Wochenschau
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Die politische Wochenschau
vom 15. bis 21. April 2000
Schlagzeilen der Woche zusammengestellt von Christian Klee |
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Ungarn liberalisiert Strommarkt |
Zitat der Woche: |
"Diese Konsumgesellschaft hat nichts zu tun mit Kultur und Zivilisation, das ist eine Müllhalde." |
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Léon Degrelle
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Die ersten italienischen Regionalwahlen zur direkten Bestimmung der Verwaltungspräsidenten endeten mit einer empfindlichen Niederlage der in Rom regierenden Mitte-Links-Koalition gegen das Rechtsbündnis "Pol der Freiheiten" aus Forza Italia, Alleanza Nazionale, Lega Nord und Fiamma Tricolore. Diese Berlusconi-Koalition konnte in 8 von 15 Regionen die Mehrheit gewinnen, darunter auch die Schlüsselposition Lazio mit Rom und Ligurien. Insbesondere in Norditalien errang die Rechte deutliche Erfolge. Beispielsweise siegte in der Lombardei der Rechtskandidat Roberto Formigoni mit mehr als 62 % der Stimmen. Bei den Regionalwahlen wurden mit 43 Millionen Stimmberechtigten 75 % aller wahlberechtigten Italiener an die Urnen gerufen. Landesweit erzielte der "Pol der Freiheiten" 50,7 % (1995: knapp 42 %), während die Regierungskoalition auf rund 45 % kam. Nicht zuletzt dank der wieder erstarkten Lega Nord gingen sämtliche norditalienischen Regionen an das rechte Oppositionsbündnis. Die aus dem MSI hervorgegangene AN steigerte sich in der roten Toskana auf 15 % und als stärkste Partei in Latium gar auf 23 %. Der einzige Wahlerfolg des Regierungsbündnisses wird aus Kampanien gemeldet, wo die Region der Rechten abgenommen wurde. Vor allem das Kalkül, mit prominenten Vertretern des politischen Establishments ins Rennen zu gehen, scheiterte auf ganzer Linie. Gewohnt treffend legte Dario Fo der Linken nahe, die sozialen Probleme der Bevölkerung wieder ernst zu nehmen, anstatt über Marktanalysen und Börsenkurse zu philosophieren. Der rechtsreaktionäre Medienzar Silvio Berlusconi und sein undurchsichtiger Partner von der AN, Gianfranco Fini, forderten umgehend den Rücktritt von Ministerpräsident D`Alema, Umberto Bossi als Anführer der norditalienischen Regionalisten trat für vorgezogene Neuwahlen ein. Ferner forderte er eine selbständige Schul- und Gesundheitspolitik im Norden, der auch eine eigene Ortspolizei neben den Carabinieri erhalten soll. Im Vorfeld der Wahl ging das Gerücht um, Berlusconi habe in einem Geheimvertrag eine autonome Föderation der norditalienischen Regionen akzeptiert. Das Regierungsbündnis von den postkommunistischen Linksdemokraten bis hin zu konservativen Splittergruppen ersetzte in einem Akt politischer Kosmetik Ministerpräsident D`Alema durch den bisherigen Schatzminister Amato - Italien hat seine 57. oder 58. Nachkriegsregierung.
Zum Thema Carabinieri: Zum zweiten Mal seit 1996 kursieren in Italien Putschgerüchte. Nun ruft der Carabinieri-Oberst (kasernierte Bereitschaftspolizei) Antonio Pappalaudo zum Aufstand gegen ein durch und durch verfaultes System, korrupt bis hin zum "Oppositionsführer" Berlusconi, auf. "Wir Carabinieri und nicht die Parteien werden den neuen Staat schaffen."
BND-Präsident August Hanning erstattete dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages Bericht über die Lage im Kaukasus. In diesem Zusammenhang dementierte Hanning, daß der Bundesnachrichtendienst eine Abhörstation im zentralasiatischen Pamir-Gebirge unterhalte, das bekanntlich nicht weit der chinesischen und indischen Grenzen zu finden ist. Der Verfasser erinnert an den Schröder-Besuch im kaukasischen Georgien, in dessen Umfeld ebenfalls Gerüchte auftraten, nach denen der BND auch dort eine Horchstation einrichten will.
Rußlands frischgebackener Präsident Putin absolvierte seine ersten Auslandsbesuche. Demonstrativ war die erste Station das militärisch und wirtschaftlich eng mit Moskau verbundene Weißrußland. Dessen Präsident Lukaschenko regte die Bildung einer gegen Polen ausgerichteten Armeegruppe von 80.000 weißrussischen Soldaten und 220.000 Mann russischer Truppen im Westen Rußlands an. Die Reise führte Putin sodann nach Großbritannien, das man in Moskau als eine transatlantische Brücke zu den USA betrachtet. Berlin steht zunächst nicht auf dem Fahrplan, weil Schröder und Fischer seit ihrem Amtsantritt keine klare Linie in ihrer Ostpolitik zustandegebracht haben.
Die Volksrepublik China verhinderte erneut ihre Verurteilung durch die UN-Menschenrechtskommission in Genf. Die von den USA eingebrachte Resolution kam nicht einmal zur Abstimmung, denn Peking stellte einen Antrag auf Nichtbefassung. Hinter diesen stellten sich Rußland und die der VR China traditionell wohlgesonnenen Entwicklungsländer Asiens und Afrikas. Moskau dürfte sich mit seinem Verhalten die Unterstützung Chinas gegen eine Tschetschenien-Resolution der UNO gesichert haben. Den Amerikanern war es auch nicht gelungen, die EU, Australien, Kanada und Japan zu einem rückhaltlosen Einsatz für ihre Resolution zu bewegen - man will den chinesischen Drachen nicht über Gebühr verärgern.
Der scheidende PDS-Bundestagsfraktionsvorsitzende (welche Sprache sonst auf der Welt würde die Bildung eines dermaßen häßlichen Wortes gestatten) Gregor Gysi wies Angebote zurück, in die SPD einzutreten. Gysi erklärte: "Ich bin Sozialist, kein Sozialdemokrat." Er werde seinen Kampf innerhalb der PDS um die Bildung einer demokratisch-sozialistischen Reformpartei, also um die Sozialdemokratisierung, fortsetzen. Hintergrund ist eine Äußerung von Mathias Schubert, dem Sprecher der aus den neuen Ländern kommenden SPD-Bundestagsabgeordneten, welcher für Persönlichkeiten wie Gysi oder André Brie Raum innerhalb der Sozialdemokratie sieht. Schröder und SPD-Generalsekretär Müntefering schielen eher auf das Wählerpotential der PDS als auf deren Kader.
Die schleswig-holsteinischen Grünen haben ein Parteiausschlußverfahren gegen den Lübecker Richter Wolfgang Neskovic eingeleitet. Neskovic hatte es gewagt, 1999 aus Protest gegen den NATO-Angriffskrieg auf dem Balkan alle Parteiämter niederzulegen und auf eine Kandidatur bei der Bürgermeisterwahl zu verzichten. Ferner kritisierte er, bei den Grünen hätten sich Machterhalt und persönliche Karriere als Grundmotiv durchgesetzt. Als Neskovic im Februar offen aussprach, wer grüne Ideen realisieren wolle, dürfe gewiß nicht bündnisgrün wählen, war das Maß für die Basis-Demokraten offenbar voll.
In der Ukraine hat sich die Bevölkerung mit großer Mehrheit für vier Verfassungsänderungen ausgesprochen. Somit werden die Kompetenzen von Präsident Leonid Kutschma zu Lasten des von Reformgegnern blockierten Parlaments erweitert. Bei einer Beteiligung von fast 79 % stimmten jeweils zwischen 82 und 90 % der Wähler für die Vorlage. Kutschma erhält somit die Möglichkeit, das Parlament aufzulösen, sofern es binnen eines Monats keine mehrheitsfähige Regierung zustandebringt oder einen Haushalt drei Monate lang ablehnt. Das Parlament, die Werdowna Rada mit ihren 450 Abgeordneten, soll zugunsten eines Zweikammerparlaments mit insgesamt 300 Vertretern verkleinert werden. Während die erste Kammer gewählt wird, ernennt Kutschma die Angehörigen der zweiten. Die Mitglieder der Rada besitzen fortan keine Immunität mehr. Das Parlament muß seiner Selbstentmachtung nun noch zustimmen, was unwahrscheinlich gilt. Der Präsident drohte für den Ablehnungsfall mit der Auflösung der Rada und weiteren Volksabstimmungen. Hintergrund des Machtkampfes ist die schwere Wirtschaftskrise, durch welche die Ukraine bis an den Rand des Staatsbankrotts gebracht wurde.
Im Rahmen der Annäherung an die EU kommt Ungarn dem internationalen Großkapital entgegen, indem es ab 2001 mit der schrittweisen Liberalisierung seines Strommarktes beginnt. Zunächst erhalten nur ausgewählte Großkunden das Recht der freien Stromlieferantenwahl. Vorläufig dürfen jedoch nur 50 % des liberalisierten Verbrauches von den Anbietern importiert werden, der Rest muß in Ungarn erzeugt sein. Wichtigster Stromerzeuger ist nach dem Staatskonzern MWK die Bayernwerk Hungaria Rd., Budapest. Durch die stufenweise Liberalisierung sollen die Kraftwerksbetreiber zu Rationalisierungsmaßnahmen gezwungen werden.
In Spanien schreitet der Rückzug des Staates aus dem Banksektor - unter Franco ein wichtiges Steuerungsorgan für die Wirtschaft - immer schneller voran. Im Jahr 1998 privatisierte Madrid die restlichen 30 % Anteile an der aus Sparkassen, Hypotheken- und Handelsbanken sowie der Postsparkasse bestehenden Argentaria-Gruppe, woraufhin diese im Oktober 1999 vom Banco Bilbao-Vizcaya geschluckt wurde. Der neue Bankriese kontrolliert somit 20 % des spanischen Kredit- und Investmentmarktes. Vor Bilbao-Vizcaya liegt nur noch der Banco Santander Central Hispano.
Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) kündigte in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ein verschärftes Vorgehen gegen "rechtsextreme Gewalttäter" an. Bei besonders schwerwiegenden Gewalttaten will die Bundesjustizministerin fortan die Generalbundesanwaltschaft von der Leine lassen. Laut Däubler-Gmelin versuchen "Rechtsextremisten" bundesweit, unter den Ausländern ein Klima von Angst und Schrecken zu erzeugen. Der Verfasser empfiehlt einen Spaziergang durch Frankfurt am Main, um diese Aussage Däubler-Gmelins zu verifizieren. Nun schlägt die Rechtsverdreherin den Bogen: Um "Neonazis" aus dem Internet fernzuhalten, soll es gemeinsame Strafvorschriften in EU und USA geben. Anfang Juli wird das Bundesjustizministerium mit den großen Internetfirmen Verhandlungen aufnehmen, um einen "Verhaltenskodex" über unliebsame Inhalte festzulegen. Es ist also mit einer Ergänzung der International User Requirements (siehe den Enfopol-Artikel von Richard Schapke) durch politische Präventivmaßnahmen zu rechnen, die sich wahrscheinlich nicht auf "Rechtsextremisten" beschränken werden.
In konsequenter Verfolgung einer Linie chinesischer Außenpolitik sicherte Chinas Staatspräsident Jiang Zemin den Palästinensern bei seinem Besuch in Bethlehem Unterstützung für die Bildung eines eigenen Staates zu. Die Volksrepublik China gehörte zu den ersten Staaten, die Beziehungen zur PLO aufnahmen und unterstützt den palästinensischen Befreiungskampf seit den 60ern mit Geld und Waffen. Peking fordert einen Nahostfrieden auf Basis der UN-Resolutionen - also den Rückzug der Zionisten aus allen seit 1967 geraubten Gebieten. Anschließend reiste Jiang in die Türkei weiter, wo er eine Reihe wirtschaftlicher Abkommen unterzeichnete. Türkische Nationalisten demonstrierten gegen die Unterdrückung der stammesverwandten Uighuren durch die chinesische Zentralregierung.
Oberstleutnant Henning Phillip, Sprecher der KFOR-Truppe in Pristina, betrachtet es bereits als einen Erfolg, daß derzeit im Kosovo nur noch vier Serben und Roma pro Woche ermordet werden. Im Juni vergangenen Jahres belief die durchschnittliche Opferzahl sich noch auf das Zehnfache. Angesichts des albanischen Terrors ist mittlerweile jeder zweite KFOR-Soldat zum Minderheitenschutz abgestellt worden. Immerhin hat sich die UN-Verwaltung aufgerafft, gegen den ehemaligen UCK-Führer Hashim Thaci Ermittlungen wegen Folter, Schutzgelderpressung und Aufstellung von Todesschwadronen aufzunehmen. Ferner scheint Thaci mit der albanischen Mafia in engem Kontakt zu stehen, denn seine Gefolgschaft ist in Waffen- und Drogenhandel sowie andere Formen Organisierter Kriminalität verwickelt.
Das Nationale Statistikbüro Großbritanniens berichtet, daß seit der Regierungsübernahme Tony Blairs die Kluft zwischen Arm und Reich noch größer geworden ist. Die dünne Oberschicht stellt mittlerweile 42 % des Volkseinkommens, während die unterste Einkommensgruppe gerade einmal 7 % aufbringt. Umgerechnet verdient ein Angehöriger der Oberklasse 184.000 DM im Jahr - am anderen Ende der sozialen Skala liegt das Jahreseinkommen bei 14.500 DM (= ein Dreizehntel). Bekanntermaßen ist "New Labour" mit Sozialdumping und Niedriglohnbeschäftigung ein leuchtendes Vorbild für die gegenwärtig amtierende Bundesregierung.
In der Bretagne detonierte ein Sprengsatz in einer McDonald´s-Filiale in Quévert bei Dinan, wobei eine Serviererin ums Leben kam. Die Bombe sollte eigentlich in der Nacht explodieren und ging infolge eines fehlerhaften Zünders versehentlich zur Geschäftszeit hoch. Bereits vor einem Monat feuerte ein Unbekannter mehrere Schüsse auf das "Restaurant" ab. Fast zur gleichen Zeit konnte eine weitere Sprengladung vor einem Postscheckamt in Rennes entschärft werden. Das verwendete Dynamit wurde im Herbst 1999 aus einer Fabrik in Rennes gestohlen - es fand schon bei mehreren ETA-Bomben dankbare Verwendung. Im März wurde der Sprengstoff bei einem Anschlag der erst seit 1998 wieder aktiven Revolutionären Bretonischen Armee ARB verwendet. Die gemäßigten Regionalisten distanzieren sich einhellig von dem Attentat. In Frankreich scheint man nach Korsika und dem französischen Teil des Baskenlandes einen dritten Unruheherd zu bekommen, da der bretonische Regionalismus seit den 80er Jahren eher kulturell als militant geprägt war. Aus Protest gegen den Anschlag wollen am Beisetzungstag der Toten alle McDonald´s-Filialen der Bretagne schließen, was die Nationalisten sicherlich beeindrucken wird.
Nach Informationen der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" arbeitet die STN-Atlas-Elektronik in Bremen für die Bundeswehr an der Entwicklung eines unbemannten Flugkörpers namens Taifun. Das Taifun-System basiert auf den Aufklärungsflugkörpern vom Typ Drohne, ist aber im Gegensatz zu dieser imstande, vollautomatisch Ziele zu erkennen und zu bekämpfen. Es vereint die Eigenschaften der Marschflugkörper mit denen eines Sturzkampfbombers. Taifun ist propellergetrieben, drei Zentner schwer und kann länger als vier Stunden lang fliegen.
Bleiben wir beim Militär: Das BKA plant die Bildung einer Spezialeinheit namens Kriminalpolizeilicher Krisen-Einsatzkräfte für das Ausland. Als Kern ist eine Truppe von 50 BKA-Beamten vorgesehen, die innerhalb einer Woche für Auslandseinsätze bereitstehen können. Hinzu kommen Bereitschaftseinheiten der Bundesländer; das rosa-grün regierte Nordrhein-Westfalen hält bereits jetzt 2-300 Mann bereit und plant für 2001 die Einrichtung von 120 Planstellen nur für Auslandseinsätze. Die Polizeieinheit soll nicht nur bei "friedensstiftenden Maßnahmen" eingesetzt werden können, sondern beispielsweise auch bei Anschlägen auf deutsche Einrichtungen im Ausland. Bereits jetzt weilen 210 bundesdeutsche Polizisten im Kosovo, 165 in Bosnien, 15 in Albanien und 10 in Kroatien. Hinzu kommen 30 Beamte des BKA und verschiedener LKA im Kosovo.