erneute Inspektion einiger Arsenale zugelassen hatte, forderte Trimble die republikanischen Paramilitärs zu engerer Zusammenarbeit mit der Entwaffnungskommission bis hin zu monatlichen Waffeninspektionen auf. Um diese zu erzwingen, schloß er die zwei Sinn Féin-Minister in seiner Regierung bis auf weiteres von der Mitarbeit in nordirisch-irischen Ministerkonferenzen aus. Ferner wird Trimble die weitere Mitarbeit in der Ministerkonferenz und im Britisch-Irischen Rat schrittweise einstellen. Diese Maßnahmen erwiesen sich als Bumerang. Von der IRA wird jetzt wohl kaum ein weiteres Entgegenkommen zu erwarten sein, so daß auf dem für Januar angesetzten nächsten Treffen des Council mit dem Sturz Trimbles zu rechnen ist. Sowohl die irische Regierung als auch die gemäßigte SDLP bestritten Trimbles Recht zu einer solchen Anordnung, die dem Geist des Karfreitagsabkommen diametral entgegengesetzt sei. Séamus Mallon (SDLP) als nordirischer Vizregierungschef bemerkte, nicht der Ulster Unionist Council bestimmte die Regierungspolitik in Belfast. Folgerichtig hielten Sinn Féins Gesundheitsministerin Bairbre de Brún und ihr irischer Kollege Michael Martin im Beisein von Mallon trotz des Trimble-Verbotes ihre Konferenz über Gesundheitsfragen in Enniskillen ab. Durch die Teilnahme eines UUP-Vertreters erhält die Sanktion geradezu lächerlichen Charakter.

 

Die Rivalität zwischen den loyalistischen Paramilitärs von Ulster Volunteer Force und Ulster Freedom Fighters/Ulster Defence Association führte zu einem neuen blutigen Schlagabtausch in Belfast. Nachdem UDA-Einheiten 17 der Konkurrenz nahestehende protestantische Familien in North Belfast vertrieben, intervenierte die UVF und erschoß das UFF-Mitglied David Greer. Bereits vor Greers Tod forderte die Rivalität 3 Todesopfer, während 300 zumeist der UVF und ihrem politischen Flügel, der Progressive Unionist Party, nahestehende Familien aus ihren Häusern vertrieben wurden. Die UFF revanchierte sich für den Mord an Greer, indem sie den 63jährigen Bertie Rice ermordete. Hier handelte es sich um eine alte Rechnung, denn in den 70ern liquidierte ein UVF-Kommando unter Rice zwei UDA-Mitglieder. Der Gegenschlag bestand im Mord an Tommy English, der 1998 für die UFF/UDA nahestehende Ulster Democratic Party an den Waffenstillstandsverhandlungen teilnahm. UFF-Todesschwadronen töteten daraufhin den UVF-Aktivisten Mark Quail und verletzten seinen Kameraden Colin Gough schwer. Billy Hutchinson und David Ervine, die beiden Abgeordneten der PUP im nordirischen Parlament, führen derzeit die Todesliste der UFF an, während deren Kommandeur Adair aus der sicheren Haftanstalt von Maghaberry heraus seine Befehle erteilt und keinesfalls den juristischen Weg zur erneuten Freilassung beschreitet. Es hat den Anschein, als ob die Führungen auf beiden Seiten ihre Einheiten nicht mehr unter Kontrolle haben, denn sie versuchten verzweifelt, einen neuen Waffenstillstand herbeizuführen. Vor allem English gehörte zu den Besonnenen auf Seiten der UDA. Der Adair-Gegner war bis 1998 an der Organisation von Punishment Squads beteiligt, die gegen die allgegenwärtige Kriminalität vorgingen. Bereits im Vorfeld hatte PUP-Chef Billy Hutchinson die UDA-Führung aufgefordert, ihre Einheiten endlich von Kriminellen zu säubern und an die Kandare zu nehmen.

 

Die Hintergründe der Eskalation sind vielschichtig. Die UFF können mehr oder weniger als das 2. Bataillon der UDA-Brigade Belfast bezeichnet werden und fungierten in den 90ern als Tarnmantel für terroristische Aktionen. Einstmals waren UDA und UVF verbündet und leisteten sich mit dem Combined Loyalist Military Command sogar ein gemeinsames Oberkommando. Mittlerweile haben sich unter der Führung von Johnny "Mad Dog" Adair und seiner Konfidenten von Blood & Honour und C18 die UFF zu einer Drehschreibe von Organisierter Kriminalität und Drogenhandel entwickelt. Hinzu kommen politische Differenzen: UFF, UDA und ihre Partei UDP stehen dem Karfreitagsabkommen überaus ablehnend gegenüber und tendieren zu einem unabhängigen Nordirland. Ihre innenpolitische Einstellung kann nur als erzreaktionär bezeichnet werden. Die UVF und ihr politischer Flügel PUP, scheinbar auch dem nordirischen Ableger von Third Position nahestehend, treten für den Verbleib Nordirlands bei Großbritannien ein. Auf der anderen Seite ist man hier ehrlich an einem Ausgleich mit der katholischen Bevölkerungsgruppe interessiert und vertritt innenpolitisch das Programm einer "sozialistischen Monarchie", wenn wir einmal so formulieren dürfen. Im Anschluß an seine IRA-Geschichte (siehe Artikel und Berichte), so die Zusicherung von "Genosse" Schapke, wird er einen Aufsatz zur UVF nachreichen.

 

Die antikatholischen Ausschreitungen durch loyalistische Extremisten nahmen unterdessen ihren Fortgang. Unter anderem wurden katholische Kirchen in Derry und Dunmurry geschändet, während die Bedrohung und Vertreibung katholischer Familien sowie Anschläge auf kulturelle Einrichtungen ihren Fortgang nahmen. Vor allem im Raum Dunmurry nehmen die Vorgänge die Form einer ethnischen Säuberung an. Die Verantwortlichen dürften in den Reihen der semikriminellen LVF, ebenfalls massiv in Drogengeschäfte verwickelt, und der Orange Volunteers zu suchen sein. Die Orange Volunteers zeichneten ferner für den Bombenanschlag auf eine RUC-Patrouille in Castlewellan verantwortlich, bei dem ein Polizist lebensgefährlich verletzt wurden. Zunächst wurde die Real IRA verdächtigt, und erstmals verurteilte Sinn Féin auf Druck der Basis und der IRA eine Operation republikanischer Extremisten nicht. Auf das Konto der Orange Volunteers geht auch der Anschlag auf einen in Ermittlungen gegen loyalistische Waffengeschäfte verwickelten Polizeioffizier. Während die Loyalisten sich unbehindert austoben können, wurden die Armee- und Polizeieinheiten vor allem in den mehrheitlich katholischen Landgebieten an der irischen Grenze in Kriegsbereitschaft versetzt.

 

Die BND-Zentrale in Pullach hielt eine vielbeachtete Expertenkonferenz zum Thema Computerkriegführung ab. Bei Auseinandersetzungen wie dem Kosovokrieg oder in Palästina werden Computersysteme zunehmend zum Ziel elektronischer Angriffe. Zwischen China und Taiwan tobt seit Monaten ein regelrechter Hacker-Krieg. BND-Präsident Hanning äußerte, manche Armeen würden regelrechte Hackersoldaten ausbilden. Auch die NATO stellt sich verstärkt auf die elektronische Kriegführung via Internet ein. Von der Stromversorgung bis zum Luftverkehr ist die Industriegesellschaft immer anfälliger von der Funktion ihrer Informationsnetzte geworden und bietet beachtliche Angriffsflächen.

 

In San Sebastián demonstrierten 50.000 baskische Separatisten und Nationalisten für eine Kampagne des zivilen Ungehorsams. Die baskische Bevölkerung wurde aufgefordert, zu beiden Seiten der spanisch-französischen Grenze ihre offiziellen Papiere und Reisepässe zurückzugeben. Als Ersatz sollen die Basken von den separatistischen Gruppen ausgestellte illegale Papiere mit sich führen. Hinter der Kampagne stehen rund 50 Organisationen von Gewerkschaften bis hin zu Herri Batasuna und Eusko Alkartasuna. Anfang November verhafteten die spanischen Behörden 9 Personen, die als Organisatoren der Kampagne galten. Bei Madrid wurden bei einer Demonstration für die Zusammenlegung der ETA-Kriegsgefangenen im Baskenland 7 Teilnehmer verhaftet. Der Nationale Gerichtshof in Madrid verurteilte den ehemaligen ETA-Führer Francisco Mugica Garmendia zu 30 Jahren Haft, weil er 1989 den Befehl zur Ermordung der Staatsanwältin Carmen Tagle gegeben haben soll. Mittlerweile fordern 75 % aller Spanier lebenslange Haftstrafen ohne Aussicht auf Begnadigung und Hafterleichterung für Terroristen.

 

Ministerpräsident Aznar schürt systematisch den Volkszorn unter der nichtbaskischen Bevölkerung, um den Verbleib des Baskenlandes in spanischen Staatsverband zu sichern. Die baskische Minderheitsregierung aus PNV und EA hielt Aznar vor, den ETA-Terror zum Kampf um Wählerstimmen zu nutzen. Dem Madrider Regierungschef gehe es nicht allein um den Kampf gegen die ETA, sondern darum, die Nationalisten zu kriminalisieren und sie aus der baskischen Regierung zu verdrängen. Im Baskenland forderten unterdessen drei Stadträte der parlamentarischen Plattform Euskal Herritarrok die ETA auf, die Attentate auf "politische Feinde" unverzüglich einzustellen. EH-Vertreter informierten unlängst den baskischen Ministerpräsident Ibarretxe (PNV), daß die aus den separatistischen Jugendbewegungen hervorgegangene Generation von Untergrundkämpfern kaum noch politischer Kontrolle unterstehe und ihre Gewaltkampagne bis 2008 oder gar 2010 fortführen werde. Vergebens legte die nationalistische PNV dem EU-Gipfel in Biarritz, der sich bekanntlich auch mit der Nichtumsetzung des Karfreitagsabkommens in Nordirland beschäftigte, einen Friedensplan für das Baskenland vor. Brüssel sollte zwischen der ETA und Madrid vermitteln. Die PNV wies darauf hin, daß die Basken ebenso wie Slowenen oder Kroaten auch ein Selbstbestimmungsrecht besäßen. Im Europaparlament wurde der einzige Abgeordnete der ETA-nahen Partei Herri Batasuna niedergebrüllt und niedergepfiffen, als er die Sprache auf die Lage im Baskenland brachte.

 

In Barcelona wurden bei der Explosion einer der ETA zugeschriebenen Autobombe ein Wachmann und ein Polizist verletzt. Bei ihrem schwerwiegendsten Attentat seit 1995 liquidierte die baskische Befreiungsorganisation in Madrid den spanischen Richter José Francisco Querol Lombardero, seinen Chauffeur und einen Leibwächter. Die Autobombe verletzte ferner 64 Anwohner und Passanten, 700 Privatwohnungen wurden beschädigt. Querol war ein persönlicher Freund des spanischen Verteidigungsminister Federico Trillo. Im militärischen Rang eines Generals gehörte er der für militärische Fragen zuständigen 5. Kammer des Obersten Gerichtshofes an. Vor dem Nationalen Gerichtshof gab der ETA-Aktivist Harriet Iragi seinem Richter Guillermo Ruíz Polanco einen Rat mit auf den Weg: "Wenn Sie heute Nachmittag an der Beerdigung teilnehmen, dann sagen Sie Ihren Kollegen, daß Sie der nächste sein werden."

 

Nach dem US-Repräsentantenhaus verabschiedete auch der Senat ein Gesetz zur Lockerung des Handelsembargos gegen Kuba. Lebensmittel und Medikamente dürfen nunmehr an Kuba verkauft werden. Amerikanischen Firmen sind Investitionen auf der Insel weiterhin untersagt, die Reisebeschränkungen für US-Staatsbürger wurden sogar verschärft. Eine Finanzierung der Nahrungsmittel- und Arzneigeschäfte mit La Habana durch private oder öffentliche Kredite ist nicht statthaft, obwohl Kuba seine Lebensmittelimporte nach eigenen Angaben zu 80 % durch Kreditaufnahme abwickelt. Diese Restriktionen sind auf den Druck der republikanischen Kongreßmehrheit zurückzuführen, die hiermit wohl die Stimmen der Exilkubaner für George W. Bush gesichert haben dürfte. Nach einem Aufruf Castros demonstrierten in Kuba 800.000 Menschen für ein völliges Ende des Wirtschaftsboykottes. Mit der Vorlage werden auch die Restriktionen für den Iran, für Libyen, für Nordkorea und den Sudan abgeschwächt. Hinter dem Entwurf steht der Druck von Unternehmen und Landwirtschaftsverbänden, die nach neuen Absatzmärkten suchen.

 

Der OECD-Bildungsexperte Schleicher eröffnete der dpa, daß die BRD in Sachen Bildungssystem international nur Mittelmaß sei. Nur 16 % eines Altersjahrganges würden eine erste Hochschulausbildung abschließen - der Schnitt innerhalb der OECD liegt bei 23 %. Die Niederlande und Norwegen erreichen sogar eine Quote von rund 35 %. Mit 1040 Graduierten auf 100.000 Beschäftigte erreicht die BRD im Bereich Natur- und Ingenieurswissenschaften sogar nur 50 % des OECD-Niveaus. Haupthindernisse des Hochschulsystems sei die mangelhafte Fähigkeit zur Analyse, zur Problemlösung und zur Teamarbeit. Auch fehle es an Interaktion zwischen Berufsleben und fortlaufender Ausbildung.

 

Der zunächst allgemein unterschätzte grüne Präsidentschaftskandidat Ralph Nader wächst sich auf den letzten Metern zu einer ernsthaften Gefahr für Al Gore aus. In den kritischen Bundesstaaten Michigan, Wisconsin, Minnesota, Oregon, Washington und Maine wird ein Teil der linken Demokraten für Nader stimmen und sich der Koalition von Gewerkschaftern, Umweltschützern und Globalisierungsgegnern anschließen. Der bekannte Verbraucheranwalt begründet seine Kandidatur zutreffend damit, daß Gore und Bush austauschbar seien. Wenn Gore es nicht einmal schaffe, Bush aus eigener Kraft zu besiegen, frage er sich, wozu der amtierende Vizepräsident überhaupt fähig sei. Gores Betrug an den liberalen Prinzipien sind laut Nader keine Grenzen gesetzt. Bush wiederum titulierte er als "einen als Mensch verkleideten Großkonzern". "Der einzige Unterschied zwischen den Kandidaten wird sich dann herausstellen, wenn man sieht, wer schneller vor den Industrielobbyisten in die Knie gehen wird."

 

Der israelische Ministerpräsident Barak stellte Arafat bei einem Abflauen der Unruhen in den Palästinensergebieten neue Verhandlungen auf US-Territorium in Aussicht, nachdem seine Bemühungen um die Bildung einer breiten Notstandsregierung scheiterten. Mit den Zusicherungen, eine Trennung von Kirche und Staat zu verhindern und das Religionsministerium vorerst nicht aufzulösen, gewann Barak die auf einen Monat befristete Tolerierung durch die faschistische Schas-Partei. Arafat propagierte eine Fortsetzung der "Intifada für Unabhängigkeit", bis die palästinensische Fahne über Jerusalem wehe. Bundeskanzler Schröder absolvierte seine Nahostreise, auf der er von arabischen Politikern nachdrücklich zu vermehrtem Engagement im Friedensprozeß aufgefordert wurde. Diplomatisch erklärte der Scheinwerferkanzler, die EU werde auch weiterhin ihren Schwerpunkt in der wirtschaftlichen Stabilisierung der Krisenregion sehen. Durch den erstmaligen Beginn eines bundesdeutschen Staatsbesuches in Jerusalem erkannte Schröder im übrigen stillschweigend die israelische Annexion des Ostteils der Stadt an. Israel erging sich mittlerweile in militärischen Drohungen an die Adresse Syriens, das es unsinnigerweise für die Hisbollah-Aktivitäten an der Nordgrenze verantwortlich macht (die Hisbollah stimmte unlängst als einzige Partei gegen den prosyrischen Ministerpräsidenten in Beirut), und drohte den Palästinensern mit dem Einsatz seiner Eliteeinheit Duvdevan, die dem britischen SAS oder der bundesdeutschen GSG 9 vergleichbar ist. Die bisherigen Holzhammermethoden mit Panzern und Hubschraubern sollen einer gezielten counter insurgency weichen. Ein erneuter Waffenstillstand zwischen Israelis und Palästinensern wurde durch einen Autobombenanschlag des Islamischen Heiligen Krieges in Jerusalem erschüttert, durch den zwei Menschen den Tod fanden und elf verletzt wurden. Unter den Toten ist die Tochter Jizchak Levis, des Vorsitzenden der faschistischen Nationalreligiösen Partei. Trotz des Attentats flauten die Zusammenstöße zum Ende der Woche erstmals merklich ab.

 

Die Auseinandersetzungen innerhalb der PDS über einen "linken Patriotismus" nahmen ihren Fortgang. Unter die Kritiker reihte sich nicht unerwartet die seinerzeit in den Brandanschlag auf die Druckerei der nationalliberalen "Jungen Freiheit" verwickelte Angela Marquardt ein und erklärte, Gabi Zimmer sei mit solchen Positionen nicht ihre Parteivorsitzende. Zimmer hatte unter anderem gesagt, die meisten Linken hätten sich bis heute meistens außerhalb oder gegen Deutschland, gegen die Nation, definiert. Das wolle sie verändern. Sie wünsche sich, "dass man sich als Linker unbefangen zu Deutschland bekennen und es gleichzeitig kritisieren kann". Das Selbstverständnis italienischer und französischer Kommunisten und Sozialisten im Bekenntnis zu ihren Ländern finde sie "erstaunlich". Der sachsen-anhaltinische Fraktionsvize Gärtner verwies auf die besondere deutsche Geschichte, die ein gespaltenes Verhältnis der Linken zur Nation geradezu gebiete. Wir empfehlen den Kritikern eine eingehende Auseinandersetzung mit der Politik der Weimarer KPD. Es mag sein, daß die deutsche Linke kein Vaterland hat, aber sie kann es sich erobern. Niekisch bemerkte sehr treffend, wenn die Belange Deutschland es erforderten, sei es durchaus des Kommunismus fähig.

 

In Kolumbien setzten sich die heftigen Gefechte zwischen FARC und Regierungstruppen im Raum Bagado und Dabeiba unvermindert fort. Bei einer Gegenoffensive der Armee sollen bei Dabeiba mindestens 200 Guerrilleros getötet worden sein. Nachdem im Wahlkampf rund 21 Kandidaten ermordet wurden, verliefen die Wahlen der Bürgermeister, Gouverneure und Kommunalparlamente jedoch weitgehend friedlich. Die Folgen des Bürgerkrieges, der Steuerflucht und der allgegenwärtigen Korruption tragen Kolumbien im laufenden Haushalt eine Deckungslücke von 6 % des BIP ein. Andererseits muß Bogotá bereits 4,3 % des BIP für die Kriegsausgaben aufwenden. Seit 1990 haben sich die öffentlichen Schulden verdoppelt und erreichen nunmehr 30 % des BIP. Rund 41 % aller Staatseinnahmen werden vom Schuldendienst aufgefressen. Ferner ist in spätestens 6 Jahren mit dem Kollaps des Rentensystems zu rechnen. Das aktuelle Haushaltsloch will Präsident Pastrana durch Privatisierung von Banken, Energieversorgung, Telekommunikation und Bergbau schließen - sowie durch die 7. Steuererhöhung innerhalb weniger Jahre. Die systematische Wirtschaftskriegführung von FARC und ELN wirkt sich seit 1997 lähmend auf das BIP aus.

 

Die Wahlen in den 30 Kommunen des Kosovo endeten überraschend mit einem überwältigenden Sieg der Demokratischen Liga LDK unter Ibrahim Rugova, die sich mit 58,13 % der Stimmen durchsetzte und in allen größeren Städten des UN-Protektorats den Bürgermeister stellen wird. Hashim Thacis militante Demokratische Partei PDK mußte sich mit 27 % bescheiden, während die Zukunftsallianz um Ramush Haradjinaj nur auf 8 % kam. Im Gegensatz zu den militanteren Gruppen strebt Rugova die Unabhängigkeit des Kosovo durch Verhandlungen und einen Ausgleich mit der serbischen Bevölkerungsgruppe an. Jugoslawiens Präsident Kostunica ließ bereits verlauten, er erkenne die Wahlen nicht an, weil sie die von der UCK geschaffene monoethnische Gesellschaft im Kosovo legalisieren würden. Anhänger der PDK, mehr oder weniger eine Kreation des US-Außenministeriums, erzwangen in Malisevo den Abbruch einer LDK-Wahlveranstaltung. Kurz vor dem Wahlgang scheiterte in Klina ein Scharfschützenattentat auf Rugova. Die rund 10 % der Bevölkerung ausmachende serbische Minderheit boykottierte die Wahlen; ihre Kommunalvertreter werden daher von UN-Verwalter Kouchner ernannt. Bei einer Wahlbeteiligung von rund 80 % hat die überwiegende Mehrheit der Kosovo-Albaner die aus der UCK hervorgegangenen Gruppen für die von ihnen zu verantwortenden Zustände von Gewalt und mafiösen Strukturen abgestraft. Thaci kündigte Beschwerde wegen angeblicher Manipulationen vor allem im von der Bundeswehr kontrollierten Prizren an. In Klina wurde nach der Wahl der LDK-Politiker Hazir Raci erschossen.

 

Fast ein geschlagenes Jahr nach Beginn der Spendenaffäre hat mit Saarbrücken eine bundesdeutsche Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen, um die Vorgänge während beim Verkauf der Leuna-Werke an den französischen Konzern Elf Aquitaine aufzuklären. Saarbrücken ermittelt gegen den CDU-nahen Lobbyisten Dieter Holzer, der eine zweistellige Millionensumme von Schmiergeldern an bundesdeutsche Politiker verteilte und auch am spurlosen Verschwinden des international gesuchten ehemaligen Verteidigungs-Staatssekretärs Holger Pfahls (ex-CSU) nicht unbeteiligt ist. Nach Informationen des SPIEGEL war der taiwanesische Geheimdienst, ein traditioneller Partnerdienst des BND (dem Holzer und Schreiber nahestehen) ebenfalls behilflich, Pfahls beim Untertauchen zu helfen. Neben Pfahls und Holzer richten sich Ermittlungen auch gegen die ehemalige Parlamentarische Staatssekretärin Agnes Hürland-Büning (CSU). Die StA nahm ihre Ermittlungen nach Erhalt von Unterlagen aus der Schweiz auf und hat bereits ein Rechtshilfeersuchen an Frankreich gestellt. Ein Hilfsangebot des BKA, dessen Zielfahnder Pfahls seit Sommer 1999 suchen, wurde von Saarbrücken zunächst zurückgewiesen.  

 

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