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Dividendenplantage der transnationalen Konzerne -
Europa und das M.A.I.-Abkommen
Verfasser: Richard Schapke
Anmerkung des Verfassers: Dieser �berarbeitete Artikel erschien im Sommer 1999 in gek�rzter Form in der "Deutschen Stimme", bevor die vor�bergehende Zusammenarbeit aus von ihm nicht zu vertretenden Gr�nden ein verdientes Ende fand.
Seit 1995 laufen innerhalb der OECD, der Organisation f�r wirtschaftliche Zusammenarbeikt und Entwicklung, Verhandlungen �ber ein sogenanntes Investitionsschutzabkommen. Dieses ist als "Grundgesetz einer einheitlichen globalen Wirtschaft" konzipiert. Nachdem anf�ngliche Besprechungen in der Welthandelsorganisation WTO auf den begreiflichen Widerstand der sogenannten Entwicklungsl�nder stie�en, verhandelt man hinter verschlossenen T�ren im Rahmen der OECD, welche die 29 bedeutendsten Industriestaaten umfa�t. Diese internen Verhandlungen kommen nicht von ungef�hr, stammen doch 487 der 500 gr��ten multinationalen Konzerne aus eben diesen 29 Staaten. Das hinter dem Vertrag stehende Wirtschaftspotential kontrolliert faktisch den gesamten Globus (die VR China will der WTO schnellstm�glich beitreten). Um die sich hier bildende Machtkonzentration zu verdeutlichen: Mit 400 Milliarden Dollar hat das Gesamtvolumen der "Megafusionen" bereits 1998 den Haushalt der BRD weit hinter sich gelassen. Die Summe der internationalen Direktinvestitionen erreichte 1998 640 Milliarden DM und wird 1999 wohl die Schallmauer von 700 Milliarden DM durchbrechen. Der Gesamtumsatz transnational t�tiger Unternehmen macht mit 11 Billionen Dollar rund 25 % des Bruttosozialproduktes der ganzen Welt aus.
Der aktuelle Vertragsentwurf vom Februar 1998 enth�lt geradezu alarmierende Bestimmungen, welche letzten Endes die multinationalen Konzerne zu den Nationalstaaten �bergeordneten v�lkerrechtlichen Gebilden, faktisch zu souver�nen Staaten, erheben w�rden. Die bislang souver�nen Staaten werden zur Dividendenplantage des multinationalen Kapitals degradiert. Letzten Endes sollen die Wirtschaftsauflagen, mit denen Weltbank und IWF seit Ende der 70er Jahre in der Dritten Welt f�r Elend und Destabilisierung sorgten, weltweit als geltendes V�lkerrecht verankert - also auch f�r die Industriestaaten festgeschrieben - werden. "Gro�z�gigerweise" l�dt die OECD Nichtmitglieder zum Beitritt ein - den Regierungen wird angesichts oben geschilderter Machtverh�ltnisse kaum etwas anderes �brig bleiben. Notfalls hilft man - wie im Kosovo - halt ein wenig mit den Truppen gekaufter Kabinette oder Milit�rb�ndnisse nach bzw. bem�ht die "Solidarit�t" der internationalen UN-Wertegemeinschaft.
Von "linker" Seite ge�u�erte Sorgen �ber das Schicksal der Dritten Welt - die sich ohnehin schon im W�rgegriff des internationalen Finanzkapitals befindet - weisen wie �blich Schlagseite auf. Das Mai-Abkommen zielt nicht nur auf die sogenannten Entwicklungsl�nder, sondern ebenso auf die Industriestaaten ab. In den Regionen der Dritten Welt mit ihren gering entwickelten Binnenm�rkten l��t sich durch Privatisierungen im Verh�ltnis gesehen relativ wenig holen, und die miserable Infrastruktur ist ebenfalls wenig einladend. Laut Angaben der Handels- und Entwicklungskonferenz der UN (Unctad) konnten 1998 nur wenige Entwicklungsl�nder technologie- oder forschungsintensive Direktinvestitionen anlocken - und diese sind nun einmal die �konomischen Zugpferde des 21. Jahrhunderts. Nach der selben Quelle entfielen 1998 sage und schreibe 80 % der internationalen Direktinvestitionen - also 512 Milliarden DM - auf die OECD-Staaten selbst. Zwischen 1996 und 1998 fielen die privaten Nettokapitalstr�me in die Entwicklungsl�nder um geschlagene 70 %. Noch einmal: Das Angriffsziel des Gro�kapitals sind die lohnendsten M�rkte, also diejenigen der Industriestaaten. Gegebenfalls produziert man billig in der Dritten Welt, um die M�rkte der n�rdlichen Hemisph�re und Australiens beliefern zu k�nnen.
Die Unterzeichnerstaaten werden verpflichtet, ein "g�nstiges Investitionsklima" herzustellen. Im Klartext bedeutet das, ausl�ndischen Investoren freien Zugang zu den M�rkten zu verschaffen. Sie sind den inl�ndischen Unternehmen gleichzustellen. Letzten Endes sind alle staatlichen Leistungen wie Post, Verkehr, Telekommunikation, Bildung, Energieversorgung, Gesundheitsf�rsorge oder Kultur zu privatisieren. Zum "g�nstigen Investitionsklima" geh�ren ungehinderter Gewinntransfer, keinerlei staatliche Regulierung f�r grenz�berschreitende Kapitalbewegungen. Als Investition sind nicht nur die Direktinvestitionen, sondern auch Wertpapiere, Bank-, Versicherungs-, Finanz- und andere Dienstleistungen zu verstehen. Direkte und indirekte Enteignungen durch staatliche Totalenteignung oder Steuerdruck sind grunds�tzlich verboten. Bei Zuwiderhandlung drohen den Gastl�ndern Schadenersatzforderungen; dies gilt auch f�r die Verhinderung potentieller Gewinne durch staatliche Eingriffe. Beispielsweise k�nnte auch ein Streik gegen Ausbeutung und Lohndr�ckerei zu Schadenersatzanspr�chen f�hren.
Ebenfalls untersagt werden wirtschaftliche Regulierungsmechanismen wie Auflagen zur Arbeitsplatzsicherung, Umweltstandards, Technologietransfer, Reinvestitionen und Profitquoten. Das bedeutet konkret den Verzicht auf Arbeitnehmerrechte oder Umweltschutz - diese haben die Unterzeichnerstaaten fortan selbst zu finanzieren, ansonsten hat das Privatkapital Schadenersatzanspr�che. Somit haben die Konzerne unumschr�nkte Freiheiten und Rechte bei Kauf und Verkauf sowie eine maximale Flexibilit�t ohne Handelshemmnisse oder Staatseingriffe. Da der IWF in seinen neuen Kreditrichtlinien ebenfalls eine entsprechende Wirtschaftspolitik, sprich ein Wohlverhalten der Regierungen gegen�ber den W�nschen des internationalen Finanzkapitals verlangt, d�rfte klar sein, da� es sich bei diesen Auflagen nicht um Hirngespinste sozialistischer Revolutionsromantiker handelt.
Die Interessen des Finanzkapitals werden durch ein internationales Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer ICC gesch�tzt, vor dem nationale Regierungen, Gewerkschaften oder gar private Organisationen keinerlei Klagerecht haben. Es sch�tzt die Auslandsinvestitionen, den freien Zugang zu den nationalen M�rkten, die Kapitalertr�ge, den Kapitaltransfer und verhindert staatliche Auflagen, welche das hemmungslose Treiben der Konzerne einschr�nken k�nnten. Eine Berufungsinstanz ist �brigens nicht vorgesehen. An der ICC sind neben nationalen Un-ternehmerverb�nden Konzerne wie Bayer beteiligt. Hinzu kommen Kontrollinstanzen auf nationaler Ebene zur fortlaufenden �berpr�fung der staatlichen Wirtschaftspolitik auf ihre M.A.I.-Kompatibilit�t. Nach Inkrafttreten des Abkommens sind alle diesem widersprechenden Teile der nationalen Gesetzgebung au�er Kraft zu setzen (roll-back-Klausel). Mit einem Kurswechsel ist auch angesichts j�ngster Verteilungsk�mpfe innerhalb der WTO nicht zu rechnen - der neue Vorsitzende Moore/Neuseeland fordert ebenfalls die �ffnung der M�rkte.
De facto bedingt das M.A.I.-Abkommen die versch�rfte Schaffung innenpolitischer Stabilit�t durch die dann nicht nur faktisch, sondern auch rechtlich den Konzernen untergeordneten Regierungen. Da ein derartiges Abkommen nicht von heute auf morgen angestrebt wird, erscheinen dem Verfasser beispielsweise der rigorose Ausbau des deutschen Sicherheitsapparates seit den 70er Jahren (zun�chst w�hlte man die "RAF", dann "Neonazis" oder die Organisierte Kriminalit�t als Vorwand) oder die seit geraumer Zeit stattfindenden (TREVI-)Konferenzen der EU-Innen- und Justizminister zur Festlegung gemeinsamer innenpolitischer Strategien in einem anderen Licht. Der Vertragsentwurf enth�lt im �brigen einen gezielten Unruhenschutzabsatz, der Unterdr�ckungsma�nahmen gegen soziale und politische Protest- und Oppositionsbewegungen legitimiert:
"3.1. Ein Investor eines Vertragspartners, der in Verbindung mit seinen Investitionen im Staatsgebiet eines anderen Vertragspartner Verluste erlitten hat, die auf Krieg oder anderen bewaffneten Konflikt, Ausnahmezustand, Revolution, Aufstand, b�rgerliche Unruhen, oder jeden anderen �hnlichen Vorfall im Staatsgebiet des letzteren Vertragspartners zur�ckzuf�hren sind, darf vom letzteren Vertragspartner in Bezug auf Wiederherstellung, Unantastbarkeit, Entsch�digung oder jede andere Form der Vereinbarung nicht weniger g�nstig behandelt werden als die eigenen Investoren oder Investoren jedes anderen dritten Staates, je nachdem welches g�nstiger f�r den Investor ist.
3.2. Ohne Einschr�nkung von Artikel 3.1. mu� ein Investor eines Vertragspartners, der in einer der in diesem Abschnitt bezeichneten Situationen einen Gebietsverlust im Staatsgebiet eines anderen Vertragspartners erleidet, durch
(a) Wiederaneignung seiner Investitionen oder Teilen davon durch die Beh�rden oder Vollzugskr�fte des letzteren Vertragspartners
(b) Zerst�rung seiner Investitionen oder Teilen davon durch die Beh�rden oder Vollzugskr�fte des letzteren Vertragspartners, die nicht aufgrund der Situation n�tig war, mu� von letzterem Vertragspartner R�ckgabe oder
Entsch�digung erhalten, die in jedem Fall unverz�glich, angemessen, effektiv und, im Falle der Entsch�digung, in �bereinstimmung mit den Artikeln 2.1. und 2.5 zu erfolgen hat."
Angesichts von Nachrichten, denen zufolge in Bundeswehr-F�hrungskreisen �ber den Inlandseinsatz des Milit�rs nachgedacht wird, hinterlassen derartige Bestimmungen ein unangenehmes Gef�hl. Bei diesen Planungen werden wieder einmal Terrorismus und Organisierte Kriminalit�t vorgeschoben, wie sattsam bekannt sein sollte (siehe Lauschangriff-Debatte), ist letzten Endes der Einsatz der Streitkr�fte gegen das eigene Volk gemeint. In die gleiche Richtung zielen der Ausbau der deutschen Nachrichtendienste (Enfopol als Stichwort) sowie die Bestrebungen, schrittweise das BKA und den BGS zu einem deutschen FBI zu machen. Beispielsweise wuchs der paramilit�rische BGS (gewisserma�en "Sondereinheiten des Innenministeriums") in den 90er Jahren von 8000 auf 22.000 Mann an. Ein derartiges System braucht selbstredend Kollaborateure - diese finden sich in den Reihen der "Besserverdienenden". Sch�tzungen zufolge funktioniert die Weltwirtschaft, wenn ein F�nftel der Bev�lkerung in den westlichen Industriestaaten reichhaltig verdient - den Rest stellt man mit systematischer Massenverdummung ruhig. Als Modell hierf�r gelten die Vereinigten Staaten. In Expertenkreise hat schon lange das Wort von der Einf�nftelgesellschaft Einzug gehalten.
Parlamente und �ffentlichkeit werden kaum �ber die Verhandlungen informiert. Dem Bundestag beschied noch die Regierung Kohl, man werde ihm nach Paraphierung des Abkommens schon die entsprechende Gesetzesvorlage zukommen lassen - es gibt wahrscheinlich nicht einmal eine autorisierte deutsche �bersetzung. Angesichts der im Bundestag vertretenen, letzten Endes dem Kapital h�rigen Parteien (auch die PDS oder unsere "Rechtsparteien" streben letzten Endes nur an den kapitalistischen Futtertrog) bestehen kaum Zweifel, wie die Entscheidung unserer "Volksvertreter" ausfallen wird. Vom DGB ist ebenfalls nichts zu erwarten - die Gewerkschaften sind durch ein beratendes Komitee TUAC bei der OECD vertreten, also mit von der Partie bei den Gespr�chen. Deutschlands SPD-Gewerkschafter zeigen sich hier �hnlich staatstragend wie beim Konflikt um Wiederbewaffnung und Westintegration der BRD in den fr�hen 50ern. Das Meinungskartell der Systemmedien schweigt sich ebenfalls vornehm aus, was nicht weiter wundert, da die ma�geblichen Verlage und Chefredaktionen in logen�hnlichen Gruppen wie den Bilderbergern oder der Atlantikbr�cke am gleichen Tisch wie Parteifunktion�re, Gewerkschaftsbonzen und Unternehmervertreter sitzen. Bezeichnenderweise brach im Sommer 1999 die Berichterstattung �ber das M.A.I-Abkommen weitestgehend ab.
Auch die wohlverdiente Abwahl Kohls hat trotz vollmundiger Ank�ndigungen einiger Sozialdemokraten nichts ge�ndert - Verhandlungsf�hrer war seit dem 29.10.98 Oskar Lafontaine. Der angebliche Wortf�hrer des "linken Fl�gels der Sozialdemokratie" war also ma�geblich an Verhandlungen beteiligt, die Deutschland in sozial- und wirtschaftspolitischer Hinsicht um Jahrzehnte zur�ckwerfen k�nnen. Schon zu Zeiten Kohls bekannte sich die SPD offen zur Notwendigkeit eines Investitionsschutzabkommens, Differenzen bestanden nur in Einzelfragen. Gerhard Schr�der oder Joschka Fischer sind demnach ebenso Fronv�gte des Gro�kapitals wie alle ihre Vorg�ngerkabinette. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Sozialfaschismustheorie der 20er Jahre neue Aktualit�t - die Sozialdemokratie als Hilfstruppe des Kapitals. Generell mu� die Linke sich vorhalten lassen, seit Jahrzehnten den Internationalismus, also die schrankenlose, einheitliche One World und den Freihandel, gepredigt zu haben - hier hat sie ihn! Die gr��ten Internationalisten sind nicht etwa marxistische Sektierer, sondern die transnationalen Konzerne.
Alles neuerliche Gerede von einem dem M.A.I.-Abkommen angesichts des wachsenden internationalen Widerstandes vorgeschalteten OECD-Verhaltenskodex f�r die Global Players ist Verschleierungstaktik - auch dieser Kodex h�lt die Unternehmen an, in den jeweiligen Staaten einen Beitrag zur "Entwicklung", sprich: zu Wirtschaftswachstum und Profit zu leisten. Die Entwicklung von Kontrollmechanismen ist keinesfalls vorgesehen, es handelt sich um eine reine Absichtserkl�rung, die dennoch auf heftige Gegenwehr der Konzerne trifft. Die Gewerkschaften jedenfalls sind schon mit einer relativ unverbindlichen Verpflichtung der Unternehmer auf Einhaltung von gewissen, an der Reallage nicht viel �ndernden Minimalstandards auf den Bereichen Umweltschutz, Korruption und Menschenrechte erkl�rterma�en zufrieden. Die Verabschiedung ist f�r die OECD-Ministerrunde im Juni 2000 vorgesehen. Da man sich 1999 innerhalb der OECD nicht einigen konnte, wird nunmehr wieder im Rahmen der WTO (Seattle!) verhandelt, wo das Investitionsschutzabkommen in die Gespr�che �ber die Liberalisierung des Welthandels eingeflochten wird und diese taktisch geschickt auf mehrere Einzelkomplexe wie Dienstleistungen oder Landwirtschaft aufspaltet. Eine weitere Methode liegt darin, da� in bilateralen Verhandlungen wie beispielsweise zwischen der EU und Mexiko entsprechende Standards besprochen werden.
Angesichts der durch das auch von der deutschen Gro�industrie mitgetragene M.A.I.-Abkommen drohenden Gefahr sollte sogenannten "nationalen" Kreisen endlich einmal ein Licht aufgehen (das weitestgehende Schweigen zum Kapitalismusproblem spricht B�nde). Der unselige Unterschied zwischen dem "ausbeuterischen" internationalen Kapitalismus und dem "schaffenden" nationalen Kapitalismus ist letzten Endes nichts als sozialreaktion�re Propaganda. Das ach so "schaffende" deutsche Kapital ist f�r Entwurzelung, Vermassung und Erkaltung der Ge-sellschaft verantwortlich. Es f�hrte eine Zweiklassengesellschaft herbei, in der (wie in den USA) eine wohlhabende Oberschicht den Gro�teil des Inlandskonsums t�tigt, w�hrend der Rest als volkswirtschaftlich zu vernachl�ssigende Gr��e auf dem Niveau von Sozialhilfe, Arbeitslosenunterst�tzung und Niedriglohnstellen dahinvegetiert, k�nstlich verdummt durch die Einheitsfront von Medienapparat und Massenkonsum. Auf der anderen Seite sei "linken" Kreisen ins Stammbuch geschrieben, da� eine Liberalisierung sowie Herunterfahren der Sozialnetze und Re-gulierungsm�glichkeiten auch die Bev�lkerung der Industriestaaten - also nationale Interessen� - bedroht. F�r beide Seiten sollte gelten: Keine faulen Kompromisse!