Wirtschaft und Soziales

 

HARTZ IV

Das Ende der Umzugslüge


Dem Teil des deutschen Volkes, der zur Miete wohnt und ab Januar nächsten Jahres unter das Verelendungsprogramm „HIV“ (Hartz IV) fällt, kamen die Aussagen der einzelnen Mitglieder der Schröderregierung zum Thema Hartz IV schon immer äußerst suspekt vor. Zu oft wurden sie in der Vergangenheit belogen. Vor allem die Aussage von Superminister Wolfgang Clement (SPD), niemand habe die Absicht, Langzeitarbeitslose aus ihren Wohnungen zu vertreiben, erinnert doch stark an ein berühmtes Ulbricht-Zitat, daß mit den selben Worten anfing.

Der Bundesregierung ist mittlerweile klar, daß das Thema „Zwangsumzug“ ab nächstes Jahr zu erheblichen Spannungen führen kann und auch wohl wird. Aus diesem Grund fuhr die rot-grüne Bundesregierung zu Beginn der Montagsdemonstrationen eine in der Geschichte der BRD beispiellose Desinformationskampagne, bei der sie auch vor den dreistesten Lügen nicht zurückschreckte. Wie erinnern uns:

Aussage: Muß ich als Arbeitsloser in die Platte umziehen?

Antwort Bundesregierung: Nein. Ein Umzug kommt nur dann in Betracht, wenn eine Wohnung „unangemessen“ groß ist. Die ganz überwiegende Mehrzahl der Menschen, die ab dem 01.01.2005 ALG II beziehen werden, leben jedoch in angemessenen Wohnungen. Aus bisherige Praxis können folgende Richtwerte abgeleitet werden: ca. 45-50 qm für eine Person, ca. 60 qm/2 Zimmer für zwei Personen, ca. 75 qm/3 Zimmer für 3 Personen, ca. 85-90 qm/4 Zimmer für vier Personen (Durchschnittswerte). Umzüge in kleinere oder billigere Wohnungen wird es deshalb- wenn überhaupt- nur in Einzelfällen geben. Darüber entscheiden die Kommunen vor Ort.

Unabhängige Arbeitsloseninitiativen, wie z.B. Keine-Agenda2010 (www.keine-agenda2010.de) wiesen umgehend darauf hin, das hier gezielt die Unwahrheit gesagt wird, denn es geht es primär gar nicht um die Größe der Wohnung, sondern um den Mietpreis. Die Stadt Magdeburg zum Beispiel, war eine der ersten, die ALG-II-Zahlen auf den Tisch legte: eine Kaltmiete von bis zu 4,60 Euro je Quadratmeter sei angemessen, was in Magdeburg zur Zwangsumsiedlung von 4.500 Arbeitslosen führen wird, wobei, nach einem internen Schreiben der Stadt, unterster sozialer Standard anzusetzen sei. Davon inspiriert folgte die Stadt Leipzig und setzte noch einen drauf: 3,85 Euro pro qm und pro Monat als Höchstgrenze! Das macht bei einer alleinstehenden Person rund 154,- bis max. 173,25 Euro Kaltmiete aus (40 - max. 45 qm und nicht 45 - 50 qm, wie die Bundesregierung frech behauptet). Daß gerade die Stadt Leipzig Vorreiter beim „größten Sozialabbau in der Geschichte der BRD“ (FAZ-Online) ist, wundert nicht, ist doch ihr Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) Mitglied der Hartz-Kommission und einer der Macher der „Reform“. Der Sozialamtsleiter von Jena, Ralf Kühmstedt, weigert sich z.B. bisher, Daten offen zu legen. Erst kurz vor Weihnachten will er mitteilen, was eine Wohnung kosten darf, nach bisheriger Sozialamtspraxis in Jena darf die Kaltmiete maximal 4,10 Euro/qm betragen. Er drohte aber damit, man wolle keine zu große Wohnung „gleich“ räumen, wenn die Betroffenen nachweisen können, mehrmals und erfolglos auf Wohnungssuche gewesen zu sein.

Einmal abgesehen davon, daß in Jena die Beweislast einfach umgedreht wird, wurde in allen Städten West- und Mitteldeutschlands gemeinsam im Chor mit Superminister Clement immer wieder behauptet, massive Zwangsumsiedlungen seien nicht geplant. Und obwohl der Deutscher Mieterbund (DMB) und die Sozialverbände die Zahl der Zwangsumsiedlungen auf mindestens 100.000 geschätzt haben, wird dreist weiter gelogen. „Es widerspricht dem Zweck des Gesetzes, wenn Politiker jetzt sagen, jeder kann in seiner eigenen Wohnung bleiben“, stellte DMB-Bundesdirektor Franz-Georg Rips jedoch klar.

Beispiel Göttingen

Mittlerweile wird immer klarer, was tatsächlich geplant ist. Das Arbeitsamt Göttingen („Arbeitsagentur“) hat z.B. einen Langzeitarbeitslosen aufgefordert, sich eine neue Wohnung zu suchen - seine Miete sei höher als die neuen Angemessenheitsregeln erlauben. Wir reden hier nicht etwa von einer teuren Luxuswohnung, die über 1.000 Euro Monatsmiete kostet, nein, die Miete des Betroffenen liegt exakt 18,34 Euro über der Angemessenheitsgrenze! So steht es im Bewilligungsbescheid der Arbeitsagentur, welcher nun öffentlich bekannt wurde (SPIEGEL-Online, 16.11.2004). Er solle nun umziehen und müsse seine Bemühungen um „Unterkunftskosten auf angemessenem Niveau“ nachweisen. Andernfalls würden die Mietkosten nicht mehr komplett, sondern nur in Höhe der gesetzlich festgelegten 245 Euro übernommen. Die Differenz in Höhe von 18,34 Euro müsse der Arbeitslose dann von dem ihm zugewiesenen Regelsatz in Höhe von 345 Euro (West) bezahlen, heißt es in dem Schreiben der Behörde. Dabei besteht natürlich die Gefahr, daß der Arbeitslose nachweisen muß, woher er diese 18,34 Euro jeden Monat nimmt. Kann er sich diese von den 345 Euro ALG-II absparen, könnte das Arbeitsamt unterstellen, daß er in Wirklichkeit einen geringeren Bedarf habe. Bekommt er z.B. die Restmiete von Verwandten als Unterstützung, kann ihm die Arbeitsagentur unterstellen, daß er regelmäßige Einnahmen hat, die er bei Antragsabgabe verschwiegen hat. Beide Erklärungsversuche beinhalten für den Betroffenen ein hohes rechtliches und finanzielles Konfliktpotential.

Gewerkschaften, Mieterbund und Arbeitsloseninitiativen fürchten, daß die Arbeitsmarktreform Hartz IV zu vielen ähnlichen Entscheidungen wie in Göttingen führen wird. Der DGB-Regionalvorsitzende Sebastian Wertmüller sprach es offen aus, was den Etablierten die Schweißperlen auf die Stirn treibt: „Solche Fälle schaffen den Zündstoff, den keiner will“. Denn tatsächlich birgt Hartz-IV enorme sozialen Sprengstoff, genug, um diese „Republik“ aus den Angeln zu heben. Das weiß übrigens auch die Berliner PDS, die lediglich die Übergangsfrist auf zwei Jahre ausgedehnt werden. Damit wird die Mietervertreibung taktisch geschickt erst nach den Wahlen 2006 durchgeführt. Die Arbeitsgruppe „Keine-Agenda2010“ wies in einem Beitrag („Von Hartz-IV direkt zum „Untergang“?“) schon darauf hin, daß sich bei den Etablierten Untergangsstimmung breit macht und schon eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen getroffen wurden. Eines ist aber mittlerweile mehr als deutlich geworden: Die „Umzugslüge“ der Etablierten aller Couleur ist nicht mehr zu halten.

Die Betroffenen hingegen werden mittels Zwangsumsiedlungen aus den Städten vertrieben. Die Gefahr von Armengettos US-Amerikanischen Musters ist dabei kein Horrorszenario. Millionen Deutsche werden schon in ein paar Jahren in umgebauten FDGB-Wohnheimen oder verlassenen Kasernen der einstigen oder immer noch gegenwärtigen Besatzer hausen müssen. Die „Shantytowns“ des 21. Jahrhunderts sind dann in Leipzig, Rostock, Cottbus und Magdeburg zu finden, während die zwangsgeräumten Innenstädte mit Damen und Herren aus dem Orient, dem Balkan oder Afrika bevölkert werden.

Damit dies nicht passiert, müssen sich die Ureinwohner Deutschlands in nationalen und sozialen Verbänden und Parteien organisieren und aktiv Widerstand gegen das Verelendungsprogramm Hartz-IV leisten. (fke)


 

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