Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 30. September bis 6. Oktober 2000

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

IRA geht gegen Drogenhandel vor

PDS setzt auf Kooperation mit SPD

IRA Army Council gegen Entwaffnung

Verfahren gegen PKK-Aktivisten

Karfreitagsabkommen in der Krise

BRD und Indien wollen in UN-Sicherheitsrat

UFF-Anschlag auf Undercover-Agenten

Indien und Rußland beschließen Zusammenarbeit

Irland geht gegen Republikaner vor

Linker Anschlag auf Polizeiwache

Le Pen verliert Sitz im Europaparlament

BRD und Iran bauen Wirtschaftsbeziehungen aus

Armut in der BRD

Drakonisches Urteil gegen ETA-Aktivisten

US-Exporteure fordern starken Euro

Frankreichs Basken drohen mit bewaffnetem Kampf

Israelisches Blutbad unter Palästinensern

Der 9. November als Nationalfeiertag?

Apartheidstaat Israel

Weltinvestitionsbericht 2000

Infraschall-Meßstelle in Haidmühle

Deutsche Banken unterstützten Suharto-Regime

Umsturz in Jugoslawien

Taiwan liberalisiert Handel mit China

Kostunica tritt schweres Erbe an

Antifaschistische Aktion im Bundestag gelobt

Russische Duma uneins über Jugoslawien

Linke Gewaltandrohung in Dortmund

Schachtschneider fordert Verschiebung des Euro

Antifa bekennt sich zum BRD-System

 

Zitat der Woche:
"In anderen europäischen Ländern ist es normal, daß dem konservativen Gesellschaftsmodell ein anderes, sozialistisches gegenübersteht. Es wird nicht diffamiert. Und ich will, daß es auch in Deutschland normal ist, über Sozialismus zu debattieren."
- Gabriele Zimmer, designierte PDS-Bundesvorsitzende

 

Die IRA scheint in deutlichem Gegensatz zu den auf das Niveau von Drogengangs herabsinkenden Loyalisten ihre Kampagne "Direct Action Against Drugs" wiederzubeleben. In Magherafelt bei Derry liquidierte ein IRA-Kommando den Drogenhändler Patrick Quinn. Bereits im Mai wurde Ed McCoy in Dunmurry bei Belfast hingerichtet, und im Mai 1999 starben Brendan Fagan in Newry sowie Paul Downey in South Armagh. Während des Waffenstillstandes von 1994-96 exekutierte die DAAD 8 Drogendealer. Alle nunmehr 11 Opfer der DAAD waren Katholiken.

 

Vertreter des IRA Army Council haben den Einheiten in Nordirland schon im Juni bekanntgegeben, daß es keinerlei weiterenZugeständnisse in Sachen Entwaffnung geben werde, bis "ein vereinigtes Irland eine Gewißheit ist". Der Armeerat steht unter starkem Druck der militanten Basis, die vermehrt zu den radikalen Gruppen wie Real IRA und Continuity IRA abwandert. Noch kurz zuvor hatte Nordirlandminister Mandelson den in den USA und der Republik Irland untergetauchten IRA-Aktivisten eine Amnestie angeboten, um eine zweite Inspektion weiterer Waffenlager zu erreichen. Das berüchtigte Hochsicherheitsgefängnis von Maze wurde mittlerweile geschlossen, die letzten vier Häftlinge transportierte man nach England ab.

 

Die Auswirkungen der IRA-Entscheidung auf die jährliche Parteikonferenz der Ulster Unionist Party lassen sich nur erahnen. Die Parteiführung David Trimbles und damit die Selbstregierung Nordirlands sind in ernster Gefahr. Paisleys Democratic Unionist Party hat wegen der Entwaffnungsfrage bereits ein Mißtrauensvotum gegen Trimble eingebracht, und die UUP rechnet bei den nächsten Wahlen mit erdrutschartigen Stimmenverlusten an Paisley. Der radikale UUP-Flügel hat bereits die Einberufung des Ulster Unionist Council durchgesetzt, um über den Verbleib in der Regierung abzustimmen. Trimble spielt mit dem Gedanken, seinem radikalen Gegner Jeffrey Donaldson zuvorzukommen, indem die UUP die Regierung verläßt, bis die IRA Konzessionen in der Entwaffnungsfrage macht. Er warnte Dublin und London bereits, man werde ein "ernstes Problem" haben, wenn bis Ende Oktober keine erneuten Inspektionen stattgefunden haben und Sinn Féin und SDLP ihre Kampagne zur Reform der RUC bis dahin fortsetzen. Das irische Lager hat jedoch klargestellt, daß es ohne eine konsequente Umsetzung des Patten-Reports zur RUC-Reform keinerlei Entgegenkommen geben wird. In diesem Zusammenhang verwiesen Sinn Féin und SDLP auf die Fehde unter loyalistischen Drogengangs, durch die bereits 200 Familien aus ihren Häusern vertrieben wurden.

 

Die loyalistischen Ulster Freedom Fighters UFF spürten in Willcroft Meadows bei Ballycare das Haus eines RUC-Polizisten auf, der an der ersten Inhaftierung ihres Kommandanten Johnny Adair maßgeblich beteiligt war. In den frühen 90ern schlich der Beamte sich als V-Mann bei den UFF ein und bespitzelte Adair, der 1995 zu 16 Jahren Haft verurteilt wurde. Die Paramilitärs revanchierten sich nun, indem sie sein Haus mit einem Bombenanschlag bedachten. Der Spitzel hat bereits seine Frührente eingereicht und wird Nordirland wahrscheinlich verlassen. Weitere loyalistische Sprengsätze wurden in Belfast und an der Bahnlinie Belfast-Dublin entschärft.

 

Im Raum Dundalk führte die irische Polizei eine Razzia gegen Mitglieder der Real IRA und der Continuity IRA durch. Hierbei wurde ein mutmaßlicher RIRA-Kommandeur festgesetzt, der als Hauptverantwortlicher für das verheerende Bombenattentat von Omagh gehandelt wird. Ferner wurden fünf Aktivisten der CIRA aus Nordirland vorübergehend inhaftiert. Als Antwort auf den Angriff der Republikaner auf das SIS-Hauptquartier in London haben die irischen Sicherheitsbehörden ein verschärftes Vorgehen angekündigt. Zu heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen führte eine Sendung der BBC, in welcher vier mutmaßlich am Omagh-Anschlag beteiligte irische Republikaner namentlich genannt werden. Die Sendung erhöhte einerseits den Druck auf die Täter, aber andererseits ist es nach diesem "trial on TV" unwahrscheinlich, daß ein britisches Gericht die Iren, so sie denn gefaßt werden, ohne erdrückende Beweislast verurteilt.

 

Jean-Marie Le Pen ist seines Sitzes im Europaparlament endgültig verlustig gegangen. Der Staatsrat, Frankreichs höchstes Gericht, lehnte den Einspruch des Front National-Vorsitzenden gegen die Aberkennung des Sitzes ab. Le Pen wurde im April 2000 von einem Gericht wegen Gewalttätigkeit für ungeeignet befunden, ein politisches Mandat auszuüben.

 

Die IG Metall hat in ungewohnt klassenkämpferischer Manier auf die ungleiche Verteilung des Volksvermögens in der BRD hingewiesen. Mit der neuen Initiative "fair teilen" wollen die Gewerkschafter auf die soziale Ungerechtigkeit hinweisen. Noch immer besitzen die reichsten 10 % aller bundesdeutschen Haushalte beinahe 50 % des Gesamtvermögens. Einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung zufolge lebt jeder 11. Bundesbürger unter der Armutsgrenze, bezieht also weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens. Diese Armutsgrenze liegt im Westen bei 1038 DM für eine alleinstehende Person und im Osten bei 855 DM. Für jedes Kind werden 50 %, für jeden Erwachsenen 70 % hinzugerechnet. Im Westen betrifft die Einkommensarmut 8,7 % der Bevölkerung, im Osten 10,7 %. Fast 30 % der Alleinerziehenden, 20 % der kinderreichen Familien, 18 % der Ausländer und 14 % der Kinder und Jugendlichen sind einkommensarm. Seit Mitte der 80er Jahre ist die Zahl der Einkommensarmen konstant geblieben; keine Regierung kümmert sich um diesen abgeschriebenen Teil der Bevölkerung. Die Anzahl der in Armut lebenden Kinder hat sich nach Angaben des Kinderschutzbundes seit 1980 verdoppelt. Unter den 51.000 Sozialhilfeempfängern in Bremen beispielsweise befinden sich 15.000 Kinder bis zu 14 Jahren, und mit diesem Anteil von 22 % nimmt die Hansestadt die Spitzenposition ein. . In Berlin hat sich zwischen 1990 und 1997 die Zahl der minderjährigen Sozialhilfeempfänger von 49 491 auf 90 859 verdoppelt. 15,6 % derjenigen, die keinen Schulabschluss haben, leben in Armut. Von den Bundesbürgern mit Abitur sind es hingegen nur 1,7 %, die unter der Armutsgrenze leben. Auszubildende haben ebenfalls finanzielle Probleme: 12,2 % von ihnen haben weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Einkommens zur Verfügung.

 

Der Verband der verarbeitenden Industrie in den USA, NAM, hat die Regierung aufgefordert, den Euro mit entschlossenen Schritten zu stärken. Vor allem die mittelständischen Unternehmen leiden unter der Euro-Schwäche, die sich auf ihre Exporte in die EU auswirkt. Die Exportwirtschaft wünscht eine klare Aussage Washingtons, daß der Dollar im Verhältnis zum Euro zu hoch bewertet sei. Auf Ebene der G-7 soll die Regierung internationale Maßnahmen zur Senkung des Dollarkurses einleiten.

 

Die durch den jüdischen Faschisten Ariel Scharon provozierten schweren Unruhen im Westjordanland und im Gazastreifen weiteten sich auch auf den Norden Israels mit seiner mehrheitlich arabischen Bevölkerung aus. Israelische Polizisten und Soldaten sowie zionistische Wehrbauern antworteten auf den berechtigten Widerstand des palästinensischen Volkes gegen die jüdischen Besatzer mit brutalen Massakern unter den Aufbegehrenden. Hierbei kamen Raketen, Kampfhubschrauber und Panzer zum Einsatz. Selbst die Kollaborateure in der Arafat-Verwaltung nannten das Vorgehen der Israelis gegen die Demonstranten "eine Kriegserklärung" und "vorsätzlichen Mord". Bei den Unruhen kamen 76 Palästinenser ums Leben, mehr als 2000 wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt. Unter anderem massakrierten die Israelis ein 2jähriges Mädchen, sieben Jungen im Alter von 8 bis 14 Jahren und einen Sanitäter. Auf israelischer Seite kamen drei Soldaten und ein Siedler ums Leben. Die Arabische Liga hat unterdessen auf Betreiben des ägyptischen Präsidenten Mubarak, seines syrischen Amtskollegen Assad und des libyschen Revolutionsführers Gaddhafi eine Dringlichkeitssitzung über die Lage in Palästina anberaumt. In einer scharfen Erklärung hieß es: "Diese Regierung ist voll für das schreckliche Massaker verantwortlich." Ohne das durch den Judenstaat annektierte Jerusalem als palästinensische Hauptstadt werde es keinen Frieden im Nahen Osten geben. Die 22 ständigen Repräsentanten der Mitgliedsländer forderrten eine internationale Untersuchung der israelischen Verbrechen und ein Verfahren gegen die Verantwortlichen vor dem Internationalen Gerichtshof, aber der ist bekanntermaßen nur Gegnern und nicht etwa Verbündeten der USA vorbehalten. In Damaskus, Bagdad und im jemenitischen Sanaa kam es zu antizionistischen Massenkundgebungen. UN-Generalsekretär Annan und der UN-Sicherheitsrat wurden von der palästinensischen Autonomiebehörde aufgefordert, die israelischen Exzesse zu untersuchen. Die „Internationale Juristenkommission“ aus Schweden, die „Internationale Föderation für Menschenrechte“ aus Frankreich und „Human Rights Watch“ aus den USA wollen Vertreter nach Israel und in die palästinensischen Gebiete entsenden. Die notorisch araberfreundliche französische EU-Präsidentschaft verurteilte ebenfalls die israelischen Gewaltexzesse und kündigte eine Untersuchung der Massaker an. Zwecks Deeskalation zog sich nach Verhandlungen in Paris die bislang auf Seiten der Demonstranten an den Kämpfen teilnehmende Palästinenserpolizei zurück, während die israelischen Panzer in die Kasernen zurückkehrten. Der Heilige Islamische Krieg, die Hizbollah, die Hamas und die PFLP haben erneut der israelischen Terrorherrschaft im Nahen Osten den Kampf angesagt. Mahdi Karrubi als iranischer Parlamentssprecher erklärte: "Schuld ist nicht nur Israel, sondern auch das Schweigen und die passive Haltung der islamischen Regierungen zu den israelischen Verbrechen."

 

Die arabischen Palästinenser machen mit 1 Million Menschen gut ein Fünftel der Bevölkerung Israels (ohne die annektierten Gebiete!) aus. Seit Gründung des Judenstaates in Nahost hat es keinen einzigen arabischen Minister gegeben. Im Wohnungsbauministerium mit seinen 300 Beamten gibt es 3 Palästinenser, im Handelsministerium befinden sich unter 520 Mitarbeitern ganze 4 Palästinenser und selbst unter den 160 Beamten des Tourismusministeriums beläuft sich die Zahl der Einheimischen auf 5. Das Verkehrsministerium verfügt über 640 Planstellen - kein einziger Palästinenser ist hier verbeamtet. Die übliche Begründung für die Ablehnung arabischer Bewerbungen lautet, sie würden eine Gefahr für die Staatssicherheit darstellen. In der Vertreibung leben 4 Millionen Palästinenser, entweder als gerade geduldete Asylbewerber in aller Welt oder in elenden Flüchtlingslagern im Mittelmeerraum. Im Gazastreifen werden 1,3-1,5 Millionen Palästinenser noch immer von 6000 zionistischen Wehrbauern und starken israelischen Militäreinheiten schikaniert. Die Arbeitslosenquote liegt hier bei 24 %, und 50 % der palästinensischen Bevölkerung leben von 2,50 Dollar am Tag in Flüchtlingslagern. In der seit 1967 von Israel besetzten Westbank stehen 1,7 Millionen Palästinenser 150.000 Zionisten in 150 Wehrdörfern gegenüber. Alleine seit dem "Friedensvertrag" von Oslo haben die Israelis 200 Palästinenser ermordet - die Opfer der jüngsten Unruhen sind hier nicht eingerechnet. Die Friedensbewegung Gush Shalom fordert die Kolonisten in ganzseitigen Zeitungsannoncen unzweideutig auf: "Haut ab aus den besetzten Gebieten!" Bei Israel handelt es sich um einen systematisch gegen UN-Resolutionen, Abkommen bis hin zum Atomwaffensperrvertrag und geltendes Völkerrecht verstoßenden Apartheidstaat, aber auf Sanktionen wartet die Welt seit 50 Jahren vergebens.

 

Im niederbayrischen Haidmühle wurde die erste Infraschall-Meßstelle zur Überprüfung des Atomteststopvertrages CTBT in Betrieb genommen. Die Anlage gehört zur Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover und arbeitet offiziell für die Wiener Comprehensive Test Ban Treaty Organization CTBTO. Haidmühle kann auf Explosionen zurückzuführende Schallsignale unterhalb des menschlichen Hörbereichs aus 3000 km Umkreis auffangen. Das geplante globale Überwachungsnetz umfaßt 170 seismische Stationen, 60 Infraschallstationen, 11 hydroakustische Stationen und 16 Meßstationen zum Nachweis von Isotopen in der Atmosphäre. Die Daten werden via Satellit nach Wien übertragen und dort ausgewertet. Mit dem Netzwerk können Explosionen ab 1 Kilotonne TNT mit einer Genauigkeit von 1000 Quadratkilometern aufgespürt werden.

 

Mit Verkehrsblockaden, zivilem Ungehorsam und Massenstreiks eröffnete die jugoslawische Opposition ihren Machtkampf gegen den abgewählten Präsidenten Slobodan Milosevic. Zum Brennpunkt des Widerstandes gegen das korrupte Milosevic-Regime wurde die bedeutende Kohlegrube von Kolubara. Nachdem schon am Mittwoch nur durch Verhandlungen eine Konfrontation zwischen demonstrierenden Studenten und der Bereitschaftspolizei verhindert werden konnte, führte eine Entscheidung des Wahlgerichtes die Eskalation herbei. Die Wahlrichter erklärten die Präsidentschaftswahl in Teilen für ungültig und ordneten ihre Wiederholung im Frühjahr 2001 an. Kostunica und sein Stabschef Zoran Djindjic antworteten mit dem Aufruf zu einem "Marsch auf Belgrad". Am Folgetag stürmte die Menge das Parlamentsgebäude und den Staatssender in Belgrad. Ganz so spontan dürfte der Umsturz nicht gekommen sein, denn die Opposition hatte Schußwaffen, Brandsätze, Bulldozer und eine gut funktionierende Logistik parat. Über General a.D. Vuk Obradovic hielt man permanenten Kontakt zu den Oberkommandos von Polizei und Armee. Die Polizei leistete nur anfänglichen Widerstand, und sehr bald schlugen sich die ersten Polizeieinheiten bis hin zur gefürchteten Antiterrortruppe SAJ, gefolgt von den bisher gegängelten Staatsmedien, auf die Seite Kostunicas. Das Milosevic-Regime brach zusammen wie ein Kartenhaus. Auf die Armee war von vornherein wenig Verlaß: Zwar ist der seit Februar amtierende Generalstabschef Nebojsa Pavkovic ein Schwager des gestürzten Präsidenten, aber die mittleren und unteren Offiziersdienstgrade stehen in deutlicher Opposition. Bis zu 60 % der Armeeangehörigen sollen für Kostunica gestimmt haben. Ein weiterer Sargnagel für Milosevic dürfte die Zusammenstellung der Wahlliste des Regierungslagers gewesen sein. Obwohl die titoistische Jugoslawische Linke JUL im Volk nur wenig Rückhalt hatte, mußten die weit stärkeren Sozialisten der SPS ihr die Hälfte aller Listenplätze abtreten. Die JUL wird von Milosevics Ehefrau Mirjana Markovic geführt. Kostunica lehnte unterdessen jede Einmischung der Großmächte ab, auch wenn sich USA und EU sofort hinter den Umsturz stellten. Neben der Aufhebung der Sanktionen wurden Wirtschaftshilfen, die Rückkehr in die "internationale Völkergemeinschaft" und langfristig sogar eine EU-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Einer Auslieferung seines Konkurrenten an Den Haag erteilte der Sieger eine erneute Absage. Auf russisches Drängen gab Milosevic nach und räumte seinen Sessel. Der Gestürzte will jedoch in Jugoslawien bleiben und sich auch weiterhin als Parteichef der SPS politisch betätigen. Auch Vojislav Seselj, Vorsitzender der Serbischen Radikalen Partei SRS, wird für die Verbrechen seiner Weißen Adler-Milizen in Bosnien und im Kosovo mit internationalem Haftbefehl gesucht. Hinzu kommt, daß das aus 19 Parteien bestehende Oppositionsbündnis DOS einzig und allein durch den Haß auf Milosevic zusammengehalten wird und als höchst instabil zu werten ist.

 

Vojislav Kostunica tritt ein schweres Erbe an. In Bosnien gilt er bei den Muslimen als großserbischer Nationalist, und Sarajevo wird den Umsturz zum Anlaß nehmen, seine zentralistischen Tendenzen gegenüber Serben und Kroaten zu verstärken. Montenegros Präsident Milo Djukanovic setzt weiterhin auf die Abspaltung von Jugoslawien, was den Reststaat zu einem Binnenland degradieren würde. Explosiv ist die Lage vor allem im Kosovo, dessen albanische Bevölkerung auf die Trennung von Jugoslawien hoffte und nun ihre Felle davonschwimmen sieht. Hashim Thaci als Führer der radikalen Nationalisten droht Belgrad offen mit Krieg, falls es sich der Unabhängigkeit des Kosovo widersetze. Agern Ceku, von der UN-Verwaltung ernannter Kommandeur des für "Katastrophenschutz" zuständigen Kosovo-Schutzkorps, prahlt offen: "Wir haben genügend Mittel, um aus dem Kosovo das Nordirland des Balkan zu machen." Nach einem Feuergefecht mit der serbischen Polizei sind in Dubnica im Norden des Kosovo drei Albaner festgenommen von UN-Polizei verhaftet worden. Im Kosovo wurden seit Sommer 1999 unter den Augen der KFOR-Soldaten 1000 Serben massakriert und 200.000 vertrieben. „Es wird keine Rückkehr und keine Wiedereingliederung in die Republik Jugoslawien geben“, sagte der Hohe Repräsentant der UN im Kosovo, Bernard Kouchner, schon zu Jahresbeginn. Möglicherweise hatte Milosevic recht, als er warnte, ein Sieg Kostunicas werde die Zerstückelung des jugoslawischen Staates durch die Amerikaner und die Nachbarländer bringen.

 

In der russischen Staatsduma führten die Vorgänge in Jugoslawien zu heftigen Auseinandersetzungen. Parlamentspräsident Gennadij Selesnjow erklärte, Kostunica habe mit Hilfe der NATO einen Umsturz vollzogen. Seine Präsidentschaft sei nicht legitim und werde das Chaos nicht in den Griff bekommen. Mit 209 gegen 34 Stimmen lehnte die Duma einen Antrag ab, dem neuen jugoslawischen Präsidenten zu seinem Sieg zu gratulieren. Nachdem auch Vladimir Putin die neuen Verhältnisse in Belgrad anerkannte, sicherten die Abgeordneten indes zu, ihre Haltung zu überdenken. Einen Tag später forderte die Duma die Aufhebung der Sanktionen. Vor allem solle der Westen sich aus den innenpolitischen Angelegenheiten Jugoslawiens heraushalten. Schirinowskijs Ultranationalisten warnten, mit dem Fall Milosevics werde Rußland seinen Einfluß auf dem Balkan verlieren, und das Gebiet von Kiew bis Kursk stünde dem Zugriff der westlichen Allianz offen. Moskau geht es nun vor allem darum, seinen ehemaligen Verbündeten Milosevic dem Zugriff der westlichen Siegerjustiz zu entziehen.

 

Nach einer Umfrage des dimap-Instituts vertrauen nur 15 % der Bundesbürger dem Euro vorbehaltlos. Ein eingeschränktes Vertrauen zeigen 51 %, während 33 % als entschiedene Euro-Gegner eingestuft werden können. Die eurokritische Wissenschaftlergruppe um den Erlanger Professor Karl-Albrecht Schachtschneider hat die Bundesregierung mittlerweile aufgefordert, die Einführung des Euro-Bargeldes mindestens bis 2005 zu verschieben. Angesichts des mangelnden Vertrauens in den Euro seien bereits Kapitalwerte in Höhe von 500 Milliarden US-Dollar aus der EU abgeflossen. Emnid zufolge würden 55 % der Bundesbürger bei einem Referendum gegen den Euro stimmen - 51 % im Westen und 72 % im Osten. In Großbritannien ist die Zahl der Euro-Befürworter laut "News of the World" auf 19 % gefallen, während 64 % der Bevölkerung ihn ablehnen. Rund 46 % der Briten sprechen sich sogar für den Austritt aus der EU aus.

 

Der Landesparteitag in PDS Sachsen-Anhalt hat beschlossen, die Tolerierung der SPD-Minderheitsregierung nach den Landtagswahlen von 2002 zu beenden und stattdessen eine rosa-rote Koalition einzugehen. In dem Parteitagsbeschluss heißt es, die PDS dürfe sich auf keiner Ebene vor einer Übernahme von Regierungsverantwortung scheuen, wenn dadurch "Zeichen für eine alternative Politik" gesetzt werden könnten. "Für die künftige Akzeptanz und Politikfähigkeit der PDS ist es wichtig, eigene politische Ansätze und Lösungen zu entwickeln und als machbare Alternativen öffentlich darzustellen." Die PDS müsse sich der ganzen Gesellschaft öffnen und Denkansätze anderer "ohne ideologische Borniertheit" diskutieren. Dazu gehöre, die parlamentarische Zusammenarbeit mit allen demokratischen Kräften anzustreben. Das Tolerierungsmodell könnte nach den Landtagswahlen von 2004 in Berlin fortgesetzt werden. Walter Momper, Mitglied des Berliner SPD-Landesvorstandes, nahm unter dem Wehgeschrei der CDU demonstrativ an der "Einheizfeier" der PDS am 3. Oktober teil, und Kanzler Schröder traf sich zu einem privaten Meinungsaustausch mit dem scheidenden PDS-Parteichef Bisky. Der Verzicht des PDS-Politikers Dieter Hildebrandt auf den Bürgermeisterposten in Friedrichshain-Kreuzberg ist nur ein vorübergehender Rückschlag, da ein Ersatz schnell gefunden sein dürfte. Gegen Hildebrandt wird wegen Bestechlichkeit und Untreue ermittelt. Roland Claus als frischgewählter Vorsitzender der PDS-Bundestagsfraktion kündigte an, die Partei weiterhin zur Verfechterin sozialer Gerechtigkeit zu stilisieren, da SPD und Grüne sich zunehmend zu Mittelparteien entwickeln würden. Gemessen an der galoppierend fortschreitenden Degeneration der Grünen erscheint folgender Satz von Claus bedenklich: "Wer die Gesellschaft verändern will, der muss sie zunächst so annehmen, wie sie ist." Dieser verklausulierte Marsch durch die Institutionen wurde auch von Gysi in seiner Abschiedsrede gefordert.

 

Vor dem LG Potsdam wurde ein weiteres Verfahren gegen PKK-Aktivisten eröffnet. Fünf mutmaßliche Mitglieder der kurdischen Befreiungsorganisation PKK zwischen 26 und 50 Jahren stehen vor dem Richter, weil sie zwischen Mitte 1997 und November 1998 Hilfsgelder für die PKK und die Nationale Befreiungsfront Kurdistans ERNK eingetrieben haben.

 

Bundesaußenminister Fischer absolvierte einen neuerlichen Besuch in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi. Fischer erklärte Indien in einem seiner wenigen weitsichtigen Momente zu einer der Schlüsselmächte des 21. Jahrhunderts. Beide Staaten vereinbarten, gemeinsam einen ständigen Sitz in einem reformierten UN-Sicherheitsrat anzustreben. Die Inder wurden erneut aufgefordert, den Atomteststoppvertrag CTBT zu unterzeichnen.

 

Auf die Visite Fischers folgte der Staatsbesuch des russischen Präsidenten Putin. Dieser vereinbarte mit dem indischen Premierminister Atal Behari Vajpayee die gemeinsame Bekämpfung des Islamismus in Zentralasien, zu dessen Hauptstütze sich das Taliban-Regime in Afghanistan entwickelt hat. Die Taliban beunruhigen sowohl das indisch besetzte Kaschmir als auch die russischen Interessen in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Indien und Rußland vereinbarten eine strategische Partnerschaft auf den Gebieten der Außen- und Verteidigungspolitik sowie eine Förderung von Handel, Wissenschaft inclusive Atomenergie und Kultur. Ferner wird Indien von den Russen für umgerechnet 6,6 Milliarden DM 310 Panzer, einen gebrauchten Flugzeugträger und die Lizenz zum Bau von 150 Kampfflugzeugen erwerben. Putin erklärte vor dem indischen Parlament die Partnerschaft zwischen Rußland und Indien zur Grundlage einer multipolaren Welt, welche die monopolare Welt unter Führung der USA ablösen soll. Die Anerkennung der Waffenstillstandslinie im Kaschmir stellt jedoch eine Brüskierung Pakistans dar, was dieses nicht gerade für den russischen Wunsch nach mäßigendem Einwirken auf die Taliban empfänglich machen dürfte.

 

Im schleswig-holsteinischen Bönningstedt wurde ein (vergeblicher) Brandanschlag auf die örtliche Polizeistation verübt. Nach Angaben des LKA in Kiel ist die Gruppe "Autonome Zellen in Gedenken an Ulrike Meinhof" für die Operation verantwortlich. Seit Ende März macht die Zelle durch Sachbeschädigungen, Aufforderung zu Straftaten und Volksverhetzung (sic!) auf sich aufmerksam. In diesem Bekennerschreiben heißt es: "Wenn wir sagen: 'Das Europa der Bullen, Banken und Rassisten angreifen', dann meinen wir auch auf allen Ebenen mit allen Mitteln." Weniger zielgerichtet erscheint der Vorfall in Potsdam, wo 40 Autonome in der Innenstadt randalierten. Die Polizei nahm 13 Personen zwischen 17 und 29 Jahren vorläufig fest und leitete Ermittlungsverfahren wegen Landfriedensbruches ein.

 

Wirtschaftsminister Werner Müller stattete dem iranischen Mullah-Regime einen dreitägigen Staatsbesuch ab. Mit dem iranischen Erdölminister Zanganeh besprach er eine Stabilisierung des stark schwankenden Ölpreises und nahm auch die Feststellung des OPEC-Staates zur Kenntnis, daß auf dem Weltmarkt eine massive Erdölspekulation herrscht. Täglich wird 30mal mehr Erdöl gehandelt als gefördert wird. Berlin und Teheran zeigten sich einer Preisfestschreibung mit gewissen Schwankungsquoten zugeneigt. Ansonsten standen verbesserte Wirtschaftsbeziehungen im Mittelpunkt, darunter ein Investitionsschutzabkommen und staatliche Bürgschaften für Iran-Investoren.Thyssen-Krupp wird eine Kunststoffabrik errichten, die Cassens-Werft steigt ins iranische Schiffbaugeschäft ein, ein Baukonsortium bewirbt sich um ein gut 1 Milliarde DM schweres Staudammprojekt, Veba Öl und Shell werden gemeinsam die Ölfelder am Kaspischen Meer erschließen (und durchbrechen ein US-Embargo für Erdöltechnologie) und Babcock-Borsig wird Kraftwerke für 1 Milliarde Dollar bauen. Ferner winken Geschäfte in Sachen Abwassersanierung, Modernisierung des Telefonnetzes, Ausbau der Verkehrswege und Stromversorgung.

 

In Madrid verübte die linksextreme Untergrundorganisation Grapo einen Bombenanschlag auf ein Parteibüro der konservativen Volkspartei PP. Im Baskenland attackierten 30 ETA-Sympathisanten eine Polizeikaserne in Onati bei San Sebastián mit Brandsätzen, und bei Vitoria wurde die Maschinenfabrik eines zahlungsunwilligen Unternehmers in die Luft gesprengt. Nach eigenen Angaben haben die spanischen Sicherheitsbehörden durch ihre Razzien der vergangenen Wochen einen Autobombenanschlag auf die Zentrale der Großbank BSCH in Santander verhindert. Der im Februar nach 8 Jahren Gefangenschaft von Frankreich an Spanien ausgelieferte Francisco Mugika Garmendia, genannt Pakito, wurde wegen der Beteiligung an einem Anschlag im Jahre 1987 zu 12 Jahren Haft verurteilt. Die spanische Staatsanwaltschaft forderte 38 Jahre Gefängnis. Bei dem Autobombenanschlag vor dem Marinehauptquartier in Madrid wurde damals ein Matrose verletzt.

 

Zehn Tage vor dem EU-Gipfel im südwestfranzösischen Biarritz hat die baskische Untergrundgruppe Iparretarrak (IK) mit "bewaffneten Aktionen" gedroht. Solange das "politische Problem" des Baskenlandes nicht gelöst sei, behalte sich Iparretarrak das "Recht" zum bewaffneten Kampf vor, heißt es in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift "Ildo". Der Gipfel von Biarritz wird sich auch mit der Lage in Nordirland befassen.

 

Aus dem unwürdigen Hickhack um die Verdienste der " deutschen Wiedervereinigung" - hierzu sei nur angemerkt, daß die Separatisten im Westen und nicht in der DDR anzutreffen waren - ragt bizarrerweise ausgerechnet ein Gedanke Joschka Fischers hervor. Der grüne Außenminister und Vizekanzler sprach sich dafür aus, den Tag der Deutschen Einheit zu verlegen. An die Stelle von Kohls Privatfeiertag zur Annexion der DDR am 3. Oktober solle der 9. November treten. Der Verfasser hält diesen Gedanken für interessant, da der 9. November ein wahrer Schicksalstag der jüngeren deutschen Geschichte ist: 1918 fegte die Revolution das verrottete Kaiserreich hinweg; der sozialistische Idealismus wurde von einer bourgeoisen Führung ausgenutzt - 1923 scheiterte Hitlers Putschversuch in München; der nationalistische Idealismus wurde von einer bourgeoisen Führung ihrer Hybris zum Opfer gebracht. Wahrlich ein Tag, um sich Gedanken zu machen.

 

Die UN-Entwicklungsorganisation UNCTAD legte ihren Weltinvestitionsbericht 2000 vor. Nachdem die Investitionen der Unternehmen im Ausland bereits im Jahr 1998 mit mehr als 640 Milliarden Dollar eine beachtliche Höhe erreicht hatten, sind sie binnen Jahresfrist gar auf mehr als 865 Milliarden Dollar emporgeschnellt, was einer Zunahme um 27 % entspricht. Zwei Drittel der Investitionen kamen von Konzernen aus der EU. 1999 wurden 6000 grenzüberschreitende Übernahmen oder Beteiligungen von mehr als 10 % gezählt, für die 720 Milliarden Dollar ausgegeben wurden - eine Steigerung um zwei Drittel gegenüber 1998. Die Investitionen entfallen mit 636 Milliarden Dollar (+ 13 %) überwiegend auf die Industriestaaten, davon entfällt ein Drittel auf die USA. Die BRD liegt hier nur auf dem 6. Platz, was wohl eher auf die Bedenken des internationalen Großkapitals gegenüber betrieblicher Mitbestimmung und Arbeitnehmerrechten sowie auf das provinzielle Ober- und Hochschulwesen zurückzuführen ist als auf die angeblich zu hohen Lohnkosten. Die Investitionen in Entwicklungsländern stiegen um 16 % auf 208 Milliarden Dollar. Durch die rasante Zunahme grenzüberschreitender Übernahmen ist der Umsatz ausländischer Töchter explosionsartig gewachsen: von 2,4 Billionen Dollar 1982 über 5,5 Billionen 1990 auf 13,6 Billionen Dollar im vergangenen Jahr. Ein Siebtel davon kontrollieren die 100 größten Konzerne der Welt.

 

In einer Studie des Institutes Südwind e.V. werden die Geschäftspraktiken der Deutschen Bank, der Dresdner Bank und der HypoVereinsbank in der Dritten Welt beleuchtet. Alle drei Großbanken haben über Jahre hinweg wirtschaftlich unsinnige und ökologisch gefährliche Großprojekte finanziert und die Verschuldung beispielsweise Brasiliens und Indonesiens weiter in die Höhe getrieben. In Indonesien ging es den Banken nicht um Rationalität und Wirtschaftlichkeit, sondern um den Erwerb von Macht und Einfluß bei Armee und Suharto-Clan - so konnten die Ausgangschancen für weitere Kreditaufnahme verbessert werden. Bundesdeutsche Großbanken sind noch vor Amerikanern und Japanern die größten privaten Kreditgeber der Dritten Welt.

 

Taiwan kündigte eine Neuordnung seiner Handelsbeziehungen zur Volksrepublik China an. Das seit 50 Jahren geltende Verbot der "Drei Direkten Beziehungen" Handel, Transport und Post soll schrittweise aufgehoben werden, um von den positiven Folgen des chinesischen WTO-Beitritts zu profitieren. Bislang konnten taiwanesische Unternehmer Handelsgeschäfte mit Peking nur über Drittplätze wie Hongkong und Macao abwickeln, was Zeit und Geld kostete. Aus sicherheitspolitischen Gründen wurden bislang 25 % aller beantragten Investitionen in China nicht genehmigt, was dem Ausschluß von Hochtechnologie und Infrastruktur gleichkommt. Das Handelsvolumen ist in der ersten Jahreshälfte dennoch im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 28,7 % auf 15,31 Milliarden Dollar gestiegen, und Taiwan ist nach Japan und den USA der bedeutendste Abnehmer chinesischer Waren. Die Zustimmung Pekings steht noch aus, aber eine engere wirtschaftliche Verflechtung wird die befürchtete politische Lösung Taiwans vom Mutterland erschweren. In Taipeh trat Ministerpräsident Tang Fei (KMT) "aus Gesundheitsgründen" zurück.

 

In Berlin bahnt sich eine Großdemonstration gegen die Parteizentrale der rechtsbürgerlichen NPD an. Zur Teilnahme haben mehr als 200 Organisationen aufgerufen, darunter die PDS, die Antifaschistische Aktion, der Berliner Flüchtlingsrat, der Jüdische Kulturverein Berlin und ein Bündnis der Schülervertretungen von 22 Berliner Oberschulen. Im Bundestag forderte die PDS-Abgeordnete Marquardt ihre Kollegen zur regen Beteiligung auf. Marquardt konnte ferner ungestört Lobreden auf die semiterroristische Antifaschistische Aktion halten. Diese werde von den Strafverfolgungsbehörden kriminalisiert, obwohl gerade "diese langwierige Kleinarbeit vor Ort" bedeutsamer als zentral gesteuerte Plakataktionen sei. Ein Schelm, wer hierin einen verkappten Aufruf zu politisch motivierter Gewalt im Deutschen Bundestag sieht.

 

Etwas deutlicher wird man bei der Mobilisierung gegen die geplante Kundgebung des Aktionsbüros Norddeutschland in Dortmund am 21. Oktober: "Dies nimmt das Antifaschistische Aktionsbündnis keinesfalls hin und mobilisiert zu Blockaden und einer Demonstration gegen den Aufmarsch am 21. Oktober. Das Antifaschistische Aktionsbündnis erklärt, dass jedem Versuch,diese geplante Demonstration durchzufuehren, entschiedener und unmittelbarer Widerstand entgegengesetzt werden wird und fordert alle fortschrittlichen Gruppen in Dortmund und Umgebung auf , diese faschistische Aggression nicht hinzunehmen und mit aller Kraft deutlich zu machen, daß Nazis in Dortmund sowie anderswo nicht geduldet werden.  Desweitern fordert das Antifaschistische Aktionsbündnis die Stadt Dortmund auf, diese geplante Demonstration zu verbieten. Der 21.10. wird entweder ein Desaster für die Neonazis, da sie auf breiten und direkten antifaschistischen Widerstand treffen, oder zu einem politischen Desaster für die Stadt Dortmund und für den Polizeiapparat, wenn diese einen faschistischen Aufmarsch in Dortmund, entgegen der vollmundigen Versprechungen der letzten Wochen durchsetzen sollten."

 

Auf einer Diskussionsveranstaltung im Berliner Haus der Demokratie und Menschenrechte verwahrten sich Antifa-Vertreter gegen den Vorwurf des Verfassungsschutzes, der "Antifaschismus" diene nur als Tarnmantel für linksextremistisch motivierte Gewalt. "Wir verstehen uns als legal und demokratisch." Ferner erging man sich in Gejammer über die Folgen einer Einstufung als Staatsfeind wie Überwachung und Gerichtsverfahren: "Selbst wenn das Gerichtsverfahren hinterher eingestellt wird, sind die Leute finanziell und beruflich ruiniert." Keine weiteren Fragen.

 

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