Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 15. bis 21. Juli 2000

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Bashar el-Assad ist neuer Präsident in Syrien

Rußland und China: Strategische Partnerschaft

ETA startet landesweite Offensive

Putin besucht Nordkorea

Iran testet Mittelstreckenrakete

Serben boykottieren Kosovo-Wahlen

Soziale Konflikte in Frankreich werden militanter

Autonomieplan für Korsika vorgelegt

Tagung zur "Information Warfare" in Hamburg

Parteispaltung bei russischen Kommunisten

Abstraktes Denkvermögen nimmt ab

Real IRA löst Chaos in London aus

Bundeswehr fordert Modernisierung

USA mildern Sanktionen gegen Kuba ab

Blair plant Law and Order-Kampagne

Warnungen vor rechter Gewalt

Arbeitsplatzverluste durch Spracherkennung

G-8-Gipfel auf Okinawa

Gedenktag wegen Antisemitismus in Frankreich

Kirche beschäftigte Zwangsarbeiter

Privatisierungen werden weltweit andauern  

 

Zitat der Woche:
"Die Tenne ist leer, der Weizen ausgedroschen; das Stroh blieb zurück. Es wartet auf einen, der kommt und es anzündet."
- Ernst Jünger

 

Bashar el Assad wurde als neuer Präsident Syriens vereidigt. Der neue Staatschef kündigte in seiner Antrittsrede Reformen in Wirtschaft und Verwaltung an; der Bevölkerung versprach er eine Anhebung ihres Lebensstandards. Assad versicherte, er wolle die Wirtschaft von veralteten Gesetzen befreien, die Bürokratie abbauen und die Verwaltung zu reformieren. Die Regierung soll transparenter und dem Parlament rechenschaftspflichtig werden. Eine Demokratie nach westlichem Vorbild lehnte der Präsident jedoch entschieden ab und verwies auf die Erfolge des syrischen Systems. Er bat die USA um aufrichtige Vermittlung zwischen Syrien und Israel, zeigte sich jedoch zu keinerlei Zugeständnissen in der Frage der Golanhöhen bereit. Assad gab sich bescheiden, nach der Volksabstimmung, die ihn am 10.07. mit 97,29 % als Präsident bestätigte, verschwanden seine allgegenwärtigen Bilder aus der Öffentlichkeit. Es gibt also Anzeichen, daß Syrien sich vom Personenkult abwendet.

 

Die baskische Befreiungsbewegung ETA schlug für die spanischen Sicherheitsbehörden unerwartet mehr als 1000 km von ihrem Hauptoperationsgebiet zu: Ein Kommando erschoß den konservativen Stadtrat José María Martín Carpena, zugleich Angestellter der staatlichen Rentenversicherung, vor seinem Haus in Málaga. Mit der 9-Millimeter-Parabellum kam erneut ein ETA-Standardmodell zum Einsatz. In Agreda/Provinz Soría detonierte vor einer Kaserne der Guardia Civil eine Autobombe, wobei die Frau eines Offiziers verletzt wurde. Der nächste Anschlag galt einem Einkaufszentrum in Vitoria und verursachte großen Sachschaden. Da der Zünder der am Auto eines sozialistischen Kommunalpolitikers in Málaga angebrachten Haftladung versagte, scheiterte dieses vierte Attentat. In San Sebastián wurde ein Brandanschlag auf eine Apotheke verübt, deren Besitzer Mitglied einer Friedensinitiative ist. Innenminister Jaime Mayor Oreja konstatierte, die ETA habe in den 14 Monaten des Waffenstillstandes erfolgreich ihre Infrastruktur reorganisiert. Die Sicherheitskräfte befürchten, die jüngsten Anschläge seien nur der Anfang der größten und bestgeplanten ETA-Offensive seit 1990. Die 1998 und 1999 schon totgesagte Untergrundorganisation wolle Verunsicherung in ganz Spanien verbreiten. Ihr Nachwuchs lebt nun nicht mehr im Untergrund, sondern geht nach dem Vorbild der deutschen Revolutionären Zellen einer normalen Beschäftigung nach. Nur für die Ausführung von Operationen tauchen die Aktivisten vorübergehend ab. Hinzu kommt die Etablierung neuer Stützpunkte in Frankreich. Die gemäßigt nationalistische PNV hat in einigen Gemeinden ihre Zusammenarbeit mit der ETA-nahen Herri Batasuna eingefroren. Am Pakt von Estella (baskisch Lizarra) zur kommunalpolitischen Kooperation halten PNV und HB jedoch fest. Die baskische Regierung hat nochmals umgerechnet 3,5 Millionen DM für die Arbeit der von Nationalisten und Separatisten getragenen Versammlung der gemeinsam regierten Kommunen bereitgestellt. Die PNV-Vorstände Arzalluz und Egibar verurteilten die Mordanschläge der ETA als eine falsche Strategie, und auch der baskische Regierungschef Ibarretxe rief die Separatisten auf, ihre Gewaltkampagne aufzugeben. Die PNV setzt jedoch weiterhin auf die Hilfe Herri Batasunas zur Erreichung eines unabhängigen Baskenlandes. Kein Krieg verläuft ohne Rückschläge: Am Wochenende hob die Polizei in Vitoria ein Waffenlager der ETA aus, wobei u.a. 70 Kilo Dynamit und 9 Haftladungen nebst Unterlagen sichergestellt wurden.

 

Der Iran teste erfolgreich eine Mittelstreckenrakete des Typs Schahab III. Die Reichweite des Waffensystems beträgt 1300 km, womit die Schahab III auch israelisches Territorium erreichen kann. Teheran betonte, es handele sich um einen rein wissenschaftlichen Test.

 

In Frankreich zeigt sich eine zunehmende Radikalisierung der sozialpolitischen Auseinandersetzungen. Nachdem zuvor die Belegschaft der Textilfabrik Cellatex in den Ardennen in ihrer Verzweiflung drohte, 50.000 Liter Schwefelsäure kurzerhand in die Maas zu kippen, erreichten die Konflikte einen neuen Höhepunkt. In der Ardennenstadt Givet zeigten sich die Mitarbeiter der seit Wochen besetzten Adelshoffen-Brauerei sogar bereit, notfalls ihren Betrieb per Zündung der Gastanks in die Luft zu sprengen. Das vielgepriesene Wirtschaftswunder Frankreichs geht eben an einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung und der Regionen vorbei, und deren Frust macht sich vor allem die kommunistische Gewerkschaft CGT zunutze. Die kompromißlose Haltung der französischen Linksgewerkschaften hebt sich wohltuend von der Kungelei des DGB mit Regierung und Industriebossen ab. Im übrigen ist die CGT in allen derart auf die Spitze getriebenen Fällen erfolgreich gewesen und setzte soziale Nachbesserungen für die vom sozialen Absturz bedrohten Arbeitnehmer durch.

 

An der Bundeswehr-Führungsakademie in Hamburg wurde die 42. Tagung des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes abgehalten. Zu den interessantesten Referenten zum Thema "Information Warfare" gehörte Luftwaffengeneral Walter Jertz (Kommandeur der 1. Luftwaffendivision in Karlsruhe), der sehr treffend feststellte: "Medienarbeit muß heute als ein Mittel der Führung, als integraler Bestandteil militärischer Planungen und Führungsentscheidungen angesehen werden. Die Öffentlichkeitsarbeit muß genauso geplant werden wie eine militärische Operation." Jertz fungierte während des Kosovo-Krieges als wichtiger medienpolitischer Mitarbeiter des NATO-Hauptquartiers. Zu den damaligen Kriegszielen der NATO gehörte dem General zufolge auch die "physische Zerstörung der serbischen Propagandamaschinerie". Und weiter: "Hätte die Pressearbeit der NATO versagt, wäre der Kosovo-Konflikt möglicherweise militärisch nicht bis zum Erfolg geführt worden." Gegenöffentlichkeit schaffen!!!

 

Der US-Intelligenzforscher Ulric Neissen erhob den Umgang mit den visuellen Medien zur wohl wichtigsten Wandlung für die menschliche Intelligenz im 20. Jahrhundert. Jede Generation wurde mit mehr optischen Darstellungen konfrontiert. Hieraus resultiert der sogenannte Flynn-Effekt: Der Intelligenzquotient hat in den Industrieländern seit etwa 1900 kontinuierlich zugenommen. Patricia Grunfield, ebenfalls aus den USA, weist jedoch darauf hin, daß sich beispielsweise bei sprachlichen Tests ein viel geringeres Intelligenzwachstum ergeben hat. Die Menschen sind bei zunehmender Bildhaftigkeit ihrer Kultur immer weniger mit Buchstaben vertraut. Professor Hugo Schmale von der Uni Hamburg bemerkte hierzu, die Wahrnehmungsgeschwindigkeit der Jugend habe sich seit 1980 um 30 % erhöht. In abstrakten Sektoren wie Denkprozesse, Rechnen oder Definition hingegen sei eine deutliche Verlangsamung der kognitiven Prozesse zu erkennen. Horst W. Opaschewski vom Hamburger B.A.T.-Freizeit-Forschungs-Institut erklärte, es werde angesichts der Informationsflut alles ausgeblendet, was nicht direkt mit den persönlichen Zielen in Verbindung steht. Die Kommunikationsfähigkeit lasse ebenso nach wie das sprachliche Ausdrucksvermögen und vor allem die Fähigkeit des abstrakten Denkens.

 

Der neue Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat gab mit neuen rüstungstechnischen Forderungen seinen Einstand. Das Nachfolgemodell für den hoffnungslos veralteten Transporter Transall soll sofort in Angriff genommen werden, ferner verlangt Kujat neue Milliarden für die Modernisierung der Truppe. Zwecks Einsparung von Geldern sind unnütze Projekte zu streichen, außerdem sollen überalterte Waffensysteme und Fahrzeuge zumindest teilweise stillgelegt werden, um die Aufwendungen für Reparatur und Instandhaltung zu senken. Logistik und Sanitätswesen der Bundeswehr sollen zentralisiert werden. Die Hardthöhe hat Aufträge für 5 neue Korvetten im Gesamtwert von 1,9 Milliarden DM an die Lürßen-Werft, an Blohm & Voss und an die Thyssen Nordseewerke vergeben. Weitere Flotteneinheiten werden folgen.

 

Wie an die britische Presse durchsickerte, beabsichtigt der politische Opportunist Tony Blair eine Propagandaoffensive zugunsten seiner mehr als angeschlagenen Popularität. Blair will so den Ruf vermeiden, er habe den Kontakt zu den "innersten britischen Gefühlen" verloren. Die Labour-Regierung will auf Härte gegen Kriminelle, strengere Asylpolitik, wirtschaftliche Hilfe für die Familien sowie eine geringere Betonung der Gleichstellung von Homosexuellen setzen und Kürzungen im Militärhaushalt vermeiden.

 

Im als neues Jobwunder angepriesenen Call Center-Bereich werden in den nächsten Jahren 50 % der bislang 180.000 Arbeitsplätze wegfallen. Sprachcomputer können bald 80 % der Standardtransaktionen abwickeln. Zugleich wird die Branche sich auf Anfragen aus dem Internet verlegen. Von den Entlassungen werden vor allem schlecht qualifizierte Arbeitskräfte betroffen sein, während an fachlich versierten Kundenberatern weiterhin Bedarf besteht.

 

In Frankreich wurde erstmals ein Gedenktag für die von Franzosen begangenen antisemitischen Taten im Zweiten Weltkrieg abgehalten. Zum Gedenktag sprach Berufsbildungsminister Jean-Luc Mélenchon in Paris.

 

Nach Angaben der OECD wird die seit Anfang der 90er Jahre anhaltende Privatisierungswelle bislang staatlicher Wirtschaftssektoren auch im neuen Jahrzehnt weiter anhalten. Die treibenden Kräfte hierbei dürften weiterhin die EU, Japan und Südkorea sein. Im Jahr 1999 erbrachten die Privatisierungen Erlöse von weltweit 145 Milliarden US-Dollar - ein Bombengeschäft für die Regierungen und natürlich für die transnationalen Konzerne, da die Großbetriebe und Beteiligungen kaum an Otto Normalverbraucher vergeben werden. Die Erlöse fallen jedoch zumeist im Raum der Industriestaaten an: Allein die EU steuerte 1999 die Hälfte der Gesamtsumme bei. Im übrigen entfallen 40 % der Erlöse auf den Telekommunikationssektor. Am dramatischsten vollzieht sich die Verschleuderung des nationalen Eigentums in Italien, wo seit 1993 90 Milliarden Dollar Privatisierungsgewinne für den Staat anfielen. Seit 1990 fielen im OECD-Raum Privatisierungserlöse von 600 Milliarden Dollar an. Auch die osteuropäischen Staaten werden von der Welle erfaßt: In Ungarn erbringt der staatliche Sektor nur noch 15 % des BSP. Südamerika scheint sich abzukoppeln und verlangsamt das Privatisierungstempo deutlich.

 

Der Staatsbesuch des russischen Präsidenten Putin in Peking zeitigte als Höhepunkt die Unterzeichnung einer russisch-chinesischen "strategischen Partnerschaft" gegen das amerikanische Raketenabwehrprogramm NMD. Die Staaten der Welt wurden aufgefordert, NMD zu verhindern. Sollte Washington sich uneinsichtig zeigen, drohen Putin und sein chinesischer Amtskollege Jiang Zemin mit entsprechenden Gegenmaßnahmen. Gesprächsthemen waren auch das von den Amerikanern angestrebte und von Moskau und Peking zumindest für Taiwan entschieden abgelehnte Schwestersystem TMD (Theatre Missile Defence) für die asiatischen Verbündeten der USA, der islamische Fundamentalismus in Zentralasien und die militärische Zusammenarbeit. Moskau und Peking vereinbarten ferner gemeinsame Projekte auf dem Sektor der Energieversorgung mit Atomstrom, Erdöl und Erdgas. Das Handelsvolumen zwischen beiden Staaten beträgt derzeit nur 5 statt der geplanten 20 Milliarden US-Dollar, hat aber in der ersten Jahreshälfte im Verhältnis zum Vorjahr um 35 % angezogen. Der Waffenhandel floriert: Moskau wird China ein neues luftgestütztes Frühwarnsystem verkaufen, ferner liefern die Russen Abfangjäger von Modell SU-27 und Zerstörer. Zur Zeit erlebt der Ferne Osten Rußlands eine wahre Invasion chinesischer Einwanderer: Täglich gehen bis zu 10.000 Chinesen über den Grenzfluß Amur. Der Regierung in Peking dürfte diese Verschiebung der Bevölkerungsverhältnisse im erst 1858/59 von den Russen besetzten Fernöstlichen Gebiet nicht unwillkommen sein.

 

Im Anschluß stattete Putin Nordkorea seinen ersten Besuch ab. Staatschef Kim Jong Il versicherte dem Russen, das nordkoreanische Raketenprogramm diene rein friedlichen Zwecken. Sofern sein Land Zugang zu Trägerraketen anderer Staaten für die friedliche Erforschung des Weltalls bekomme, könne es das Raketenprogramm zugunsten eines Satellitenprojektes ganz einstellen. Bei diesen Äußerungen scheint Kim Jong Il wohl die Leichtgläubigkeit des Westens etwas zu überschätzen. Mehr Substanz haben die Wirtschaftsverhandlungen: Moskau drängt auf die Reaktivierung brachliegender Industriebetriebe in Form südkoreanisch-japanischer Investitionen und den Ausbau von Verkehrsverbindungen nach Südkorea.

 

In Mitrovica im Norden des Kosovo hat die UN-Polizei einen wegen Brandstiftung gesuchten Serben festgenommen. Das Resultat waren Zusammenstöße mit aufgebrachten Serben, wobei 9 Demonstranten verletzt wurden. Die Protektoratspolizei der "westlichen Wertegemeinschaft" zerstreute die Randalierer unter Schußwaffengebrauch. Für die im Oktober anstehenden Kommunalwahlen haben sich bislang 900.000 Wähler registrieren lassen, unter ihnen nur wenige hundert der rund 100.000 Serben. Keine einzige serbische Gruppierung beteiligt sich an den Wahlen. Der Serbische Nationalrat unter Vorsitz von Bischof Artemije ist zur Mitarbeit bereit, fordert jedoch, die UNO solle an den Wahlurnen eine faire und sichere Abstimmung für die serbische Volksgruppe garantieren.

 

Die Autonomieverhandlungen der französischen Regierung mit den aufsässigen Korsen kamen sehr zum Unwillen der zentralistischen Fraktion in der sozialistischen Regierung - ein Rücktritt von Innenminister Chevènement wird nicht mehr ausgeschlossen - zu einem erfolgreichen Ende. Premier Jospin legte einen Plan vor, der erstmals die Zustimmung aller korsischen Parteien fand. Schrittweise soll das Regionalparlament in Ajaccio bis 2004 bestimmte legislative Kompetenzen erhalten. Unter Verfassungsänderung sollen die beiden korsischen Départements zu einer neuen Einheit zusammengefaßt werden; das Amt des von Paris entsandten Präfekten wird abgeschafft. Das kommende korsische Parlament wird die Zuständigkeit für Infrastruktur, wirtschaftliche Entwicklung, Fremdenverkehr, Sport und Schulwesen erhalten, Korsisch wird reguläres Unterrichtsfach. Voraussetzung hierfür ist jedoch die Wiederherstellung eines dauerhaften Friedens, also die Waffenniederlegung der militanten Nationalisten.

 

In Moskau wurde die neue Partei "Rußland" gegründet, die als linksnationalistische Alternative oder wie auch immer man das Gebilde bezeichnen mag, Staatschef Putin in seinem Kampf für einen neuen Staat unterstützen will. Parteivorsitzender der aus der Kommunistischen Partei hervorgegangenen Bewegung ist Dumapräsident Selesnjow, der zweite Mann in der Hierarchie der KPR. Die Partei strebt den Aufbau eines russischen Sozialstaates an, der die Errungenschaften der Sowjetunion mit sozialdemokratischen Vorstellungen aus dem Westen verknüpfen soll. Auf der Gründungsversammlung hieß es, die Linke brauche eine neue Strategie. "Die neue patriotische Orientierung, die die neue Führung des Landes ins Leben gerufen hat, macht uns Hoffnung auf fruchtbare Zusammenarbeit in entscheidenden Punkten." Auch auf dem anderen KPR-Flügel bröckelt es: Mit der Kommunistischen Partei Rußlands und Weißrußlands ist eine eindeutig sowjetorientierte Abspaltung entstanden.

 

In Castlewellan südöstlich Belfast wurde ein katholischer Beamter durch eine Autobombe verletzt, die nach Angaben der Sicherheitsbehörden von militanten Protestanten stammt. Der Sprengsatz war allerdings von recht primitiver Bauart, also fallen die professionellen protestantischen Paramilitärs hier wohl aus. Die katholische Real IRA wiederum deponierte einen Sprengsatz an einer wichtigen Eisenbahnlinie im Westen Londons. Nach mehreren weiteren Bombendrohungen mußte eine Reihe zentraler Fern- und U-Bahnhöfe gesperrt werden, was Hunderttausende auf dem Weg zur Arbeit ausbremste. Zu Schaden kam niemand. Die Real IRA soll mittlerweile eine Operationsbasis in London etabliert haben; sie verfügt über panzerbrechende Raketen und Semtex-Sprengstoff. Bereits Anfang Juni zündete die Gruppe eine Bombe unter der Londoner Hammersmith-Brücke, die seitdem gesperrt ist.

 

Überraschend hat der US-Kongreß die seit den 60er Jahren geltenden Handelssanktionen gegen Kuba abgeschwächt: Fortan können Nahrungsmittel und gewisse Medikamente auf die Insel exportiert werden, ferner fällt das ohnehin wenig beachtete Einreiseverbot für US-Staatsbürger. Zur Lage im sozialistischen Kuba: Im Jahr 1999 ist das BSP der Insel um 6 % auf 17,5 Milliarden US-Dollar angestiegen. Trotz Lohnerhöhungen wird die breite Masse hiervon wenig spüren, denn bei anhaltendem Aufwärtstrend wird das BSP erst 2005 die 20 Milliarden US-Dollar erreichen, die vor dem Kollaps des Ostblocks 1991 verbucht wurden. Bis 1994 brach das BSP Kubas um 35 % ein, woraufhin Castro sich gezwungen sah, der Bevölkerung den Besitz von Devisen und selbständige Arbeit in Einmannbetrieben zu gestatten. Auf Agrarmärkten können die Bauern ihre das staatliche Plansoll überschreitende Produktion veräußern, ferner konnten ausländische Firmen auf Kuba in joint ventures mit Staatsbetrieben investieren. Mittlerweile haben hier 370 Unternehmen bis 1998 rund 1,8 Milliarden Dollar investiert - vor allem in den Sektoren Tourismus, Nickel, Erdöl und Telekommunikation. Habana hat mit 44 Staaten Investitionsschutzabkommen unterzeichnet. Die Subventionen für Konsumgüter und Versorgungsleistungen wie Strom, Gas und Wasser wurden gestrichen, ferner kürzte der Staat die Renten zusammen. Die Löhne sind noch immer so niedrig, daß trotz eines Devisenzuschusses von 50 US-Dollar im Jahr die meisten Beschäftigten nicht einmal ihre Grundversorgung sicherstellen können. Preissenkungen um 11 % steht ein Anstieg der Abgaben für die Versorgungsleistungen um 300 % gegenüber. Nur durch die remesas, die sich 1998 auf 1 Milliarde Dollar belaufenden Überweisungen der Exilkubaner, zog der Inlandskonsum 1999 um 2 % an.

 

Verfassungsschutz und Zentralrat der Juden in Deutschland zeigten sich ebenso wie Bundespräsident Rau von "neonazistischen Tendenzen" beunruhigt, die eine "Gefährdung der Demokratie" darstellten. VS-Präsident Fromm warnte vor ersten Anzeichen einer rechtsterroristischen Ausprägung, womit die nebulösen National-revolutionären Zellen gemeint sind. Rau, Zentralratspräsident Spiegel und Innenminister Schily setzen neben den üblichen law and order-Parolen auf eine gesellschaftliche Mobilisierung gegen Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Gewalt. Unterstützung verdient sicherlich die Forderung Raus, die zunehmende Brutalisierung der "Fernsehunterhaltung" zurückzudrängen. Hier sei Schily zitiert: "Wer Rassismus und Fremdenfeindlichkeit predigt, gehört vor Gericht, und wir werden ihn lehren, was eine demokratische Gesellschaft ist". Abgesehen von dem entlarvenden Demokratieverständnis des Herrn Bundesminister des Inneren sei hinzugefügt, daß primitiver Rassismus oder sich gar in Gewaltanwendung gegen gesellschaftlich Schwächere äußernde Xenophobie keinesfalls mit der politischen Haltung des Verfassers deckungsgleich sind - es geht nicht darum, getreu dem Radfahrerprinzip "nach oben buckeln und nach unten treten" dumpfem Sozialdarwinismus zu huldigen, sondern um die Entwicklung einer politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Alternative, die auf solche Weise mit Sicherheit nicht erreicht werden kann.

 

Vor Beginn des von 22.000 Mann Sicherheitskräften abgeschotteten Weltwirtschaftsgipfels der G 8 auf Okinawa demonstrierten mehr als 27 000 Japaner gegen die starke US-Militärpräsenz. Zum Auftakt äußerten Schröder und Chirac ihre Zweifel am eigentlich nicht auf der Tagesordnung stehenden US-Raketenabwehrsystem NMD. Auch im Rahmen eines diskreten Vier-Augen-Gespräches mit Putin, der sich zum Sprecher auch Chinas und Nordkoreas machte, biß Clinton auf Granit. Moskau scheiterte zwar mit dem Versuch, einen Schuldenerlaß durchzusetzen, aber der Hauptgläubiger BRD wird mit den Russen ein Umschuldungsabkommen abschließen und die Tilgung des Schuldenbergs von 42 Milliarden US-Dollar strecken. Damit auch die Dritte Welt in den Genuß des Digitalzeitalters kommt, will alleine Japan 30 Milliarden Dollar für Kredite und Entwicklungsprojekte investieren. Hier werden auch die USA nicht lange zurückstehen. Man handelt jedoch nicht aus Nächstenliebe: Es geht erklärtermaßen darum, neue Absatzmärkte für die new economy, also die IT-Firmen, den E-commerce und die Medienkonzerne zu finden. Ferner wollen die G 8 durch Verhandlungen auf Ministerebene den Entwicklungsländern klarmachen, welche politischen, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen sie zu erfüllen haben, um in den Genuß einer Entschuldung zu kommen. Dies ist bislang nur neun Staaten gelungen.

 

Wo das Kapital voranschreitet, darf das Kreuz nicht fehlen: Nicht nur die deutsche Wirtschaft bis hin zu mittelständischen und kommunalen Betrieben bediente sich der von den Hitleristen im Zweiten Weltkrieg herangeschafften Zwangsarbeiter. Nachdem bekannt wurde, daß ein "Konsortium" von mehrheitlich evangelischen Gemeinden in Berlin ein Zwangsarbeitslager unterhielt, räumte nun auch das Kloster Ettal ein, französische Kriegsgefangene, russische Ostarbeiter und polnische Zwangsarbeiter auf seinen Liegenschaften ausgebeutet zu haben. Auch der klerikale Wohlfahrtsverband Caritas deutete mittlerweile an, man habe vom Sklavereisystem des Dritten Reiches profitiert.

 

 

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