Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 18. bis 24. November 2000

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Brasilianische Flottenpläne

Verhandlungen über Zypern gescheitert

Polizeigesetz für Nordirland umstritten

Bush auf der Siegerstraße?

Republikaner kritisieren Sinn Féin

Öcalan verklagt Türkei in Straßburg

Antifa-Kampagne gegen GMX-Nutzer

Razzia gegen "Das K.O.M.I.T.E.E."

Reaktionäres Spektakel um Franco-Todestag

VS-Bericht für Nordrhein-Westfalen

BKA-Sondertagung zum Rechtsextremismus

Klimadebakel in Den Haag

Demonstrationsrecht wird eingeschränkt

Gutachten zu FBI-Programm Carnivore

USA heben Sanktionen gegen China auf

Bundesparteitag der Republikaner

Rußland liefert Waffen an Iran

Kuba verweigert Verurteilung der ETA

Todesschwadronen in Italien

CIA-Komplott gegen Castro?

State Dept. warnt vor rechten Übergriffen

ETA erschießt spanischen Exminister

Verdummung der Deutschen schreitet voran

Ungváry zur Wehrmachtsausstellung

Terror und Gegenterror in Nahost

Musial zur Wehrmachtsausstellung

"Junge Welt" gegen Zionismus

Albanische Offensive in Südserbien

PDS und Einwanderungsfrage

Verein Iskra als linkes Logistikzentrum

China baut den Transrapid

 

 

Zitat der Woche:
"Als wir die Gewalt kennen lernten, streiften wir auch die Anarchie. Wir sind deshalb keine Anarchisten geworden, obwohl jeder deutsche Mensch im Grunde genommen Anarchist ist. Wir haben auch einen Teil von Anarchie mitgenommen. Es wäre töricht, sie verwerfen zu wollen."
- Bodo Uhse

 

Die brasilianische Marine hat den von Frankreich ausgemusterten und ausgeschlachteten Flugzeugträger "Foch" übernommen. Infolgedessen haben Verhandlungen über den Verkauf des alten brasilianischen Trägers "Minas Gerais" an Argentinien begonnen. Ein weiteres Prestigeobjekt der südamerikanischen Regionalmacht Brasilien ist der Bau eines Atom-U-Bootes, dem neben einem Radarüberwachungsnetz für Amazonien und einer Trägerrakete die höchste technische Priorität verliehen wurde. Den Planungen nach sollen das U-Boot und der seit 1978 in Entwicklung befindliche dazugehörige Schiffsreaktor im Jahr 2010 in Dienst gestellt werden. Mit 4000 BRT wäre es zwar im Gegensatz zu den russischen und amerikanischen Modellen ein Zwerg, aber immer noch doppelt so groß die die konventionellen U-Boote der Bundeswehr oder die französische Rubis-Klasse.

 

Nach Unterzeichnung durch die Queen trat das neue Polizeigesetz für Nordirland in Kraft. Die verabschiedete Fassung verwässerte den Patten Report zur Umwandlung der paramilitärischen Royal Ulster Constabulary in eine auch für die Katholiken akzeptable Polizeitruppe erheblich und wurde von Sinn Féin und der gemäßigt nationalistischen SDLP heftig kritisiert. Die nordirischen Parteien sollen Vertreter in eine Kontrollbehörde, das Policing Board, entsenden. Pat Doherty als Vizepräsident Sinn Féins kündigte bereits den Boykott der Behörde durch seine Partei an. Ferner werde man keinesfalls Katholiken dazu ermuntern, der RUC beizutreten. In der Tat wurden die Befugnisse des Policing Board, der lokalen Überwachungskomitees und des Ombudsmanns für Beschwerden aus der Bevölkerung erheblich abgeschwächt. Alleine am Tag seiner Arbeitsaufnahme erhielt der Ombudsmann mehr als 100 Beschwerden über Mißhandlung und Diskriminierung von Katholiken. Die RUC selbst untersucht derzeit 3000 derartige Fälle. Unmut erregt vor allem die Nichtabgrenzung der Beamten von Geheimgesellschaften wie dem Orange Order. Der Police Service of Northern Ireland (PSNI) wird zudem den alten Namen der bei den Katholiken verhaßten RUC weiter im Schilde führen. Eine Verpflichtung, die Katholiken gemäß ihrer Bevölkerungsanteils zu repräsentieren, fehlt ebenfalls. In Zagreb verwies der irische Premier Bertie Ahern darauf, daß wichtige Einzelheiten noch ausgehandelt werden müßten. London habe seine Verpflichtungen hinsichtlich der Polizeireform und der Entmilitarisierung Nordirlands nicht erfüllt und damit gegen seine vertraglichen Aufgaben verstoßen. Auch Dublin empfahl den nordirischen Katholiken, beim gegenwärtigen Stand der Dinge die RUC und das Policing Board nicht zu unterstützen. Selbst die Verwässerung des Patten Report war noch zuviel für die Unionisten, die eine Polizeireform strikt ablehnen. Unter diesen Umständen ist kaum mit einem Entgegenkommen der IRA in der Entwaffnungsfrage zu rechnen, was gleichbedeutend mit dem Ausscheiden der Ulster Unionist Party aus der nordirischen Regierung und damit dem Ende der Selbstverwaltung wäre.

 

Aus republikanischen Kreisen wurde bekannt, daß die mangelnden Erfolge des Friedenskurses sich allmählich zu einer Gefahr für die politische Führerschaft von Gerry Adams und Martin McGuinness auswachsen, die unter starkem Druck der unzufriedenen Basis stehen. Ruáiri O´Bradaigh, Vorsitzender der Republican Sinn Féin, forderte die Adams-Partei auf, ihren Namen abzulegen. Sinn Féin sei angesichts der herannahenden Mitarbeit im britischen Unterhaus nicht mehr berechtigt, sich als republikanische Bewegung zu verkaufen. Ohne den Druck der republikanischen Basis hätte die Parteiführung sich noch weitaus mehr an die Briten verkauft. Die Inspektion von Waffenlagern sei ein verräterischer Akt, auf den nach dem IRA-Militärstrafgesetzbuch die Todesstrafe stehe. Die nordirische Polizei sei auch nach der Policing Bill eine von England rekrutierte, bewaffnete, ausgebildete und indoktrinierte Truppe. Republican Sinn Féin als politischer Flügel der Continuity IRA spielt erstmals mit dem Gedanken, im kommenden Jahr an den Unterhauswahlen teilzunehmen. Der Provisional IRA wurde vorgeworfen, seit dem Waffenstillstand abweichende Meinungen im republikanischen Lager vor allem in West Belfast mit brutalen Methoden zu bekämpfen. Sinn Féin wurde aufgefordert, den Status politischer Gefangener für die in Irland und Großbritannien einsitzenden Mitglieder der CIRA zu verlangen. Die Real IRA hat mittlerweile erstmals in ihrer Geschichte eine militante Kampagne gegen Drogenhändler eröffnet, um ihr Ansehen in den katholischen Stadtvierteln zu verbessern.

 

In Antifa-Kreisen läuft derzeit eine Kampagne gegen als rechtsradikal verordnete Nutzer des Freemailproviders GMX. Die selbsternannten Sittenwächter sammeln in Diskussionsforen und im Internet GMX-Adressen sowie Äußerungen der Adresseninhaber und leiten diese an den Provider weiter. GMX wird aufgefordert, wie seinerzeit angekündigt diese Mailaccounts stillzulegen. Neben einigen Wirrköpfen sind auch politische Aktivisten von dieser Denunziationskampagne betroffen. Teilweise sorgten die gesammelten Äußerungen angesichts ihres orthographischen und inhaltlichen Niveaus für nicht geringe Erheiterung beim Verfasser. Gewissen Personen sei in diesem Zusammenhang gesagt, daß Versuche, über Einträge in Gästebüchern großkalibrige Feuerwaffen oder illegales Propagandamaterial bis hin zum unsäglichen "Nazi-Moorhuhn" zu erwerben, durchaus mit nicht geringen Risiken verbunden sind. Auch das Angebot einiger Kameraden, offenkundig zu gewalttätigen Zwecken die Anschriften "politischer Gegner" weiterzureichen, erscheint uns in höchstem Maße bedenklich.

 

Im Valle de los Caidos, dem Tal der Gefallenen südlich Madrid, fanden die Feierlichkeiten zum 25. Todestag General Francos statt. Wie jedes Jahr nahmen Zehntausende aus zahlreichen Ländern an dem Aufmarsch teil. Unter den Teilnehmern befand sich eine Abordnung von Veteranen der 1941 von Franco an die Ostfront entsandten División Azúl, ferner war Francos einzige Tochter Carmen zugegen. Vertreter europäischer und lateinamerikanischer Rechtsbewegungen trafen auf Anhänger der auch von falangistischen Untergrundgruppen erbittert bekämpften Entwicklungsdiktatur, reaktionäre Pfaffen und katholische Geheimbündler. Angesichts der Parteinahme revolutionärer Nationalisten für den klerikal-reaktionären Diktator Franco, den Totengräber des spanischen Nationalsyndikalismus, dürften die Märtyrer der Falange bis hin zum unvergessenen José Antonio wohl im Grabe rotieren.

 

In Wiesbaden hielt das BKA eine Sondertagung zum Thema "Rechtextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit" ab. Teilnehmer waren rund 300 Fachleute aus Polizei, Justiz und Wissenschaft. BKA und VS verkündeten, sie hätten erste Ansatzpunkte für die Entwicklung rechtsterroristischer Strukturen. Harsche Kritik mußte sich das Staatsschutzdezernat anhören, da es angeblich die Zahl der "rechten" Straftaten viel zu niedrig ansetze. Generalbundesanwalt Kay Nehm verneinte demgegenüber die Notwendigkeit, im Kampf gegen "rechtextreme Gewalt" Gesetze und Strafrecht zu verschärfen und lehnte die Einführung eines politischen Sonderstrafrechts entschieden ab. Dennoch kündigte Bundesinnenminister Otto Schily ein umfangreiches Maßnahmenpaket an - rechter Straßenterror dient als ein Vehikel zur weiteren Etablierung polizeistaatlicher Strukturen.

 

Die Herbstkonferenz der Innenminister beschloß die Bildung einer Datei "Gewalttäter rechts" beim BKA, die Verstärkung der Fahndungs- und Kontrollmaßnahmen bis hin zu "Hausbesuchen", Aussteigerprogramme und verstärkte Bekämpfung rechter Propaganda im Internet. Ferner sollen die Bundesländer oder der Bund zwecks Einschränkung des Demonstrationsrechtes "befriedete Bezirke" ausweisen, in denen Kundgebungen fortan verboten sind. Gedacht wird hier vor allem an "Stätten des nationalen Gedenkens und der Rückbesinnung auf die deutsche Geschichte". "Verstöße gegen außenpolitische und völkerrechtliche Interessen der BRD" könnten in Kürze der Grund für Demonstrationsverbote werden, in jedem Fall aber "Aufmärsche zur Verherrlichung von Gewalt und Willkürherrschaft". Die Justizminister der Bundesländer sollen zudem die Verschärfung der strafrechtlichen Maßnahmen gegen "Rechtsextremisten" bis hin zur generellen Verhängung von Haftstrafen ohne Bewährung auch bei Ersttätern. Dies beinhaltet auch die Verfolgung von Straftaten, die nicht auf dem Gebiet der BRD verübt wurden (Webmaster aufgepaßt!) sowie die Verlängerung der Verjährungsfristen bei der Veröffentlichung von Nazi-Rock. Mit der Bestellung von mehr als 2 000 Computern hat die Berliner Polizei die Modernisierung ihrer Infrastruktur in Angriff genommen. Im laufenden Etatjahr sind rund 29 Millionen DM zur Modernisierung der Informations- und Kommunikationstechnik vorgesehen.

 

Die USA haben ihre gegen China bestehenden Sanktionen auf dem Gebiet der Satelliten- und Raumfahrttechnologie aufgehoben. Peking sagte im Gegenzug strengere Kontrollen beim Export von nuklearwaffentauglicher Raketentechnologie zu, was vor allem die Aufrüstungspläne Pakistans und des Iran empfindlich treffen dürfte. In Fragen der Technikverbreitung wollen China und die USA fortan einander konsultieren. Die Chinesen stellten allerdings klar, daß ihre satellitentechnische Kooperation mit Islamabad und Teheran von der Neuregelung nicht betroffen ist. Washington verhängte gleichzeitig Sanktionen gegen pakistanische und iranische Firmen und Behörden, die an Raketenprojekten beteiligt sind.

 

In die entstehende Marktlücke im Iran stößt Rußland - unter Bruch eines Geheimabkommens mit den USA - hinein. Moskau kündigte an, es werde das Mullah-Regime in Teheran bei der Modernisierung von Luftwaffe und Luftabwehr und beim Ausbau der Kriegsmarine unterstützen. Ferner wird Rußland dem Iran Komponenten und Waffensysteme auf dem Bereich der weiterreichenden Boden-Boden-Raketen liefern. Verteidigungsminister Igor Sergejew schloß jedoch kategorisch den Verkauf von Technologie für Massenvernichtungswaffen aus. Anfang der 90er Jahre erhielt der Iran bereits russische T-72-Panzer und drei U-Boote der Kilo-Klasse. Die USA haben dem Kreml für den Fall tatsächlicher Waffenlieferungen mit Wirtschaftssanktionen gedroht.

 

Angesichts des chaotischen Zustandes der italienischen Justiz- und Sicherheitsbehörden regen sich Tendenzen zur Bildung von Todesschwadronen, um gegen Mafiosi und Drogenschieber vorzugehen. Im süditalienischen Latina hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen eine geheime "Schatten-Polizei" aufgenommen. Der illegalen Vereinigung werden rund 70 Carabinieri und Soldaten zugerechnet.

 

Nach Warnungen in mehreren US-Reiseführern vor rechtsextremistischen Übergriffen in Deutschland weist nun auch das US-Außenministerium auf die Gefahr von Überfällen hin. In den aktuellen Reise-Informationen der US-Regierung heißt es, auch wenn US-Bürger nicht gezielt angegriffen würden, habe es auf einige von ihnen bereits Übergriffe aus rassistischen Motiven gegeben. Deutschland ist das einzige westeuropäische Land, für das Washington vor Übergriffen von Rechtsextremen warnt.

 

Neues aus der bunten Welt des Bildungswesens: Auf einem Kongreß der "Stiftung Lesen" in Mainz wurde eine Studie vorgestellt, nach der immerhin 55 % aller jugendlichen PC-Benutzer mehrere Bücher der Woche lesen. Bei Nichtusern beträgt diese Quote nur 17 %. Das dürfte allerdings kaum etwas mit den Segnungen der Kommunikationsgesellschaft zusammenhängen, sondern vielmehr mit der Tatsache, daß gerade die ohnehin auf regelmäßigen Literaturkonsum angewiesenen Bildungs- und Berufsgruppen heutzutage kaum ohne einen PC auskommen. Seit 1992 hat sich die Zahl der Jugendlichen, die täglich ein Buch lesen, von 16 auf 8 % halbiert, während die Gruppe der konsequenten Nichtleser sich von 20 auf 28 % vergrößert hat.  Festzuhalten ist, daß Jugendliche bis 19 Jahren Bücher nicht mehr richtig lesen, sondern nur noch auf der Suche nach für sie relevanten Informationen überfliegen, was dem analytischen Denkvermögen nicht gerade zuträglich ist. Rund 4 Millionen Bundesbürger (5 % der Bevölkerung) sind de facto Analphabeten, und weitere 14 % besitzen nur eine rudimentäre Lesefähigkeit. Das Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung stellte in einer weiteren Studie dem bundesdeutschen Mathematik- und Physikunterricht ein schwaches Zeugnis aus. Immerhin bekleiden die Oberschüler der BRD unter 24 Staaten nach Schweden, der Schweiz, Slowenien, Norwegen und Frankreich noch den 6. Rang, aber mit zunehmendem Schwierigkeitsgrad der Aufgaben schneiden die Deutschen fortlaufend schlechter ab. Das Hauptproblem liegt nicht in der theoretischen Ausbildung der "Pädagogen", sondern an ihren mangelhaften didaktischen und pädagogischen Fähigkeiten. Demokratien brauchen Dumme.

 

Ungeachtet einer Aufforderung Arafats, in den direkt von der Autonomiebehörde kontrollierten 40 % des Westjordanlandes keine bewaffneten Angriffe auf israelische Soldaten mehr zu unternehmen, gingen die blutigen Zusammenstöße in Nahost weiter. Arafat setzt unterdessen auf Deeskalation, er ließ militante Gruppen entwaffnen, verfügte ein Streikverbot und untersagte die Teilnahme von Kindern und Jugendlichen an gewalttätigen Kundgebungen. In der jordanischen Hauptstadt Amman wurde der israelische Generalkonsul von Unbekannten angeschossen, im saudischen Riad sprengten Terroristen ein britisches Ehepaar in seinem Auto in die Luft. Nach einem Bombenanschlag auf einen Schulbus zionistischer Siedler im Gazastreifen, bei dem 2 Wehrbauern getötet und 8 Personen, darunter 5 Kinder, schwerste Verletzungen erlitten, reagierte Israel mit einem Luft-See-Bombardement des Gazastreifens, wobei unter anderem zwei dicht bevölkerte Flüchtlingslager bombardiert wurden. Ägypten, das 1979 als erstes arabisches Land einen Friedensvertrag mit Israel schloß, rief postwendend seinen Botschafter aus Tel Aviv zurück. Kairos Außenminister Mussa warf Tel Aviv vor, es mache Terrorismus und Einschüchterung zur Grundlage seiner Politik. Die Palästinenserpolizei erhielt den Befehl, bei israelischem Schußwaffeneinsatz gegen Demonstranten zurückzufeuern, und die Fatah-Führung gab die Genehmigung für terroristische Operationen in Israel selbst. Der jordanische Botschafter kehrte bereits zu Beginn der Unruhen nach Amman zurück. In Bagdad nahmen rund 2 Millionen Iraker an antiisraelischen Kundgebungen teil. Nachdem israelische Soldaten den Fatah-Funktionär Jamal Abdel Rasek erschossen, erfolgte im nordisraelischen Hadera ein Bombenanschlag auf einen Linienbus, bei dem es 2 Tote und bis zu 52 Verletzte gab. Daraufhin kam der Hamas-Aktivist Ibrahim Bani Odeh wahrscheinlich bei einem Autobombenanschlag des israelischen Geheimdienstes in Nablus ums Leben. Die Palästinenser antworteten mit einem Handgranatenangriff auf ein israelisches Verbindungsbüro in Gaza, wobei ein Israeli getötet wurde. Die israelische Zeitung "Haaretz" veröffentlichte ein Interview mit einem Scharfschützen. Dessen Angaben zufolge werden systematisch Kopfschüsse auf Palästinenser abgefeuert, die Waffen tragen oder auch nur einen Brandsatz werfen. Legitime Ziele sind hierbei auch Kinder über 12 Jahren. Die oftmals wechselnden Einsatzanweisungen hätten generell zum Ziel, die Zahl der palästinensischen Todesopfer zu begrenzen. "Sechs Tote, das ist normal, es könnten viel mehr sein." Die israelischen Streitkräfte verfolgen demnach eindeutig das Ziel, durch gezielte Tötungen die Bevölkerung einzuschüchtern. Terror trifft auf Gegenterror. Am Ende der Woche führten israelisch-palästinensische Geheimverhandlungen zu einem überraschenden gemeinsamen Aufruf, die Gewaltaktionen zu beenden.

 

In der "Jungen Welt" äußerte sich Norman Paech zur Lage der Palästinenser: "Da diese offensichtlich nicht bereit sind, den fortdauernden Zustand der Unterdrückung und Besatzung, der faktischen israelischen Kontrolle über ihre Lebensgrundlagen, die Zerstückelung ihres Territoriums durch die Siedlungen und die ständigen Provokationen der Siedler zu ertragen, wird der Aufstand weitergehen - es sei denn, die Israelis und Amerikaner begreifen, daß Nachbarschaft nicht unter den Stiefeln des Nachbarn gedeihen kann." Paech erinnert an die Verabschiedung der UN-Resolution vom 10.11.1975, in der es selten deutlich hieß: "Der Zionismus ist eine Form des Rassismus und der rassischen Diskriminierung." Mit dem empörten Westen im Rücken erklärte Israels damaliger UN-Botschafter Chaim Herzog: "Für uns, das jüdische Volk, basiert diese Entschließung auf Haß, Lüge und Arroganz." Die Resolution war hingegen keinesfalls der Ausdruck des Antisemitismus, sondern "vielmehr ein Ausdruck des Widerstands gegen Israels Weigerung, die 1967 besetzten Gebiete wieder herauszugeben und das palästinensische Volk zu akzeptieren; ein Versuch, Israel in der UNO zu isolieren, weil es bis dahin alle Resolutionen der Vollversammlung mißachtet hatte; Kritik an Israel als jüdischem Staat, der den Juden Privilegien vorbehielt, die er Nichtjuden verweigerte." Konkret wurde Tel Aviv an die Antirassismusdeklaration der UNO von 1963 erinnert und mußte sich den Vergleich mit dem südafrikanischen Apartheidregime gefallen lassen. Neben diesem ist Israel übrigens der am häufigsten von der UNO verurteilte Staat auf diesem Planeten, ohne daß es jemals Konsequenzen gab. Selbst die "New York Times" erkannte damals an, daß dieser Vergleich "ein Element der Wahrheit" für sich hatte (und hat!).

 

Die PDS-Bundesvorsitzende Gabi Zimmer hat sich nach einer kontroversen Vorstandssitzung (wie die Mehrheit der Vorstandskollegen) hinter Petra Paus Thesenpapier zur Begrenzung der Einwanderung gestellt. Wie berichtet, sieht das Papier eine Einwanderung durch Familienzusammenführung und den Nachweis einer aufgenommenen Ausbildung oder einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung vor. Sahra Wagenknecht hielt Pau vor, sie verlasse die programmatische Position der PDS und verlangte eine Ausweitung des Asylrechtes auf wirtschaftlich Notleidende. Interessant wird es mit der Kritik von Parteivize Peter Porsch, derzufolge zahlreiche PDS-Wähler bei der Stimmabgabe ihre Zweitstimme einer rechtsgerichteten Partei gaben. Das gilt vor allem für den Gysi-Wahlkreis Berlin-Hellersdorf und für Sachsen. Angela Marquardt pflichtete bei, in der Gesellschaft und eben auch in der PDS gebe es eine "paranoide Fremdenangst", die durch Debatten über Einwanderungsbegrenzung nur begünstigt werde. Nach einer Forsa-Umfrage vom Sommer sind 59 % aller PDS-Anhänger der Ansicht, es gebe zu viele Ausländer in der BRD, und 94 % wünschen ein Zuwanderungsgesetz mit Quotenregelung. Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch erklärte, bislang hätten die zu nationalistischen Positionen tendierenden Parteimitglieder noch keine offen auftretenden Vordenker gefunden.

 

Die chinesische Regierung hat vorzeitig den Bau der Transrapid-Strecke in Shanghai gegehmigt. Die 35 km lange Schwebenahnlinie soll den internationalen Flughafen und die Hafenstadt miteinander verbinden. Chinesische Investoren werden die für den Bau der Trasse erforderlichen 1 Milliarde DM selbst aufbringen, aber für die weiteren Kosten von 1,5 Milliarden DM für Züge, Technologie etc. werden wohl internationale Kredite erforderlich sein. Der Vertrag zwischen dem bundesdeutschen Transrapid-Konsortium (ThyssenKrupp, Siemens und Adtranz) soll spätestens am 15.12. unterzeichnet werden. Auf die auf den 01.01.2003 angesetzte Inbetriebnahme wird der Bau einer 1300 km langen Strecke zwischen Shanghai und Peking folgen.

 

Der politischen Degeneration der Grünen scheinen keine Grenzen gesetzt zu sein. Rezzo Schlauch als Vorsitzender der Bundestagsfraktion und die arbeitsmarktpolitische Sprecherin Thea Dückert machten sich öffentlich für die weitere Aushebelung des Tarifsystems stark. "Betriebe in wirtschaftlichen Schwierigkeiten" (wer bitteschön definiert diese?) sollen die gesetzliche Möglichkeit erhalten, ihre Beschäftigten untertariflich zu entlohnen. Schlauch meint hiermit die Aufhebung der gesetzlichen Schranke für untertarifliche Löhne in § 77 Betriebsverfassungsgesetz. Bisher müssen bei untertariflichen Löhnen wie im Sanierungsfall Holzmann Betriebsrat, Gewerkschaft und Arbeitgeber zustimmen. Ein Wegfall dieser Zustimmungspflicht durch die Einführung einer gesetzlichen Neuregelung hätte verheerende Auswirkungen. Durch völlige Vereinbarungsfreiheit der in vielen Betrieben ohnehin eher auf Arbeitgeberseite stehenden Betriebsräte würden Lohnfindungsprozeß und Flächentarife ausgehebelt. Die Arbeitskämpfe würden sich direkt in die Betriebe verlagern, wo die Betriebsräte kein Streikrecht haben und höchstens wild ohne Gewerkschaftsunterstützun streiken könnten. Der ohnehin bei DGB und Arbeitnehmerflügel übel beleumundete Schröder und sein Arbeitsminister Riester wiesen den Vorstoß mit Entschiedenheit zurück. Schlauch, offenbar bestrebt, seine Partei zur zweiten FDP umzufunktionieren, erhielt inniges Lob von Liberalen und Arbeitnehmerverbänden. Arbeitgeberpräsident Hundt begrüßte den Vorschlag der Grünen, da in Tausenden von Unternehmen bereits von Firmenleitung und Betriebsrat - anhand tarifvertraglicher Öffnungsklauseln - untertarifliche Bezahlung ausgehandelt worden ist. Diese "Bündnisse für Arbeit" müsse man rechtlich absichern, außerdem sollte man den Vorstoß gleich auf Arbeitszeitverlängerung für Stellensicherung ausweiten. BDI-Präsident Henkel, zahlendes Mitglied von amnesty international, erklärte das autonome Tarifkartell mit seinen Flächentarifen zum Relikt der Vergangenheit.

 

Rezzo Schlauch wurde von SPD, Gewerkschaften und eigenen Parteifreunden dermaßen mit Kritik überhäuft, daß sein weiterer Verbleib an der Fraktionsspitze fraglich erscheint. Mit dem ÖTV-Vorsitzenden Frank Bsirske erklärte der erste an der Spitze einer DGB-Gewerkschaft stehende Grüne, Schlauch und Dückert  hätten eine "Einladung zur Lohndrückerei auf breiter Front" ausgesprochen, die letztendlich Streikrecht und Tarifautonomie bedrohe. Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer warf den Grünen vor, sich auf dem Rücken der Arbeitnehmer zu profilieren und an den Grundfesten der Arbeitnehmerrechte zu rütteln. Klaus Wiesenhügel als Vorsitzender der IG Bau drohte unumwunden damit, die traditionell enge Zusammenarbeit mit den Grünen aufzukündigen. Sein Amtskollege Hubertus Schmoldt von der IG Bergbau, Chemie, Energie kreidete den Grünen ihre arbeits- und sozialpolitische Inkompetenz an. Peter Deutschland als Vorsitzender des DGB Nord mahnte angesichts sozialreaktionärer Tendenzen bei den Grünen zur generellen Wachsamkeit. Schlauchs Parteifreundin Annelie Buntenbach, Vizevorsitzende des Arbeitsausschusses im Bundestag, hielt ihm in einem offenen Brief vor, den sozialpolitischen Grundkonsens der Grünen zu verlassen. Gemeinsam forderten 130 grüne Parteifunktionäre den Vorstand auf, ein eindeutiges Bekenntnis zur Tarifautonomie und zur Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften abzugeben. Auch der mit Schlauch rivalisierende Parteivorsitzende Fritz Kuhn distanzierte sich vom Fraktionschef.

 

Die von der EU als Grundvoraussetzung für einen Beitritt Zyperns betrachteten Verhandlungen über eine Wiedervereinigung scheiterten. Bekanntlich ist die Insel seit 1974 in einen mehrheitlich türkischen Norden und einen mehrheitlich griechischen Süden geteilt. Der türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit gab den Rückzug Nordzyperns aus den Gesprächen nach einem Treffen mit dessen Führer Rauf Denktasch bekannt. Hintergrund ist mangelndes Entgegenkommen der griechischen Seite, die seinerzeit das Volksgruppenabkommen brach und damit der türkischen Bevölkerungsgruppe den Vorwand zur Abspaltung lieferte. Nordzypern hat angekündigt, es werde beim Besuch des UN-Sondergesandten Álvaro de Soto im Dezember einen gleichberechtigten Status für beide Inselteile beantragen. Unklar ist, ob Denktasch auch die nächste Verhandlungsrunde im Januar boykottieren wird.

 

Immerhin hat die "stärkste Demokratie der Welt" es endlich geschafft, die Stimmauszählung für den US-Kongreß zu beenden. Im Senat haben verfügen fortan Republikaner und Demokraten über je 50 Sitze. Bei einem Abstimmungspatt ist die Stimme des Vizepräsidenten entscheidend, bekanntlich derzeit der Demokrat Al Gore. Sollte bei einem Sieg Gores bei den Präsidentschaftswahlen der demokratische Senator Joseph Lieberman Vizepräsident werden, wird dessen Nachfolger im Senat vom republikanischen Gouverneur ernannt, womit die Republikaner eine Mehrheit von 51 zu 49 Stimmen hätten. Im Repräsentantenhaus haben die Republikaner mit 221 gegen 212 Sitze ihre Mehrheit knapp behauptet. Vor den Gerichten geht das Tauziehen um die Auszählung der wahlentscheidenden Stimmen in Florida weiter und wird möglicherweise den Obersten Gerichtshof der USA beschäftigen. Trotz eines sich allmählich verringernden Vorsprungs dürfte jedoch George W. Bush als Sieger der Präsidentschaftswahlen feststehen. Die demokratische US-Außenministerin Albright erkannte Bush bereits de facto als Sieger an, indem sie ihm Hinweise über unbedingt zu beachtende Thematiken wie New Economy, Nichtverbreitung von Kernwaffen und Umweltschutz mit auf den Weg gab. Louisianas Senator John Breaux, ein Demokrat, forderte Gore auf, das Wohl der Vereinigten Staaten über seine persönlichen Interessen zu stellen und die Niederlage anzuerkennen. Mittlerweile gibt es neue Mosaikstückchen aus der größten Bananenrepublik der Welt: Der republikanische Gouverneur von Montana, Marc Racicot, beschuldigte den politischen Gegner, bei der Neuauszählung im Bezirk Broward Gore ungerechtfertigt zusätzliche Stimmen zuzurechnen. Ferner wurden in demokratisch kontrollierten Wahlbezirken Floridas 30 % der Briefwahlstimmen aus Übersee, die hier zumeist von republikanisch wählenden Soldaten kommen, wegen "Formfehlern" nicht gewertet.

 

Dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg steht nach der Klage des ehemaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden Egon Krenz gegen die BRD ein weiteres hochpolitisches Verfahren ins Haus. Abdullah Öcalan, der als Hochverräter zum Tod durch den Strang verurteilte Führer der kurdischen Untergrundorganisation PKK, verklagte die Türkei wegen Verstößen gegen die Menschenrechtskonvention. Konkret gemeint sind die Entführung Öcalans durch den türkischen Geheimdienst aus Kenia in die Türkei, das Strafverfahren in der Türkei und die vom Europarat geächtete Todesstrafe. Der Kurdenführer wurde im Herbst 1998 von seinem bisherigen Gastgeber Syrien ausgewiesen und ging dem türkischen Sicherheitsapparat schließlich im März 1999 in der griechischen Botschaft in Nairobi ins Netz. Da die türkische Regierung auf eine Verbesserung der Beziehungen zur EU erpicht ist, dürfte ihr ein Verdikt Straßburgs gegen die Hinrichtung durchaus gelegen kommen. Ankara hätte das Gesicht gewahrt und könnte Öcalan ohne Ansehensverlust zu lebenslanger Haft begnadigen. Der PKK-Chef bekennt sich mittlerweile zum türkischen Staat und zieht eine Autonomieregelung der Unabhängigkeit vor. Für den Fall seiner Hinrichtung haben die gegenwärtig zurückhaltend agierenden PKK-Einheiten mit einer Terroroffensive beispiellosen Ausmaßes gedroht.

 

Im Zuge der Ermittlungen gegen mutmaßliche Mitglieder der linksmilitanten Vereinigung "Das K.O.M.I.T.E.E." hat Generalbundesanwalt Kay Nehm bundesweit Wohnungen durchsuchen lassen. Der Organisation wird vorgeworfen, durch Brand- und Sprengstoffanschläge den Kampf der PKK innerhalb der BRD unterstützen zu wollen. Bei den Durchsuchungen wurden neben Schriftmaterial vor allem Elektronik und chemische Substanzen zur Herstellung von Sprengstoff beschlagnahmt. Angesichts der Tatsache, daß die PKK die BRD als Rückzugsraum betrachtet und nach Möglichkeit Auseinandersetzungen mit der hiesigen Staatsgewalt vermeidet, handelt es sich bei der Begründung wohl um ein Konstrukt der GBA.

 

Der nordrhein-westfälische Innenminister Fritz Behrens (SPD) legte einen Bericht des VS über die Entwicklung extremistischer Straftaten seit Jahresbeginn vor. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum sei die Zahl rechter Straftaten bis Oktober um 59 % auf 1003 gestiegen, gegenüber 1990 würde die Zahl sogar um 500 % ansteigen. Behrens, derzeit Vorsitzender der Innenministerkonferenz von Bund und Ländern, schloß eine Änderung des Versammlungsrechtes nicht mehr grundsätzlich aus. Nicht nur bei der NPD, sondern auch bei DVU und Republikanern machte er "Ansatzpunkte für rechtsextremistisches Verhalten" aus. Gefahren für die "öffentliche Sicherheit" würden in NRW auch von militanten Linksextremisten ausgehen. Auch die PDS werde weiter beobachtet, da der Landesverband in starkem Maße von Linksextremisten beeinflußt sei.

 

Der 6. Weltklimagipfel in Den Haag bewegt sich erwartungsgemäß auf ein Fiasko zu. Jan Pronk, niederländischer Umweltminister und Konferenzleiter, hat bereits eine Minimalliste mit 39 ungeklärten Punkten zur Verringerung der Treibhausgasemission aufgestellt. Umstritten ist vor allem die Forderung der USA, die Industrieländer könnten ihre Reduktionspflichten auch durch Export von Technik und Aufforstungsprogramme in der Dritten Welt erfüllen. Zudem will Washington sich nicht nur die ausgedehnten Waldgebiete, sondern auch seine Plantagen als Kohlendioxidsenken anrechnen lassen. Alleine durch Anrechnung der Waldgebiete könnten die USA sich um jegliche Emissionsreduzierung herumdrücken. Die Clinton-Administration wünscht allen Ernstes, auch die Tatsache zu berücksichtigen, daß Amerikas Farmer nicht mehr so tief pflügen. Bei weiter ungehemmter Entwicklung wird sich der Treibhausgasausstoß der USA bis 2010 nicht wie in Kyoto vereinbart gegenüber 1990 verringert, sondern um 28 % erhöht haben. Japan und Kanada stellten sich hinter die Vorschläge der USA. Hinzu kommt der Widerstand Rußlands, Japans und Australiens gegen die Einrichtung rechtlich verbindlicher Kontroll- und Sanktionsmechanismen. Australier, Japaner, Russen und Kanadier wollen sich außerdem den Export von Atomkraftwerken in die Dritte Welt als Klimaschutzmaßnahme anrechnen lassen, Um die Rückendeckung Chinas und der in der G-77 zusammengeschlossenen Entwicklungsländer zu erhalten, reagierte Washington auf Forderungen derselben und stellte 1 Milliarde Dollar für den Klimaschutzfonds des Kyoto-Protokolls in Aussicht - die BRD hat hier bereits 1,2 Milliarden eingezahlt und weitere 500 Millionen angekündigt. Die Entwicklungsländer wiesen die amerikanischen "Klimaschutzvorstellungen" dann auch entschieden zurück. Die Kontrahenten aus der OECD ließen sich auch von der ehrlichen Verzweiflung der von Überschwemmungen bedrohten westafrikanischen Staaten und vor allem der in der Gruppe Aosis zusammengeschlossenen 39 Inselstaaten nicht beeindrucken. Aus dem Schattenkabinett von George W. Bush wurde bereits kolportiert, daß mit seinem Einzug ins Weiße Haus unter Umständen die bisherigen Klimaschutzvereinbarungen gekündigt werden könnten. Frank Loy, amerikanischer Vizeaußenminister und Delegationsleiter, wurde zur Erheiterung des Verfassers von einer Demonstrantin mitten im Konferenzsaal mit einer Schokoladentorte bedacht - mitten ins Gesicht. Süßwaren dürften hier jedoch nicht mehr ausreichen.

 

Das Illinois Institute of Technology Research IITRI legte auf Anforderung des US-Justizministeriums ein Gutachten über das vom FBI entwickelte Internet-Überwachungsprogramm Carnivore vor. Mit Hilfe von Carnivore kann die e-mail-Kommunikation einer beliebigen Person protokolliert werden, ohne den Hauch einer Spur zu hinterlassen. Das Programm verlangt nach keiner Autorisierung etwa durch einen richterlichen Beschluß und hält auch nicht fest, wer es für welchen Zeitraum benutzte. Carnivore unterstützt ausgeklügelte Suchfunktionen, um die Kommunikation des Überwachten zu verfolgen, und zeichnet bei entsprechender Konfiguration den gesamten Datentransfer auf. Voraussetzung ist jedoch, daß der Mailaccount des Verdächtigen bekannt ist, aber hierfür gibt es ja die Telekommunikationsverordnungen, die Provider zum Bereitstellen genauer Informationen über ihre Kunden verpflichten.

 

In Winnenden bei Stuttgart fand der Bundesparteitag der rechtskonservativen Republikaner statt. Mit 312 von 384 Stimmen wurde Rolf Schlierer erneut als Parteivorsitzender bestätigt. Sein Gegenkandidat Hans Hirzel, ehemaliger Aktivist der bündischen Widerstandsgruppe Weiße Rose, errang mit 63 Stimmen einen Achtungserfolg. Hinter Hirzel standen die Landesverbände Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen, die als Konsequenz aus der Serie von Wahlniederlagen den Rücktritt Schlierers forderten. Schlierer bekräftigte erneut die strikte Abgrenzung zur NPD und lehnte die Aufnahme von NPD-Abwanderern kategorisch ab. Er hielt den Nationaldemokraten "miese Methoden" beim Konkurrenzkampf innerhalb des rechten Lagers vor. Die NPD sei wegen ihres "Dumpfbacken-Radikalismus" zu einer Gefahr für die "demokratische Rechte" geworden. Unter den Gästen des Parteitages waren der Nationalliberale Heiner Kappel und Wim Verreycken, der Fraktionsvorsitzende des Vlaams Blok im belgischen Senat. Einem Demonstrationsaufruf eines Bündnisses gegen Rechts folgten 2500 Menschen. Die Polizei stellte bei einer Reihe wehrhafter Demokraten Holzknüppel, Benzinkanister und Brandflaschen sicher. Der DGB-Landesvorsitzende Rainer Bliesener forderte im Hinblick auf die Landtagswahlen von 2001, danach müsse das baden-württembergische Parlament frei von den Republikanern sein.

 

Auf dem ibero-amerikanischen Gipfel in Panama City kam es zu einer schweren Verstimmung zwischen Spanien und Kuba. Castro verweigerte die Unterschrift unter eine ausgerechnet von El Salvador eingebrachte Erklärung zur Verurteilung der baskischen Untergrundbewegung ETA mit dem Argument, man müsse auch die illegalen Operationen der CIA gegen Kuba anprangern. Kuba halte den Konflikt im Baskenland für eine interne Angelegenheit Spaniens, aber auf einem Ibero-Amerika-Gipfel könne man keinen Text über Terrorismus in Spanien akzeptieren. Die Resolution müsse vielmehr vom Terrorismus in Ibero-Amerika handeln, und kein Land habe so viele Opfer durch den Staatsterrorismus der USA erlitten wie Kuba.

 

In Panama wurden zur gleichen Zeit vier militante Exilkubaner verhaftet unter denen sich Luís Posada Carriles befand. Der in Florida lebende Exilkubaner aus dem Dunstkreis der CIA wird verdächtigt, einen Mordanschlag auf Fidel Castro vorbereitet zu haben und ist nach kubanischen Geheimdienstmeldungen in Wahlfälschungen zugunsten der amerikanischen Republikaner in Florida verwickelt. Bereits 1976 sprengte Posada eine kubanische Linienmaschine mit 73 Passagieren an Bord in die Luft. Wenig hilfreich dürfte sein, daß der spanische Ministerpräsident Aznar die Stirn besaß, zu behaupten, es habe niemals echte Mordkomplotte gegen Castro gegeben.

 

Im baskischen Baracaldo zerstörten ETA-Anhänger per Brandanschlag das Parteibüro der Sozialisten. Eine Kaserne der Guardia Civil bei Irún wurde mit zwei Mörsergranaten bedacht, und wieder gab es einen Toten: Ein ETA-Kommando verübte in Barcelona einen tödlichen Anschlag und erschoß den ehemaligen spanischen Gesundheitsminister Professor Ernest Lluch (PSOE) in der Tiefgarage seines Hauses. Mit Lluch töteten die Separatisten erneut einen sozialistischen Politiker, der für einen Verständigungskurs im Baskenland eintrat. In Pamplona wurde ein ETA-Aktivist festgenommen, als die Polizei ein Attentat auf einen konservativen Kommunalpolitiker vereitelte.

 

In der "Berliner Zeitung" hielt Krisztián Ungváry, einer der profiliertesten Kritiker der Wehrmachtsausstellung, der von Reemtsma bestellten Kommission zur Überprüfung der demagogischen Wanderschau vor, sie habe "parteiisch und ungenau" gearbeitet. Die Feststellung der Kommission, die Wehrmacht sei zum Teil nicht nur passiv, sondern auch aktiv in einen verbrecherischen Vernichtungskrieg im Osten und auf dem Balkan verstrickt gewesen, sei auch von keinem ernstzunehmenden Kritiker bestritten worden. "Die Frage aber, wie viele Fehler die Ausstellung insgesamt enthielt, wie viele die Kritiker davon moniert hatten, und wie viele von diesen Beanstandungen begründet sind, wird nicht beantwortet. In manchen Fällen wird lakonisch zugegeben, dass es Gründe geben 'könnte', bestimmte Fotos in der Ausstellung zu behalten, diese Gründe werden aber nicht genannt. Über die Bombardierung Belgrads wurde in der Ausstellung behauptet, dort seien mehr Menschen gestorben als in Rotterdam, Warschau und Coventry insgesamt. Eine konkrete Zahl nannte uns aber auch die Kommission nicht. Es bleibt unbeantwortet, ob die Behauptung von Hannes Heer zutrifft, an der Ostfront seien von der Wehrmacht in Zusammenarbeit mit der SS fünf bis sieben Millionen Menschen ermordet worden. Die Kommission stellt lediglich eines fest: weniger als 20 Fotos gehören nicht in die Ausstellung, weil sie selbstständig agierende Ausländer oder Verbrechen der NKWD zeigen." Es sei versäumt worden, eine quantitative Analyse aller Vorwürfe und Fehler zu erstellen, was darauf hindeute, daß die Kommission die Ausstellungsmacher schonen wollte. "Die Tatsache, dass die Nachrecherchen der Kommission Dutzende von weiteren Fehlern ans Tageslicht gebracht haben, verstärkt diese Annahme." Ungváry verweist darauf, daß alleine durch seine Arbeit 71 falsche Bildunterschriften und Dutzende von falschen Tatsachenbehauptungen zutage gefördert wurden. Die Kommission habe den Kritikern verdrehte Aussagen in den Mund gelegt und ihre Beanstandungen mit fadenscheinigen Begründungen abgetan; sie sei auch nicht auf die Manipulation von dokumentarischem Material durch die Ausstellung eingegangen. "Insgesamt läßt der Bericht eine quantitative und qualitative Bewertung der Ausstellung vermissen. Das ist umso bedauerlicher, weil es wichtig und wünschenswert bleibt, daß auch die Verbrechen der Wehrmacht thematisiert werden. Niemand soll glauben, im NS-Staat sei eine Trennung zwischen guten und bösen Organisationen möglich gewesen. Für einen Ausländer, der über die Verbrechen seiner eigenen Landsleute forscht, ist die kritische Attitüde, mit der sich die deutsche Geschichtswissenschaft den Schatten ihrer eigenen Vergangenheit annähert, imponierend. Aber die kritische Wahrheit ist unteilbar, und an dieser Einsicht hat es der Kommission gefehlt."

 

Ungvárys Kollege Bogdan Musial veröffentlichte seine Stellungnahme zum Untersuchungsbericht in der "Welt": "Einem aufmerksamen Leser wird nicht entgehen, wie sehr sich die Kommission anstrengte, das wahre Ausmaß der Katastrophe zu verschleiern." In dem "Glaubenskrieg" um die Ausstellung sei die Kommission Partei: "Es geht ihr offenbar darum, den Schaden zu begrenzen und das Gesicht der Aussteller und derjenigen zu wahren, die sich in gutem Glauben für die Ausstellung eingesetzt haben." Musial erwähnte in diesem Zusammenhang allein 14 Montagestrecken mit falsch zugeordneten Fotos und manipulierten Bildunterschriften, deren Umfang im Abschlussbericht verschwiegen worden sei.

 

Bei einem Bombenanschlag albanischer Extremisten auf die jugoslawische Vertretung in der Kosovo-Hauptstadt Pristina wurde ein serbischer Mitarbeiter getötet. Wenige Tage später erschossen Thaci-Anhänger den engen Rugova-Vertrauten Xhemajl Mustafa. Schwerer wiegt die militärische Eskalation im südserbischen Presovo-Tal. Hier eröffneten albanische Guerrilleros der UCPMB  in der entmilitarisierten Zone entlang der Grenze zwischen Serbien und dem Kosovo eine Offensive und trieben die serbischen Polizeieinheiten zurück. Belgrad darf in dieser Pufferzone nur leichtbewaffnete Polizeiverbände unterhalten. Die Serben verloren 4 Gefallene und 10 Verwundete, Hunderte flüchteten vor den Partisanen. Bei der UCPMB handelt es sich um einen Ableger der ehemaligen UCK beziehungsweise der extremistischen PDK-Partei Hashim Tacis. Die jugoslawische Regierung forderte den UN-Sicherheitsrat zum Einschreiten auf und malte das Schreckgespenst eines großflächigen Krieges um den albanischen Irredentismus an die Wand. Als Reaktion riegelten KFOR-Einheiten die Nachschubwege der Albaner ab. Nur zu bezeichnend ist es, daß die aus der maßgeblich von der CIA mitgeschaffenen UCK hervorgegangenen Partisanen von der US-Besatzungszone im Kosovo aus ihre Offensive ungestört vorbereiten konnten. Belgrad gab der NATO ultimativ 72 Stunden Zeit, um die Lage in der Pufferzone unter Kontrolle zu bringen, andernfalls würden jugoslawische Einheiten eingreifen.

 

Noch einmal zum Berliner Verein Iskra: Die wohl in Bälde in den Genuß staatlich finanzierter Räumlichkeiten für ihr Silvio-Meier-Haus kommende Gruppierung steht der linksmilitanten Antifaschistischen Aktion Berlin (AAB) mehr als nahe. Nach Ansicht der Sicherheitsbehörden haben Iskra und die AAB eine maßgebliche Rolle bei der linksradikalen Maidemo in Kreuzberg und bei der seinerzeitigen Gegendemo gegen den Maiaufmarsch der NPD gespielt. Bei der Razzia im April beschlagnehmte die Polizei zwei PCs und mehrere Disketten sowie zahlreiches Propaganda- und Unterlagenmaterial. Neben der Homepage Antifa.de dürften auch die Urheber der gewaltorientierte Seite kaputtmachen.de in den Reihen der Iskra zu suchen sein. Der Anmelder der Seite www.kaputtmachen.de meldete auch die Seite www.pds-weissensee.de und www.pds-pankow.de an und arbeitet zu alledem als Redakteur bei der "Jungen Welt". Zu den gegenwärtigen Aktivitäten der AAB zählt folgerichtig auch die Silvio-Meier-Demo in Berlin sowie der Aufbau einer militanten Jugendantifa mit einer Reihe von Anlaufstellen in Berlin, deren organisatorisches Rückgrat dann wohl das Silvio-Meier-Haus werden dürfte. In Potsdam-Babelsberg kam es erneut zu einem Zusammenstoß zwischen "rechten" und "linken" Jugendlichen. Dieses Mal ging die Initiative eindeutig von autonomer Seite aus - die Polizei ermittelte einen 28jährigen Linksextremisten als Rädelsführer. Bei dem Überfall gerieten rund 70 Personen aneinander, wobei es einen Verletzten gab.

 

Im Herbst 2001 werden in Hamburg Bürgerschaft und Bezirksparlamente gewählt. Nachdem sich auf der "Rechten" das übliche Parteien- und Gruppenchaos konstituierte (Republikaner, NPD, DVU, Deutsche Konservative, PRO, Pro D-Mark) , formiert sich auf der Linken eine Einheitsliste. Die seinerzeit von den Grünen abgefallene Regenbogen-Liste gründete eine überparteiliche Wählervereinigung. Hier sollen nicht nur linke Renegaten der Grünen, Atomkraftgegner und Friedensbewegte kandidieren, sondern ebenso Mitglieder von PDS oder Jusos. PDS und DKP werden unausgesprochen zum selbständigen Kandidaturverzicht und zum Schulterschluß mit Regenbogen aufgefordert. Sollte die Absicht der Regenbogenführung auf fruchtbaren Boden fallen, hat ihre Liste alle Chancen auf einen Wiedereinzug in die Bürgerschaft.

 

In der "Süddeutschen Zeitung" meldete sich Jost Kaiser mit dem Beitrag "Die deutsche Neurose" zur Leitkulturdebatte zu Wort. Laut Kaiser haben Leitkulturdenken und Multikulti-Ideologie gleiche Wurzeln. "Selbst wenn die Deutschen über die Anderen reden, reden sie nur über sich selbst: Willkommen in der deutschen Neurose." Bei dieser Neurose handele es sich unter anderem um die kollektive Seele, um den unbedingten Willen der Deutschen, ausschließlich um Deutschland zu kreisen. Sowohl bei Anhängern der stupiden "Ausländer-Raus-Propaganda" aus auch bei Multikulti-Idealisten "erscheint das Fremde entweder übertrieben idealisiert oder hysterisch dämonisiert, auf jeden Fall aber: mystifiziert, überzeichnet, dramatisiert". Ausdruck dieser neurotischen Psyche war die BRD: "Doch so bescheiden sich die Bundesrepublik auch gab, so nistete doch gerade dort, wo am vehementesten nationale Bescheidenheit gepredigt wurde, so etwas wie die urdeutsche Vorstellung, noch in der Verweigerung des Nationalen ein Vorbild für andere zu sein." Denker wie Habermas legten den postnationalen Staat ernsthaft auch Franzosen und Briten ans Herz. "Der Begriff der Nation hingegen war keineswegs aufgegeben, sondern ausgelagert in die Welt der Ersatzhandlung: Der Gang zum vielleicht nationalistischen türkischen Gemüsehändler an der Ecke mit der Halbmondflagge im Laden, das Palästinensertuch, der Nicaraguakaffee als Symbole der Unterdrückung, ja, von was? Von Nationen. Nein, 'Nation' an sich war keineswegs verpönt - Hauptsache (und hier kommt das Thema Ausländer ins Spiel), es ging um die Nation anderer. Wie wohl in keinem anderen Land hat in Deutschland das Bild des Ausländers, reduziert zum 'edlen Fremden', der den Deutschen immer auch als antizivilisatorisches, antiwestliches Bild dienen musste, bis heute eine große Bedeutung." Die Mulitkulti-Ideologie entspringt eben dieser Idee vom edlen Fremden. "Sie war ja nie als Beschreibung der Tatsache gemeint, daß in Deutschland Menschen vieler Kulturen zusammenleben, sondern gebärdete sich immer pädagogisch-grimmig als Theorie zum unwiderlegbaren Tagesbefehl: 'Ausländer bereichern uns'. Das Unangenehme daran war nie die Frage, ob dies stimmt oder nicht, sondern die unausgesprochene These, daß die gestörte Nation Deutschland geheilt werden kann durch den "edlen Fremden", natürlich in der Kitschversion vom klezmerspielenden Juden, trommelnden Afrikaner, folkloretanzenden Türken. Weil die Deutschen sich selbst hassen, ist der Kurde hier König: Helfen wird es nichts. Und weil die 'Multi-Kultur'-These in dieser vulgären Form sowohl kitschig als auch polemisch war, haben wir mit der 'Leitkultur' eine ebenso kitschig-polemische Gegenthese bekommen: statt Döner, Klezmer und Koran jetzt also Sauerkraut, Goethe und Grundgesetz - viel Spaß noch beim Weiterdiskutieren. Man könnte aber auch sagen: Die Dummheit der These fließt immer in die Gegenthese mit ein."

 

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