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Die politische Wochenschau
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vom 20. bis 26. Mai 2000
Schlagzeilen der Woche���zusammengestellt von Christian Klee�� |
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Zitat der Woche: |
"Mit der Ausbreitung der Technik w�chst auch ein neues Analphabetentum heran - die Maschinen nehmen dem Menschen das Denken ab." |
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Ernst J�nger�
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US-Pr�sident Clinton droht wegen seines Meineides vor dem Untersuchungsausschu� zur Lewinsky-Aff�re der Verlust seiner Anwaltslizenz. Der Disziplinarausschu� des Obersten Gerichtshofes von Arkansas legte den Richtern eine derartige Ma�nahme nahe, da Clinton kaum noch als Rechtsanwalt tragbar sei.
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In der Bremer Vertretung in Berlin konferierten die bundesdeutschen Ministerpr�sidenten mit dem EU-Chefb�rokraten Prodi. Unter Federf�hrung des Regierenden B�rgermeisters von Bremen, Scherf (SPD) und des bayerischen Ministerpr�sidenten Stoiber (CSU) drohten die L�nder mit einer Blockade der EU-Osterweiterung und des neuen EU-Vertrages im Bundesrat. Br�ssel soll die L�nderkompetenzen vor �bertriebenem Zentralismus sch�tzen, was vor allem f�r die �ffentliche F�rderung des �ffentlichen Personen- und Nahverkehrs, der Sparkassen, der Sozialdienste, des Rundfunks und der Kultur gilt. Auch die Kreditvergabe der Sparkassen an Klein- und Mittelbetriebe soll als regionale Strukturpolitik abgesichert werden. Kanzler Schr�der beugte sich im Vorfeld widerwillig, da er das Thema zwecks Vermeidung von Auseinandersetzungen mit den zentralistisch orientierten Staaten nicht auf die Tagesordnung der EU setzen wollte. Prodi stellte der BRD eine �bergangsregelung in Aussicht, und erst nach der EU-Konferenz im Nizza im Herbst sollen wie strittigen Fragen wie die Definierung des Begriffes der �ffentlichen Dienstleistungen gekl�rt werden. Ferner ist die Erstellung eines genauen Kataloges der Zust�ndigkeiten innerhalb der EU vorgesehen. Die �ffentlichen Dienstleistungen sollen laut Prodi gesichert werden, was aber nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung auf dem freien Markt f�hren d�rfe.
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Auf der NATO-Tagung in Florenz wurde Kroatien in die Partnerschaft f�r den Frieden und die Euro-Atlantische Partnerschaft aufgenommen. Der kroatische Au�enminister Tonino Picula k�ndigte einen Antrag des Landes auf NATO-Mitgliedschaft an. Im Rahmen dieser Gespr�che wurde bekannt, da� der NATO-Oberbefehlshaber in Europa, US-General Joseph Ralston eine Verst�rkung von KFOR von 40.000 auf 48.000 Mann bef�rwortet. Seine Au�enministerin Albright ermahnte die Verb�ndeten, endlich die zugesagten Polizeieinheiten ins Kosovo zu entsenden, um das KFOR-Kontingent zu entlasten.
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Zu heftigeren Auseinandersetzungen kam es in Florenz indessen um das amerikanische Raketenabwehrsystem NMD. Die europ�ischen NATO-Partner warnten die USA vor einem neuen atomaren Wettr�sten und vor einer Destabilisierung der internationalen Lage, da sie durch die Schaffung eines raketensicheren Nordamerika eine Aushebelung der milit�rpolitischen Solidarit�t zwischen NATO und EU bef�rchten. Durch verst�rkte Hinzuziehung der Amerikaner zu den sicherheitspolitischen Planungen der EU signalisierte Br�ssel bereits, da� es innerhalb der NATO keinen europ�ischen Sonderweg geben werde. Zu den Teilnehmern geh�rte auch der russische Au�enminister Iwanow. W�hrend US-Au�enministerin Albright in Florenz zusichern mu�te, die Ansichten der "Verb�ndeten" einzuberechnen, verk�ndete kurz darauf ein Sprecher der US-Regierung, da� man NMD notfalls auch gegen den Widerstand Ru�lands und der Volksrepublik China einf�hren werde. Sehr treffend erkl�rte Bundesau�enminister Fischer in Florenz: "Europa wird an der Entscheidung - wenn �berhaupt - nur indirekt teilnehmen."
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Auf einer Tagung der aus der UCK hervorgegangenen Demokratischen Partei des Kosovo PDK in Pristina erhob Parteichef Hashim Thaci die v�llige Unabh�ngigkeit der Provinz von Jugoslawien zum Endziel. Diese soll auf demokratischem Wege erreicht werden - leicht gesprochene Worte, da Thacis Todesschwadronen innenpolitisch und ethnisch f�r vollendete Tatsachen sorgen. In Nisch beendete ein serbisches Gericht die Verfahren gegen 143 inhaftierte UCK-K�mpfer mit harten Urteilen. F�r die Beteiligung an Partisanenaktivit�ten wurden 49 Albaner zu je 13 Jahren Haft verurteilt, w�hrend 51 weitere Delinquenten 12 Jahre erhielten. Hinzu kommen 41 Strafen zwischen 7 und 10 Jahren sowie die Verurteilung zweier Minderj�hriger zu je 7 Jahren Verwahrung in einer Sonderhaftanstalt.
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Der Rat f�r kollektive Sicherheit, ein Gremium der Nachfolgestaaten der Sowjetunion, er�rterte in Minsk einen milit�rischen Schlag gegen die Taliban-Milizen in Afghanistan. Die islamistischen Taliban unterst�tzen den tschetschenischen Widerstand und bedrohen die Stabilit�t in Kirgisien und Tadschikistan. Kasachstan hat seinen Luftraum bereits f�r russische Langstreckenbomber freigegeben. Da� Moskau zusehends auf die internationale B�hne zur�ckkehrt, beweist auch die Aktivit�t der Russen in Ostafrika: Die siegreiche Offensive der �thiopischen Streitkr�fte gegen Eritrea basiert auf den Arbeiten und Ratschl�gen eines russischen Beraterstabes von 18 Mann beim Oberkommando.
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Tanja Seibert und J�rgen Renner sind aus Protest gegen die mangelnde Abgrenzung von der Bundesregierung als Vizevorsitzende der Jusos zur�ckgetreten. Seibert und Renner kritisieren vor allem das Stillschweigen der Jusos zu den sozialreaktion�ren Tendenzen der rosa-gr�nen Bundesregierung in den Bereichen Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Soziales.
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Das US-Repr�sentantenhaus erkannte die Volksrepublik China als normalen Handelspartner an. Nachdem zuvor zwischen Peking und der EU �bereinkunft �ber alle strittigen Fragen erzielt wurde, steht dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation WHO nichts mehr im Wege. Das Reich der Mitte wies beharrlich die Forderung der Europ�er zur�ck, die H�chstgrenze f�r die Beteiligung ausl�ndischen Kapitals an Gemeinschaftsunternehmen von 49 auf 51 % anzuheben, diese Betriebe also mithin dem internationalen Finanzkapital auszuliefern. Zum Trost stellen die Chinesen Investitionsm�glichkeiten in Automobilindustrie, Mobilfunkmarkt, Dienstleistungssektor und Versicherungsbereich in Aussicht. Die Volksrepublik China ist nach der Wiedervereinigung mit Hongkong mit 8,7 % am Weltexport beteiligt. Zum Vergleich - der Anteil der EU liegt bei 18,9 %, derjenige der USA bei 16,4 %. Japan mit 5,6 % wurde bereits von den Chinesen auf den vierten Platz verwiesen. Auch bei den Importen liegt die Volksrepublik mit einem Anteil von 7,7 % deutlich vor Japan mit 6,9 %. Mit 8 % ist das chinesische Wirtschaftswachstum unter den Bedingungen einer Geplanten Marktwirtschaft doppelt so hoch die der weltweite Durchschnitt mit seiner Freien Marktwirtschaft. Sofern China dieses Wachstumstempo beibeh�lt, wird es sp�testens im Jahr 2015 an Wirtschaftskraft die USA eingeholt haben.
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Auf Taiwan wurde der Oppositionsf�hrer Chen Shui-bian als neuer Pr�sident des Inselstaates vereidigt. Neben der Ank�ndigung, die Korruption zu bek�mpfen und die Menschenrechtslage zu verbessern, stellte er das Versprechen, vorerst nicht die Unabh�ngigkeit der von Peking als abtr�nnige Provinz betrachteten Insel auszurufen. Ferner soll �berpr�ft werden, ob Taiwan nicht direkte Verkehrs-, Post- und Handelsverbindungen zur Volksrepublik aufnehmen k�nnte. Das kommunistische Mutterland zeigte sich zur�ckhaltend und fordert zun�chst die Anerkennung seiner Ein-China-Theorie ein. Indessen mu�te sich Chens Vizepr�sidentin Annette Lu von Peking offen als "Abschaum" titulieren lassen, weil sie erkl�rte, Taiwan und China seien nur entfernte Verwandte.
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In Fulda hielt der nationalliberale Bund Freier B�rger seinen Bundesparteitag ab. Man beschlo�, sich bis Jahresende zugunsten der Fusion mit den Republikanern zu einem neuen politischen Gebilde aufzul�sen. Deutsche Partei und DSU wurden zum Anschlu� aufgefordert. Schon vorher hatten Republikaner und DP einen Zusammenschlu� vereinbart.
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"Aus Kultur wird Konsum": Auf dem 5. Deutschen Trendtag der Lifestyle-Mafia und Konsumterroristen im Hamburger Curio-Haus hie� das Schwerpunktthema "Wirtschaften im Zeitalter der Ich-AG". �berfl�ssig zu bemerken, da� die Veranstaltung von zahlreichen Gro�unternehmen finanziert wurde. Da Wirtschaft zum alles bestimmenden Lebensstil geworden ist, mu� das Individuum sich als Aktiengesellschaft verstehen und sich selbst nach �konomischen Prinzipien vermarkten. Hinter diesen d�rren Worten verbirgt sich nicht weniger als die vollst�ndige Atomisierung der Gesellschaft in egoistisch-materialistische Einzelindividuen, einhergehend mit Entwurzelung und Isolation. Arbeit und Privatleben sind zur st�ndigen Informationsverarbeitung verschmolzen, die ein marktorientiertes �berleben sicherstellt. Der Essener Kommunikationstheoretiker Norbert Bolz lieferte die Erkl�rung f�r das Funktionieren eines im Grunde total �bers�ttigten Konsumsektors: Der ganzheitliche Mensch wird zum reinen Funktionstr�ger herabgew�rdigt, entmenscht, und sucht nach Ersatz f�r seine unerf�llten W�nsche und Sehns�chte nach individueller Anerkennung. Die Werbeindustrie bietet diesem latent unzufriedenen Konsumenten "Mythen und spirituellen Mehrwert" an. Der Mythos ist die mit einem Produkt verbundene Atmosph�re, und unter dem spirituellen Mehrwert ist die angeblich hinter einem Produkt stehende Philosophie verbunden. Im Klartext: Die Wirtschaft ist auf die fortschreitende Zerschlagung sozialer Bindungen angewiesen, um ihre Produkte effektiv absetzen zu k�nnen.
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Nach seinem Sieg bei den Regionalwahlen im April gelang Italiens Oppositionsf�hrer, dem dubiosen Medienmogul Silvio Berlusconi, ein zweiter Schlag gegen das demokratische Establishment. Seine Kampagne zum Boykott der von der Mitte-Links-Regierung zur Chefsache erkl�rten Volksabstimmung zur Wahlrechtsreform war ein Erfolg auf ganzer Linie. Nur 32,4 % der Wahlberechtigten gingen an die Urnen, womit die Reform Makulatur war. Ministerpr�sident Amato strebte nach einer Einf�hrung des reinen Mehrheitswahlrechtes, und Berlusconi bringt nun das deutsche Modell mit einer Sperrklausel ins Gespr�ch. Zun�chst fordert die Opposition aus Forza Italia, Alleanza Nazionale, Lega Nord und Fiamma Tricolore jedoch die Abhaltung von Neuwahlen, da die Regierung offensichtlich keinen R�ckhalt in der Bev�lkerung mehr hat.
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Auf der UN-Konferenz zur Umsetzung des Atomwaffensperrvertrages von 1970 haben die f�nf offiziellen Atomm�chte USA, Ru�land, China, Gro�britannien und Frankreich eine Absichtserkl�rung zur vollst�ndigen nuklearen Abr�stung vorgelegt. Bis zum Jahr 2005 wollen die f�nf St�ndigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates eine entsprechende Initiative einleiten. Hu Xiadodi, der Vertreter der Volksrepublik China, wies jedoch auf die Hindernisse hin: Die anstehende NATO-Osterweiterung, das US-Raketenabwehrprogramm NMD und den fehlenden Verzicht der USA und Ru�lands auf einen atomaren Erstschlag.
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In Berlin propagierte Bundesinnenminister Schily auf der Auftaktveranstaltung des B�ndnisses f�r Toleranz und Demokratie die St�rkung und Erneuerung des demokratischen Verfassungskonsenses. Als Termin w�hlte man bezeichnenderweise den 51. Jahrestag der Verk�ndung des von den Amerikanern angeordneten Grundgesetzes. Der Interkulturelle Rat aus Kirchen, Gewerkschaften, Wohlfahrtsorganisationen, Menschenrechtsgruppen und Ausl�ndervereinen nimmt eine eher kritische Haltung ein, was jedoch weniger am Unbehagen �ber einen staatlich finanzierten Antifaschismus oder regen Informationsaustausch mit den Sicherheitsorganen liegt, sondern eher an den mangelnden Mitsprachem�glichkeiten der Nichtregierungsorganisationen. Es geht also nur um den Preis, zu dem sich "antifaschistische" Gruppierungen vom kapitalistischen Staat instrumentalisieren lassen wollen. Das B�ndnis soll die bereits bestehenden regionalen und lokalen Gruppen aus Verwaltung, Polizei, Politik und B�rgerinitiativen vernetzen, wozu es laut Schily ein "kleines Sekretariat" erhalten wird. Vor der T�re stellten sich 100 Initiativgruppen gegen "extremistische Gewalt" vor, darunter bezeichnenderweise die Polizei-Fachhochschule Brandenburg. Unter Schirmherrschaft der Evangelischen Kirche Berlins organisierten DGB und Interkultureller Rat eine Erg�nzungsveranstaltung, an der sich u.a. Amnesty International, Pro Asyl und die Aktion Courage sowie die Zentralr�te der Juden und Muslime beteiligten. Pfarrer J�rgen Micksch als Vorsitzender des Interkulturellen Rates forderte in der "S�ddeutschen Zeitung" unumwunden staatliche Unterst�tzung "zur �berwindung von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus". Nat�rlich sei auch die Belastungsgrenze f�r weitere Zuwanderung in die BRD noch nicht �berschritten, und das B�ndnis f�r Demokratie und Toleranz solle in Wahlk�mpfen durch Gegenpropaganda verhindern, da� unliebsame T�ne aufkommen. Man k�nne laut Micksch wie in Belgien "fremdenfeindlichen" Parteien kurzerhand die Wahlkampfkostenerstattung streichen.
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Die �beralterung im linken Lager scheint sich nicht auf Gr�ne, PDS und SPD zu beschr�nken: Nach Angaben des Hamburger Verfassungsschutzes sind 85 % der Anh�nger antiimperialistischer Gruppen und rund ein Drittel der sogenannten Autonomen �ber 30 Jahre alt. Wenn man nicht jeden dahergelaufenen Schmuddelpunk als "Autonomen" wertet, offenbaren sich also Nachwuchsprobleme in Antifakreisen.
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