Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 21. bis 27. Oktober 2000

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Verbotsdebatte erfaßt DVU und REP

Jugoslawien normalisiert Außenbeziehungen

NPD-Verbot als taktisches Kalkül

Rußland unterstützt Kostunica

Loyalistischer Terror in Nordirland

Erdölabkommen zwischen Kuba und Venezuela

Geduld der IRA wird strapaziert

Türkisch-griechische Spannungen

Radikale Republikaner kritisieren IRA

WTO-Gespräche zwischen China und EU

G-20-Konferenz in Montreal

Le Pen scheitert in Straßburg

Euro-Verfall setzt sich fort

US-Außenministerin in Nordkorea

Chaos in grüner EU-Delegation

Bundeswehr experimentiert mit Milzbrand

Gleichberechtigung steht nur auf dem Papier

BGS-Zuständigkeiten werden ausgeweitet

Polnischer Verlag von Buchmesse ausgeschlossen

Opportunist Rutelli linker Spitzenkandidat in Italien

UN-Vollversammlung verurteilt Israel

3. ASEM-Treffen in Seoul

Einheitsfront der Palästinenser

Politische Zusammenstöße verschärfen sich

Gipfel der Arabischen Liga

50 Jahre Verfassungsschutz

Israel plant völlige Abschottung von Palästina

Nationalismusdebatte in der PDS

Baskische Anschläge in Spanien und Frankreich

Machtkampf in NPD verschärft sich

Kommission für unabhängiges Kosovo

 

 

Zitat der Woche:
"Entweder wollen wir die Revolution, dann haben wir alles abzulehnen, was an liberale Korrektionsmittelchen erinnert, oder wir wollen nur Korrekturen, dann sollen wir uns nicht Revolutionäre schimpfen."
- Bruno von Salomon

Bayerns Innenminister Beckstein (CSU), mittlerweile geradezu ein Intimus von Bundesinnenminister Schily (SPD), brachte anläßlich der Verbotsdiskussion um die NPD bereits weitere Parteienverbote ins Spiel. Für den Fall einer - mit Sicherheit zu erwartenden - Abwanderung "aggressiv-kämpferischer und verfassungsfeindlicher Elemente" hin zu DVU oder Republikanern schließt Beckstein auch Verbotsanträge gegen diese Parteien nicht aus. Wir prophezeien, daß mit entsprechender Argumentation auch der erste Verbotsantrag gegen eine Gruppierung links von Grünen und PDS nicht mehr lange auf sich warten läßt, wobei den genannten beiden Parteien natürlich eine wichtige Kanalisierungsfunktion im Auftrag des kapitalistischen Systems zukommt.

 

In Bremen ist der Stuhl von Innensenator Bernt Schulte (CDU) ins Wanken geraten. Im Vereinsheim des Bremer SV in Walle begab sich Schulte unter das Volk und gab konservativen CDU-Positionen entsprechende Äußerungen zu Themen wie Graffiti, Drogenhandel und Zuwanderung von sich. Nun befand sich unter den Zuhörern und Mitdiskutanten eine Delegation der NPD, darunter der NPD-Kreisvorsitzende Bremen-Stadt. Dieser diskutierte eifrig mit Schulte - offensichtlich unterschieden sich die vertretenen Ansichten nicht besonders - und wurde daraufhin vom begeisterten Bremer Innensenator eingeladen, doch einmal einen Tag lang als Hospitant seinen Arbeitsalltag zu begleiten. Erst 14 Tage später ging den Bremer CDU-Gewaltigen ein Licht auf. In die gleiche Ecke gehören Berichte, Baden-Württembergs Ministerpräsident Teufel (CDU) sei 1996 im 2. Wahlgang mit den Stimmen der Republikaner wiedergewählt worden. In B-W kooperieren CDU und SPD auf kommunaler Ebene einträchtig mit den Republikanern, ferner stimmte die grüne Landtagsfraktion mehrfach gemeinsam mit den "Rechten". In Brandenburg gilt letzteres auch für die PDS. Diese Episoden lehren, daß es sich bei Verbotsdiskussion und Sommerlochpropaganda um ein rein taktisches Kalkül der Politischen Klasse handelt. Man setzt sich gegenüber Wirtschaft und internationaler Kritik in Szene, stärkt den Polizei- und Überwachungsstaat - alles mit Hilfe des rechten Straßenterrors.

 

In Antrim scheiterte ein Bombenanschlag der UDA auf einen höheren RUC-Offizier, der über ihre Waffenschiebungen aussagen sollte. In Belfast kam es erneut zur Vertreibung katholischer Arbeitnehmer aus protestantischen Betrieben, in Coleraine wurde ein Katholik bei einem loyalistischem Angriff schwer verletzt. In Schottland erhielt der Edinburgh Theatre Workshop Drohungen der LVF. Die Gruppe führt gerade ein Theaterstück über einen Lynchmord in Portadown auf. Hier wurde 1998 der Katholik Robert Hamill unter den Augen der RUC von einer loyalistischen Menge zu Tode geprügelt. Der Theatre Workshop vergleicht die Tat mit den Aktivitäten des KKK in den 60er Jahren und verweist auf die Unterstützung des Orange Order durch lokale Behörden in schottischen Gemeinden.

 

Wenige Tage vor der über das Schicksal des nordirischen Regierungschef David Trimble entscheidenden Tagung des Ulster Unionist Council hat die IRA eine zweite Inspektion der bereits im Frühjahr besichtigten drei Waffenlager zugelassen. Die internationalen Inspektoren kamen zu dem Ergebnis, die IRA habe ihre Verpflichtungen vollständig erfüllt und ihr Waffenarsenal sicher eingelagert. Der IRA Army Council hielt London vor, seine Verpflichtungen in puncto Menschenrechte, Gleichberechtigung, Gerechtigkeit, Entmilitarisierung und Polizeireform hingegen nicht erfüllt zu haben. Die Briten hatten nach der ersten Inspektion Fortschritte bei der Polizeireform, die Schließung einer Reihe von Armeestützpunkten und eine weitreichende Amnestie für flüchtige Republikaner zugesagt. Daher werden die Provisionals weitere Entwaffnungsmaßnahmen erst dann treffen, wenn sie hiervon mit Sicherheit politische Fortschritte erwarten können. Gerry Adams warnte die Unionisten davor, der IRA eine Frist zu setzen und damit die Selbstzerstörung des Friedensprozesses heraufzubeschwören. Der Sinn Féin-Vorsitzende verwies auf die Remilitarisierung der ländlichen Regionen South Armagh, Tyrone und Fermanagh durch die britische Armee und deren Präsenz in katholischen Wohngegenden in West Belfast. Alle Seiten hätten ihre Verpflichtungen zu erfüllen, nicht nur die Republikaner. Zu allem Überfluß ordnete Nordirlandminister Mandelson an, über öffentlichen Gebäuden in Nordirland nur die britische Flagge zu hissen, was ebenfalls dem Geist des Karfreitagsabkommens zuwiderläuft. Im Rahmen eines Blitzbesuches in Belfast warnte der britische Premier Blair die Konfliktparteien bereits, er werde gegebenenfalls zur Direktverwaltung Nordirlands zurückkehren.

 

Das 32 County Souvereignty Committee schrieb der IRA ins Stammbuch, ihr Entgegenkommen in der Inspektionsfrage zeige einmal mehr, daß sie vor Trimbles Forderungen kapituliert habe. Die Absprachen im Stormont führen nicht zu Gerechtigkeit, sondern zur Einbeziehung in den Dienst einer britischen Verwaltung im Stormont und der Ungerechtigkeit. In Irland wurde mit Liam Campbell der mutmaßliche Chef der Operationsabteilung der Real IRA verhaftet, ferner erhielt Christopher Smith, Aktivist der Continuity IRA, eine Haftstrafe von 8 Jahren wegen Waffenschmuggels. In Belfast machte die Polizei eine in einem Viehtransporter vorgefundene Autobombe per kontrollierter Sprengung unschädlich, außerdem wurde eine weitere Ladung von der doppelten Sprengkraft der Omagh-Bombe sichergestellt.

 

Im kanadischen Montreal trafen die Finanzminister und Notenbankpräsidenten der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer wie Brasilien, China und Indonesien (G-20) zusammen. Die Schwellenländer näherten sich den finanz- und wirtschaftspolitischen Standards der OECD an. Nicht zuletzt auf Druck der wahlkämpfenden USA unterblieb eine erneute Stützungsaktion für den Euro. Die G-20 kamen überein, die wirtschaftlichen Möglichkeiten der am stärksten verschuldeten Staaten durch die HIPC-Initiative zu fördern. Konkrete Vereinbarungen wurden jedoch nicht abgeschlossen. Am Rande der Konferenz prügelte die Polizei Demonstrationen militanter Globalisierungsgegner auseinander, wobei 39 Personen festgenommen und vor Gericht gestellt wurden.

 

Der Euro setzte seinen freien Fall bis auf einen Tiefststand von 0,8246 $ fort, nachdem auf dem G-20-Treffen der Industrie- und Schwellenländer Schritte zur Stützung ausblieben. Eine weitere Belastung stellte die klare Absage von US-Finanzminister Summers an eine Stärkung des Euro gegenüber dem Dollar dar. Durch die Übernahmewelle amerikanischer Firmen durch EU-Konzerne fließt immer mehr Kapital nach Nordamerika ab. Der französische Finanzminister Fabius forderte eine intensivere steuerliche und wirtschaftliche Zusammenarbeit der EU-Staaten. Frankreich müsse sein Haushaltsdefizit abbauen, während vor allen Irland, Spanien und Belgien Schritte gegen die Inflation unternehmen sollen. Einzige Hoffnung des Euro scheint eine Abschwächung der Konjunktur in den USA oder gar eine Rezession in Nordamerika zu sein. Rund 65 % der Teilnehmer einer Yahoo-Umfrage hielten den Euro für eine instabile Währung, und eine TED-Umfrage des WDR ergab, daß 93,3 % der Bevölkerung die Einführung des Euro ablehnen. Nach einer EU-weiten Umfrage ist die Zustimmung für die Einheitswährung innerhalb der Eurozone seit Januar 1999 von 64 % auf nunmehr 58 % gefallen. Am höchsten ist die Zustimmung zum Euro mit 81 % in Italien, was angesichts des Zustandes der Lira nicht verwunderlich ist.

 

Die Selbstauflösung der grünen Delegation im Europaparlament schreitet voran. Während die Bundespartei ein Parteiausschlußverfahren gegen die Abgeordnete Ilka Schröder vorbereitet, verabschiedete sich nur eine Woche nach Özan Ceyhun ein weiterer Europaparlamentarier zur SPD. Der neue Renegat ist der Experte für Entwicklungspolitik, Wolfgang Kreissl-Dörfler, der in der SPD mehr Möglichkeiten für eine sozial gerechte und ökologische Politik sieht. Dörfler wurde von seinem bayrischen Landesverband und der Bundestagsfraktion gezielt ausgegrenzt und zog nun die Konsequenzen. Claudia Roth, ehemals Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, kassierte nach ihrem Wechsel in den Bundestag 1998 übrigens gesetzeswidrig beide Diäten weiter. Unterdessen droht Heide Rühle, die Schatzmeisterin der grünen Europafraktion, mit ihrem Rücktritt, falls Ilka Schröder nicht aus der Partei ausgeschlossen werde. Diese agitierte bereits während des Kosovo-Krieges mit den treffenden Slogan "Wer Krieg will, muß Grün wählen!" und brachte hiermit die westlich-imperialistischen Parteigänger Joschka Fischers gegen sich auf. Auch die letztlich gegen die Bundesregierung gerichtete Strafanzeige gegen das Echelon-System dürfte Schröder keine Freunde eingebracht haben.

 

Hinsichtlich der Gleichberechtigung von Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt zählt die BRD zusammen mit Spanien, Portugal und Griechenland zu den Schlußlichtern der EU. Zwar sind über 50 % der bundesdeutschen Abiturienten weiblichen Geschlechtes, und 42 % aller erfolgreichen Hochschulabgänger ebenfalls. In wirtschaftlichen Spitzenpositionen liegt der Frauenanteil jedoch nur bei 5-8 %. In der BRD verdienen Frauen noch immer 25 % weniger als Männer in vergleichbaren Stellen. In den noch vom DDR-Bonus zehrenden neuen Ländern liegt der Unterschied "nur" bei 10 %. Mehr als 54 % der weiblichen Auszubildenden entfallen auf 10 Berufe - von einem offenen Arbeitsmarkt kann keine Rede sein.

 

Der polnische Verlag Nortom aus Breslau wurde wegen Präsentation und Verkaufs von Büchern antisemitischen und faschistischen Inhalts von der Frankfurter Buchmesse ausgeschlossen. Andrzey Nowakowski als Buchmesse-Bevollmächtigter des polnischen Kultusministeriums erklärte, die Titel hätten nicht auf der Liste der für die Präsentation angemeldeten Bücher gestanden und wären illegal in die Ausstellungshalle gebracht worden. Nunmehr droht dem Nortom Verlag der Ausschluß aus der polnischen Buchkammer.

 

Die UN-Vollversammlung hat Israel mit großer Mehrheit wegen übermäßiger Gewaltanwendung gegen palästinensische Zivilisten verurteilt. Nach mehrtägiger Debatte wurde die von der Arabischen Liga, Kuba und der Volksrepublik China eingebrachte Resolution mit 92 gegen 6 Stimmen bei 46 Enthaltungen angenommen. Unter den Gegnern befanden sich selbstverständlich Israel und die USA sowie UN-Generalsekretär Annan höchstpersönlich, während die übrigen NATO-Staaten per Enthaltung auf Tauchstation gingen. Nur das bekannt araberfreundliche Frankreich stimmte für die Verurteilung Tel Avivs. Die Resolution erklärte die zionistischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten einschließlich Ostjerusalems für illegal und bezeichnete sie als Hindernis für den Frieden.

 

In den Palästinensergebieten hat sich unterdessen eine breite Einheitsfront gegen die israelische Fremdherrschaft gebildet. Dieser gehören die nominell Arafat unterstehende Fatah, die Hamas, der Islamische Heilige Krieg, die in Syrien ansässige PFLP-GC, die D-PFLP und die kommunistische Palästinensische Volkspartei an. Die Leitung der Protest- und Widerstandsaktionen liegt bei einem Politischen Koordinierungskomitee. Stärkster Faktor ist die von Israel so bezeichneten Tansim-Milizen der Fatah-Jugend unter dem Intifada-Veteranen Marwan Barguti. Die Fatah-Jugend soll mittlerweile ein Arsenal von 70.000 Schußwaffen angehäuft haben. Als breite Volksbewegung hat die Hamas unter Scheich Ahmed Jassin Bedeutung; ihr militärischer Arm zählt derzeit jedoch nur 300 Mann. Die PFLP-GC zählt über 700 Mann, die dank der syrischen Hilfe äußerst modern bewaffnet sind. Ihr Kommandeur Ahmed Dschibril erwarb als Hauptmann der syrischen Armee militärische Erfahrungen. Zu berücksichtigen sind ferner die 5000 Mann der proiranischen Hisbollah-Miliz im Libanon.

 

Auch nach der offiziellen Unterbrechung des Nahost-Friedensprozesses durch Israel gingen die Zusammenstöße zwischen israelischen Sicherheitskräften und der palästinensischen Bevölkerung weiter. Mit Panzergranaten und Hubschrauberraketen zerstören die Israelis nach Aussage von Generalstabschef Chaul Motas planmäßig jedes palästinensische Gebäude, aus dem geschossen wird. Zum Auftakt des Sondergipfels der Arabischen Liga forderte Arafat die Israelis auf, die Abriegelung palästinensischer Städte aufzuheben, und beharrte auf einem gerechten Frieden mit einem Palästinenserstaat und Ostjerusalem als dessen Hauptstadt. Nach Darstellung Arafats sind bei den blutigen Unruhen mittlerweile sogar 193 Palästinenser getötet und 7 000 verletzt worden. Da die Mehrzahl der arabischen Staaten sich nicht zu einer harten Linie gegenüber Israel durchringen konnte, verließ die libysche Delegation den Gipfel vorzeitig. Die Staats- und Regierungschefs der Arabischen Liga forderten Israel zur umgehenden Einstellung der Gewaltmaßnahmen auf und machten sich für die Entsendung einer UN-Friedenstruppe stark. Mit der nicht unerwarteten Ausnahme auch des Iraks bekannten die restlichen 20 Staaten sich zur Fortsetzung des Friedensprozesses mit dem Ziel eines Palästinenserstaates mit  Ostjerusalem als Hauptstadt. Der saudische Kronprinz Abdallah Ibn Abdelasis regte die Bildung zweier Fonds mit insgesamt 1 Milliarde Dollar an, um von den Kämpfen betroffene palästinensische Familien und die islamischen Stätten in Ostjerusalem zu unterstützen. Außerdem machte die Liga ihre Beziehungen zu Israel vom künftigen Verhalten Tel Avivs abhängig. Tunesien gab die Schließung seiner Ständigen Vertretung in Israel bekannt, und Ägypten dachte laut über einen Abbruch der diplomatischen Beziehungen nach. Neben Kairo unterhalten nur Jordanien und Mauretanien diplomatische Beziehungen zu Israel. Das Emirat Qatar zieht einen Abbruch der Handelskontakte in Erwägung, der Sultan von Oman ließ bereits in der vergangenen Woche die Handelsbüros schließen. Saudi-Arabien und auch Jordanien verlangten ferner ein Ende des UN-Embargos gegen den Irak.

 

Israels Armee geht von einer Fortdauer der Unruhen bis ins nächste Jahr aus und beantragte einen Zusatzetat von umgerechnet 1,5 Milliarden DM. Die Spannungen in Palästina führten auf israelischer Seite zu Überlegungen, sich nach hermetisch von den "unabhängigen" Palästinensergebieten abzuschotten. Die Pariser Wirtschaftsverträge mit ihrer projektierten Freihandelszone ohne Zölle und mit einheitlicher Mehrwertsteuer dürften damit entgegen aller bisherigen Absprachen der Vergangenheit angehören. Die Steuereinnahmen der dann arbeitslosen palästinensischen Arbeitnehmer in Israel machen 80 % des Haushaltes der Autonomiebehörde aus. Während die Palästinensergebiete 25 % des BSP durch den Handel mit Israel erwirtschaften, macht dieser Posten in Israel selbst nur 1 % aus und ist schnell auszugleichen. Als Reservearmee stehen die 200.000 Arbeitslosen in Israel selbst sowie illegale Einwanderer aus Afrika, Asien und Rumänien bereit. Die Unruhen haben bereits die Kaufkraft der Palästinensergebiete um 30 % reduziert - bei einer völligen Trennung würde es dort nicht einmal Milchprodukte, Kfz-Ersatzteile und Zement geben. Trinkwasserversorgung, Energiewirtschaft und Telekommunikation wären ohne israelische Unterstützung ebenfalls dem Zusammenbruch preisgegeben, von Verkehrsprojekten wie dem Hafen von Gaza ganz zu schweigen. Die ökonomische und territoriale Abwürgung der Palästinensergebiete wird seit Mitte der 90er Jahre mit System betrieben. Durch die Errichtung israelischer Großsiedlungen wie Gilo soll Jerusalem sich über 44 Quadratkilometer geraubten Landes von Ramallah im Norden bis Hebron im Süden, von Jericho am Toten Meer bis Beit Schemesch im Westen erstrecken. Dieses Groß-Jerusalem würde etwa 30 % der Westbank umfassen. Innerhalb dieser Zone stillschweigender Annexionen wohnen schon jetzt 170 000 zionistische Siedler. Im November 1995 waren es erst etwa 110 000.

 

Ungeachtet einer Massenkundgebung in Bilbao, zu der nationalistische PNV und sozialistische PSOE aufgerufen hatten, setzten die baskischen Separatisten der ETA ihren Feldzug gegen den Verbleib bei Spanien fort. In der baskischen Regionalhauptstadt Vitoria zündeten die Etarras eine Autobombe, wobei Máximo Casado Carrera, Sicherheitschef des Gefängnisses Nanclares de Oca, getötet wurde. Im französisch verwalteten Teil des Baskenlandes sprengte die Untergrundorganisation Iparretarrak IPK eine Postfiliale in Saint-Pee-sur-Nivelle und das Gebäude einer Immobiliengesellschaft in Cambo-les-Bains in die Luft.

 

Wohl zur Sicherung der Interessen des westlichen Bergbaukonsortiums zur Ausbeutung der Bodenschätze im Kosovo (wir berichteten) hat eine Expertenkommission die völlige Unabhängigkeit der serbischen Provinz empfohlen. Die Unabhängigkeit der mehrheitlich albanisch besiedelten Region soll jedoch an bestimmte Bedingungen geknüpft werden. Sofern sie sich zum Schutz der Minderheiten verpflichten, winkt den Kosovaren eine internationale Sicherheitsgarantie. Die internationale Staatengemeinschaft soll den Minderheiten Sicherheitsgarantien und die Rückkehr zusichern, ferner sollen die Verhältnisse zwischen dem unabhängigen Kosovo und Serbien normalisiert werden. Die "Unabhängige internationale Kosovo-Kommission" wurde vor einem Jahr vom schwedischen Ministerpräsidenten Persson berufen (ein schwedischer Konzern ist auch im Bergbaukonsortium vertreten). Zu den Mitarbeitern gehören der Südafrikaner Richard Goldstone, ehemals Chefankläger des Haager Tribunals, und der frühere "Zeit"-Herausgeber Theo Sommer, Mitglied der feudalen Geheimloge Atlantikbrücke.

 

In Jugoslawien verständigten sich das Bündnis DOS, die Serbische Erneuerungsbewegung SPO und die sozialistische SPS nach wochenlangem Tauziehen auf die Bildung einer serbischen Übergangsregierung. Die Sozialisten werden mit Milomir Minic den Ministerpräsidenten stellen, ihr Präsident Milutinovic (als Kriegsverbrecher vom Haager Tribunal angeklagt) bleibt ungeachtet der im Dezember angesetzten Parlamentswahlen bis 2002 im Amt. Die Schlüsselressorts Polizei, Finanzen, Justiz und Information werden von Ministertriumviraten der drei Koalitionspartner geführt. Umstritten ist derzeit noch Rade Markovic, der Chef des serbischen Inlandsnachrichtendienstes. Milutinovic löste das serbische Parlament für Neuwahlen am 23.12. auf. Eine Parteikonferenz der SPO lehnte die von diesem angebotene Abwahl des Parteivorsitzenden Vuk Draskovic mit großer Mehrheit ab, nahm aber eine Säuberung der Parteiführung von wankelmütigen Elementen in Angriff.

 

Als erster jugoslawischer Staatspräsident seit der bosnischen Unabhängigkeit reiste Kostunica in das zerrüttete Nachbarland. Kostunica nahm zunächst an der Beisetzung der sterblichen Überreste des 1943 in den USA verblichenen Dichters Jovan Ducic in Trebinje teil. Anschließend begab er sich auf internationalen Druck aus der Republika Srpska nach Sarajevo, um dort mit Vertretern der bosnischen Zentralregierung die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu besprechen. Auch der kroatische Staatspräsident Stipe Mesic ist unter Bedingungen zur Normalisierung der Beziehungen zu Jugoslawien bereit. Nach Verhandlungen in Bukarest wurde Belgrad in den Balkan-Stabilitätspakt aufgenommen, was den Erhalt von Wirtschafts- und Finanzhilfen begünstigen dürfte.

 

Mittlerweile ist die serbische Stromversorgung infolge von Erdöl- und Erdgasmangel zusammengebrochen. Präsident Kostunica konnte jedoch in Moskau ein Wirtschafts- und Freundschaftsabkommen mit Rußland abschließen. Der Kreml ist grundsätzlich bereit, seine Erdgaslieferungen an Jugoslawien wieder aufzunehmen. Diese Gaslieferungen will Belgrad jedoch durch wertmäßig entsprechende Warenlieferungen bezahlen, während Gasprom auf Bardevisen besteht. Ferner kündigte der russische Präsident Putin seine Unterstützung für den Verbleib des Kosovo bei Serbien an. In Absprache mit Rußland stellte Kostunica einen Antrag auf Aufnahme Jugoslawiens in die UNO.

 

Kubas Máximo lider Fidel Castro trat einen triumphalen Staatsbesuch im befreundeten Venezuela an. Mit dem venezolanischen Staatschef Hugo Chavez besprach Castro das kubanische Hilfsprogramm für die Opfer der Überschwemmungskatastrophe vom Dezember 1999. Ferner ist die Unterzeichnung eines Abkommens über die Lieferung venezolanischen Erdöls an Kuba zu Sonderkonditionen vorgesehen. Hierdurch wird die seit dem Zusammenbruch des Ostblocks notleidende kubanische Wirtschaft entscheidend entlastet.

 

Alle Jahre wieder: Die politischen Spannungen zwischen den NATO-Staaten Griechenland und Türkei glitten erneut haarscharf an einer Eskalation vorbei. Nachdem griechische Flugzeuge den Luftraum über den von Ankara beanspruchten und als entmilitarisiert angesehenen Inseln Lemnos und Ikaria verletzten, protestierten die Türken beim NATO-Oberkommando, wobei sie nicht auf militärische Drohungen verzichteten. Griechenland zog sich daraufhin auf der Stelle aus dem laufenden NATO-Manöver Destined Glory in der Ägäis zurück. Bereits zuvor wurde bei den Manövern der zypriotischen Streitkräfte um Haaresbreite ein offenes Luftgefecht vermieden. Griechische Luftwaffenverbände wurden auf dem Weg zur Manöverteilnahme von türkischen Maschinen abgefangen, was mit einem Scheingefecht noch glimpflich ablief.

 

Um den bevorstehenden Beitritt der VR China zur Welthandelsorganisation WTO kam es in Peking zu harten Verhandlungen mit der EU. Die Gespräche standen unter einem schlechten Stern, denn die französische EU-Präsidentschaft ist als scharfer Kritiker der innenpolitischen Verhältnisse Chinas bekannt. Umstritten sind indessen vor allem wirtschaftliche Angelegenheiten wie der Zugang der EU zum chinesischen Markt und die Anpassung der Volksrepublik an WTO-Standards. Die EU wurde durch Chirac und Kommissionspräsident Prodi vertreten, deren Interessenpolitik auf zähen Widerstand des sich noch immer als Entwicklungsland definierenden China traf. Ministerpräsident Zhu Rongji sagte eine schrittweise Marktöffnung in den Bereichen Telekommunikation, Finanzwesen und Versicherungen zu, schneller wird man sich für Automobilimporte und Warenhausketten öffnen. Bis Jahresende sollen in Detailverhandlungen in Genf die strittigen Fragen geregelt werden. Frankreich zeigte Entgegenkommen gegenüber der chinesischen Forderung, die EU dürfe keinesfalls Militärgerät an Taiwan liefern. Als WTO-Mitglied müßte China innerhalb von 5 Jahren seine Einfuhrzölle von 25 auf 9 % senken. Da die Volksrepublik reichlich exportiert und wenig importiert, erwirtschaftet sie im Handel mit der EU ein jährliches Plus von 200 Milliarden Euro. Durch den WTO-Beitritt würde die Bilanz sich in maximal 10 Jahren ausgleichen.

 

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat einen Dringlichkeitsantrag Jean-Marie Le Pens abgewiesen, mit dem dieser den Entzug seines letzten Mandats verhindern wollte. Dies gab ein Sprecher der Gerichtshofs am Montag bekannt. Die Beschwerde Le Pens war am Vormittag beim Straßburger Gerichtshof eingegangen. Sie wurde in einem Eilverfahren als unbegründet abgewiesen. Damit hatte Le Pen keine Möglichkeit mehr, den Entzug seines letzten Mandats - seines Sitzes im Europaparlament - zu verhindern.

 

Als erstes hochrangiges Regierungsmitglied der USA traf Außenministerin Albright in Pjöngjang mit dem nordkoreanischen "Geliebten Führer" Kim Jong Il zusammen. Albright wollte die Ernsthaftigkeit der nordkoreanischen Bemühungen um ein Durchbrechen der internationalen Isolation überprüfen und vorbereitende Gespräche für den anvisierten Besuch Clintons führen. Nordkorea signalisierte, daß man im Falle wirtschaftlichen und technologischen Entgegenkommens des Westens das Raketenprogramm einstellen könne. Washington wiederum ist besorgt über den Verkauf nordkoreanischer Raketentechnik an den Iran und Syrien. Bereits am Vortag tauchte der chinesische Verteidigungsminister Chi Haotian in Pjöngjang auf, um der Besorgnis seiner Regierung über eine zu weitgehende Annäherung an die USA Ausdruck zu verleihen. Peking wünscht die Einführung einer Geplanten Marktwirtschaft chinesischen Stils in Nordkorea und möchte seinen Einfluß wahren - nicht umsonst fielen im Koreakrieg 140.000 Chinesen im Kampf gegen die Amerikaner. Eine Verletzung des nordkoreanischen Luftraumes durch zwei amerikanische Militärmaschinen führte indes wieder zu Verstimmungen zwischen Pjöngjang und Washington.

 

Mitten in der dichtbesiedelten BRD experimentiert die Bundeswehr mit B-Waffen herum. Hierbei geht es nicht um die Entwicklung von Waffen, sondern um ihre Abwehr. Das Militär ist an mindestens 25 verschiedenen Forschungsaufträgen beteiligt, die von der Forschung an gentechnisch veränderten Tomaten, Kartoffeln oder Sojabohnen bis hin zu Experimenten mit Kolibakterien sowie Milzbrand-, Cholera- oder Pesterregern reichen. Um effektive Abwehrmöglichkeiten zu erforschen, machte man z.B. ausgerechnet den Milzbranderreger multiresistent - eine Laborpanne hätte katastrophale Folgen. Die Forschungsprojekte wurden dem zuständigen Verteidigungsausschuß im Bundestag bislang vorenthalten.

 

Bundesinnenminister Schily ist seinen Plänen von der Etablierung des Bundesgrenzschutzes als FBI der BRD einen weiteren Schritt nähergekommen. Gemeinsam mit Brandenburgs Innenminister Schönbohm (CDU) plant er den regulären Einsatz des BGS gegen "Rechtsextremisten" in der Lausitz. Vor allem in den Schwerpunkten Guben, Forst und Cottbus sollen die Sondereinheiten des Innenministeriums eingesetzt werden. Hiermit gewinnt der Einsatz des BGS eine neue Qualität: Bislang beschränkte er sich hauptsächlich auf Grenzsicherung und den Bahnbereich, um nun zur Bekämpfung politisch motivierter Kriminalität herangezogen zu werden.

 

Der römische Bürgermeister Francesco Rutelli wurde nunmehr offiziell als Spitzenkandidat des Italien regierenden Mitte-Links-Bündnisses für die anstehenden Parlamentswahlen nominiert. Das politische Chamäleon begann seine Laufbahn bei den liberalen Radikalen, wechselte dann zu den Grünen und firmiert derzeit als Demokrat. Gegenwärtig hält der für seinen Opportunismus übel beleumundete Rutelli Lobreden auf den Kommunismus: "Europas Hauptproblem ist nicht der Kommunismus, sondern eine extremistische, fremdenfeindliche Rechte."

 

In Seoul beendeten die Staats- und Regierungschefs von 25 Staaten das 3. Asien-Europa-Meeting ASEM. Ein Großaufgebot von 30.000 Mann Polizei sicherte die Teilnehmer ab und lieferte sich die üblichen Straßenschlachten mit Globalisierungsgegnern, wobei diese in Südkorea offenbar besser behandelt wurden als im "demokratischen" Tschechien. Die 15 EU-Staaten und die fernöstlichen Nationen Japan, China, Südkorea, Brunei, Indonesien, Malaysia, Philippinen, Singapur, Thailand und Vietnam kamen überein, ihre politischen und wirtschaftlichen Beziehungen im Rahmen der WTO auszubauen und die Integration Nordkoreas zu erleichtern. Frankreich zeigte sich nicht sehr angetan von der Absicht der BRD, Großbritanniens, Spaniens und Belgiens, ohne Vorbedingungen diplomatische Beziehungen zum kommunistischen Nordkorea aufzunehmen. Auch Japan warnte vor zu großer Eile und pochte auf Sicherheitsgarantien Pjöngjangs. Die Gipfelteilnehmer sprachen sich für eine neue Runde multilateraler Gespräche zur Liberalisierung des Welthandels aus und befürworteten den Beitritt Chinas und Vietnams zur WTO. Die ASEM-Staaten umfassen zusammen 40 % der Weltbevölkerung und ein Drittel des Welthandelsvolumens.

 

Schröders "Aufstand der Anständigen" scheint langsam in eine Pogromstimmung umzuschlagen: Am Rande der antifaschistischen Gegenkundgebung in Dortmund kam es zu Zusammenstößen zwischen Linksextremisten und Sicherheitskräften. Nachdem Hauptredner Wolfgang Clement (SPD) u.a. Gewalt gegen Minderheiten und Andersdenkende kritisierte, schritten Teile der Demonstranten zur Ausgrenzung der Ausgrenzenden. Die Anhänger der wehrhaften Demokratie versuchten mehrfach, Polizeiabsperrungen zu durchbrechen und die Kundgebung der Freien Nationalisten anzugreifen. Die Bilanz: 44 Randalierer wurden festgenommen, 370 wanderten in vorübergehenden Polizeigewahrsam, und 2 weitere dürfen wohl in U-Haft auf ihr Verfahren wegen Landfriedensbruches warten. In Potsdam-Babelsberg kam es zu einem Zusammenstoß zwischen 50 "linken" und rund 20 "rechten" Jugendlichen, die unter Berücksichtigung der nahen Lage des besetzten Hauses in der Rudolf-Breitscheid-Straße wohl kaum zum Frischluftschnappen unterwegs waren. Da es sich hier bereits um den dritten Zusammenstoß seit Anfang Oktober handelte, wurde die Polizeipräsenz in der Stadt allenthalben verstärkt. In Hohenstadt bei Geislingen wurde indessen Siegfried Weiß-Stüßgen, der Göppinger Vizekreisvorsitzende der NPD, von einem Unbekannten niedergeschossen und schwer verletzt.

 

Das allseits beliebte Bundesamt für den Verfassungsschutz in Köln beging dieser Tage seinen 50. Geburtstag. Wurde nach der Annexion der DDR und dem Zusammenbruch des Ostblocks noch von vielen Seiten die Auflösung des Inlandsnachrichtendienstes gefordert, so steht diese dank des Straßenterrors minderbemittelter Elemente trotz einer schier endlosen Reihe von Skandalen und Pannen nicht mehr zur Debatte. Derzeit beschäftigt der Verfassungsschutz bei einem offiziellen Etat von 220 Millionen DM 2100 Mitarbeiter, die in der Bekämpfung des Rechtsextremismus zu Recht eine arbeitsplatzsichernde Maßnahme vermuten dürfen. VS-Präsident Heinz Fromm kündigte an, unabhängig von der Verbotsdiskussion um die NPD werde die Beobachtung von DVU und Republikanern fortgesetzt. Ein weiteres künftiges Betätigungsfeld sei die "Bündelung der Aktionspotentiale von NPD, Neonazis und Skinheadszene". Mit "allen nachrichtendienstlichen Mitteln" solle die Gefahr einer Herausbildung gewaltbereiter Strukturen im Rechtsextremismus aufgeklärt werden. Bereits jetzt werden 40 % aller VS-Informationen durch ein ausgedehntes Netz von Spitzeln, Observateuren und operativen Agenten geliefert.

 

Nachdem die neue Parteivorsitzende Gabi Zimmer auf dem Cottbuser Parteitag der PDS ein Bekenntnis zu ihrer - "reformbedürftigen" (Konsens!!!) - deutschen Heimat ablegte, ließen Gegenstimmen nicht lange auf sich warten. Der Bundestagsabgeordnete Winfried Wolf, Mitglied im Landesvorstand Baden-Württemberg, erläuterte in der "jungen welt", auf dem Parteitag habe eine "deutschtümelnde Argumentation neue Nahrung" bekommen. Suspekt erschienen Wolf auch das Bekenntnis zur deutschen Einheit und die Ansprache nationaler Emotionen hierdurch. Die Attacke erhielt Rückendeckung aus den westdeutschen PDS-Landesverbänden, weil man auch nur durch Verwendung von Begriffen wie "Deutschland" und "Nation" Teile der "kritischen Linken im Westen" verlieren werde. In vorderster Front der Zimmer-Kritiker stehen der von der SPD übergetretene Uwe Hicksch, die sattsam bekannte Ulla Jelpke aus Hamburg und Ulla Lötzer aus Nordrhein-Westfalen. Der Fraktionsvorsitzende Claus stellte sich indessen massiv hinter den Parteivorstand und deckelte die "Internationalisten" ab.

 

Innerhalb der NPD scheint der offene Machtkampf bevorzustehen. Auf dem Landesparteitag in Tönning wurde der eher gemäßigte Landesvorsitzende Ingo Stawitz durch Jürgen Gerg, den Freien Nationalisten nahestehend, ersetzt. Die Parteiführung rief daraufhin satzungsgemäß den organisatorischen Notstand aus und suspendierte den neugewählten Landesvorstand. Steffen Hupkas Revolutionäre Plattform wird - vom VS - auf bundesweit 700 Sympathisanten geschätzt und ist allen Ernstes der Ansicht, sie könne durch medienwirksame Aktionen einen Solidarisierungseffekt bei der Bevölkerung erreichen. Der für den 4. November in Berlin geplanten Kundgebung der RPF haben sich bereits zahlreiche Bezirks- und Kreisverbände der NPD angeschlossen. Auch die Entlassung des ehemaligen Parteivorsitzenden Günter Deckert nach 5 Jahren Haft dürfte den inneren Frieden innerhalb der National-Demokraten nicht gerade stärken.

 

In der "Berliner Zeitung" formulierte Michael Mönninger zutreffend: "Wenn trotzdem seit 1990 insgesamt 93 Menschen totgeschlagen und mehrere tausend Anschläge verübt wurden, dann sollte zunächst nicht auf einen Notstand durch Staatsversagen erkannt werden. Es zeigt sich darin vielmehr das vorpolitische Wuchern einer innerdeutschen Parallelgesellschaft aus deklassierten Wolfsnaturen, die sich vom zivilisatorischen Minimalkonsens des Gewaltverzichts derart gründlich verabschiedet hat, daß jede polizeiliche Bearbeitung zu spät kommt. Bei ihren Aufrufen mögen demokratische Repräsentanten zwar mit der großen rhetorischen Kelle löffeln und nichts als friedensstiftende Binsenwahrheiten austeilen. Aber daß die politische Klasse einmal nicht mit Helmut Schmidts Managerverständnis als leitende Staatsangestellte aus Fernsehern spricht, sondern im Bürgergewand auf die Straße tritt, kann auch als Misstrauensvotum gegen das eigene Volk verstanden werden, das seinen inneren Hausfrieden nicht einhalten kann. (...)"

 

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