Wirtschaft und Soziales

 

Hartz IV

Der Sozialstaat Bundesrepublik wird abgewickelt

Quelle: www.npd-jena.de, siehe auch www.keine-agenda2010.de
Veröffentlichung mit Genehmigung des Verfassers

Mit dem Aufkommen der Montagdemonstrationen als eine Widerstandsform gegen das Verelendungsprogramm namens Hartz IV liegen auch die Nerven der Etablierten blank. Daß das Deutsche Volk sich überhaupt noch wehrt, damit hatte von ihnen eigentlich niemand mehr gerechnet. Jahrzehntelange Umerziehung, Verblödung, Abbau von Bildung und Kultur, Homo-Ehe, Überfremdung, Streichung von Anstand und Ehre und PISA sollten eigentlich ein solidarisches Aufbegehren des Deutschen Volkes, wie es jetzt im Kampf gegen Hartz IV zum Ausdruck kommt, unmöglich machen. Ganz schnell wurden Beruhigungspillen verteilt, es ja gar nicht alles so schlimm, einen Massenumzug würde es nicht geben, einige hätten sogar mehr Geld und man könne noch weiteres hinzuverdienen, auch im Januar gäbe es nun sogar Geld und der Freibetrag für Kinder wurde etwas erhöht. Gegen all die Demonstranten, die sich davon nicht beeindrucken lassen und weiterhin Widerstand leisten, wird dagegen auf übelste Weise gehetzt. Den Vogel schoß dabei der Namensvetter und Parteigenosse von Bundeskanzler Schröder, Richard Schröder, ab, der meinte, daß die Montagsdemonstrationen seien Ausdruck mangelnder politischer Bildung der Bürger seien! Was aber hat es mit Hartz auf sich? Was steckt dahinter?


Rückblick


Der 30. Juni 2004 und der 9.Juli 2004 markieren eine Zäsur für den bundesdeutschen Sozialstaat. An diesen Tagen beschloß zunächst der Bundestag die Einführung des so genannten Hartz-IV-Gesetzes und dann nahm das Gesetzespaket im Bundesrat die letzte parlamentarische Hürde, nachdem es vorher im Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat eine Einigung zwischen Union und Regierungsparteien gegeben hatte. Nicht zugestimmt hatten neben der FDP-Fraktion der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele, die beiden PDS-Abgeordneten und wenige Unionsabgeordnete. Im Bundesrat stimmten die mitteldeutschen Länder gegen das Gesetz, bzw. enthielten sich. Damit konnte das Gesetz mit den wohl weitreichendsten Folgen für den Sozialstaat am 01.01.2995 in Kraft treten.

Alles begann mit einer kraftvollen Äußerung von Bundeskanzler Schröder. Als er noch glaubte, mit Hilfe einer großen Boulevardzeitung Wähler überzeugen zu können, sagte er in einem Interview: „Es gibt kein Recht auf Faulheit. Wer arbeitsfähig ist, aber einen zumutbaren Job ablehnt, dem kann die Unterstützung gekürzt werden.“

Das war im April 2001, und Schröder war nicht der einzige Politiker, der Reformen des Sozialstaates einklagte. Im Juli desselben Jahres war der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) in den amerikanischen Bundesstaat Wisconsin gereist, um sich über die dortigen Bemühungen zur Reform der Sozialhilfe zu informieren. Koch ließ sich damals von der Meinung Bill Clintons überzeugen, der gesagt hatte, die öffentliche Fürsorge müsse "die zweite Wahl sein, aber nicht ein Lebensstil". Weitere Scharfmacher waren vor allem der Ministerpräsident von Brandenburg, Matthias Platzeck (SPD) und Sachsens Regierungschef Georg Milbradt (CDU), die sich aber hinsichtlich rasant schwindender Wählergunst heute nicht mehr so ganz daran erinnern wollen.


Die Hartz-Macher

Hört man manche Politiker reden, vor allem diejenigen, die derzeit im Wahlkampf stehen, erhält man den Eindruck, sie hätten mit dem „Reform“-Paketen gar nichts zu tun. Tatsächlich haben die Politiker auch nur das nahezu 1:1 abgesegnet, was das Kapital und deren Helfershelfer ihnen in die Tagesordnung geschrieben haben. Ein wirklich einmaliger Vorgang, daß nicht mehr gewählte Politiker im Parlament nach Lösungen suchen oder zumindest so tun, sondern daß das Kapital direkt aufschreibt, was sie zu tun haben. Schauen wir uns einmal die Mitgliederliste der Hartz-Kommission an:

Dr. Peter Hartz
Mitglied des Vorstandes der Volkswagen AG

Isolde Kunkel-Weber
Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes

Norbert Bensel
Mitglied des Vorstandes der DaimlerChrysler Services AG

Dr. Jobst Fiedler
Roland Berger Strategy Consultants

Peter Gasse
Bezirksleiter der IG Metall Nordrhein-Westfalen

Prof. Dr. Werner Jann

Universität Potsdam

Dr. Peter Kraljic

Direktor der McKinsey & Company Düsseldorf

Klaus Luft
Geschäftsführer der Market Access for Technology Services GmbH

Harald Schartau
Minister für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie des Landes Nordrhein-Westfalen

Wilhelm Schickler
Präsident des Landesarbeitsamtes Hessen

Hanns-Eberhard Schleyer
Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks

Prof. Dr. Günther Schmid
Wissenschaftszentrum für Sozialforschung

Wolfgang Tiefensee
Oberbürgermeister der Stadt Leipzig

Eggert Voscherau
Mitglied des Vorstandes der BASF AG

Heinz Fischer
Abteilungsleiter Personal Deutsche Bank AG

Eigentlich ist alles vertreten, was in der liberalkapitalistischen BRD den Ton angibt bzw. sich durch besondere Vasallität auszeichnet. Auch wird schnell klar, warum es keinen Widerstand der Gewerkschaften gegen Hartz gibt, waren sie doch durch ein hochrangiges Mitglied beim größten Sozialraub in der Geschichte der BRD selbst dabei. Kein Wunder deshalb, daß sich der DGB nicht an den Monatagsdemonstrationen beteiligt. Dafür gab’s sogar ein Extralob von Kanzler Schröder: “Ich bin froh, daß der DGB gesagt hat, daß er sich nicht an den Demonstrationen beteiligt - das ist eine große Leistung von Herrn Sommer“. Auffallen tut auch, das nur zwei der 15 Kommissionsmitglieder aus Mitteldeutschland kommen: neben Prof. Jann von der Universität Potsdam ist es noch Leipzigs OB Wolfgang Tiefensee (SPD). Jener Tiefensee, der sich sonst so eloquent und öffentlichwirksam als „Freund der Mitteldeutschen“ darstellt. Er vertrat seinerzeit die Ansicht (Wahlveranstaltung SPD 09.09.02), daß aufgrund einer Konfliktvermeidung und wegen des angestrebten Konsens in der Hartz-Kommission k e i n Vertreter der Erwerbslosenorganisationen in die Arbeit der Kommission einbezogen werden solle. Er wußte offensichtlich warum.

Hartz I, II, II, IV

Unter den Namen Hartz I, II, III und IV sind die „Reform"-Vorschläge der Kommission unter Leitung von Dr. Peter Hartz in mehrere Gesetzespakete eingeflossen. Ein Überblick über die wichtigsten Regelungen:

Hartz I (in Kraft seit 1. Januar 2003)

• Personal Service Agenturen (PSA): Ziel der PSA ist es, Arbeitslose über Leiharbeit wieder in Lohn und Brot zu bringen.
• Kapital für Arbeit: Ziel des Programms ist es, Unternehmen mit zinsverbilligten Krediten von bis zu 100.000 Euro dazu zu bringen, Arbeits- oder Ausbildungsplätze zu schaffen.

Hartz II (in Kraft seit 1. Januar 2003)

• Ich-AG: Förderung von Selbstständigkeit durch Existenzgründungs-Zuschüsse.
• Mini-Jobs: Anhebung der Verdienstgrenze bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen auf 400 Euro.
• Schnellvermittlung / Zumutbarkeit: Meldepflicht bei Kündigung und Verschärfung der Regeln für zumutbare Jobs zur Mobilisierung der Arbeitslosen.


Hartz III (in Kraft seit 1. Januar 2004)

• Umbau der Bundesanstalt für Arbeit: Aus der Behörde Bundesanstalt für Arbeit (BA) soll als kundenorientierter Dienstleister die Bundesagentur für Arbeit werden.


Hartz IV (startet am 1. Januar 2005)


• Arbeitslosengeld II: Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe.
• Leistungseinschränkungen / Zumutbarkeit: Dazu zählen unter anderem die Befristung des Arbeitslosengeld-Bezuges bei unter 55-Jährigen auf bis zu zwölf Monate und bei über 55-Jährigen auf bis zu 18 Monate (ab 2006). Außerdem sollen Langzeitarbeitslose verpflichtet werden, fast jeden „Job“ anzunehmen, auch für einen Hungerlohn - andernfalls drohen Leistungskürzungen.
• Vermögensanrechung: Eigenes Vermögen und dies des Partners und der Kinder wird oberhalb bestimmter Freigrenzen auf das Arbeitslosengeld II angerechnet.


Schaut man sich die einzelnen Gesetzespakete und deren Wirkung einmal genauer an, erkennt man schnell, was dahinter steckt: Bei Hartz I bis III handelt es sich um Luftblasen, die längst geplatzt sind. Die Personal Service Agenturen zum Beispiel sind nichts anderes als Bereicherungsagenturen auf Kosten der Allgemeinheit. Daß die ICH-AGs gescheitert sind, bestreiten heute nicht einmal die hartgesottensten Hartz-Befürworter. Und der Umbau der BA zu einem „kundenorientierten Dienstleister“ ist wohl der Treppenhauswitz des Jahres. Bis auf eine Namensänderung bleibt die Mammutbehörde mit einem Jahresetat von 50.000.000.000 Euro (50 Mrd.) und einem jährlichen Bundeszuschuß an Steuergeldern in Höhe von 30.000.000.000 (30 Mrd.) eine gigantische Maschine zur Vernichtung von Beiträgen und Steuern, mit dessen Hilfe eine ganze „Arbeitslosenverwaltungsindustrie“ sehr gut lebt.

Lediglich Hartz IV wird seine Wirkung nicht verfehlen. Die Gesetzesänderungen sind für die Betroffenen von einschneidender Bedeutung als bei den vorangegangenen „Reform“paketen.


Hartz IV

Wesentliches Element des Hartz-IV-Gesetzes ist die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe (ALHI), verharmlosend und beschönigend dargestellt als „Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe“. Schon 1993 und nochmals 1996/97 hat die von Helmut Kohl geführte Bundesregierung versucht, die Arbeitslosenhilfe abzuschaffen. Das scheiterte damals aber am Widerstand der Kommunen, konkret an einer von der Stadt Frankfurt am Main angedrohten Verfassungsklage. Das reichte seinerzeit, um diese Pläne abzuwehren. Hintergrund des damaligen Widerstandes war die unterschiedliche Finanzierung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Die Kosten für erstere trägt der Bund; die Kosten der Sozialhilfe bringen die Gemeinden auf.

Die Streichung der Arbeitslosenhilfe entsprechend den damaligen Plänen hätte die Abwälzung der Kosten der Langzeitarbeitslosigkeit vom Bund auf die Kommunen bedeutet. Dies mußten die Gemeinden befürchten, und dagegen haben sie sich seinerzeit vehement zur Wehr gesetzt. Widerstand der Betroffenen gegen die Pläne und Gesetze zur Streichung der Arbeitslosenhilfe ist heute deutlich mehr vorhanden und ausgeprägter als damals.

1996 fand in Bonn eine große Demonstration mit 400.000 Menschen gegen die Zerschlagung sozialer Errungenschaften statt. Ebenfalls 1996 spielte erstmals das Wort „Sozialraub“ eine Rolle. Hinsichtlich der Erhaltung der Arbeitslosenhilfe spielte diese Demonstration - als unterstützender Hintergrund für die Abwehrkämpfe der Städte - ein äußerst wichtige Rolle. Die Umsetzung der Vorhaben der Kohl-Regierung scheiterten damals und so bleibt es den Sozialdemokraten wieder einmal vorbehalten, den Willen der Banken und Konzernzentralen nach unten durchzureichen. Der zu erwartende Widerstand der Gewerkschaften und Verbände, so das Kalkül, wird unter einem sozialdemokratischen Bundeskanzler sicher deutlich geringer ausfallen, als unter einem Helmut Kohl. Ermuntert wurden die Strategen des Sozialraubs zudem durch äußerst positiven Erfahrungen aus dem Jahre 1999, als es ausgerechnet einer von den „Grünen“ mitgeführten Regierung gelang, deutsche Soldaten an einem völkerrechtwidrigen Angriffkrieg gegen die Bundesrepublik Jugoslawien zu beteiligen. Der Widerstand der Friedensbewegung hielt sich damals in kalkulierbaren Grenzen. Nun scheint es so, als ob der Mohr Schröder seine Pflicht mit Kriegseinsatz und Sozialraub getan hat und gehen kann. Schrieb ihn die Presse 1998 in einer riesigen Kampagne regelrecht an die Macht, so schreibt sie ihn heute regelrecht ab. Die Grünen hingegen werden, wie der pflegliche Umgang der Presse mit ihnen deutlich zeigt, immer noch gebraucht. Die Liste der noch zu überfallenden Länder ist offensichtlich immer noch sehr lang.

Die derzeitige Bundesregierung hat es wesentlich geschickter als ihre Vorgängerregierung verstanden, den Widerstand der Gemeinden gegen die Streichung der Arbeitslosenhilfe zu brechen: Eine wichtige Voraussetzung dafür war und ist sicher die systematisch und vorsätzlich herbeigeführte drastische Verschlechterung der allgemeinen Finanzlage der Gemeinden. Durch Änderungen bei den Regelungen für die Gewerbe- und Körperschaftssteuer sind den Städten und Gemeinden in den vergangenen drei Jahren Einnahmen in Höhe von mindestens 60 Milliarden Euro verloren gegangen. Dazu kommen immer mehr zusätzliche Aufgaben ohne entsprechende finanzielle Ausstattung, sowie rasant steigende Kosten für Sozialhilfe, Wohngeld und Asylbewerber, denen es einige Gemeinden auf Kosten der eigenen Bevölkerung zudem besonders heimelig machen möchten. Wie dramatisch die Situation der allermeisten Gemeinden mittlerweile ist, zeigte die Stadt Halberstadt (Ldkr. Halberstadt, Sachsen-Anhalt). Die einst ruhmreiche Bischofsstadt am nördlichen Rand des Harzes teilte ihren 450 Mitarbeitern Ende Juni mit, daß es Ende Juli wohl erstmals keine Gehaltszahlung mehr geben wird. Mittlerweile hat die Stadt durch erneute Stundung der Kreisumlage (730.000 EUR/mtl. zzgl. Zinsen) für die kommenden Monate zwar etwas Luft zum Atmen erhalten, der Bankrott lässt sich jedoch nicht mehr aufhalten. Und so wie Halberstadt, geht es wohl den meisten Gemeinden in der Bundesrepublik.

Vor diesem Hintergrund suchen die Stadträte und Kämmerer selbstverständlich nach jeder Möglichkeit, Gelder einzusparen und Einnahmen zu erhöhen. Geschickt verhielt sich die Bundesregierung und bot den Gemeinden quasi ein Deal an: Der Bund streicht die Arbeitslosenhilfe, und die Gemeinden werden an der Beute beteiligt. Es geht dabei um eine Summe von annähernd zehn Milliarden Euro jährlich, die den Arbeitslosen genommen werden sollte. Ein großer Teil davon, so wurde den Gemeinden in Aussicht gestellt, sollte in ihre Kassen fließen. Der dritte Punkt, mit dem den Gemeinden die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe schmackhaft gemacht wurde, gehört in die Rubrik „Stärkung der kommunalen Verantwortung“. Die Einigung sieht vor, dass 69 Kommunen und Landkreise die Möglichkeit erhalten sollen, die Betreuung der Langzeitarbeitslosen nach dem Optionsgesetz in eigener Regie zu übernehmen. Die Regierungskoalition hatte diese Möglichkeit zunächst auf 29 Kommunen beschränken wollen. Die Opposition konnte sich aber mit ihrer Zahl von 96 Kommunen durchsetzen. Nach der jetzt gefundenen Lösung ist eine Grundgesetzänderung für die Übertragung von Bundesmitteln an die Kommunen nicht mehr erforderlich. Die Kommunen erhalten nun 3,2 Milliarden Euro aus Bundesmitteln für die Unterbringung und Alimentierung von Langzeitarbeitslosen zur Verfügung. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) hatte zuvor etwa 2,5 Milliarden Euro Bundesmittel zum Ausgleich für die Kommunen angeboten. Die Union hatte bis zu 3,5 Milliarden gefordert. Während die Bundesregierung ursprünglich mit einer Mehrbelastung der Städte von 1,8 Mrd. Euro rechnete, geht der Städtetag tatsächlich von einem Defizit von 4,8 Mrd. Euro aus, die Länder sogar von 6,8 Mrd. Euro p.a. In mehreren Revisionsterminen, erstmals im März 2005, sollen dann die tatsächlichen Belastungen der Städte ermittelt werden, so die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU). Unabhängig, ob diese Revisionstermine tatsächlich stattfinden und ob es aufgrund unterschiedlicher Berechnungsansätze überhaupt zu einer für die Städte tragbaren Einigung kommt, erkennt man hier rasch ein wesentliches Hauptziel von Hartz IV: Massive Einsparungen des Bundes zu Lasten der Arbeitslosen und möglichst auch noch zu Lasten der Gemeinden.

Was aber den so genannten "Förderteil" von Hartz IV angeht, so ist dieser bei näherer Betrachtung ein alberner Papiertiger. Schuldnerberatung, psychosoziale Beratung, Arbeitsgelegenheiten usw. sind steinalte Hüte aus dem BSHG und sind in Wahrheit Kinkerlitzchen, die mit einer wirklichen Alternative und Hilfe nichts zu tun haben. Der Skandal bei Hartz IV ist das feiste Daherschwadronieren von angeblicher Förderung und verbesserter Vermittlung, während es in Wahrheit um das Abstellen von Millionen Betroffener in die Sozialhilfe mit allen unwürdigen Folgen geht. Auch die von den Etablierten unverdrossen behauptete Verbesserung für bisherige Sozialhilfeempfänger ist zumindest sehr zweifelhaft, bedenkt man nur mal den geplanten fast völligen Wegfall von einmaligen Beihilfen. In Wahrheit versteckt sich auch hier eine Verschlechterung. Hartz IV ist insgesamt ein Konglomerat aus fiesen Kürzungen und ein lächerlicher Papiertiger namens "Fördern". Was den Verweis auf andere Länder angeht, so ist dort der Förderteil oftmals tatsächlich konkret und bietet eine reale Alternative in dem Sinne, daß jedem Arbeitslosen tatsächlich ein Job angeboten werden muß, so daß der „Forderteil“ zumutbar erscheint, weil Fordern und Fördern ausgewogen sind. Bei Hartz IV ist dieses Verhältnis völlig einseitig in Richtung "Fordern".

Es wird auch keine Änderung an Hartz IV geben, allenfalls solche, die sowieso durch ein Bundesgericht gekippt werden könnten. Die Vertreter des Kapitals haben bereits klare Anweisungen erteilt: Der Hauptgeschäftsführer des Industrieverbandes BDI, Ludolf von Wartenberg, gab mittels des Zentralorgans der Deutschen Wirtschaft, dem Handelsblatt die Anweisung aus, daß die Hartz-Gesetze von SPD, Grünen, Union und FDP beschlossen worden und jetzt müßten auch alle zu dieser Entscheidung stehen. Der Präsident des Deutschen Industrie und Handelstages (DIHK), Ludwig Georg Braun, kritisierte die Debatte um eventuelle Änderungen als „aktuelle Weichmacherei quer durch fast alle Parteien“ und gab die Parole „Der Reformkurs darf nicht gebremst werden!“ aus. Damit sind Vorstöße von Politiker, die von der Angst getragen sind, vom Wähler einfach weggefegt zu werden, wie z.B. Angela Merkel mit der Forderung nach Kombilöhnen, vom Tisch.

Somit hat einer der größten Raubzüge in der Geschichte des Kapitals hat begonnen. Davon handelt dieser Artikel.


„Die größte Kürzung von Sozialleistungen seit 1949“
Rund zwei Millionen Arbeitslosenhilfe(ALHI)-Bezieher und eine Million Sozialhilfe(SOHI)-Empfänger werden dann das neue Arbeitslosengeld II (ALG II) bekommen. Das sind für einen Erwachsenen 345 Euro in West- und 331 Euro in Mitteldeutschland. Hinzu kommen Zuschüsse für Miete, Heizung und Kinder. Eine halbe Million Bezieher von ALHI werden sämtliche Ansprüche verlieren, auch dann, wenn sie sich vorher Jahrzehnte lang für gerade diesen Fall versichert haben bzw. mußten, denn aus einer Versicherungsleistung ist eine reine Fürsorge geworden. Ein Trugschluß wie sich jetzt herausstellt, denn tatsächlich war die ALHI niemals eine Versicherungsleistung, sondern wurde durch den Bundeshaushalt gedeckt. Die „FAZ-Online“ nannte Hartz IV das, was es in Wirklichkeit ist: Die größte Kürzung von Sozialleistungen seit 1949!


Wofür reicht das ALG II?

Olaf Scholz, mittlerweile geschasster SPD-Generalsekretär, gab BERLINER ZEITUNG Ende 2003 ein Interview, in dem er erklärte, „wenn man in Deutschland eine Vollzeitarbeit leistet, muss man davon auch leben können …". Das, was sich eigentlich völlig normal anhört, ist bei dem Hartz IV-Gesetz alles andere als selbstverständlich. Im Gegenteil, nichts daran ist wahr, wie die einzelnen Hartz-Regelungen bei genauerer Betrachtung zeigen. Scholz antwortete auf die Frage „Wieviel Geld braucht man, um sich zu ernähren? Den Sozialhilfesatz?“, wie folgt: "Für Alleinstehende ist das in etwa der Maßstab …“. Einmal abgesehen davon, daß das für ihn selber sicher nicht gelten soll, lohnt es sich, sich einmal anzuschauen, wie sich der „Maßstab Sozialhilfesatz“ eigentlich zusammensetzt. Dieser variiert von Bundesland zu Bundesland.


Im Regelsatz enthaltene Bedarfspositionen (Warenkorb Stand Juli 2002):

* Ernährung insgesamt 138,77 €
Nahrungsmittel 119,63 €, Getränke 9,50 €, Verzehr außer Haus 9,64 €.


* Hauswirtschaftlicher Bedarf insgesamt 52,54 €

a) Beschaffung von Wäsche, Hausrat von geringem Anschaffungswert 22,58 €, davon: Strumpfwaren Kopfbedeckung Bekleidungszubehör Kurzwaren 4,67 €, Geschirr, Gebrauchsgüter für Haushaltsführung 5,12 €, andere Verbrauchsgüter: für Haushaltsführung 1,41 €, Wasch-, Putz-, Reinigungsmittel 4,65 €, Dienstleistungen/Fremde Reparaturen/Installationen 6,70 €.

b) Instandsetzung von Kleidung, Schuhen 3,89 €, davon: Wäsche in kleinerem Umfang 1,94 €, fremde Reparaturen und Änderungen an Bekleidung 0,71 €, fremde Änderungen und Reparaturen an Schuhen 1,12 €, Schuhzubehör 0,12 €.

c) Haushaltsenergie 28,02 €


* Persönliche Bedürfnisse insgesamt 102,69 €

a) Körperpflege und Reinigung 19,87 €, davon: Verbrauchsgüter für Gesundheitspflege 4,73 €, Gebrauchsgüter für Gesundheitspflege 1,23 €, Körperpflegemittel 3,82 €, Haarpflegemittel, Frisierartikel, Rasiermaterial 1,26 €, Toilettenpapier, Papiertaschentücher, Hygieneartikel 1,76 €, Gebrauchsgüter für Körperpflege 0,44 €, Dienstleistungen für Körperpflege 6,61 €.

b) Beziehungen zur Umwelt 36,87 €, davon: Fremde Verkehrsleistungen ohne Reise 14,08 €, Fernsprech- und Postgebühren 22,79

c) Teilnahme am kulturellen Leben 18,35 €, davon: Bücher und Broschüren 5,76 €, Zeitungen und Zeitschriften 7,76 €, übrige Verbrauchsgüter für Bildung, Unterhaltung, Freizeit 1,38 €, Besuche Theater, Kino, Sportveranstaltungen 1,41 €, andere Dienstleistungen Bildung, Unterhaltung, Freizeit 2,03 €.

d) Sonstige Persönliche Bedürfnisse insgesamt 27,61 €, davon: Zubehör, Einzel- und Ersatzteile für Fahrräder 0,59 €, Spielwaren 1,18 €, Sportartikel 0,71 €, Schnittblumen, Topfpflanzen 3,85 €, Dienstleistungen Kreditinstitute/Versicherungen 0,77 €, Dienstleistungen und fremde Reparaturen sonstiger Art 1,53 €, Genußmittel 18,99 €.

insgesamt 2002: 294,00 € (seit 1.7.2003: 296,00 Euro, also geringfügige Veränderungen der einzelnen Positionen)

(Anmerkung: Bei der Position „hauswirtschaftlicher Bedarf“ ist ein Rechenfehler von 5 Cent, die Zahlen stehen so in der Vorlage)

Schaut man sich die Bedarfspositionen im Regelsatz einmal einzeln und genau an, wird schnell klar, daß man damit keineswegs in einer sozialen Hängematte liegt. Grob gilt bei der jetzigen Sozialhilfe (SOHI) folgende Einteilung: 30 % ist so genannter Barbetrag (= Taschengeld, darf derzeit nicht gekürzt werden), 10 % für Haushaltsenergie (angemessener Stromverbrauch) und 60 % häuslicher Lebensunterhalt, der aber bei einem Krankenhausaufenthalt gestrichen werden kann (Quelle: Leitfaden der Sozialhilfe von A - Z Ausgabe 2002/2004).

Gegenüber der SOHI gibt es Veränderung zum Arbeitslosengeld II nach Hartz IV: 47 Euro bekommt der ALG-II-Empfänger nun pauschal zusätzlich für Bekleidung und Hausgeräteanschaffung (Ansparen für Bekleidung, Schuhe, Wäsche, langlebige und preisaufwendige Gebrauchsgüter, Reparaturen, Renovierungen, Qualifizierungen) dafür fallen die einmaligen Beihilfen weg, die wesentlich höher waren und sich nach der tatsächlichen Notwendigkeit und dem Gebraucht-Anschaffungswert richteten. Die Pauschale kann zudem auch jederzeit gekürzt werden.

Die Redaktion der Anti-Hartz-Initiative „keine-agenda.2010.de“ hat einmal den Monatsetat eines Betroffenen untersucht und dargestellt, wie der Monatsetat eines ALG-II-Empfängers in den neuen Bundesländern in etwa aussehen wird und geht dabei für Nahrungs- und Genussmittel von 6 Euro pro Kalendertag aus:

Essen und Trinken, Genußmittel (Kaffee, Restaurant, Tabak, Getränke) 180,00 €

Haushaltsenergie (Kochen, Licht, Elektrogeräte) 20,00 €
Wäsche und Hausrat von geringem Wert, Putz- und Pflegemittel 15,00 €

Laufende Instandhaltung von Schuhen, Kleidung und Wäsche 2,00 €

Körperpflege und -reinigung, Gesundheitspflegemittel 19,00 €
Verkehrsleistungen (Bus, Bahn, Kfz) 19,00 €

Telefon, Porto, Internet, sonstige Kommunikationsleistungen 25,00 €

Geschenke, persönliche Bedürfnisse 1,00 €

Kontoführungsgebühren, Sonstiges 3,00 €

"Einmalige Bedarfe", entsprechend Hartz IV-Gesetz 47,00 €
Arbeitslosengeld II (ALG II): 331,00 €

Wie sich so eine Teilnahme am Leben, vor allem am kulturellen Leben realisieren lässt, sollte der eingangs erwähnte Olaf Scholz einmal vormachen. Aber selbst, wenn man damit längs kommt, was ist mit

• Büchern, Zeitungen?
• Veranstaltungen, Bildung?
• Kultur und Sport?
• Eintrittsgebühr Arztpraxis?
• Eintrittsgebühr Zahnarztpraxis?
• Vorsorgeuntersuchungen?
• Medikamentenzuzahlung?
• Zahnersatz-Kosten?
• Brillen oder anderen Sehhilfen?
• nicht verschreibungspflichtiger Medizin?
• Krankenhausaufenthalt?
• Zahnersatzpflichtversicherung?
• Krankengeldpflichtversicherung?
• Sonderbeitrag Pflegeversicherung?
• Unfall-, Haftpflicht-, Hausrat-, Rechtschutzversicherung?
• Lebens- oder private Rentenversicherungen?
• Bestattungskosten?

Das Problem ist aber nicht nur das Geld, sondern in erster Linie die nicht Teilhabe an der Gesellschaft. Der untere Rand in der Gesellschaft liegt mittlerweile unter Wasser. Als Alleinstehender mag das noch irgendwie gehen. Problematisch wird das ganze, wenn auch noch Kinder vorhanden sind. Hier ist u. a. die Ausbildung der Kinder nicht mehr gewährleistet. Auch sollte sich in dieser Gesellschaft keiner eine schwere Krankheit antun, denn er wird dann schnell feststellen, daß er dann die Wahl hat zwischen Medikamenten oder einem Butterbrot hat, allen Schönfärbereien von Ulla Schmidt zum trotz. Es gibt mit ALG-II keinen, selbst wenn er vorher in SOHI-Empfänger war, dem es besser geht.

331 + 331 = 596 !

Wer nun glaubt, wenn ein ALG-II-Empfänger in Mitteldeutschland 331,- Euro monatlich bekommt, daß dann ein arbeitsloses Ehepaar von zusammen 662 Euro leben muß, der irrt gewaltig. Tatsächlich wird hier noch einmal extra gekürzt und noch einmal für Kinder:

Ein Beispiel:

Arbeitsloses Ehepaar aus Mitteldeutschland, zwei Kinder (12 und 15 J.). Beide Elternteile erhalten nur noch 90% des Regelsatzes, also jeweils 298 Euro (zusammen 596 €). Für das älteste Kindes erhält die Familie nur noch 80% (265 statt 331 €) und für das jüngste Kind 60% (199 statt 331 €).
Wer also bisher geglaubt hat, daß 331 + 331 = 662 ist, der wird also durch die Hartz-Kommission eines besseren belehrt. Und noch eines zeigt dieses Beispiel: besonders betroffen sind Familien mit Kindern. Das wundert allerdings nicht, gilt die BRD doch ohnehin als eines der kinderfeindlichsten Länder der Welt, zumindest wenn es um die eigenen geht. Warum sollte das auf einmal anders sein?

Reizthema Wohnung

Die Macher des „Hartzer-Käse“ waren sich offensichtlich nicht bewusst, welche Reaktionen sie besonders beim Thema „Wohnung“ erzielen werden. Und zu Recht, denn dieses Thema wird in den nächsten Jahren noch zu erheblichen Spannungen sorgen. Redeten die Politiker bisher immer von „Wohnung“, so ist nun immer öfters von „angemessener Unterbringung“ die Rede. Ein gewaltiger Unterschied! Einige Vertreter kommunaler Verbände schlugen als Höchstsatz 180 EUR Miete pro Monat vor, die Stadt Dresden gar 50 EUR. Das sich für diese Beträge für eine allein stehende Person in den allermeisten Fällen kein angemessener Wohnraum finden wird, dürfte jedem klar sein. Aber in umgebauten ehemaligen FDGB-Wohnheimen oder verlassenen US-Kasernen ließe sich dies sicher realisieren. Die Stadt Magdeburg war eine der ersten, die Zahlen auf den Tisch legte: eine Kaltmiete von 4,60 Euro je Quadratmeter sei angemessen. Das macht bei einer alleinstehenden Person rund 184,- bis 207,- Euro Kaltmiete aus (40 -45 qm). In einer Stadt wie Magdeburg ist damit eine neu renovierte oder in einem Neubau befindliche Wohnung nicht zu haben. Die rund 170.000 ALG-II-Empfänger, die es alleine in Sachsen-Anhalt geben wird, werden also vornehmlich in kommunale und Genossenschaftswohnungen einquartiert werden müssen, sofern sie da nicht ohnehin schon wohnen. Für die Städte eine geniale Möglichkeit, Mietzuschüsse drastisch zu kürzen, denn die 250 kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen allein in Sachsen-Anhalt besitzen 460.000 Wohnungen und damit 70 Prozent des gesamten Mietwohnungsbestandes des Landes. Von diesen 460.000 gelten 400.000 als „angemessen“, was viel über die Wohnqualität und den Standard in Mitteldeutschland aussagt. Und dass ein Deutscher, der „ausgesiedelt“ wird, vornehmlich in die preiswerten und unsanierten Plattenbauten kommt, dürfte selbstredend sein. Diese sind normalerweise nur äußerst schwer zu vermieten, wie der große Leerstand zeigt. Die Verbandsdirektoren der kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsverbände von Sachsen-Anhalt, Jost Riecke und Ronald Meißner sind geradezu begeistert, denn auch ihre bisherigen Mieter, die die zum Teil in sehr heruntergekommenen Wohnungen leben müssen und diese lieber heute als morgen verlassen würden, „dürfen auch in Zukunft ihre Wohnung zu den heutigen Bedingungen nutzen“.

Tatsächlich wird nicht gerade in den ersten Monaten des nächsten Jahres das Thema „Wohnung“ auf der obersten Stelle der Tagesordnung der Sozialämter stehen, schließlich wird sich die Abarbeitung der gigantischen Antragsflut und der Reaktionen darauf noch eine Weile hinziehen. Aber schon bald werden die bankrotten Gemeinden das immense Einsparpotential entdecken.


Kürzung auch bei bisherigen Beziehern von Arbeitslosenhilfe (ALHI)

Eine weit verbreitet Falschmeldung ist, daß bisherige Empfänger von ALHI nicht zu den Verlierern von Hartz IV gehören werden. Dies ist nur bedingt richtig. Richtig ist, daß in erster Linie bei denen gestrichen wird, die sich in Jahrzehnte langer Arbeit etwas aufgebaut haben. Bei denen, die bereits weit unten angekommen sind, kann natürlich nicht mehr allzu viel gekürzt werden. Während man bei SOHI-Empfängern vornehmlich dann kürzt, wenn sie das tun, was man von ihnen immer pausenlos verlangt, nämlich sich etwas dazuverdienen, kürzt man bei ALHI-Empfängern direkt und unmittelbar. Dies geschieht einerseits durch indirekte Kürzung über die verschärfte Anrechnung von „Vermögen“, vor allem, wenn er einen Partner und Kinder hat, andererseits auch durch direkte Kürzung der Leistungen.


Ein Beispiel:

Real existierendes Beispiel: Allein stehende Person (West) mit ALHI-Bezug. Monatliche Miete: 250 EUR kalt, Heizkostenpauschale 30 EUR/mtl. Stand: 2004 mit Arbeitslosenhilfe.

803,16 monatliche ALHI
+ 50,00 Wohngeld

- 250,00 Miete (kalt)
- 30,00 Heizkosten

= 573,16 EUR Summe mtl. zur freien Verfügung

Gleicher Fall unter ALG II ab 01.01. 2005:

Allein stehende Person (West), mit ALG II - Bezug

345,00 Regelleistung West
+ 250,00 „angemessene“ Miete + NK
+ 30,00 angemessene Heizpauschale / Gas

= 625,00 ergänzendes ALG II

- 250,00 Miete (kalt)
- 30,00 Heizkosten

= 345,00 EUR Summe mtl. zur freien Verfügung

FAZIT: Die allein stehende Person hat durch ALG-II bei nicht geänderten Verhältnissen ein weniger an Einkünften von 228,16 EUR monatlich. Von den „zur freien Verfügung“ stehenden Leistungen bestreitet sowohl der bisherige ALHI-Empfänger, als auch der zukünftige ALG-II-Empfänger seinen Lebensunterhalt. Zu den festen Kosten, die der ALG-II-Empfänger selbst zahlt, gehören u.a. Stromkosten, Warmwasser, GEZ, Telefon, Internetanschluß, Kabelanschluß, Zeitungsabonnements, Versicherungen, etc. Hinzu kommen Rücklagen für Reparaturen und Anschaffungen (z.B. Kleidung). Realistisch dürften von 345 EUR (West) für jemanden, der ein „normales und sparsames“ Leben führt und trotzdem etwas am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilnehmen will (durch Telephon, Internet, Zeitungsabonnement, Besuch von Sportveranstaltungen, usw.) höchstens 200 EUR übrig bleiben. Das entspricht etwa 7 EUR pro Tag. Hiervon muß der ALG II-Empfänger Lebensmittel und die täglichen Gebrauchsgüter, wie z.B. Toilettenartikel, selbst bezahlen. Die Zahl derjenigen, die aus der Schuldenfalle nicht mehr herauskommen, dürfte in den nächsten Jahren noch immens steigen.


Ein weiteres Beispiel:

Eine Familie aus Mitteldeutschland mit einem Sohn (14 J.) und einer Tochter (12 J.).Der Familienvater ist arbeitslos und erhält 970 Euro ALHI, Mutter hat einen Teilzeitjob mit einem Monatslohn 750 Euro brutto (ca. 435 Euro netto). Für die zwei Kinder gibt es 308 Euro Kindergeld. Der Wohnraum ist „angemessen“, die Miete beträgt 440 Euro warm. Damit steht der Familie ein monatliches Netto-Einkommen von 1.713 Euro zur Verfügung. Laut dem Gesetz zu Arbeitslosengeld II hat die Familie einen Bedarf von 1.500 Euro im Monat. Dieser setzt sich wie folgt zusammen: 298 Euro jeweils für Mutter und Vater, 199 Euro für die 12-jährige Tochter und 265 Euro für den 14-jährigen Sohn. Dazu kommen 440 Euro für Miete und Heizkosten. Der tatsächliche Betrag, den die Familie von der Agentur für Arbeit bekommt, liegt jedoch wesentlich tiefer. Das Einkommen der Frau wird nach Abzug des Freibetrags, der Steuern und der Beiträge zu Sozialversicherung auf den Bedarf der Familie angerechnet. Angerechnet wird auch das Kindergeld, und zwar in vollem Umfang. Demnach bekommt die Familie 757 Euro ALG II, die sich wie folgt errechnen: 1.500 Euro gesetzlich festgeschriebener Gesamtbedarf, abzüglich 308 Euro Kindergeld und abzgl. 435 Euro anzurechnendes Einkommen der Frau, macht 757 Euro. Zusammen mit dem Netto-Verdienst der Frau und dem Kindergeld hat die Familie 1.665 Euro im Monat.

Fazit: Obwohl, wie in diesem Beispiel dargestellt, die Frau Netto 435 Euro verdient, bleiben Dank Hartz nur noch 165 € über (1665 € - 1500 €). Das Familieneinkommen wurde von 1.713 € auf 1.665 € gekürzt, wird die Frau auch arbeitslos und erhält ALG II, dann werden es nur noch 1.500 Euro sein (jeweils inklusive Miete und Heizung). Zieht man die Miete ab (440 €), bleiben ab 01.01.2005 für jedes Familienmitglied 306,25 Euro im Monat. Davon müssen sämtliche Ausgaben bestritten werden. Zusätzliches Wohngeld gibt es bei ALG II nicht.


Übergangsgeld

Arbeitslose, die am 01.01.2005 noch das bisherige ALG beziehen (dann ALG I), erhalten ein Übergangsgeld, das die Anti-Hartz-Initiativen und Arbeitslosenorganisationen zu dem umgetauft haben, was es tatsächlich ist: der „Armutsgewöhnungszuschlag“. Arbeitslose, die am 01.01.2005 hingegen bereits die bisherige ALHI beziehen, bekommen diesen „Armutsgewöhnungszuschlag“ nicht, denn sie sind bereits arm und brauchen sich nicht mehr daran zu gewöhnen.

Ein Beispiel:

Ein Arbeitnehmer hat einen Nettoverdienst von 2.100 Euro/mtl. Er wird am 01.09.2004 arbeitslos und erhält das bisherige ALG in Höhe von 1.323 Euro, also vier Monate lang in 2004. Theoretisch bekommt er, wenn er am 01.09.2005 auf ALG II statt auf ALHI umgestellt wird, dann ein Jahr lang den Armutsgewöhnungsfaktor in Höhe von 160 €/Monat, dann ein weiteres Jahr mtl. 80 EUR. Praktisch sieht das aber so aus: Er bekommt den ersten Zuschlag nur für acht Monate, da er ja schon vier Monate ALG „verbraucht“ hat. Den zweiten und deutlich niedrigeren Zuschlag erhält er ein Jahr lang. Die genaue Höhe berechnet sich wie folgt: Erster Zuschlag 2/3 der Differenz (= 210 €) seines bisherigen ALG (1.323 €) und seiner theoretischen ALHI (1.113 €), die er eigentlich im Anschluß bekommen hätte, max. jedoch 160 Euro. Tatsächlich erhält er nur 140 Euro (2/3 von 210 €) und das auch nur acht Monate lang. Der zweite, deutlich niedrige Zuschlag beträgt 1/3 der Differenz (seiner bisherigen ALG und seiner ALHI), die er eigentlich im Anschluß bekommen hätte, max. jedoch 80 Euro/Monat. Tatsächlich ist der zweite Armutsgewöhnungszuschlag nur 70 Euro (1/3 von 210 €).

Bei genauerem Hinsehen erkennt man schnell, daß der großmäulig hinausposaunte Zuschlag nicht einmal halb so viel wert ist, wie er von Politikern oftmals als „soziale Komponente“ dargestellt wird.


„Vermögende“ Arbeitslose

Noch dramatischer verhält es sich bei Arbeitslosen, die bisher bereits ALHI bezogen haben. Bei ihnen werden nicht nur die eigenen Ersparnisse und Vermögenswerte angerechnet, sondern auch die des Partners und der Kinder. Ausgenommen von dieser Regelung sind alle Verträge zur so genannten "Riester-Rente", Rentenansprüche gegenüber Pensionskassen (Betriebsrenten) sowie Leibrenten ("Rürup-Rente"). Außerdem wird jede andere Art von Altersvorsorge nicht angerechnet, sofern sie nicht vor dem Ruhestand verwertet werden kann. Es gilt dabei ein Freibetrag von 200 Euro pro Lebensjahr, mindestens 4.100 und höchstens 13.000 Euro pro Partner.

Ein Beispiel:

Ein ALHI-Empfänger (52 J.) wird am 1.1.2005 auf ALG II umgestellt. Den „Armutsgewöhnungsfaktor“ bekommt er schon einmal nicht. ALG II bekommt er nur, wenn er, seine Partnerin oder seine Kinder nicht „vermögend“ sind. Sein Vermögensfreibetrag errechnet sich wie folgt: 52 Lebensjahre mal 200 EUR macht 10.400 EUR Freibetrag, derselbe Betrag noch einmal für angesparte Altersvorsorge. Hat derjenige nun in seinem Leben fleißig gespart oder sich eine stattliche Altersvorsorge aufgebaut, so bekommt er nun nichts mehr. Erst muß er Rentenverträge, Bausparverträge oder Lebensversicherungen kündigen und aufzerren. Während dieser Zeit muß er sich selbst gegen Krankheit versichern. Ebenso muß er alles, was nicht zur normalen Haushaltsführung unabkömmlich ist, wie z.B. eine in langen Jahren aufgebaute Schallplattensammlung oder ein in der Garage stehendes Motorrad, zunächst zu Bargeld machen. Auch wenn er gar nichts hat, seine 50-jährige Partnerin aber 40.000 Euro gespart hat, so muß er das Geld erst bis auf 20.400 Euro (10.400 plus 10.000) verbrauchen. Sollte seine Partnerin noch berufstätig sein, bekäme er ebenfalls nichts. Sollte der ALG II-Antragsteller oder seine Partnerin ein Haus besitzen, so bleibt dies nur dann unberücksichtigt, wenn die Wohnfläche „angemessen“ ist. Für zwei Personen sind das nach dem jetzigen Sozialhilfe-Standard bei Mietwohnungen rund 65-70 qm, bei selbstgenutzten Häusern dürfte es sich bei rund 130 qm einpendeln und bei selbstgenutzten Eigentumswohnungen bei rund 120 qm. Ist das Haus oder die ETW größer, weil früher einmal Kinder drin gelebt haben, ist unser ALG II-Antragsteller ebenfalls der Dumme. Liegt der zu erzielende Verkaufserlös bei mindestens 90% des derzeitigen Verkehrswerts, kann das Sozial- oder Arbeitsamt ihn zwingen, sein Haus zu verkaufen. Ähnliches gilt für sein Kraftfahrzeug, welches ein ALG II-Empfänger im Gegensatz zum bisherigen Sozialhilfe-Bezieher behalten darf. Aber auch das Kraftfahrzeug muß „angemessen“ sein. Ist es unangemessen, muß es ebenfalls zunächst zu Geld gemacht werden, das dann zuerst verbraucht werden muß. Bekommt er nichts, zahlt er auch nichts in Renten- und Arbeitslosenversicherung ein - mit dramatischen Folgen: Wer zehn Jahre von seinem „Vermögen“ lebt und nichts einzahlt, bekommt auch eine deutlich niedrigere Rente.


Ein weiteres Beispiel:

Ein Internet-Spezialist, 35 J., Westdeutschland. 1994 beendetet er sein Informatikstudium, das er nach dem Wehrdienst in Regelstudienzeit und mit Bravour absolviert hat. Er startet seine Karriere als Dipl.-Informatiker bei verschiedenen renommierten Software-Häusern, wo er zunächst als Programmierer tätig ist. 1997, mit Beginn des goldenen Zeitalters der IT-Branche wird er „Senior-Consultant“ und „Project-Manager“. Sein Verantwortungsbereich umfasst mittlerweile IT-Großprojekte im größeren siebenstelligen Euro-Bereich, wodurch er auch umfangreiche Personalverantwortung trägt. Mit zunehmender Verantwortung steigt auch sein Gehalt rasant an, als „Principal“ verdient er mittlerweile 120.000 € p.a. Das haut er aber nicht auf den Kopf, sondern investiert in eine große Eigentumswohnung (160 qm), die er zunächst mit seiner Freundin selbst bewohnt. Auch das dazugehörige Auto, ein schickes 3er-Cabriolet wird finanziert. Das ist mit dem derzeitigen Verdienst und den Steuereinsparungen durchaus möglich. Schließlich denkt der junge Mann richtigerweise auch an seine Zukunft, an Kinder und sein Alter. Außerdem weiß er, daß seine liebste Oma auf seinen Namen seit seiner Geburt eisern gespart hat, damit es das Enkelkind einmal besser hat. Der Sparvertrag soll 2005 mit einer sechsstelligen Summe fällig sein, womit unser Beispiel-Informatiker eine Hypothek abzahlen möchte. Nun aber ist mittlerweile die IT-Blase geplatzt, und es gibt eine ganze Armee arbeitsloser Programmierer. Alle Versuche, etwas in dem Bereich zu finden, den er beherrscht und für den er ausgebildet worden ist, schlagen fehl. Auch deutlich schlechter bezahlte und fremde Tätigkeiten scheut unser Beispiel-Informatiker nicht. Mittlerweile gelten 35-jährige Informatiker als „nicht mehr formbar“. Nach ALG bezieht er mittlerweile ALHI. Die Raten für die ETW bezahlt er aus den vorzeitig und mit Verlusten aufgelösten Sparverträgen seiner Großmutter. Und nun kommt Hartz IV, die Umstellung auf ALG II zum 01.01.2005 liegt an. Konsequenz: Er wird nichts, rein gar nicht bekommen, denn er hat ja noch „Vermögen“ (aus den Sparverträgen). Dies muß er zunächst aufbrauchen. Dann wird er definitiv seine ETW verkaufen müssen, denn 160 qm Wohnfläche ist für einen Alleinstehenden viel zu groß. Den acht Jahre alten VW Golf, den er mittlerweile statt des schicken Cabriolets fährt, darf er behalten, da das „angemessen“ ist. Seine Freundin hat ihn mittlerweile verlassen, denn ein „Looser“, der nicht zweimal jährlich in den Urlaub fliegen kann, ist in dieser Gesellschaft einfach nicht „hipp“. Nach dem Verkauf der Wohnung wird er erst recht nichts bekommen. In ein paar Jahren, wenn er 38 Jahre ist und das „Vermögen“, also sein hart erarbeitetes und das der Großmutter, bis auf einen Freibetrag von dann 7.600 € für Lebensunterhalt, Miete und Bedienung der Banken verbraucht ist, darf er von 345 € leben. Der Freibetrag dürfte dann für einen „neuen“ Gebrauchten draufgehen, der Golf hat längst seinen Dienst quittiert.

Wie man an den Beispiel erkennen kann, werden viele Menschen, die jahre- oder sogar jahrzehntelang hart gearbeitet haben und immer in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt haben, nun mit leeren Händen dastehen. Bereits 2003 haben die Sozialämter SOHI-Empfänger gezwungen, 50.000 Lebensversicherungen zu kündigen. Es macht auch keinen Sinn, „Vermögen“ z.B. vor einem ALG-II-Antrag z.B. an die Tochter zu verschenken oder gar zu verheimlichen. ALG-II-Antragsteller sind zukünftig „gläsern“, müssen auf Verlangen z.B. alle Kontoauszüge und Verträge vorlegen, auch die des Partners und zwar bis zu einem Jahr rückwirkend. Die Bundesagentur hat schon angekündigt, durch Hausbesuche die Angaben zu verifizieren. Ferner will die Agentur für Arbeit Anfragen beim Bundesamt für Finanzen durchführen, welche Freistellungsanträge der ALG-II-Antragsteller gestellt haben. Alle inländischen Banken und Versicherungen werden dabei berücksichtigt.

Besonders pikant: Gerade Schwulen- und Lesbenverbände, sonst immer nach „gleichen Rechten“ schreiend, laufen gerade gegen die Vermögens-Regelung Sturm. Grund: Bei sehr vielen dieser gleichgeschlechtlichen Paare ist zumindest ein Teil arbeitslos. Der muß nun vom Einkommen oder Vermögen seines Partners alimentiert werden. So hatten sich diese Damen und Herren eine gleichberechtigte Partnerschaft nun auch wieder nicht vorgestellt und fordern lauthals eine Änderung der Regelung. Fairerweise muß man aber hinzufügen, daß sie das für alle Partnerschaften fordern.

Auch typisch für die BRD: Nicht angerechnet, weder als Vermögen noch als Einnahme, werden selbstverständlich alle Leistungen, die Aufgrund angeblicher oder tatsächlicher Verfolgungen während der Hitler-Kanzlerschaft gezahlt werden. Solche Leute sind offensichtlich immer bedürftig.

Vielfach hört man den gut gemeinten Ratschlag, man soll sein „Vermögen“ doch einfach „riestern“. Diese staatlich geförderte Altersvorsorge ("Riester-Rente") bleibt nämlich - egal, wie hoch sie ist - unangetastet. Wer vorhandenes Vermögen jetzt entsprechend anlegt, handelt legal. Und tatsächlich: Mit der „Riester-Rente“ baut man kein Kapital, also Vermögen, auf, sondern erwirbt einen zusätzlichen Rentenanspruch gegenüber diesem maroden Staat. Doch wer sich darauf verlässt, könnte schon sehr bald verlassen sein. Wie so etwas geht, daß erfahren gerade die über 58-jährigen Arbeitslosen. Viele unterzeichneten die so genannte 58er-Regelung: sie werden, damit die Arbeitslosenstatistik geschönt wird, aus der Vermittlung herausgenommen und erhalten weiterhin ALG oder ALHI. Dafür müssen sie aber binnen kurzer Zeit die Rente beantragen und diese akzeptieren, auch wenn es weniger als das ALG ist. Dafür dürfen sie dann ihr ALG bis zum entsprechenden Zeitpunkt behalten. Nun werden diese Leute, es sind wohl mindestens 164.000, die das unterzeichnet haben, auch auf das niedrigere ALG II gesetzt und müssen ihr „Vermögen“ offen legen. Viele von ihnen werden bis zur Rente nun nichts mehr bekommen. Die bittere Erkenntnis: Wer diesem bankrotten Konstrukt namens BRD auch nur einen Cent gibt, kommt sehr rasch zu der Erkenntnis, daß er auf Sand gebaut hat.


„Vermögende“ und bereits verstorbene Arbeitslose

Wenn nun jemand glaubt, ein ALG-II-Empfänger hätte Ruhe, wenn er „zur großen Armee“ einberufen wird und sein „Vermögen“ sei im Reiche Gottes vor den Häschern der BA sicher, der irrt gewaltig. Das, was sich zunächst wie ein schlechter Treppenhauswitz anhört, weicht bei genauer Betrachtung einer bitteren Realität: Die Erben von Langzeitarbeitslosen müssen das an den Verstorbenen gezahlte ALG-II zurückzahlen! Das gehe aus dem Hartz-IV-Gesetz zur Zusammenführung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe hervor, bestätigte ein Sprecher von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement erst kürzlich. Vererbt z.B. ein ALG-II-Empfänger seine selbstgenutzte Eigentumswohnung oder eine Lebensversicherung, muß der Erbe aus diesem Vermögen das in den vergangenen zehn Jahren vor dem Erbfall gezahlte Arbeitslosengeld II, sofern es mehr als 1.700 Euro sind, komplett zurückerstatten! Der Staat hat drei Jahre Zeit, den Ersatzanspruch geltend zu machen. Die an das Sozialhilferecht angelehnte Vorschrift soll es der maroden BRD ermöglichen, jene Leistungen zurückzufordern, durch die der Hilfeempfänger erst in die Lage versetzt wurde, etwas zu vererben. Sonstiges Einkommen und Vermögen der Erben sind nicht antastbar. Sollte das Erbe an den Lebenspartner des ALG-II-Empfängers gehen, erhält dieser einen Freibetrag von 15.500 Euro (das gleiche gilt, wenn Verwandte erben, die den Hilfebezieher dauerhaft bis zu seinem Tode gepflegt haben).

Beispiel:

Ein 52-jähriger ALG-II-Empfänger (West) bezieht ab dem 01.01.2005 für sieben Jahre ALG-II in Höhe von 345 Euro. Er bewohnt ein „angemessenes“ Häuschen, für den noch einige Hypotheken-Zinsen zu bezahlen sind. Für Zinszahlungen und Versicherungen überweist ihm das Sozialamt fünf Jahre lang monatlich 300 Euro (statt Miete). Nach sieben Jahren, am 31.12.2011 verstirbt der ALG-II-Empfänger. Bis dahin hat er insgesamt 54.180 Euro erhalten. Erbt seine Partnerin das Haus, muß sie nun sehen, woher sie auf die Schnelle 38.680 Euro herbekommt. Erben die Kinder, müssen sie die 54.180 Euro aus dem Erbe zurückzahlen. Sie dürfen dabei auch noch froh sein, daß ihr eigens Geld nicht angetastet wird, falls das Häuschen nicht zu einem entsprechenden Preis veräußert werden kann, da die Ersatzpflicht derzeit noch auf den Wert des Nachlasses bei Eintritt des Erbfalls begrenzt ist.

Diese Regelung, wie in dem vorangegangenen Beispiel gezeigt, ist keineswegs eine neue Erfindung aus der Gruselkammer des Clementschen Ministeriums. Schon jetzt wird bei Sozialhilfeempfängern in gleicher Art und Weise gehandelt, wenngleich dies bis dato keine so umfassenden Auswirkungen hatte, denn die allermeisten SOHI-Empfänger hatten schlicht nichts zu vererben. Nun aber tritt eine neue Entwicklung ein. Die meisten ALG-II-Empfänger haben vorher jahrelang gearbeitet und sich etwas aufgebaut oder erspart. Daran will dieser marode Staat nun ran, auch über den Tod der Betroffenen hinaus.


Zuverdienst

Eine weitere wichtige Änderung steht beim Thema „Zuverdienst“ an. Bisher konnte ein ALG- oder ALHI-Bezieher im Monatsdurchschnitt 165 EUR hinzuverdienen. Nun tönen einige „Sozialpolitiker“, daß ein zukünftiger ALG-II-Bezieher ab dem 01.01.2005 bis zu 300 EUR mtl. hinzuverdienen könne. Ein wahre soziale Errungenschaft sei das. Schauen wir uns das einmal genauer an:

Ein Beispiel:

Ein ALG-II-Bezieher erhält einen Minijob mit 400€/mtl. brutto. Davon darf er lediglich 15%, sprich 60 EUR behalten. Hat er eine Tätigkeit, die bis 900 EUR/mtl. entlohnt wird, darf er für die ersten 400 EUR 15% behalten und für den Rest bis 30%, sprich 150 EUR, macht zusammen 210 EUR pro Monat (60 € plus 150 €). Hat der Arbeitslose das Glück, einen Nebenverdienst von 1.500 EUR (max.) zu erzielen, dann darf er von den ersten 400 EUR 15% behalten, 30% von dem Teil zwischen 400 EUR und 900 EUR und vom Rest (900 € bis 1.500 €) noch einmal 15%. Das macht zusammen 300 EUR (60 € plus 150 € plus 90 €).

Also nur wenn ein Arbeitsloser das Glück hat, eine und mehrer Arbeitsstellen mit max. 1.500 EUR Monatsverdienst zu bekommen, dann verdient er netto 300 EUR dazu. In der Regel wird der Arbeitslose aber den „Zuverdienst“ als Haupteinnahmequelle nehmen, denn bei den radikalen Kürzungen bei der Sozialhilfe, steht er mit 1.500 EUR brutto finanziell besser da. Konsequenz: Selbst arbeitslose Fachkräfte wie Ingenieure, Ärzte und Rechtsanwälte, werden in Zukunft für 1.500 Euro arbeiten müssen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer war der einzige, der offen aussprach, wo solche Regelungen in Wahrheit hinführen: Zu noch mehr Schwarzarbeit. Denn die allermeisten Arbeitslosen dürften überhaupt froh sein, einen „Zuverdienst“ zu erhalten. Und solche Stellen liegen eher bei 400 EUR. Wenn dann ein Arbeitsloser bei einer Nebentätigkeit mit 20 Std. in der Woche nur noch 60 EUR ausbezahlt bekommt, dazu zukünftig noch evtl. entstehende Fahrtkosten und/oder Kosten für Arbeits(schutz)kleidung selber tragen muß, dann bleibt am Ende nichts mehr über.


Zumutbarkeit

Langzeitarbeitslose müssen künftig jeden legalen Job annehmen müssen, dessen Bezahlung nicht sittenwidrig ist (auch bei Bezahlung bis 30 Prozent unter Durchschnittsniveau). Wer ein Angebot ausschlägt, ohne daß eine Krankheit vorliegt oder andere soziale Gründe geltend gemacht werden können (z.B. Kindererziehung), dem wird radikal ein Teil der Leistung gekürzt. Ab Januar sind auch Minijobs bis 400 Euro zumutbar. In der Praxis bedeutet das, daß Arbeitslose, auch Fachkräfte mit Hochschulausbildung, zukünftig als Bratwurstverkäufer arbeiten müssen, selbst dann, wenn der Verdienst 30% unter dem ortüblichen Durchschnittniveau eines Bratwurstverkäufers liegt. Ein hochqualifizierter und gut ausgebildeter Fachmann, der zukünftig ein Jahr lang als Parkwächter arbeitet, wird im Anschluß erst recht keine Arbeit mehr finden, denn mit jedem Monat, den er aus dem Beruf ist und dabei auch noch älter wird, schwinden sein Chancen noch mehr. Volkswirtschaftlich betrachtet ist das doppelt kontraproduktiv. Unterdessen erwägt die Bundesagentur für Arbeit (BA) sogar, arbeitslosen jungen Leuten auch freie Zivildienstplätze anzubieten. BA-Vorstandsmitglied Heinrich Alt erklärte kürzlich in Berlin, derzeit seien 60.000 Stellen im Zivildienst unbesetzt. Es müsse geprüft werden, ob ein Teil der rund 450.000 Jugendlichen ohne Job für einen solchen Einsatz geeignet sei. Besonders perfide ist es, zunächst Pflege- und Krankenversicherungen auf Kosten der im Gesundheitsdienst beschäftigten und der Patienten auszuplündern, und dann die eigene Jugend dazu zu zwingen, für Niedrigstlöhne die Lücken zu stopfen.

600.000 neue „Jobs“

Oftmals wird behauptet, Hartz IV schaffe keine Arbeitsplätze. Minister Wolfgang Clement (SPD) widersprach dem heftig: 600.000 Stellen im Niedrigstlohnbereich sollen werden. Gemeint sind damit, und das bestätigte „WC“ ausdrücklich, so genannte „1 Euro-Jobs“. Schließlich dürfe ja die Gesellschaft für die honorable ALG II-Leistung eine Gegenleistung verlangen, wie Berlins Wirtschaftsenator Harald Wolf (PDS) beipflichtend anmerkte. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsförderung (DIW) rechnet mit mindestens 300.000 neuen Beschäftigungsverhältnissen, wie dessen Arbeitsmarktexperte Viktor Steiner erklärte. Besonders die knapp 500.000 Betroffenen, die ab 01.01.2005 gar nichts mehr bekommen, stünden nach Meinung des DIW unter enormen Druck.

Daß das so kommen wird, bestätigten die sogenannten Wohlfahrtsverbände wie Caritas, Arbeiterwohlfahrt (AWO), Diakonie und Paritätischer Wohlfahrtsverband. Joachim Kendelbacher, Pressesprecher der Arbeiterwohlfahrt (AWO), bestätigte auch gleich, daß nun Einstellungen geplant seien. Alleine die AWO wolle mindestens 2.500 neue Mitarbeiter einstellen, die Paritätische 3.000. Insgesamt werden diese Organisationen, die weder was mit „Arbeitern“ und erst recht nichts mit deren Wohlfahrt zu tun haben, Einstellungen im fünfstelligen Bereich vornehmen. Alle für einen Euro Stundenlohn, versteht sich. Offiziell heißen diese Jobs „Ergänzungstätigkeiten im Umfeld der Altenpflege und in den Kindertagesstätten“.

Es ist noch nicht allzulange her, daß man meinen konnte, die Wohlfahrtsverbände hätten sich in die Front der Hartz-Kritiker eingereiht. Noch vor wenigen Monaten wurde die „soziale Schieflage“ heftig kritisiert und vehement auf die Gefahr wachsender Alters- und Kinderarmut hingewiesen. Diese Worte sind verstummt. Inzwischen ist bei den Vorständen der Wohlfahrtskonzerne die Erkenntnis eingekehrt, daß man mit der Verwaltung der Armut dank Hartz IV in der BRD noch mehr Profit machen kann, als das bisher für möglich erachtet wurde. Wachstumsraten und Expansionsmöglichkeiten ungekannten Ausmaßes werden den Konzernen eröffnet. Hungerlöhne von ein oder zwei Euro die Stunde wären auf dem normalen Arbeitsmarkt nicht möglich gewesen. Egal ob z.B. Fahrdienste für Senioren oder Essensausgabe in Kitas und Ganztagsschulen, einfache Betreuung in Altersheimen oder Hilfstätigkeiten in psychiatrischen Anstalten, diese Tätigkeiten werden in Zukunft ALG-II-Empfänger für einen Euro pro Stunde leisten müssen. Für AWO & Co ein echter Glücksfall, denn schließlich bereitet ihnen seit Jahren die Finanzierung ihrer parasitären und gefräßigen Apparate der Armutsverwaltung Kopfschmerzen. Für die Etablierten eine frohe Kunde, denn schließlich sind die dortigen Führungspositionen ein beliebtes und üppiges Gnadenbrot für deren ausrangierte Kommunal- und Landespolitiker. Clement wird sich über die Unterstützung der Wohlfahrtsverbände sehr gefreut haben, da er und die anderen den Widerstand des Volkes gegen Hartz IV offenbar deutlich unterschätzt haben.

Neben den Wohlfahrtverbänden werden reihenweise 1 Euro-Jobs im handwerklichen Bereich und im Dienstleistungsbereich, insbesondere in der Gastronomie geschaffen. Schon jetzt warnen Handwerkskammern davor, daß der Einsatz von ALG-II-Empfängern bei kommunalen Aufgaben zu massiven Abbau von regulären Arbeitsplätzen führt. Diese Befürchtung teilt auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, daß erst kürzlich darauf hinwies, daß die „Mini-Job-Regelung, von der Bundesregierung als „Erfolgsmodell“ dargestellt, in Wahrheit nur dazu geführt hat, daß in gleicher Größenordnung reguläre Arbeitsplätze abgebaut wurden. Mit Hartz IV wird dies allerdings in einer nie dagewesenen Größenordnung passieren. Die Einschätzung von Minister Clement dürfte sicher zutreffend sein. Damit wird 600.000 Menschen der letzte Rest Würde genommen und den allermeisten zudem die weitere Zukunft verbaut. Eine Chance, durch vorübergehende Niedrigstlohntätigkeit wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen, sieht nicht einmal das Institut der Deutschen Wirtschaft. Deren Arbeitsmarktexperte Holger Schäfer erklärte gegenüber der BERLINER ZEITUNG, daß die Eingliederungschancen der Arbeitslosen dadurch überhaupt nicht steigen würden, Arbeitslose zudem stigmatisiert würden.

Doch in einem Bereich werden tatsächlich neue Arbeitsplätze geschaffen: Immer mehr Arbeits- und Sozialämter wollen sich ab Januar 2005 von Wachdiensten beschützen lassen. Die fehlende Einsicht der Betroffenen scheint offensichtlich nicht nur den Etablierten Sorge zu bereiten.


Krieg gegen junge Arme: Beispiel Mannheim

Mit Aufkommen der Montagsdemonstrationen werden die Etablierten nicht müde, Beruhigungstabletten zu verteilen: Das wird alles nicht so schlimm, es wird auch weiterhin sozial gerecht zugehen (als ob es das jemals war!). Ein real existierendes Beispiel, wie man Arbeitslose regelrecht aus dem Leistungsbezug drängelt, zeigt das Beispiel der Stadt Mannheim. Dort führt die Stadt einen regelrechten Krieg gegen junge Arbeitslose, mittels so genannter „Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung durch Verbesserung der Sozialhilfe“, mit deren Hilfe bereits jetzt die Hälfte der unter 25jährigen aus der Sozialhilfe gedrängt wurde und weitere Leistungen drastisch gekürzt wurden. Die Mannheimer Stadtverwaltung hatte die Vorschläge des Sozialamtsleiters Hermann Genz umgesetzt und das wichtigste dran: Die von ihm in Mannheim durchgedrückten Maßnahmen sind seit kurzem Modellprojekt zum exemplarischen Ausbau des Sonderprogramms „Jump Plus“ und stellen damit einen Vorgriff auf das Arbeitslosengeld II (ALG II) dar. Die Mannheimer Betroffenen haben also schon einmal einen bitteren Vorgeschmack von den Folgen von Hartz IV bekommen. CDU-Verlautbarungen, ALG-II-Empfänger sollten zum „Laternenputzen“ oder zur „Hundekotentsorgung“ eingesetzt werden, sind eindeutig. Auch nach Informationen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) wird über eine bundesweite Ausdehnung des „Mannheimer Modells“ für unter 25jährige nachgedacht.

Amtsleiter Genz hatte seine Repressalien bereits beschließen lassen, als die Hartz-Kommission erst noch über die anstehenden Arbeitsmarktreformen beriet. In einer Drucksache der Mannheimer Verwaltung vom 11. November 2003 heißt es wortwörtlich: „Es sollen Anreize für einen Verbleib in der Sozialhilfe reduziert oder gar gänzlich gestrichen werden.“ Insgesamt sollten dadurch 21,89 Millionen Euro eingespart werden - auf dem Rücken der Einkommensschwachen. So wurden massive Kürzungen durchgesetzt. Die Anschaffungskosten für Hausratsgegenstände und Elektrogroßgeräte werden nur noch mit halbierten Preisen erstattet - und das auch nur dann, wenn sie gebraucht gekauft werden. Die Bekleidungspauschale wird von jährlich 260 auf 240 Euro gekürzt. Als „angemessene Unterkunftskosten“ werden nur noch maximal 4,60 statt zuvor sechs Euro pro Quadratmeter anerkannt. Die „angemessene“ Wohnfläche für Sozialhilfeberechtigte wird bei Alleinstehenden von 45 auf 41 Quadratmeter reduziert.

Gleichzeitig wurde eine so genannte Sonderarbeitsgruppe aus besonders erfahrenen Sachbearbeitern zur Überprüfung der „teuersten Zahlfälle“ eingesetzt, ein Prüf- und Kontrolldienst („Bedarfsfeststellungsdienst“) wird aufgebaut - mit der Maßgabe, bis zu 40.000 Hausbesuche pro Jahr durchzuführen und eine geschätzte Gesamteinsparung von drei bis sechs Prozent der Sozialhilfekosten zu erwirtschaften - so die Aussage in der Drucksache 583/2003 der Verwaltung vom 11. November 003.

Genz war erst im Spätsommer 2003 von Köln nach Mannheim gekommen. In der Fachöffentlichkeit ist er bundesweit für seinen rigiden Krieg gegen einkommensschwache Leistungsberechtigte bekannt. Zehn Monate nach seinem Amtsantritt in Mannheim lagen bereits die ersten Ergebnisse des Feldzuges gegen die eigene Jugend vor. Aus der „Bilanz des Sonderprogramms Jump Plus“ der Sozialverwaltung geht hervor, daß von 1.100 jungen Erwachsenen, die durch das Job-Center zu Arbeiten herangezogen wurden, 658 aus der Sozialhilfe herausgedrängt wurden. Bereits am 16. April resümierte die Mannheimer „Stabsstelle Sozialhilfe“: „Das Sonderprogramm zeigt Wirkung. Die Zielgruppe für das Programm Jump Plus hat sich halbiert ... Ziel ist es, den Zugang junger Menschen zur Sozialhilfe zu verhindern oder ihren Verbleib in der Sozialhilfe zu beenden“.

Der Stabsstelle wurde es aber auch besonders leicht gemacht. Denn eine Jugend, die jahrelange nicht auf Werte wie Fleiß, Pünktlichkeit, Ehre und Anstand erzogen wird, sondern mittels Glotze und PISA verblödet und zudem entweder auf „Null-Bock“, Drogen oder „Fun“ orientiert wird, ist für einen „Oberkommandierenden Genz“ eine leichte Beute: 1.100 junge Leute zwischen 18 und 24 Jahren wurden zum Mannheimer Sonderprogramm Jump Plus herangezogen. Davon kamen 275 (25 Prozent) nicht zum ersten Vorstellungstermin, 101 Personen (9,1 Prozent) haben eine vermittelte Beschäftigung nicht angetreten. 176 Personen (16 Prozent) haben eine Beschäftigung wieder abgebrochen. Macht zusammen 552 (50,1 Prozent), die mit Streichung der Sozialhilfe bestraft wurden. Nach dem Hartz-IV-Gesetz sind unter 25jährige unverzüglich nach Meldung bei der Arbeitsagentur in Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit zu vermitteln (Paragraph 3 II SGB II). Wenn sie sich weigern, ein Angebot anzunehmen, sind ihnen sofort für drei Monate die Regelleistungen zu streichen. Allerdings sind ihnen ergänzende Sachleistungen und geldwerte Leistungen (Lebensmittelgutscheine) zu gewähren. Für diese Passagen im Gesetz hat das Mannheimer Modell offenbar Pate gestanden.

Aber das wichtigste: Die Vertreter der Stabsstelle Sozialhilfe machen sich derweil offenbar überhaupt keine Gedanken über den Verbleib der Betroffenen und derjenigen jungen Erwachsenen, die trotz Bedürftigkeit aufgrund der rigiden Praxis gar nicht erst Sozialhilfe beantragt haben. Was passiert eigentlich mit denen? Wo leben die nun und wovon? Das scheint niemanden in Mannheim zu interessieren. Und wie die Zukunft einer Stadt aussieht, die eine große Zahl von jungen Menschen in die absolute Perspektivlosigkeit und Armutskriminalität drängt, kann sich jeder aussuchen. Aber auch eins sollte klar sein: niemand will faule junge Menschen ohne Vorbehalte unterstützen, was aber dringend notwendig wäre, wäre echte Hilfe in einem fordernden und fördernden Miteinander. Letzteres findet im Mannheim nicht statt und ist auch konzeptionell so nicht gewollt. Hier geht es nur noch um Abschreckung und Herausdrängen. Die Jugend von Mannheim durfte als erste erfahren, was Hartz IV in Wirklichkeit bedeutet!


Hausbesuche

Damit ein ALG-II-Antragsteller erst gar nicht auf die Idee kommt, z.B. seine umfassende Sammlung alter Klassik-Platten zu verheimlichen, sind nun umfassende „Hausbesuche“ durch die BA geplant. Dies sind nichts anderes als Kontroll- und Schnüffeleinsätze. Kontrolliert wird z.B., ob die Wohnung wirklich „angemessen“ ist. Ein ausgebauter Dachboden, der bei einem Hausbesuch entdeckt wird, kann dann zum Aus führen. Kontrolliert wird auch das soziale Umfeld des ALG-II-Antragstellers. Insbesondere werden Nachbarn befragt, z.B. ob eine ledige Antragstellerin öfters Herrenbesuche bekommt, wie oft die da sind, wie oft die über Nacht bleiben usw. usf. Gelangt die BA daraus zu der Einschätzung, daß die Antragstellering ein „eheähnliches Verhältnis“ führt, und hat dies nicht angegeben, wird ihr sofort die Leistung gestrichen. Verstärkt werden solche Einschätzungen dadurch, wenn die BA bei ihren Hausbesuchen in der Wäschetruhe Herrenunterwäsche und im Badezimmer Rasierwasser findet. Das reicht allemal, den begründeten Verdacht, der sich durch Nachbarbefragungen ergeben hat, zu erhärten. Natürlich braucht niemand einen BA-Mitarbeiter in seine Wohnung zu lassen. Dies kann aber als „Verletzung der Mitwirkungspflicht“ ausgelegt werden und führt in der Regel bei SOHI-Empfängern heute schon zu sofortigem Ende des Leistungsbezuges.


Antragsformulare

Selbst diejenigen, die Hartz IV im Bundestag abgesegnet haben, können das aufkommende Desaster bei den Anträgen nicht mehr verheimlichen. Der CDU-Abgeordnete Volker Kauder kritisierte im Bundestag, das 17-seitige Antragsformular überfordere viele Betroffene. Da hat er natürlich Recht. Es kann aber durchaus davon ausgegangen werden, daß das so gewollt ist. Jeder nicht eingereichte Antrag, oder jeder mit unzureichenden, falschen oder sich widersprechenden Angaben kann schon zu Leistungsverkürzungen, -verzögerungen bzw. -streichungen führen. Mehrere AA-Mitarbeiter bestätigten auf Anfrage der Redaktion von keine-agenda2010.de, daß das auch durchaus so gewollt ist und so gehandhabt werden soll. Das am 01.01.2005 alle Anträge bearbeitet sind und die Zahlungen angewiesen sind, dürfte eher unwahrscheinlich sein. Der Berliner CDU-Politiker Peter Kurth sagte ein behördliches Chaos ab dem 1. Januar 2005 voraus. „Hartz IV wird Maut II“, sagte der der Berliner Zeitung. Die Berliner Behören zum Beispiel müssen seit dem 19. Juli allein in der Stadt Berlin 290.000 Anträge, das sind mehr als vier Millionen Seiten Papier, versenden und auswerten.


Die Folgen von Hartz IV

Vertreter der Sozialverbände haben vor dramatischen sozialen Folgen durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe gewarnt. Die Zahl der Armen in Deutschland werde durch das so genannte Hartz-IV-Gesetz von 2,8 auf 4,5 Millionen steigen, sagte der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Werner Hesse. Die Nationale Armutskonferenz erklärte, die Zahl der Minderjährigen, die von Sozialhilfe leben müssten, werde sich auf 1,5 Millionen verdreifachen. Knapp 500.000 Menschen werden gar nichts mehr bekommen, obwohl sie u.U. jahrzehntelang Beiträge bezahlt haben (Beispiel s.o.). Knapp 1.000.000 Menschen werden schlechter gestellt. Drei von vier Beziehern von Arbeitslosenhilfe müssen also durch die beschlossene Verschmelzung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II mit Einbußen rechnen. Den 1,5 Millionen Arbeitslosen, die keine oder nur noch eine verringerte Leistung erhalten, stehen lediglich 330 000 Betroffene gegenüber, die durch Hartz IV höhere Leistungen bekommen. Das hat der DGB auf der Basis der Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Anfrage des Unionsabgeordneten Robert Hochbaum errechnet. (siehe Grafik)



Besonders kritisch ist jedoch die Auflage, wonach „vermögende“ Langzeitarbeitslose auch ihre Lebensversicherung aufbrauchen müssen (Beispiel siehe oben). Auf diese Weise produziert die „Reform“ eine neue Altersarmut. Das Konzept von Hartz IV ist keine Förderung für Arbeitslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu gelangen, sondern, den klassischen Arbeitslosen damit in kürzester Zeit in die Armut abzuschieben.

In besonderem Maße sind die Vorschläge von Peter Hartz verheerend für Mitteldeutschland. Niedriglohnsektoren würden hier die Binnenkaufkraft noch mehr schwächen als dies die niedrigen Einkommen hier ohnehin schon tun. Gleichzeitig bekämen die zahlreich vertretenen kleinen und mittleren Unternehmen mehr Billigkonkurrenz - eine zusätzliche existenzielle Gefahr. Insbesondere die maroden Städte und Gemeinden werden zukünftig Arbeiten durch „eigene“ Fachkräfte machen lassen, für einen Bruchteil an Kosten, wie sie der örtliche Handwerksbetrieb hat. Besonders betroffen sind hier Bereiche wie der Landschaftsbau, ebenso alle Bau- und Baunebengewerke.

Durch den Wegfall von 300 Mill. EUR Kaufkraft und die Verlagerung von Tätigkeiten von Handwerksbetrieben auf ALG-II-Empfänger werden allein in Sachsen-Anhalt nach Berechnungen des dortigen Arbeitministeriums 5.000 weitere Vollarbeitsplätze vernichtet. Das hat natürlich wiederum Folgen: Es fehlen zusätzliche 5.000 Beitragszahler zu den Sozialversicherungen, es kommen weitere 5.000 Arbeitslose dazu und die Kaufkraft sinkt erneut. Und wieder dreht sich das Rad des Niederganges ein wenig schneller.


Hartz IV und die PDS

Als einer der Gewinner im Kampf gegen Hartz IV wird im Allgemeinen die PDS gehandelt. In der Tat erscheint die SED-Fortsetzungspartei vielen Menschen in Mitteldeutschland bei oberflächlicher Betrachtungsweise als die einzige Partei, die sich vehement gegen Hartz IV ausspricht und auch bereit wäre, im Parlament eine anti-liberalkapitalistische Politik zu machen. Wer sich aber etwas genauer damit beschäftigt, erkennt, daß diese Partei längst zu den Etablierten gehört, immer geil auf Posten und Pöstchen. Überall, wo sie toleriert und koaliert, ist sie aber in Wahrheit bei Sozialraub an vorderster Front dabei. Egal ob das Sozialticket in Berlin gestrichen wird, oder wie in Sachsen-Inhalt geschehen, die größte Kürzung bei der Kinderbetreuung in der Geschichte des Landes durchgeführt wird, die Pseudo-Sozialisten sind sich für keine liberalkapitalistische Sauerei zu schade. Wirtschaftsenator Harald Wolf (PDS) findet Hartz IV „im Kern gar nicht schlecht“, weil damit angeblich die boomende Schwarzarbeit in Berlin bekämpft würde. Offensichtlich geht er davon aus, daß die Bauindustrie ALG-II-Empfänger noch preiswerter beschäftigen kann, als einen ukrainischen Schwarzarbeiter, womit nebenbei auch deutlich wird, auf wessen Seite die PDS eigentlich steht. Selbst ein „1 Euro-Job“ scheint für ihn kein Problem zu sein, denn „die Solidargemeinschaft habe ein Recht auf eine Gegenleistung von den ALG-II-Empfängern“. Ein ALG-II-Empfänger muß also nicht nur dankbar dafür sein, daß er jetzt in Armut leben darf, er sollte laut PDS-Senator Wolf dafür auch noch eine Gegenleistung bringen! Wolf findet es auch völlig in Ordnung, wenn ein arbeitsloser Akademiker „mal etwas körperliche Arbeit“ leisten muß. Da wäre im Grundsatz nicht einmal etwas gegen zu sagen, jedoch bedeutet dies unter den gegenwärtigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, daß der Akademiker nach spätestens einem Jahr „etwas körperlicher Arbeit“, z.B. als Hamburger-Verkäufer, nur noch äußerst schwer wieder eine adäquate Aufgabe finden dürfte. Rein volkswirtschaftlich betrachtet ist dies aus mehreren Gründen ein Desaster. Aber volkswirtschaftliche Aspekte spielen bei den Etablierten, also auch bei der PDS, keine Rolle mehr.

Es ist selbstredend, daß die beiden PDS-Senatoren Harald Wolf (Wirtschaft) und Heide Knake-Werner (Soziales) nicht zu den Montagsdemonstrationen gehen. Nicht hingehen tut eigenen Bekundungen nach auch Parteichef Lothar Bisky. Er möchte Hartz IV nur etwas verbessern. Satte 400 Euro/mtl. soll ein ALG-II-Empfänger seinen Vorstellungen nach zukünftig erhalten (statt 331 €, bzw. 345 €) und ein Freibetrag von 1.000 Euro/mtl. auf den Verdienst von Partnern von ALG-II-Empfängern solle eingeführt werden. Dafür will die PDS im Gegenzug die Modalitäten der „Vermögens“anrechnung von Arbeitslosen, deren Partnern und Kindern fortgelten lassen. Ein wahrhaft radikales Programm ist das! In den Konzern- und Bankenzentralen der BRD wird das sicher mit Wohlwollen aufgenommen worden sein.


Wem aber bringt Hartz IV etwas?

Nutznießer des „Sozialraubes“ ist das Kapital, das eine schon lange eine weitere Verbilligung der Ware Arbeitskraft anstrebt. Die Verwertungsmaschinerie soll laufen und die Lohnarbeiterschaft optimal ausgebeutet werden. Der Kern des Hartz-Konzeptes besteht in der Ausweitung der Leiharbeit, durch Zwang forciert. Bis zu 1.000.000 Arbeitslose sollen so als moderne "Leihsklaven" vermittelt werden. Unter Druck kommen dann die noch bestehenden Arbeitsplätze. Lohnkürzungen durch Arbeitszeitverlängerung wird dann der Regelfall sein, mit dem Ergebnis, daß noch weniger Personal gebraucht wird. Und bei der Abarbeitung von Großaufträgen greift man auf das preiswerte Fachpersonal zu, daß die Gemeinden gerne für’n „Appel und´n Ei“ anbieten werden. Aus festen Stellen werden rasch prekäre Beschäftigungsverhältnisse werden, wie es z. B. im Gaststättengewerbe zu sehen ist. Noch mehr Unternehmen werden künftig lieber einen Beschäftigten ausleihen statt ihn anzustellen, wozu viele Großbetrieben jetzt schon übergehen. Der Kündigungsschutz wird ausgehebelt und Lohndumping macht sich breit. Die geltenden Tarifverträge werden nicht mehr standhalten können.

Gewinner dürfte auch der Bund sein. Die „fette Beute“, nämlich Streichung von 10 Mrd. EUR ALHI, wird nur zum Tei an die Gemeinden abgegeben. Nach Berechnung des Städtetages sind das 4,8 Mrd. EUR (s.o.). Der Bund streicht also rund 5 Mrd. EUR Versicherungsleistungen ein. Leistungen, die einst die Arbeitnehmer und deren jeweilige Arbeitgeber durch Beiträge erwirtschaftet haben. Nun erhalten die Arbeitnehmer im „Schadensfall Arbeitslosigkeit“ eben keine Leistungen mehr aus ihrer Versicherung, sondern müssen von einer minimalen staatlichen Fürsorge leben. Der Bund ist gezwungen, sich diese „fette Beute“ einzuverleiben. Er selbst ist schon seit vielen Jahren bankrott, hinzukommen seine bankrotten „Bundesanstalten“ (Rente, Arbeit, Bahn, Pflege). Die Einnahmeseite des Bundes sieht vor allem durch Steuergeschenke an die Großindustrie und die Banken (Beispiel Vodafone) katastrophal aus. Die Ausgabenseite explodiert. Die Angriffkriege der BRD kosten immenses Geld, der Aufenthalt fremdländischer Menschen in der BRD verursacht jährlich ein Defizit im BSP von einigen hundert Mrd. Euro. Und das wichtigste: Die Bedienung der Bankkonzerne durch Aufnahme immer neuer Kredite, sowie die Tilgung immer höherer Zinsbelastungen, erfordern neben weiteren drastischen Verbrauchssteuern nun auch umfassende Einschnitten im „sozialen Netz“.


Resümee

Wenn die Anträge für das ALG II mit 17 Seiten Formularen und Hinweisen rausgeschickt worden sind, wird sich so mancher Erwerbslose in diesem Land wundern, in welch „freiheitlicher Demokratie“ er lebt. Erwerbslose werden zu gläsernen Menschen, wer von diesem Staat Geld haben möchte, um sein Überleben zu sichern, weil es einfach nicht ausreichend Arbeitsplätze gibt, muß sich nackt ausziehen. Was bleibt, ist die Demütigung von Millionen Menschen, die sich auch noch selbst die Schuld an der eigenen Lage geben sollen. Wurden bisher so ziemlich alle Verschärfungen gegenüber Sozialhilfebeziehern völlig unbeachtet hingenommen, weil es doch angeblich Menschen traf, denen man zu gerne „Faulheit“ und „Luxusleben auf unser aller Kosten“ nachgesagt wurde. Hartz IV aber wird auch Personen treffen, die sich der Mittelschicht zurechnen, und vereint plötzlich alle in der Unterstellung von Betrug und Ausnutzung des Sozialstaats. Innerhalb nur eines Jahres kann ein Deutscher, der sich bisher erfolgreich durchgeschlagen hat und zum Mittelstand gehörte, nach ganz unten durchgereicht werden. Wie entwürdigend diese Regelungen sind, werden die Deutschen schnell erkennen, die ab Januar 2005 für einen Euro vor Asylantenheimen den Dreck wegmachen müssen, während die Bewohner des selbigen aus dem Fenster zuschauen.

Mit Demokratie hat das alles nichts zu tun. Die nationalen Oppositionsparteinen in diesem Land sind aufgefordert, bis zu den kommenden Landtagswahlkämpfen ihr soziales Konzept zu vermitteln und sich an die Spitze der sozialen Bewegung zu stellen. Denn besonders bei den Wahlen, die dann stattfinden, wenn Hartz IV seine volle Wirkung erreicht hat, dürften die Wahlerfolge nicht mehr ausbleiben. Und nicht nur die nationale Bewegung, sondern auch die soziale Bewegung der Deutschen hätte dann ein Sprachrohr in den Parlamenten!

 

 

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