Wochenschau

 

Die politische Wochenschau

 

vom 8. bis 14. April 2000

Schlagzeilen der Woche   zusammengestellt von Christian Klee  

 

Machtkampf in der PDS

EU will KRK durch zivile Kräfte ergänzen

Geheimdienste der BRD und Rußlands kooperieren

RUC erhält das Georgskreuz

Parlamentswahlen in Griechenland

Israel liefert Frühwarnsystem an China

Koreagipfel für Juni angekündigt

Israel fünftgrößter Waffenlieferant der Welt

EXPO-Sicherheitskonferenz

Raketenabwehrsystem in Nordisrael

Strauß-Festplatte verschwunden

Abrüstungspoker zwischen USA und Rußland

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik

EU-weiter Anstieg der Privatschulden

Geheimdienstkoordinator bestreitet Existenz Echelons

Putin kündigt Aufklärung Katyns an

Irving verliert Schadenersatzprozeß

Gruppe 77 verabschiedet gemeinsames Programm

Haider kritisiert Zentralismus der EU

Polizeigewerkschaft für Videoüberwachung

Ungarn fordert Autonomie der Vojvodina

 

   

Zitat der Woche:
„Jeder Einzelne, sofern er nur in sich selbst die Gesellschaft entschieden vernichtet hat, kann sofort dazu übergehen, diese Vernichtung auch am äußeren Bestande der Gesellschaft zu vollstrecken.“ 
- Ernst Jünger

 

Der Münsteraner Parteitag der PDS ließ den bislang eher verdeckt ausgefochtenen Machtkampf zwischen den Reformisten um Gregor Gysi und dem sozialistischen Flügel offen ausbrechen. Mit dem anstehenden Rückzug Gysis und Lothar Biskys aus der Parteiführung hat die Partei ihre bekanntesten Köpfe verloren. Auslöser der Auseinandersetzung war ein erfolgreicher Antrag der Kommunistischen Plattform, mit dem die PDS - wenn auch nur unter Betonung ihres Pazifismus - die Kampfeinsätze der "internationalen Staatengemeinschaft" ablehnte. Hier handelte es sich um eine reine Abstimmungsallianz von DDR-Nostalgikern und Kommunistischer Plattform, von einer neuen Linksfraktion kann nicht die Rede sein. Bezeichnenderweise hielt der Sozialdemokratisierer Gysi seiner Partei vor, sich innerhalb der spätestens 1999 voll auf prowestlichen Kurs gegangenen Eurolinken isoliert zu haben. Er forderte dann auch massives Vorgehen gegen unbequeme Parteimitglieder bis hin zum Ausschlußverfahren. Vordenker André Brie konstatierte, das Debakel von Münster habe die Öffnung der Partei zugunsten von "fundamentalistischen" Positionen verhindert und die PDS auf den Stand von 1990/91 zurückgeworfen. Die SPD und vor allem die mittlerweile als prokapitalistisch und prowestlich gründlich demaskierten Bündnisgrünen atmeten fühlbar auf. Festzuhalten ist allerdings, daß die übergroße Mehrheit der Delegierten den Absichten des Vorstandes, Programm und Ziele der Partei zu "modernisieren", zustimmte. Letzten Endes wird sich die Partei auch bei einem Sieg der "Sozialisten" auf den Weg nach Westen machen.

   

Im Zusammenhang mit der Reise des BND-Präsidenten Hanning nach Tschetschenien berichtet die "Süddeutsche Zeitung", daß der Bundesnachrichtendienst und der russische Auslandsnachrichtendienst SWR seit Jahren eng zusammenarbeiten. Geheimdienstkoordinator Uhrlau wiederum unterhält rege Kontakte zum Präsidenten der russischen Spionageabwehr FSB, die Nachrichtendienste und Organisationen anderer Staaten unterwandert. Nicht nur der BND, sondern auch die CIA haben die Russen im Spätherbst 1999 mit Material über radikale Islamisten, Trainingslager in Afghanistan und die Netzwerke des islamischen Terrorismus versorgt.

   

Bei den griechischen Parlamentswahlen setzten sich die regierenden Sozialisten der PASOK unter Ministerpräsident Kostast Simitis durch. Sie gewannen 2 % hinzu und wurden mit 43,78 % erneut stärkste Partei. Mit 158 Abgeordneten hat PASOK die absolute Mehrheit im Parlament inne. Stärkste Oppositionspartei ist die konservative Neue Demokratie ND mit 42,79 % und 125 Sitzen. Ferner sind die Kommunisten der KKE mit 5,51 % und 11 Abgeordneten sowie das Linksbündnis SYN mit 3,19 % und 6 Mandaten im Plenum vertreten. Die auf den ersten Blick etwas merkwürdig anmutende Sitzverteilung kommt durch das Wahlgesetz zustande: Um eine instabile Koalitionsregierung zu vermeiden, erhält die stärkste Partei stets die Parlamentsmehrheit.

   

Im Juni werden die Präsidenten des geteilten Korea in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang zusammentreffen. Nordkoreas Staatschef Kim Jong Il und sein südkoreanischer Amtskollege Kim Dae Jung werden hierbei auch über die innerkoreanische Zusammenarbeit und die Zukunft des Landes sprechen. Die Initiative geht nach Angaben des kommunistischen Nordkorea vom Süden aus. Bleibt zu hoffen, daß irgendwann auch diese von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges gezogene widernatürliche Grenze verschwindet. Als Konsequenz des sowjetischen und des amerikanischen Imperialismus stehen sich an der Demarkationslinie eine Million Soldaten aus Nord und Süd gegenüber - faktisch herrscht noch immer Kriegszustand. Vielleicht wiederholen sich hier jedoch die Fehler der deutschen Wiedervereinigung, denn im Süden hofft man vor allem auf Impulse für die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem ökonomisch stark angeschlagenen Nordstaat. Ein Schelm, wer hier an den durch den Anschluß der DDR an den kapitalistischen Weststaat ausgelösten Einheitsboom denkt.

   

Zur Vorbereitung der Expo 2000 in Hannover nahmen Sicherheitsexperten aus mehr als 40 Staaten an einer vom niedersächsischen Innenministerium ausgerichteten Konferenz teil. Bundesinnenminister Schily schließt weder Attentate auf Staatsgäste noch Anschläge auf das Verkehrsnetz aus, kündigte aber massive Sicherheitsvorkehrungen an. Laut VS diskutiert eine zweistellige Anzahl von vor allem "linken" Gruppen militante Aktionen gegen die Expo. Die Gespräche der Experten fanden unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Bekannt ist immerhin, daß 5000 Mann Sicherheitskräfte aufmarschieren werden. Darunter befinden sich 2500 Mann Länderpolizei und "Sondereinheiten des Innenministeriums", sprich BGS. Pro forma sind auch 120 Polizisten aus mindestens 16 anderen Staaten anwesend, hinzu kommen 1000 Expo-eigene Sicherheitsleute. Die Eingangskontrollen werden sich am Niveau internationaler Flughäfen orientieren, ferner sei auf die kameraüberwachten Zufahrtswege hingewiesen. Polizeistaaten aller Kontinente, vereinigt euch.

   

Zustände wie in einer Bananenrepublik: Nachdem das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik BSI eine Festplatte des in die Schreiber-Affäre verwickelten Max Strauß zwecks Wiederherstellung gelöschter Daten anforderte, verschwand selbige beim vereidigten Sachverständigen der StA Augsburg spurlos. Daselbst lagerte sie schon seit Jahren, ohne jemals vom bayerischen LKA ernsthaft untersucht zu werden. Das für die Löschung der Festplatte verantwortliche Virus ist übrigens unbekannter Herkunft, aber das BSI war sicher, daß eine Rekonstruktion möglich sei. Strauß wurde seit Beginn der Ermittlungen 1995 fortlaufend von Eingeweihten mit brisanten Informationen versorgt, und Mitte der 90er Jahre tauchte der noch immer gesuchte Holger Pfahls in Südostasien unter - augenscheinlich, weil er vor einem Haftbefehl gewarnt wurde.

   

A propos BSI: Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik wurde im Jahre 1991 gegründet und untersteht mittlerweile dem Bundesinnenministerium. Weltweit hat es einen guten Ruf, denn das BSI ging aus der Chiffrierabteilung des BND hervor. Die Verschlüssler übernahmen also das BSI, während die Dechiffrierer beim Bundesnachrichtendienst blieben. Zu den Spezialitäten gehört die Wiederherstellung gelöschter Dateien für Nachrichtendienste und Gerichte, also haben wir es hier mit einem weiteren Horchdienst der BRD zu tun. Eine weitere Aufgabe des BSI (Referat IV4) ist die Suche nach Abhöreinrichtungen in Regierungsstellen. Zu den wichtigen Projekten zählt ferner ein Verschlüsselungsverfahren für von Beamten genutzte Mobiltelefone. Eine Außenstelle befindet sich in Bonn-Dottendorf.

   

Geheimdienstkoordinator Ernst Uhrlau, vielen Hamburger Kameraden und Genossen sicherlich wohlbekannt, erweist sich weiterhin als getreuer Diener Washingtons. Obwohl der ehemalige CIA-Direktor Woolsey erklärte, die NSA überwache mit Hilfe des Echelon-Systems systematisch bundesdeutsche Firmen, blieb Uhrlau bei seiner Ansicht, die Berichte über Echelon seien "Humbug". Auch die Einrichtung von Untersuchungsausschüssen durch den US-Kongreß und das Europaparlament beeindrucken den amerikanistischen Hardliner wenig.

   

David Irving hat seinen Schadenersatzprozeß gegen die amerikanische Historikerin Deborah Lipstadt und den Penguin-Verlag verloren. In der Urteilsbegründung hieß es, Irving sei ein aktiver Holocaust-Leugner sowie ein Antisemit und Rassist, der die Gemeinschaft mit "Neonazis" gesucht habe. Er habe aus politischen Gründen absichtlich und wiederholt historische Quellen verfälscht und manipuliert - dem Richter sei einmal der Besuch einer bundesdeutschen historischen Fakultät empfohlen. Hier gehört die Manipulation des Quellenmaterials geradezu zum vielzitierten Handwerkszeug des Historikers; infolge mangelnder Wissenschaftlichkeit ist das Niveau eines Teils der bundesdeutschen Historiographie kaum mit internationalen Standards zu vergleichen. Das ist ausdrücklich nicht als Rechtfertigung der Thesen des "Revisionismus" zu verstehen, aber den Verfasser beschleicht ein merkwürdiges Gefühl, wenn ausgerechnet der Holocaust-Gewinnler Steven Spielberg laut "Sunday Telegraph" und "Jewish Chronicle" zu den potenten Geldgebern der von Lipstadt aufgebotenen Historiker und Juristen gehört. Die Kosten hierfür betrugen umgerechnet mehr als 6 Millionen DM. Als bundesdeutscher Experte zum Thema "Hitler und die Judenvernichtung" ließ sich Peter Longerich "seine Auslagen erstatten".

   

Auf der Tagung des EU-Ausschusses der Regionen in Wien war auch Jörg Haider als Kärntner Landeshauptmann zugegen. Hier erklärte er nicht ganz unzutreffend: "Einzelne Mitgliedsländer haben die anderen in Geiselhaft genommen. Heute ist Österreich das Opfer, morgen vielleicht Dänemark oder Schweden." Haider hielt vor allem Frankreich vor, innerhalb der EU eine Kolonialherrschaft auszuüben. Die französische Präsidentin des Europaparlaments Nicole Fontaine warf Österreich mittlerweile - sehr zur Verärgerung Haiders - vor, sich aus der europäischen Wertegemeinschaft verabschiedet zu haben. Auf Zugehörigkeit zu dieser "Wertegemeinschaft" von Zentralismus, Ausbeutung und NATO-Herrschaft sollte man getrost verzichten können. Jörg Haider anscheinend nicht.

   

In der "Süddeutschen Zeitung" rührte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban unverblümt die Trommel für eine weitere Zerschlagung Rest-Jugoslawiens. Bekanntlich leben in dieser ehemals autonomen Region im Norden Serbiens 350.000 Ungarn als letzte große nationale Minderheit unter serbischer Kontrolle. Orban fordert, was durchaus gerechtfertigt erscheint, eine Wiederherstellung der Autonomieregelung Titos. Bedenklich wird es jedoch, wenn der Regierungschef erklärt: "Wir sollten die Ungarn in der Vojvodina nicht als ungarische Minderheit, sondern als Nato-Minderheit betrachten." Errichtet der Westen nach dem Kosovo ein zweites Protektorat auf dem Balkan?

   

Die EU will nach einem Konzept der EU-Kommission ihre Krisenreaktionskräfte durch zivile Kräfte ergänzen, die spätestens innerhalb weniger Tage an einem "Konfliktherd" eintreffen können. Dieses zivile Spezialkommando wird Grenzen überwachen, Polizeikräfte ausbilden, Wahlen beobachten, Minenfelder räumen und zivile Infrastrukturen schaffen. Im Klartext geht es hier um die Fähigkeit, eine Kollaborationsverwaltung aufbauen zu können. Jeder Einsatz dieser Experten soll auch maximal 9 Monate befristet sein. Die Idee stammt übrigens von der rosa-grünen Bundesregierung, die ein ähnliches Debakel wie im Kosovo künftig vermeiden möchte.

   

Die britische Königin hat ausgerechnet die eigentlich laut Karfreitagsabkommen zur Umbenennung und Reform vorgesehene Royal Ulster Constabulary RUC mit dem Georgskreuz geehrt. Hierbei handelt es sich um den höchsten nichtmilitärischen Orden des Vereinigten Königreiches. Wie zum Hohn auf 30 Jahre Mord, Folter und Diskriminierung erfolgte die Verleihung "in Anerkennung der außergewöhnlichen Verdienste der RUC für den Frieden in Nordirland". Im nordirischen Bürgerkrieg sind bisher 302 RUC-Angehörige umgekommen - die vom freimaurerischen Orange Order ferngesteuerte Truppe besteht zu 93 % aus Protestanten.

   

Zum nicht gelinden Entsetzen der USA wird Israel das AWACS vergleichbare Frühwarn- und Einsatzleitsystem Phalcon an die Volksrepublik China liefern. Phalcon kann in 400 Kilometer Umkreis bis zu 60 Ziele gleichzeitig erfassen und verfolgen. Israels Vize-Verteidigungsminister Efraim Sneh wies amerikanische Pressionen mit dem Kommentar zurück, Washington solle sich jeglicher Einflußnahme auf einen souveränen Staat enthalten. Im internationalen Waffengeschäft gebe es nun einmal keine Freunde. Parallel dazu stattete Chinas Staatspräsident Jiang Zemin Israel und Palästina einen offiziellen Besuch ab. Er unterzeichnete ein Abkommen über Zusammenarbeit in Technik, Industrie und Wissenschaft mit Israel. Jiang schrieb den Amerikanern ins Stammbuch, Moskau und Washington könnten nicht mehr wie zu Zeiten des Kalten Krieges die Geschicke der ganzen Welt bestimmen. Etwa seit 1970 ist Peking bestrebt, im nahöstlichen Machtspiel eine Rolle zu spielen.

   

Israel wiederum ist hinter den USA, Frankreich, Großbritannien und Rußland der fünftgrößte Waffenlieferant in der Welt. Das amerikanische Militärembargo gegen die erwachende Nuklearmacht Indien interessiert hier niemanden: Man verkaufte den Indern unbemannte Flugkörper zur Luftaufklärung (Drohnen) und modernste Rüstungselektronik. Demnächst steht der Erwerb des konventionellen und taktischen Raketenabwehrsystems Barak (Blitz) durch Indien an. Für die Volksrepublik China ist Israel einer der drei größten Lieferanten westlicher Militärtechnologie. Peking bezieht von hier Panzerkanonen, Raketenabwehrtechnik und Baupläne wie diejenigen des Kampfflugzeugs Lavi, auf denen die moderne chinesische Maschine J-10 basiert. Der Hinweis sei gestattet, daß die Chinesen im Nachbau westlicher Technologien überaus geschickt sind...

   

Bleiben wir im Nahen Osten: Nach dem für den Sommer eingeplanten Abzug der israelischen Besatzungstruppen aus dem Südlibanon soll ein neuartiges Raketenabwehrsystem für Sicherheit vor Hisbollah-Angriffen sorgen. In Nordisrael wird das weltweit erste lasergestützte Raketenabwehrsystem THEL (Tactical High Energy Laser) stationiert. Die Entwicklung von THEL wird von Israel und den USA seit 1996 im Rahmen des Projektes Nautilus betrieben. Nautilus hat den Aufbau einer lasergestützten Abwehr gegen Kurzstreckenraketen und Artilleriegeschosse zum Ziel. Diese werden durch einen auf angeregtem Deuteriumfluorid  beruhenden Photonen-Impuls von 2,2 Megawatt pulverisiert. Im Gegensatz zu konventionellen Abwehrraketen ist THEL mit 3000 Dollar pro Schuß spottbillig. Bereits seit 1980 arbeitet das Kommando Weltraum- und Raketenabwehr der US Army an derartigen Systemen. Hierbei handelt es sich um ein SDI-Projekt im Taschenformat, das nach dem Test im Nahen Osten sicherlich nicht auf taktische Geschosse beschränkt bleiben wird. Keimzelle von THEL ist der amerikanische Miracl-Laser (Mid-Infrared Chemical Laser), der schon seit 1987 erfolgreich erprobt wird. Das System ist indessen auf Wüstenklimate angewiesen, da Wassertröpfchen den Laserstrahl lahmlegen könnten.

   

Rußland und die USA scheinen gegenwärtig eine Art Pokerspiel zu betreiben. Während der faktisch von Washington beherrschte IWF den Russen weitere Finanzhilfen in Aussicht stellte, lockt Putin mit einem für Mitte Mai erwarteten wirtschaftlichen Reformprogramm, von dem eine weitergehende Liberalisierung (= Investitionsmöglichkeiten für die westlichen Multis) zu erwarten ist. Mit der anstehenden Ratifizierung des START II-Abkommens durch Rußland entlastet der Präsident zum einen sein Land von einem drohenden nuklearen Wettrüsten. Zum anderen nimmt er damit den amerikanischen Atomrüstungsplänen zur Modernisierung von 6000 Sprengköpfen den Wind aus den Segeln, da START II eine bis 2007 zu erreichende Obergrenze von 3500 Köpfen für die USA und von 3000 für Rußland vorsieht. Auf der Tagesordnung stehen nunmehr wohl sehr zum Mißfallen Bill Clintons vorbereitende Gespräche über das noch weiterreichende START III. Sjuganows Kommunisten bezeichnen den Vertrag als "Schandvertrag" und "Ausverkauf Rußlands an die USA". Putin stellte jedoch klar, daß er alle Abrüstungsverträge über strategische Atomwaffen für nichtig erklären werde, sollten die USA den ABM-Vertrag zur Einschränkung der Raketenabwehr brechen. Hiermit zielt der russische Präsident auf Clintons 25 Milliarden Dollar kostendes Projekt zum Aufbau eines Raketenabwehrsystems gegen atomare Angriffe ab. In der Tat will Washington die Abrüstungsgrenze bei START III von 1500 auf 2000 Sprengköpfe für beide Staaten erhöhen und außerdem den ABM-Vertrag auflockern, angeblich, um sich gegen drohende Angriffe aus der Dritten Welt zu schützen.

   

Eine Tagung der EU über Verbraucherfragen in Luxemburg förderte bittere Klagen der Mitgliedsstaaten über die zunehmende Verschuldung der Bevölkerung zutage. Die Schuldner werden immer jünger, was angesichts eines auf die Zielgruppe der unter 24jährigen einwirkenden konsumterroristischen Trommelfeuers nicht weiter verwunderlich ist. Die Banken werden um private Kreditnehmer, die Händler locken mit Ratenkäufen, Kreditkarten werden Massengut und die zumeist sinnlosen Handy-Gespräche im Café oder in der Straßenbahn wollen ebenfalls bezahlt sein. Alleine in der BRD galten 1997 2,6 Millionen Haushalte als überschuldet, also 30 % mehr als 1994. Bereits 7 % aller bundesdeutschen Familien konnten ihre Schulden aus eigener Kraft nicht mehr abtragen. Verantwortlich ist die westliche Konsumgesellschaft, die Statussymbole als Ersatz für ein sinn- und inhaltloses Leben anpreist.

   

Mit großem Wohlwollen nahm die polnische Öffentlichkeit ein Angebot des russischen Präsidenten Putin auf, bei der Aufklärung der sowjetischen Massenmorde nach 1939 zu helfen. Das unglückliche Polen litt nicht nur unter der Schreckensherrschaft des Dritten Reiches, sondern auch unter der sowjetischen Besatzungspolitik. Hunderttausende von Kriegsgefangenen wurden ermordet oder durch Zwangsarbeit vernichtet (z.B. an der Bahnstrecke nach Workuta), mehr als eine Million Zivilisten in den "Archipel GULAG" deportiert. Putin teilte seinem polnischen Amtskollegen Kwasniewski am Vorabend des Katyn-Gedenktages mit, bei Smolensk haben man neue Massengräber mit ermordeten Zivil- und Kriegsgefangenen entdeckt.

   

In der kubanischen Hauptstadt La Habana verabschiedeten die Staats- und Regierungschefs der in der Gruppe 77 zusammengeschlossenen 133 "Entwicklungsländer" (auch Indien und die Volksrepublik China sind vertreten) ein Programm zur Bekämpfung der Armut und zur wirtschaftlichen Annäherung an die Industriestaaten. Die G-77 forderte vor allem mehr Mitsprache im UN-Sicherheitsrat und in der Welthandelsorganisation WTO. Allerdings rennt man auch hier dem globalisierenden american way of life hinterher: Endziel der G-77 ist es, sich ein Stück vom großen Kuchen zu sichern. Ganz im Sinne der transnationalen Konzerne fordern die Regierungen u.a. vermehrten Technologietransfer in die Dritte Welt sowie einen erleichterten Zugang "ihrer" Produkte auf den Markt der Industriestaaten. Als löbliche Ausnahme sei Kubas máximo lider Fidel Castro genannt, der die Abschaffung des IWF als Instrument des amerikanischen Imperialismus forderte. Die G-77 wird sich in Bälde einen Sprecher zulegen, um die Interessen von 80 % der Weltbevölkerung gegenüber den Industriestaaten besser zur Geltung bringen zu können.

   

Der nordrhein-westfälische Landtag verabschiede ein Gesetz, nach dem die Polizei Plätze und Straßen mit angeblich besonders hoher Kriminalität per Videokamera überwachen kann. Die Marschrichtung der Sicherheitsbehörden kleidet Rainer Wendt von der Deutschen Polizeigewerkschaft in deutliche Worte: "Wenn erst die wiederholte Begehung gravierender Straftaten eine solche Überwachung erlaubt, ist Pöbeleien, Belästigungen und Körperverletzungen in Fußgängerstraßen weiterhin Tür und Tor geöffnet. Genau diese groben Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung aber sind es, die das Rechtsempfinden der Bevölkerung stören." Im Klartext: Die Ordnungshüter werden alles daran setzen, die gesetzlichen Fesseln bei der Installation von Überwachungseinrichtungen zu überwinden. Private Sicherheitsunternehmen erlegen sich derartige Hemmnisse schon längst nicht mehr auf.

 

 

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