Wochenschau
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Die politische Wochenschau
vom 25. bis 31. März 2000
Schlagzeilen der Woche zusammengestellt von Christian Klee |
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"Mein Kampf" in Tschechien vergriffen | |
Zitat der Woche: |
"Auch die größte Revolution kann nur das vollbringen, was durch die Entwicklung reif geworden ist." |
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Rosa Luxemburg
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"Unser Unglück besteht nicht darin, daß wir eine Linke, sondern daß wir eine unfähige Linke gehabt hatten. Das ist schlimmer als gar keine." |
- Ernst
Jünger
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Im Vorfeld der Konferenz der EU-Minister für Inneres und Justiz signalisierten Spanien und England eine baldige Lösung der Gibraltar-Frage. Der strategisch wichtige Hafen am Mittelmeerausgang ist bekanntermaßen von England im Utrechter Frieden 1713 annektiert worden und stellt seitdem einen nicht zu unterschätzenden Zankapfel zwischen beiden Staaten dar. Während der klerikal-reaktionären Franco-Diktatur riegelte Spanien den Kalkfelsen gar hermetisch vom Hinterland ab. Hätte London den 27.000 Bewohnern nicht bereits eine gewisse Selbstverwaltung zugestanden, wäre eine Rückgabe an Madrid kein Problem, aber so dürften noch hitzige Verhandlungen anstehen.
Rußlands starker Mann Wladimir Putin obsiegte erwartungsgemäß bei den Präsidentschaftswahlen, wobei der Großteil der deutschen Tagespresse angesichts seiner völlig verfehlten Montagsmeldungen und seiner altklugen Kommentare besser die Ergebnisse der bevölkerungsstarken Bezirke hätte abwarten sollen. Aus dem starken Abschneiden der Kommunisten mit um die 30 % will Putin Konsequenzen ziehen, also die notwendigen Wirtschaftsreformen sozial verträglicher gestalten und vor allem Schlüsselunternehmen nicht an das internationale Finanzkapital verschleudern. Der Rußlandexperte Segbers von der FU Berlin erwartet einen Konfrontationskurs gegen die USA und eine Hinwendung Rußlands zu europäischen Problemen. Chinas Regierungschef Jiang Zemin hofft auf eine Vertiefung der strategischen Partnerschaft zwischen beiden Ländern, was eine eindeutige Spitze gegen die USA darstellt. Demonstrativ feierte die Nordmeerflotte den Wahlsieg mit dem Start zweier Interkontinentalraketen von einem Atom-U-Boot. Putin kündigte zwar das "Ende der Oligarchen" an, aber eben diese Wirtschaftsmagnaten finanzierten seinen Wahlkampf. Bei den Hintermännern des Kreml handelt es sich um die Großbankiers Beresowski (Logovas-Gruppe) sowie Awen und Friedman (Alpha-Gruppe), hinzu kommen Alekperow (Präsident des Erdölkonzerns Lukoil), der ehemalige Privatisierungsminister Tschubais (Präsident des weltgrößten Energieerzeugers Vereinigtes Energiesystem Rossija) und Rem Wjachirew, Präsident des allmächtigen Gasprom-Konzerns. Noch im Dezember hatte Gasprom bei den Parlamentswahlen Primakow und Luschkow unterstützt, schloß angesichts einer drohenden Entflechtung aber rasch einen Pakt mit Putin. Auf der anderen Seite muß dieser natürlich seine Mannschaft aus ehemaligen KGB-Kadern sowie die populären Wirtschaftsreformer berücksichtigen. Nur Wladimir Gussinski von der Most-Bank setzte mit Juri Luschkow auf das falsche Pferd.
In Juristenkreisen sorgt die von Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) geplante Reform des Gerichtswesens für Aufruhr. Auf die Neugestaltung der Zivilprozeßordnung soll eine hochgradig bedenkliche, dieser entsprechende Reform des Strafprozesses folgen. Die 1. Instanz soll soweit gestärkt werden, daß man ein Verfahren dort schnell erledigen kann - Revisionen müssen von der 2. Instanz, dem OLG, ausdrücklich zugelassen sein. Das ist dann der Fall, wenn das Berufungsgericht Erfolgsaussichten sieht oder Grundsatzfragen berührt sind. Der Fall wird bei Zulassung zur Revision jedoch nicht etwa neu aufgerollt, sondern es findet nur eine Rechtsfehlerkontrolle statt, weil die Tatsachen idealerweise schon erstinstanzlich geklärt wurden. Zum Bundesgerichtshof als dritter Instanz gelangen die Fälle nur noch, wenn Grundsatzurteile oder die Wahrung der Rechtseinheit vonnöten sind. Verhandlungen durch ein Richterkollegium werden nach Däubler-Gmelins Plänen zugunsten von einzelrichterlichen Urteilen zurückgedrängt.
Auf dem EU-Gipfel in Lissabon unterzeichnete die mexikanische Regierung ein Freihandelsabkommen. Neben Israel ist Mexiko somit der einzige Staat der Welt, der sowohl mit der nordamerikanischen NAFTA als auch mit der EU ein entsprechendes Abkommen unterhält. Die Deutsch-Mexikanische Handelskammer, dominiert vom Volkswagen-Konzern, in dessen Aufsichtsrat bekanntlich auch Kanzler Schröder saß, schwärmt schon: Mexiko bietet ein Lohnniveau, das bei gleicher oder sogar höherer Arbeitsproduktivität nur 10 % des US-Niveaus beträgt. Man kann also bald unter Ausbeutung der mexikanischen Bevölkerung effektiv für den EU-Markt produzieren. Ab dem 01.07.2000 entfallen für 82 % der mexikanischen und 47 % der europäischen Industrieprodukte die Einfuhrzölle, ab 2007 wird völlige Zollfreiheit für beide Partner gelten. Im Bereich der Landwirtschaft werden die Zölle für 62 % der Agrarprodukte bis 2010 abgeschafft. Infolge ihres subventionierten Agrarsektors nehmen die Europäer Fleisch- und Milchprodukte sowie Getreide von der Liberalisierung aus.
Im Rahmen einer Jugendstudie des Shell-Konzerns schätzten mehr als zwei Drittel der Befragten in den neuen Ländern und 60 % in den alten Ländern den Ausländeranteil in der BRD als zu hoch ein. Dem SPIEGEL fiel prompt nichts besseres ein, als aus einer Reihe von Faktoren den Zusammenhang zu konstruieren, 27 % der deutschen Jugend seien akut rassistisch eingestellt. Ursache für die Ausländerfeindlichkeit dieser Minderheit ist die Angst, im immer rücksichtsloseren Kampf um Arbeitsplätze und Zukunftschancen ins Hintertreffen zu geraten. Angesichts der in den Medien präsentierten Stereotypen (sportlich, aktiv, erfolgreich, farbig) durchaus eine vertretbare Sorge. Kultur- und Verhaltensunterschiede spielen hier keine Sorge. Gefeiert wird bereits, daß nur noch 50 % der Jugend ihre persönlichen Zukunftsaussichten pessimistisch beurteilen. Beinahe drei Viertel der Befragten betrachten die Familie als emotionalen Rückhalt, nicht als materielle Absicherung. Der Anteil der an Politik Interessierten ist auf 35 % in den neuen und 46 % in den alten Ländern zurückgegangen. Mit 11,1 % hat sich der Anteil der Grünen-Anhänger im Verhältnis zur letzten Befragung 1997 beinahe halbiert.
Sechs Wochen nach der Suspendierung der kolonialen Selbstverwaltung in Nordirland hat die probritische Ulster Unionist Party UUP gegen ihren Parteichef Trimble beschlossen, sich nur dann wieder an einer konfessionsübergreifenden Regierung zu beteiligen, wenn die bisherige Bezeichnung für die nordirische Polizei beibehalten wird. Auch die Justizreform soll auf Eis gelegt werden. Im Karfreitagsabkommen war beschlossen worden, die bei Katholiken wegen Folter, Diskriminierung und Fememord übel beleumundete Royal Ulster Constabulary RUC umzubenennen und vor allem grundlegend zu reformieren. Trotz des friedensnobelpreishonorierten "Friedensabkommens" hat sich bei der RUC - wie in ganz Nordirland - nicht sonderlich viel geändert: Noch immer stellen Protestanten die überwiegende Mehrheit der RUC-Beamten, bei den Offizieren machen sie beinahe 95 % aus. Anzumerken bleibt noch, daß der Großteil der RUC-Offiziere weiterhin eng mit den Logen des Orange Order verbunden ist. Dieser mit einer geradezu widerwärtigen Herrenmenschenmentalität auftretende, freimaurerähnliche Orden wird leider immer noch von gewissen Kreisen als Speerspitze des Nationalismus gefeiert, die gegen die böse marxistische IRA kämpfe. Hierbei läßt man außer acht, daß die Orangisten selbst bei Teilen der protestantischen Paramilitärs infolge ihrer sozialreaktionären Einstellung alles andere als beliebt sind. Wie wäre es mit dieser Interpretation: Die Befreiungsbewegung IRA kämpft gegen die von England gewaltsam erzwungene Teilung der Grünen Insel (also für die nationale Wiedervereinigung) und gegen die religiöse, soziale und nationale Diskriminierung der auf einen Bevölkerungsanteil von 50 % zusteuernden nordirischen Katholiken durch protestantische Kolonisten und die hinter ihnen stehende Londoner Zentralregierung. Nordirland ist die letzte Kolonie Europas, und angesichts der konsequenten Nichterfüllung des Karfreitagsabkommens durch die britisch-loyalistische Seite käme jede Waffenabgabe der IRA einem Verrat an beinahe 80 Jahren des nationalen und sozialistischen Befreiungskampfes gleich.
Nordirland zum zweiten: UUP-Führer David Trimble, für seinen Beitrag zur Zementierung der britischen Kolonialherrschaft mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, konnte sich bei einer Kampfabstimmung mit 457 zu 348 Stimmen nur knapp gegen den radikalen Parteiflügel durchsetzen. Dieser schickte bei der Wahl des Parteivorsitzenden bezeichnenderweise einen schottisch-presbyterianischen Pfarrer ins Rennen. Da Trimble die eigene Partei nicht mehr hinter sich hat, dürfte es für die IRA und Sinn Féin sinnlos sein, eine Waffengeste gegenüber einem faktisch schon entmachteten Trimble zu vollführen.
Nordirland zum dritten: In der Stadt Derry (von der Kolonialverwaltung auch Londonderry genannt) lief mittlerweile unter dem Vorsitz Lord Salvilles eine Untersuchung über den Bloody Sunday an. Am 30. Januar 1972 hatten britische Fallschirmjäger in einem Blutbad 13 unbewaffnete katholische Demonstranten erschossen und 130 weitere verwundeten. Das verantwortliche Regiment wurde von der Kolonialmacht mit einer Tapferkeitsmedaille geehrt. In den nächsten 18 Monaten werden rund 500 Zeugen erwartet, 1500 haben bereits Erklärungen abgegeben. Eine erste Untersuchung kam zu dem Entschluß, die Soldaten hätten in Notwehr gehandelt.
Im UN-Protektorat Kosovo ist ein Untersuchungsprogramm für das deutsche Kontingent angelaufen. Die bundesdeutschen UNO-Söldlinge sichern nämlich ein Territorium, das durch den Einsatz amerikanischer Uranmantelgeschosse nicht geringe medizinische Risiken birgt. Mittlerweile hat man der Truppe verboten, sich von amerikanischen A-10-Jagdbombern zerstörten Fahrzeugen (von NATO-Meßtrupps angepeilt und mit rot-weißem Plastikband gesichert) zu nähern - natürlich seien keine Erkrankungen bekannt, die auf uranhaltige Munition zurückgeführt werden könnten. KFOR hat den Soldaten die Fehlinfo verkauft, die Geschosse seien nur gegen Sendemasten eingesetzt worden - die A-10 ist dabei ein klassischer Panzerjäger. Auch der Deutsche Bundeswehrverband wiegelt ab, die in die Tausende gehenden Erkrankungen von US-Soldaten im Golfkrieg verschweigend. Der Sanitätsdienst der Bundeswehr warnte das Verteidigungsministerium bereits am 29. September 1999. Angesichts der hohen gesundheitlichen Risiken fordert die Menschenrechtskommission der UN bereits seit 1991, Uranmantelgeschosse zu verbieten.
In Neuss haben drei Personen einen Geldtransporter der Firma "securitas" überfallen. Der Transporter wurde auf dem Weg zu einem Modemarkt von einem Pkw gerammt. Angesichts eines zerschossenen Reifens und der Bedrohung mit einer Panzerfaust gaben die Bewacher klein bei. Die Täter, deren Vorgehen an vergleichbare Überfälle in Duisburg, Langenfeld und Hagen erinnert, erbeuteten 100.000 DM. Eine Großfahndung blieb erfolglos. Der "Rheinischen Post" zufolge will die Polizei nach dem Überfall in Duisburg im Juli 1999 ein Haar gefunden haben, das von dem mutmaßlichen (angesichts der zahllosen Fehlleistungen - siehe Christoph Seidler - kann der Verfasser das Wort nicht mehr hören) RAF-Terroristen Ernst-Volker Staub stammt. Staub wird auch mit der wohl eher auf Nachrichtendienst-Kreise zurückzuführenden Liquidierung des Treuhandchefs Rohwedder im April 1991 in Verbindung gebracht.
Was den Amerikanern ihr Echelon oder dem BND die Bundesstelle für Fernmeldestatistik, das ist dem Ministerium für Staatssicherheit die Abteilung III gewesen. Selbige überwachte nicht nur den gesamten Nachrichtenverkehr zwischen Westberlin und der BRD, sondern auch innerhalb der NATO-Staaten interessante Nachrichtenverbindungen. Spätestens seit 1976 war man im MfS über die kriminellen Machenschaften Helmut Kohls und seiner Kamarilla informiert, was noch für manche interessante Entdeckung sorgen wird. Die Abteilung III überwachte teilweise bis 1988 die Anschlüsse von Kohls Vertrauten Lüthje, Leisler Kiep und Weyrauch - in den Gesprächen tauchen 250 Anrufer aus Politik und Industrie auf, die in illegale Parteienfinanzierung und dunkle Geschäfte verwickelt sind. Die Bonner Staatsanwaltschaft schließt eine Verwendung der aufschlußreichen Unterlagen nicht von vornherein aus.
Beim berüchtigten Berliner Landesamt für den Verfassungsschutz geht es derzeit hoch her. Günter Schachtschneider, seines Zeichens Hauptmann in der Hauptabteilung X des MfS, flog als V-Mann innerhalb der PDS auf. Schachtschneider lieferte vor allem Informationen über die Kommunistische Plattform sowie über die Gruppe Bund der Antifaschisten/Die Prenzlberger. Im Rahmen seiner Tätigkeit soll der Geheimagent innerparteiliche Konflikte angeheizt haben - stellt sich die Frage, ob hier nicht auch militante Antifa-Aktionen nachrichtendienstlich gesteuert wurden. Bekanntlich belieferte das LfV großzügig "linksextreme" Journalisten mit Informationen über die "rechte Szene". Zu allem Überfluß machen Gerüchte die Runde, Schachtschneider habe als linker Doppelagent das Landesamt infiltriert; außerdem saß der V-Mann wegen Scheckbetrugs in 19 Fällen ein. Als Konsequenz wird das LfV in Kürze aufgelöst und als Abteilung dem Innensenator unterstellt.
Horst Köhler, der nach monatelangem Gerangel bestimmte neue Vorsitzende des Internationalen Währungsfonds, stellt sich auf weitreichende Reformen ein. Hierbei unterstreicht er jedoch die überragende Bedeutung der USA innerhalb des IWF. Die Laufzeiten der vergebenen Kredite sollen verkürzt, die Zinsen erhöht werden. Die Kreditprogramme sind zu überprüfen, im Gegensatz zu Schröders Erstkandidaten Koch-Weser will Köhler überprüfen, ob man das Programm "Gegen Armut und für Wachstum" nicht zur Weltbank abschieben könne. Damit nähert er sich der US-Linie an, die den IWF eher als Feuerwehr für Finanzkrisen sieht, also als Vehikel zur Verhinderung einer Zahlungsunfähigkeit der an der Schuldenkette liegenden Staaten der Dritten Welt.
Der gläserne Mensch naht: Das britische Gesundheitsministerium plant die Freigabe von Gentests für den Sektor der Lebens- und Krankenversicherungen, was sich spätestens 2005 massiv bemerkbar machen und nach Angaben von Kritikern eine genetische Unterklasse schaffen würde. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft gedenkt nach Eigenangeben nicht, dieses Modell nachzuahmen. Habe ein Kunde jedoch bereits einen Gentest gemacht, müsse er dessen Ergebnisse auch angeben, so wie er jegliches Wissen über seinen Gesundheitszustand zu offenbaren hat. Die Deutsche Krankenversicherung schließt nicht aus, daß künftig verbesserte Gentests eingesetzt werden.
Nach Angaben von höchster Stelle, von Reformkanzler Schröder, besitzen immer noch 10 % der deutschen Haushalte 50 % des Privatvermögens, was weit über dem EU-Durchschnitt liegt. Die untere Hälfte der Gesellschaft hingegen verfügt über 4 % des Volksvermögens. In den alten Ländern besitzen nur 11 % der Arbeiterhaushalte und 18 % der Angestelltenhaushalte Aktien, in den neuen Ländern beträgt die Quote nur ein Drittel.
Gunda Röstel, scheidende Vorstandssprecherin der Bündnisgrünen, schloß gegenüber der "Welt" eine politische Zusammenarbeit mit einer reformierten CDU nicht mehr aus. In verschiedenen Positionen Angela Merkels oder beispielsweise Biedenkopfs Ideen zur Reform der Sozialversicherung gebe es "Schnittmengen in den Denkweisen". Ein neuer Beleg für die These, daß, wer auch immer sich am parlamentarischen Zirkus beteiligt, ein Bestandteil desselben wird.
Im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses feierte die Amerika-Gesellschaft ihr 50jähriges Bestehen. Unter den 500 Gästen befand sich auch US-Botschafter John C. Kornblum. Dieser erklärte, die Gesellschaften der USA und der EU seien bereits über das Stadium auswärtiger Beziehungen hinausgewachsen, es gebe vielmehr eine atlantische Innenpolitik. Präsident Ingo Zuberbier, ehemals Chef der Lintas-Werbeagentur (Geschäftsvolumen 1998 7,7 Milliarden US-Dollar), erklärte: "Die Auseinandersetzung mit dem 'amerikanischen' Element im modernen Leben sollte von der Erkenntnis ausgehen, daß vieles, was man heute 'amerikanisch' nennt, morgen bereits Bestandteil des Lebens bei uns sein wird." Amen.
Es wird eng für Scharping und Fischer: Das bulgarische Außenministerium dementiert die Behauptung der Machthaber in Berlin, es habe ihnen die Informationen über den serbischen Hufeisen-Plan zur Vertreibung der Kosovo-Albaner zugespielt. Als Bösewicht sind zur Zeit die Österreicher im Gespräch. Angelika Beer, verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, forderte die Bundesregierung auf, sich den Vorwürfen zu stellen und endlich Klarheit zu schaffen, ob die Öffentlichkeit und der Bundestag gezielt falsch informiert wurden. Willy Wimmer von der CDU bemerkte: "Die Merkwürdigkeiten in der Informationspolitik zum Kosovo-Krieg summieren sich...Keine deutsche Regierung der jüngeren Geschichte hat so trickreich und täuschend gegenüber dem Parlament agiert wie diese." Die PDS reichte mittlerweile einen sage und schreibe 170 Fragen umfassenden Katalog ein und weist darauf hin, daß Scharping und Fischer bislang weder öffentlich noch intern ein glaubhaftes Faksimile des Hufeisenplans vorgelegt haben. Auch in der SPD-Fraktionsspitze drängt man auf eine brauchbare Erklärung Scharpings.
Frankreich hat gegen eine Kaution von jeweils 10.000 Franc zwei mutmaßliche Mitglieder der Revolutionären Zellen auf freien Fuß gesetzt. Die 67jährige Sonja Suder und der 58jährige Christian Gauger saßen seit dem 16. Januar in Paris in U-Haft. Sie hatten drei Jahre lang unter falschem Namen in Lille gelebt. Über den Auslieferungsantrag der BRD-Behörden soll am 19. April entschieden werden. Gauger und Suder sollen in den Jahren 1977 und 1978 an drei Sprengstoffanschlägen sowie einer Brandstiftung beteiligt gewesen sein. Suder wird ferner vorgeworfen, den Überfall auf die OPEC-Ministerkonferenz 1975 in Wien mit vorbereitet zu haben. Im Verfahren gegen Hans-Joachim Klein will dieser nach Angaben der "Welt am Sonntag" den libyschen Revolutionsführer Gaddhafi als Drahtzieher benennen. Auch Kleins Ex-Genosse Daniel Cohn-Bendit scheint langsam wieder ins Visier der Ermittler zu geraten, war er doch am Untertauchen Kleins in Frankreich beteiligt.
Im "Hamburger Abendblatt" äußerte sich Jürgen Meyer (SPD) als Initiator der im Dezember zur Verkündung auf dem EU-Gipfel in Nizza vorgesehenen EU-Grundrechte-Charta zu deren Streitfragen. Die EU soll nicht nur als Wirtschafts- sondern auch als (westliche) Wertegemeinschaft definiert werden. Hierzu Meyer: "Die ersten Abschnitte betreffen die klassischen Grundrechte wie Freiheits- und Bürgerrechte, aber auch einen Gleichheitsartikel. Er soll jedoch nicht nur ein allgemeines Diskriminierungsverbot enthalten, sondern ein Gleichstellungsgebot. Dann gibt es die modernen Grundrechte wie das Recht auf eine gesunde Umwelt und auf Datenschutz. Eine ganz wichtige Gruppe von Grundrechten sind die sozialen Grundrechte: Recht auf Wohnung und Arbeit. Diese sind bisher nur in den Verfassungen der neuen Bundesländer in Deutschland verankert." Die Grundrechte sollen beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg einklagbar sein, um endlich die Organe der EU in Brüssel kontrollieren zu können. Um eine Einklagbarkeit zu gewährleisten, ist allerdings mehr vonnöten als eine papierene Absichtserklärung, die angesichts der realen Zustände (Sozialabbau, Polizeistaat, Wirtschaftsliberalisierung, Unterdrückung nationaler Minderheiten, Aufrüstung der WEU, Neokolonialismus) wie nackter Hohn anmutet. Vorsitzender der mit der Ausarbeitung dieser Augenwischerei betrauten Kommission des Europaparlamentes ist übrigens der als Phrasendrescher bekannte Roman Herzog.
Im Rahmen des schrittweisen Ausbaues des paramilitärischen BGS zum bundesdeutschen FBI übernimmt der Bundesgrenzschutz die Sicherheitsaufgaben auf dem Düsseldorfer Flughafen. Die Grenzschützer sind hier für Personen- und Objektschutz sowie für die Fluggastkontrolle zuständig. Assistierend behält die Düsseldorfer Stadtpolizei die allgemeinpolizeilichen Aufgaben.
In Tschechien waren zwei Drittel der 6000er-Auflage von Hitlers "Mein Kampf" binnen dreier Tage vergriffen. Der umstrittene Verleger Michal Zitko kündigte bereits eine Neuauflage in Stärke von 12.000 Exemplaren an. In seiner Reihe "Bücher, die die Welt veränderten" veröffentlichte Zitko bereits die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776. Auf "Mein Kampf" sollen noch das "Kommunistische Manifest" und "Das Kapital" folgen.
Im Europaparlament haben Industriekommissar Liikanen und Ratspräsident Gomes scharfe Kritik am amerikanischen Echelon-System geübt - als wenn britische und deutsche Nachrichtendienste nicht an demselben beteiligt wären und als wenn die EU bei ihren Enfopol-Plänen keine Anbindung an Echelon beabsichtigte. Man hat auch folgerichtig keine konkreten Schritte gegen die USA oder Großbritannien angekündigt. Die kommende Konferenz der Innen- und Justizminister im Mai soll sich mit Echelon befassen. Bezeichnenderweise hat die konservative Europäische Volkspartei im Europaparlament einen Antrag der Grünen und der Linken abgelehnt, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. Die Sozialdemokraten zogen sich auf eine bequeme Stimmenthaltung zurück, um ihre Entlarvung als weiteres Standbein des US-Imperialismus zu verhindern. Die Konservativen forderten indessen ein von den USA unabhängiges Verschlüsselungssystem für die EU-Datennetze, außerdem soll sich die Welthandelsorganisation WTO mit der massiven amerikanischen Wirtschaftsspionage befassen. Die Parteijugend der Sozialistischen Volkspartei in Dänemark hat die Justiz aufgefordert, die USA und den korrupten Wüstling Clinton wegen Industriespionage anzuklagen.
Nach Angaben des Magazins "Focus" hält die SPD-eigene Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft DDVG, Hamburg, Beteiligungen an 19 zumeist täglich erscheinenden Regionalblättern. Bei einem Jahresgewinn von 7-10 Millionen DM wird der Marktwert des Presseimperiums auf rund eine halbe Milliarde geschätzt. Zu den kontrollierten Blättern gehören die "Neue Presse", die "Hannoversche Allgemeine Zeitung", das "Göttinger Tageblatt", das "Freie Wort", die "Lausitzer Rundschau", die "Südthüringer Zeitung", die "Neue Westfälische Zeitung", die "Dresdner Morgenpost", die "Westfälische Rundschau", die "Neue Ruhr Zeitung", die "Morgenpost am Sonntag", die "Sächsische Zeitung", der "Trierische Volksfreund", die "Leipziger Volkszeitung", die "Saarbrücker Zeitung", der "Pfälzische Merkur", die "Neue Presse Coburg", der "Nordbayerische Kurier" und die "Frankenpost". Die "Sächsische Zeitung" läuft unter Gruner + Jahr, "Frankenpost" und "Neue Presse" gehören zum Süddeutschen Verlag, die "Hannoversche Allgemeine" zur Verlagsgesellschaft Madsack und die "Neue Westfälische" zum WAZ-Verlag. Die Zahl der täglich verkauften Gesamtauflage steht bei fast 2,5 Millionen Exemplaren.