Wirtschaft
und Soziales
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Hartz
IV
Der Sozialstaat Bundesrepublik wird abgewickelt
Quelle: www.npd-jena.de,
siehe auch www.keine-agenda2010.de
Veröffentlichung mit Genehmigung des Verfassers
Mit dem Aufkommen der Montagdemonstrationen als eine Widerstandsform gegen das Verelendungsprogramm namens Hartz IV liegen auch die Nerven der Etablierten blank. Daß das Deutsche Volk sich überhaupt noch wehrt, damit hatte von ihnen eigentlich niemand mehr gerechnet. Jahrzehntelange Umerziehung, Verblödung, Abbau von Bildung und Kultur, Homo-Ehe, Überfremdung, Streichung von Anstand und Ehre und PISA sollten eigentlich ein solidarisches Aufbegehren des Deutschen Volkes, wie es jetzt im Kampf gegen Hartz IV zum Ausdruck kommt, unmöglich machen. Ganz schnell wurden Beruhigungspillen verteilt, es ja gar nicht alles so schlimm, einen Massenumzug würde es nicht geben, einige hätten sogar mehr Geld und man könne noch weiteres hinzuverdienen, auch im Januar gäbe es nun sogar Geld und der Freibetrag für Kinder wurde etwas erhöht. Gegen all die Demonstranten, die sich davon nicht beeindrucken lassen und weiterhin Widerstand leisten, wird dagegen auf übelste Weise gehetzt. Den Vogel schoß dabei der Namensvetter und Parteigenosse von Bundeskanzler Schröder, Richard Schröder, ab, der meinte, daß die Montagsdemonstrationen seien Ausdruck mangelnder politischer Bildung der Bürger seien! Was aber hat es mit Hartz auf sich? Was steckt dahinter?
Rückblick
Der 30. Juni 2004 und der 9.Juli 2004 markieren eine Zäsur für den
bundesdeutschen Sozialstaat. An diesen Tagen beschloß zunächst
der Bundestag die Einführung des so genannten Hartz-IV-Gesetzes und dann
nahm das Gesetzespaket im Bundesrat die letzte parlamentarische Hürde,
nachdem es vorher im Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat
eine Einigung zwischen Union und Regierungsparteien gegeben hatte. Nicht zugestimmt
hatten neben der FDP-Fraktion der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele,
die beiden PDS-Abgeordneten und wenige Unionsabgeordnete. Im Bundesrat stimmten
die mitteldeutschen Länder gegen das Gesetz, bzw. enthielten sich. Damit
konnte das Gesetz mit den wohl weitreichendsten Folgen für den Sozialstaat
am 01.01.2995 in Kraft treten.
Alles begann mit einer kraftvollen Äußerung von Bundeskanzler Schröder.
Als er noch glaubte, mit Hilfe einer großen Boulevardzeitung Wähler
überzeugen zu können, sagte er in einem Interview: „Es gibt
kein Recht auf Faulheit. Wer arbeitsfähig ist, aber einen zumutbaren
Job ablehnt, dem kann die Unterstützung gekürzt werden.“
Das war im April 2001, und Schröder war nicht der einzige Politiker,
der Reformen des Sozialstaates einklagte. Im Juli desselben Jahres war der
hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) in den amerikanischen Bundesstaat
Wisconsin gereist, um sich über die dortigen Bemühungen zur Reform
der Sozialhilfe zu informieren. Koch ließ sich damals von der Meinung
Bill Clintons überzeugen, der gesagt hatte, die öffentliche Fürsorge
müsse "die zweite Wahl sein, aber nicht ein Lebensstil". Weitere
Scharfmacher waren vor allem der Ministerpräsident von Brandenburg, Matthias
Platzeck (SPD) und Sachsens Regierungschef Georg Milbradt (CDU), die sich
aber hinsichtlich rasant schwindender Wählergunst heute nicht mehr so
ganz daran erinnern wollen.
Die Hartz-Macher
Hört man manche Politiker reden, vor allem diejenigen, die derzeit im
Wahlkampf stehen, erhält man den Eindruck, sie hätten mit dem „Reform“-Paketen
gar nichts zu tun. Tatsächlich haben die Politiker auch nur das nahezu
1:1 abgesegnet, was das Kapital und deren Helfershelfer ihnen in die Tagesordnung
geschrieben haben. Ein wirklich einmaliger Vorgang, daß nicht mehr gewählte
Politiker im Parlament nach Lösungen suchen oder zumindest so tun, sondern
daß das Kapital direkt aufschreibt, was sie zu tun haben. Schauen wir
uns einmal die Mitgliederliste der Hartz-Kommission an:
Dr. Peter Hartz
Mitglied des Vorstandes der Volkswagen AG
Isolde Kunkel-Weber
Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes
Norbert Bensel
Mitglied des Vorstandes der DaimlerChrysler Services AG
Dr. Jobst Fiedler
Roland Berger Strategy Consultants
Peter Gasse
Bezirksleiter der IG Metall Nordrhein-Westfalen
Prof. Dr. Werner Jann
Universität Potsdam
Dr. Peter Kraljic
Direktor der McKinsey & Company Düsseldorf
Klaus Luft
Geschäftsführer der Market Access for Technology Services GmbH
Harald Schartau
Minister für Arbeit und Soziales, Qualifikation und Technologie des Landes
Nordrhein-Westfalen
Wilhelm Schickler
Präsident des Landesarbeitsamtes Hessen
Hanns-Eberhard Schleyer
Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks
Prof. Dr. Günther Schmid
Wissenschaftszentrum für Sozialforschung
Wolfgang Tiefensee
Oberbürgermeister der Stadt Leipzig
Eggert Voscherau
Mitglied des Vorstandes der BASF AG
Heinz Fischer
Abteilungsleiter Personal Deutsche Bank AG
Eigentlich
ist alles vertreten, was in der liberalkapitalistischen BRD den Ton angibt
bzw. sich durch besondere Vasallität auszeichnet. Auch wird schnell klar,
warum es keinen Widerstand der Gewerkschaften gegen Hartz gibt, waren sie
doch durch ein hochrangiges Mitglied beim größten Sozialraub in
der Geschichte der BRD selbst dabei. Kein Wunder deshalb, daß sich der
DGB nicht an den Monatagsdemonstrationen beteiligt. Dafür gab’s
sogar ein Extralob von Kanzler Schröder: “Ich bin froh, daß
der DGB gesagt hat, daß er sich nicht an den Demonstrationen beteiligt
- das ist eine große Leistung von Herrn Sommer“. Auffallen
tut auch, das nur zwei der 15 Kommissionsmitglieder aus Mitteldeutschland
kommen: neben Prof. Jann von der Universität Potsdam ist es noch Leipzigs
OB Wolfgang Tiefensee (SPD). Jener Tiefensee, der sich sonst so eloquent und
öffentlichwirksam als „Freund der Mitteldeutschen“ darstellt.
Er vertrat seinerzeit die Ansicht (Wahlveranstaltung SPD 09.09.02), daß
aufgrund einer Konfliktvermeidung und wegen des angestrebten Konsens in der
Hartz-Kommission k e i n Vertreter der Erwerbslosenorganisationen in die Arbeit
der Kommission einbezogen werden solle. Er wußte offensichtlich warum.
Hartz
I, II, II, IV
Unter den Namen Hartz I, II, III und IV sind die „Reform"-Vorschläge
der Kommission unter Leitung von Dr. Peter Hartz in mehrere Gesetzespakete
eingeflossen. Ein Überblick über die wichtigsten Regelungen:
Hartz
I (in Kraft seit 1. Januar 2003)
• Personal Service Agenturen (PSA): Ziel der PSA ist es, Arbeitslose
über Leiharbeit wieder in Lohn und Brot zu bringen.
• Kapital für Arbeit: Ziel des Programms ist es, Unternehmen mit
zinsverbilligten Krediten von bis zu 100.000 Euro dazu zu bringen, Arbeits-
oder Ausbildungsplätze zu schaffen.
Hartz
II (in Kraft seit 1. Januar 2003)
• Ich-AG: Förderung von Selbstständigkeit durch Existenzgründungs-Zuschüsse.
• Mini-Jobs: Anhebung der Verdienstgrenze bei geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen
auf 400 Euro.
• Schnellvermittlung / Zumutbarkeit: Meldepflicht bei Kündigung
und Verschärfung der Regeln für zumutbare Jobs zur Mobilisierung
der Arbeitslosen.
Hartz III (in Kraft seit 1. Januar 2004)
• Umbau der Bundesanstalt für Arbeit: Aus der Behörde Bundesanstalt
für Arbeit (BA) soll als kundenorientierter Dienstleister die Bundesagentur
für Arbeit werden.
Hartz IV (startet am 1. Januar 2005)
• Arbeitslosengeld II: Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe.
• Leistungseinschränkungen / Zumutbarkeit: Dazu zählen unter
anderem die Befristung des Arbeitslosengeld-Bezuges bei unter 55-Jährigen
auf bis zu zwölf Monate und bei über 55-Jährigen auf bis zu
18 Monate (ab 2006). Außerdem sollen Langzeitarbeitslose verpflichtet
werden, fast jeden „Job“ anzunehmen, auch für einen Hungerlohn
- andernfalls drohen Leistungskürzungen.
• Vermögensanrechung: Eigenes Vermögen und dies des Partners
und der Kinder wird oberhalb bestimmter Freigrenzen auf das Arbeitslosengeld
II angerechnet.
Schaut man sich die einzelnen Gesetzespakete und deren Wirkung einmal genauer
an, erkennt man schnell, was dahinter steckt: Bei Hartz I bis III handelt
es sich um Luftblasen, die längst geplatzt sind. Die Personal Service
Agenturen zum Beispiel sind nichts anderes als Bereicherungsagenturen auf
Kosten der Allgemeinheit. Daß die ICH-AGs gescheitert sind, bestreiten
heute nicht einmal die hartgesottensten Hartz-Befürworter. Und der Umbau
der BA zu einem „kundenorientierten Dienstleister“ ist wohl der
Treppenhauswitz des Jahres. Bis auf eine Namensänderung bleibt die Mammutbehörde
mit einem Jahresetat von 50.000.000.000 Euro (50 Mrd.) und einem jährlichen
Bundeszuschuß an Steuergeldern in Höhe von 30.000.000.000 (30 Mrd.)
eine gigantische Maschine zur Vernichtung von Beiträgen und Steuern,
mit dessen Hilfe eine ganze „Arbeitslosenverwaltungsindustrie“
sehr gut lebt.
Lediglich Hartz IV wird seine Wirkung nicht verfehlen. Die Gesetzesänderungen
sind für die Betroffenen von einschneidender Bedeutung als bei den vorangegangenen
„Reform“paketen.
Hartz IV
Wesentliches Element des Hartz-IV-Gesetzes ist die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe
(ALHI), verharmlosend und beschönigend dargestellt als „Zusammenlegung
von Arbeitslosen- und Sozialhilfe“. Schon 1993 und nochmals 1996/97
hat die von Helmut Kohl geführte Bundesregierung versucht, die Arbeitslosenhilfe
abzuschaffen. Das scheiterte damals aber am Widerstand der Kommunen, konkret
an einer von der Stadt Frankfurt am Main angedrohten Verfassungsklage. Das
reichte seinerzeit, um diese Pläne abzuwehren. Hintergrund des damaligen
Widerstandes war die unterschiedliche Finanzierung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe.
Die Kosten für erstere trägt der Bund; die Kosten der Sozialhilfe
bringen die Gemeinden auf.
Die Streichung der Arbeitslosenhilfe entsprechend den damaligen Plänen hätte die Abwälzung der Kosten der Langzeitarbeitslosigkeit vom Bund auf die Kommunen bedeutet. Dies mußten die Gemeinden befürchten, und dagegen haben sie sich seinerzeit vehement zur Wehr gesetzt. Widerstand der Betroffenen gegen die Pläne und Gesetze zur Streichung der Arbeitslosenhilfe ist heute deutlich mehr vorhanden und ausgeprägter als damals.
1996 fand
in Bonn eine große Demonstration mit 400.000 Menschen gegen die Zerschlagung
sozialer Errungenschaften statt. Ebenfalls 1996 spielte erstmals das Wort
„Sozialraub“ eine Rolle. Hinsichtlich der Erhaltung der Arbeitslosenhilfe
spielte diese Demonstration - als unterstützender Hintergrund für
die Abwehrkämpfe der Städte - ein äußerst wichtige
Rolle. Die Umsetzung der Vorhaben der Kohl-Regierung scheiterten damals und
so bleibt es den Sozialdemokraten wieder einmal vorbehalten, den Willen der
Banken und Konzernzentralen nach unten durchzureichen. Der zu erwartende Widerstand
der Gewerkschaften und Verbände, so das Kalkül, wird unter einem
sozialdemokratischen Bundeskanzler sicher deutlich geringer ausfallen, als
unter einem Helmut Kohl. Ermuntert wurden die Strategen des Sozialraubs zudem
durch äußerst positiven Erfahrungen aus dem Jahre 1999, als es
ausgerechnet einer von den „Grünen“ mitgeführten Regierung
gelang, deutsche Soldaten an einem völkerrechtwidrigen Angriffkrieg gegen
die Bundesrepublik Jugoslawien zu beteiligen. Der Widerstand der Friedensbewegung
hielt sich damals in kalkulierbaren Grenzen. Nun scheint es so, als ob der
Mohr Schröder seine Pflicht mit Kriegseinsatz und Sozialraub getan hat
und gehen kann. Schrieb ihn die Presse 1998 in einer riesigen Kampagne regelrecht
an die Macht, so schreibt sie ihn heute regelrecht ab. Die Grünen hingegen
werden, wie der pflegliche Umgang der Presse mit ihnen deutlich zeigt, immer
noch gebraucht. Die Liste der noch zu überfallenden Länder ist offensichtlich
immer noch sehr lang.
Die derzeitige Bundesregierung hat es wesentlich geschickter als ihre Vorgängerregierung
verstanden, den Widerstand der Gemeinden gegen die Streichung der Arbeitslosenhilfe
zu brechen: Eine wichtige Voraussetzung dafür war und ist sicher die
systematisch und vorsätzlich herbeigeführte drastische Verschlechterung
der allgemeinen Finanzlage der Gemeinden. Durch Änderungen bei den Regelungen
für die Gewerbe- und Körperschaftssteuer sind den Städten und
Gemeinden in den vergangenen drei Jahren Einnahmen in Höhe von mindestens
60 Milliarden Euro verloren gegangen. Dazu kommen immer mehr zusätzliche
Aufgaben ohne entsprechende finanzielle Ausstattung, sowie rasant steigende
Kosten für Sozialhilfe, Wohngeld und Asylbewerber, denen es einige Gemeinden
auf Kosten der eigenen Bevölkerung zudem besonders heimelig machen möchten.
Wie dramatisch die Situation der allermeisten Gemeinden mittlerweile ist,
zeigte die Stadt Halberstadt (Ldkr. Halberstadt, Sachsen-Anhalt). Die einst
ruhmreiche Bischofsstadt am nördlichen Rand des Harzes teilte ihren 450
Mitarbeitern Ende Juni mit, daß es Ende Juli wohl erstmals keine Gehaltszahlung
mehr geben wird. Mittlerweile hat die Stadt durch erneute Stundung der Kreisumlage
(730.000 EUR/mtl. zzgl. Zinsen) für die kommenden Monate zwar etwas Luft
zum Atmen erhalten, der Bankrott lässt sich jedoch nicht mehr aufhalten.
Und so wie Halberstadt, geht es wohl den meisten Gemeinden in der Bundesrepublik.
Vor diesem Hintergrund suchen die Stadträte und Kämmerer selbstverständlich
nach jeder Möglichkeit, Gelder einzusparen und Einnahmen zu erhöhen.
Geschickt verhielt sich die Bundesregierung und bot den Gemeinden quasi ein
Deal an: Der Bund streicht die Arbeitslosenhilfe, und die Gemeinden werden
an der Beute beteiligt. Es geht dabei um eine Summe von annähernd zehn
Milliarden Euro jährlich, die den Arbeitslosen genommen werden sollte.
Ein großer Teil davon, so wurde den Gemeinden in Aussicht gestellt,
sollte in ihre Kassen fließen. Der dritte Punkt, mit dem den Gemeinden
die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe schmackhaft gemacht wurde, gehört
in die Rubrik „Stärkung der kommunalen Verantwortung“. Die
Einigung sieht vor, dass 69 Kommunen und Landkreise die Möglichkeit erhalten
sollen, die Betreuung der Langzeitarbeitslosen nach dem Optionsgesetz in eigener
Regie zu übernehmen. Die Regierungskoalition hatte diese Möglichkeit
zunächst auf 29 Kommunen beschränken wollen. Die Opposition konnte
sich aber mit ihrer Zahl von 96 Kommunen durchsetzen. Nach der jetzt gefundenen
Lösung ist eine Grundgesetzänderung für die Übertragung
von Bundesmitteln an die Kommunen nicht mehr erforderlich. Die Kommunen erhalten
nun 3,2 Milliarden Euro aus Bundesmitteln für die Unterbringung und Alimentierung
von Langzeitarbeitslosen zur Verfügung. Wirtschaftsminister Wolfgang
Clement (SPD) hatte zuvor etwa 2,5 Milliarden Euro Bundesmittel zum Ausgleich
für die Kommunen angeboten. Die Union hatte bis zu 3,5 Milliarden gefordert.
Während die Bundesregierung ursprünglich mit einer Mehrbelastung
der Städte von 1,8 Mrd. Euro rechnete, geht der Städtetag tatsächlich
von einem Defizit von 4,8 Mrd. Euro aus, die Länder sogar von 6,8 Mrd.
Euro p.a. In mehreren Revisionsterminen, erstmals im März 2005, sollen
dann die tatsächlichen Belastungen der Städte ermittelt werden,
so die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU). Unabhängig,
ob diese Revisionstermine tatsächlich stattfinden und ob es aufgrund
unterschiedlicher Berechnungsansätze überhaupt zu einer für
die Städte tragbaren Einigung kommt, erkennt man hier rasch ein wesentliches
Hauptziel von Hartz IV: Massive Einsparungen des Bundes zu Lasten der Arbeitslosen
und möglichst auch noch zu Lasten der Gemeinden.
Was aber den so genannten "Förderteil" von Hartz IV angeht,
so ist dieser bei näherer Betrachtung ein alberner Papiertiger. Schuldnerberatung,
psychosoziale Beratung, Arbeitsgelegenheiten usw. sind steinalte Hüte
aus dem BSHG und sind in Wahrheit Kinkerlitzchen, die mit einer wirklichen
Alternative und Hilfe nichts zu tun haben. Der Skandal bei Hartz IV ist das
feiste Daherschwadronieren von angeblicher Förderung und verbesserter
Vermittlung, während es in Wahrheit um das Abstellen von Millionen Betroffener
in die Sozialhilfe mit allen unwürdigen Folgen geht. Auch die von den
Etablierten unverdrossen behauptete Verbesserung für bisherige Sozialhilfeempfänger
ist zumindest sehr zweifelhaft, bedenkt man nur mal den geplanten fast völligen
Wegfall von einmaligen Beihilfen. In Wahrheit versteckt sich auch hier eine
Verschlechterung. Hartz IV ist insgesamt ein Konglomerat aus fiesen Kürzungen
und ein lächerlicher Papiertiger namens "Fördern". Was
den Verweis auf andere Länder angeht, so ist dort der Förderteil
oftmals tatsächlich konkret und bietet eine reale Alternative in dem
Sinne, daß jedem Arbeitslosen tatsächlich ein Job angeboten werden
muß, so daß der „Forderteil“ zumutbar erscheint, weil
Fordern und Fördern ausgewogen sind. Bei Hartz IV ist dieses Verhältnis
völlig einseitig in Richtung "Fordern".
Es wird auch keine Änderung an Hartz IV geben, allenfalls solche, die
sowieso durch ein Bundesgericht gekippt werden könnten. Die Vertreter
des Kapitals haben bereits klare Anweisungen erteilt: Der Hauptgeschäftsführer
des Industrieverbandes BDI, Ludolf von Wartenberg, gab mittels des Zentralorgans
der Deutschen Wirtschaft, dem Handelsblatt die Anweisung aus, daß die
Hartz-Gesetze von SPD, Grünen, Union und FDP beschlossen worden und jetzt
müßten auch alle zu dieser Entscheidung stehen. Der Präsident
des Deutschen Industrie und Handelstages (DIHK), Ludwig Georg Braun, kritisierte
die Debatte um eventuelle Änderungen als „aktuelle Weichmacherei
quer durch fast alle Parteien“ und gab die Parole „Der Reformkurs
darf nicht gebremst werden!“ aus. Damit sind Vorstöße von
Politiker, die von der Angst getragen sind, vom Wähler einfach weggefegt
zu werden, wie z.B. Angela Merkel mit der Forderung nach Kombilöhnen,
vom Tisch.
Somit hat einer der größten Raubzüge in der Geschichte des
Kapitals hat begonnen. Davon handelt dieser Artikel.
„Die größte Kürzung von Sozialleistungen seit 1949“
Rund zwei Millionen Arbeitslosenhilfe(ALHI)-Bezieher und eine Million Sozialhilfe(SOHI)-Empfänger
werden dann das neue Arbeitslosengeld II (ALG II) bekommen. Das sind für
einen Erwachsenen 345 Euro in West- und 331 Euro in Mitteldeutschland. Hinzu
kommen Zuschüsse für Miete, Heizung und Kinder. Eine halbe Million
Bezieher von ALHI werden sämtliche Ansprüche verlieren, auch dann,
wenn sie sich vorher Jahrzehnte lang für gerade diesen Fall versichert
haben bzw. mußten, denn aus einer Versicherungsleistung ist eine reine
Fürsorge geworden. Ein Trugschluß wie sich jetzt herausstellt,
denn tatsächlich war die ALHI niemals eine Versicherungsleistung, sondern
wurde durch den Bundeshaushalt gedeckt. Die „FAZ-Online“ nannte
Hartz IV das, was es in Wirklichkeit ist: Die größte Kürzung
von Sozialleistungen seit 1949!
Wofür reicht das ALG II?
Olaf Scholz, mittlerweile geschasster SPD-Generalsekretär, gab BERLINER
ZEITUNG Ende 2003 ein Interview, in dem er erklärte, „wenn man
in Deutschland eine Vollzeitarbeit leistet, muss man davon auch leben können
…". Das, was sich eigentlich völlig normal anhört, ist
bei dem Hartz IV-Gesetz alles andere als selbstverständlich. Im Gegenteil,
nichts daran ist wahr, wie die einzelnen Hartz-Regelungen bei genauerer Betrachtung
zeigen. Scholz antwortete auf die Frage „Wieviel Geld braucht man, um
sich zu ernähren? Den Sozialhilfesatz?“, wie folgt: "Für
Alleinstehende ist das in etwa der Maßstab …“. Einmal abgesehen
davon, daß das für ihn selber sicher nicht gelten soll, lohnt es
sich, sich einmal anzuschauen, wie sich der „Maßstab Sozialhilfesatz“
eigentlich zusammensetzt. Dieser variiert von Bundesland zu Bundesland.
Im Regelsatz enthaltene Bedarfspositionen (Warenkorb Stand Juli 2002):
* Ernährung insgesamt 138,77 €
Nahrungsmittel 119,63 €, Getränke 9,50 €, Verzehr außer
Haus 9,64 €.
* Hauswirtschaftlicher Bedarf insgesamt 52,54 €
a) Beschaffung von Wäsche, Hausrat von geringem Anschaffungswert 22,58
€, davon: Strumpfwaren Kopfbedeckung Bekleidungszubehör Kurzwaren
4,67 €, Geschirr, Gebrauchsgüter für Haushaltsführung
5,12 €, andere Verbrauchsgüter: für Haushaltsführung 1,41
€, Wasch-, Putz-, Reinigungsmittel 4,65 €, Dienstleistungen/Fremde
Reparaturen/Installationen 6,70 €.
b) Instandsetzung von Kleidung, Schuhen 3,89 €, davon: Wäsche in
kleinerem Umfang 1,94 €, fremde Reparaturen und Änderungen an Bekleidung
0,71 €, fremde Änderungen und Reparaturen an Schuhen 1,12 €,
Schuhzubehör 0,12 €.
c) Haushaltsenergie 28,02 €
* Persönliche Bedürfnisse insgesamt 102,69 €
a) Körperpflege und Reinigung 19,87 €, davon: Verbrauchsgüter
für Gesundheitspflege 4,73 €, Gebrauchsgüter für Gesundheitspflege
1,23 €, Körperpflegemittel 3,82 €, Haarpflegemittel, Frisierartikel,
Rasiermaterial 1,26 €, Toilettenpapier, Papiertaschentücher, Hygieneartikel
1,76 €, Gebrauchsgüter für Körperpflege 0,44 €, Dienstleistungen
für Körperpflege 6,61 €.
b) Beziehungen zur Umwelt 36,87 €, davon: Fremde Verkehrsleistungen ohne
Reise 14,08 €, Fernsprech- und Postgebühren 22,79
c) Teilnahme am kulturellen Leben 18,35 €, davon: Bücher und Broschüren
5,76 €, Zeitungen und Zeitschriften 7,76 €, übrige Verbrauchsgüter
für Bildung, Unterhaltung, Freizeit 1,38 €, Besuche Theater, Kino,
Sportveranstaltungen 1,41 €, andere Dienstleistungen Bildung, Unterhaltung,
Freizeit 2,03 €.
d) Sonstige Persönliche Bedürfnisse insgesamt 27,61 €, davon:
Zubehör, Einzel- und Ersatzteile für Fahrräder 0,59 €,
Spielwaren 1,18 €, Sportartikel 0,71 €, Schnittblumen, Topfpflanzen
3,85 €, Dienstleistungen Kreditinstitute/Versicherungen 0,77 €,
Dienstleistungen und fremde Reparaturen sonstiger Art 1,53 €, Genußmittel
18,99 €.
insgesamt 2002: 294,00 € (seit 1.7.2003: 296,00
Euro, also geringfügige Veränderungen der einzelnen Positionen)
(Anmerkung: Bei der Position „hauswirtschaftlicher
Bedarf“ ist ein Rechenfehler von 5 Cent, die Zahlen stehen so in der
Vorlage)
Schaut man sich die Bedarfspositionen im Regelsatz einmal einzeln und genau
an, wird schnell klar, daß man damit keineswegs in einer sozialen Hängematte
liegt. Grob gilt bei der jetzigen Sozialhilfe (SOHI) folgende Einteilung:
30 % ist so genannter Barbetrag (= Taschengeld, darf derzeit nicht gekürzt
werden), 10 % für Haushaltsenergie (angemessener Stromverbrauch) und
60 % häuslicher Lebensunterhalt, der aber bei einem Krankenhausaufenthalt
gestrichen werden kann (Quelle: Leitfaden der Sozialhilfe von A - Z
Ausgabe 2002/2004).
Gegenüber der SOHI gibt es Veränderung zum Arbeitslosengeld II nach
Hartz IV: 47 Euro bekommt der ALG-II-Empfänger nun pauschal zusätzlich
für Bekleidung und Hausgeräteanschaffung (Ansparen für Bekleidung,
Schuhe, Wäsche, langlebige und preisaufwendige Gebrauchsgüter, Reparaturen,
Renovierungen, Qualifizierungen) dafür fallen die einmaligen Beihilfen
weg, die wesentlich höher waren und sich nach der tatsächlichen
Notwendigkeit und dem Gebraucht-Anschaffungswert richteten. Die Pauschale
kann zudem auch jederzeit gekürzt werden.
Die Redaktion der Anti-Hartz-Initiative „keine-agenda.2010.de“
hat einmal den Monatsetat eines Betroffenen untersucht und dargestellt, wie
der Monatsetat eines ALG-II-Empfängers in den neuen Bundesländern
in etwa aussehen wird und geht dabei für Nahrungs- und Genussmittel von
6 Euro pro Kalendertag aus:
Essen und Trinken, Genußmittel (Kaffee, Restaurant, Tabak, Getränke)
180,00 €
Haushaltsenergie (Kochen, Licht, Elektrogeräte) 20,00 €
Wäsche und Hausrat von geringem Wert, Putz- und Pflegemittel 15,00 €
Laufende Instandhaltung von Schuhen, Kleidung und Wäsche 2,00 €
Körperpflege und -reinigung, Gesundheitspflegemittel 19,00 €
Verkehrsleistungen (Bus, Bahn, Kfz) 19,00 €
Telefon, Porto, Internet, sonstige Kommunikationsleistungen 25,00 €
Geschenke, persönliche Bedürfnisse 1,00 €
Kontoführungsgebühren, Sonstiges 3,00 €
"Einmalige Bedarfe", entsprechend Hartz IV-Gesetz 47,00 €
Arbeitslosengeld II (ALG II): 331,00 €
Wie sich so eine Teilnahme am Leben, vor allem am kulturellen Leben realisieren
lässt, sollte der eingangs erwähnte Olaf Scholz einmal vormachen.
Aber selbst, wenn man damit längs kommt, was ist mit
• Büchern, Zeitungen?
• Veranstaltungen, Bildung?
• Kultur und Sport?
• Eintrittsgebühr Arztpraxis?
• Eintrittsgebühr Zahnarztpraxis?
• Vorsorgeuntersuchungen?
• Medikamentenzuzahlung?
• Zahnersatz-Kosten?
• Brillen oder anderen Sehhilfen?
• nicht verschreibungspflichtiger Medizin?
• Krankenhausaufenthalt?
• Zahnersatzpflichtversicherung?
• Krankengeldpflichtversicherung?
• Sonderbeitrag Pflegeversicherung?
• Unfall-, Haftpflicht-, Hausrat-, Rechtschutzversicherung?
• Lebens- oder private Rentenversicherungen?
• Bestattungskosten?
Das Problem ist aber nicht nur das Geld, sondern in erster Linie die nicht
Teilhabe an der Gesellschaft. Der untere Rand in der Gesellschaft liegt mittlerweile
unter Wasser. Als Alleinstehender mag das noch irgendwie gehen. Problematisch
wird das ganze, wenn auch noch Kinder vorhanden sind. Hier ist u. a. die Ausbildung
der Kinder nicht mehr gewährleistet. Auch sollte sich in dieser Gesellschaft
keiner eine schwere Krankheit antun, denn er wird dann schnell feststellen,
daß er dann die Wahl hat zwischen Medikamenten oder einem Butterbrot
hat, allen Schönfärbereien von Ulla Schmidt zum trotz. Es gibt mit
ALG-II keinen, selbst wenn er vorher in SOHI-Empfänger war, dem es besser
geht.
331 + 331 = 596 !
Wer nun glaubt, wenn ein ALG-II-Empfänger in Mitteldeutschland 331,-
Euro monatlich bekommt, daß dann ein arbeitsloses Ehepaar von zusammen
662 Euro leben muß, der irrt gewaltig. Tatsächlich wird hier noch
einmal extra gekürzt und noch einmal für Kinder:
Ein Beispiel:
Arbeitsloses Ehepaar aus Mitteldeutschland, zwei Kinder (12 und 15 J.). Beide
Elternteile erhalten nur noch 90% des Regelsatzes, also jeweils 298 Euro (zusammen
596 €). Für das älteste Kindes erhält die Familie nur
noch 80% (265 statt 331 €) und für das jüngste Kind 60% (199
statt 331 €).
Wer also bisher geglaubt hat, daß 331 + 331 = 662 ist, der wird also
durch die Hartz-Kommission eines besseren belehrt. Und noch eines zeigt dieses
Beispiel: besonders betroffen sind Familien mit Kindern. Das wundert allerdings
nicht, gilt die BRD doch ohnehin als eines der kinderfeindlichsten Länder
der Welt, zumindest wenn es um die eigenen geht. Warum sollte das auf einmal
anders sein?
Reizthema Wohnung
Die Macher des „Hartzer-Käse“ waren sich offensichtlich nicht
bewusst, welche Reaktionen sie besonders beim Thema „Wohnung“
erzielen werden. Und zu Recht, denn dieses Thema wird in den nächsten
Jahren noch zu erheblichen Spannungen sorgen. Redeten die Politiker bisher
immer von „Wohnung“, so ist nun immer öfters von „angemessener
Unterbringung“ die Rede. Ein gewaltiger Unterschied! Einige Vertreter
kommunaler Verbände schlugen als Höchstsatz 180 EUR Miete pro Monat
vor, die Stadt Dresden gar 50 EUR. Das sich für diese Beträge für
eine allein stehende Person in den allermeisten Fällen kein angemessener
Wohnraum finden wird, dürfte jedem klar sein. Aber in umgebauten ehemaligen
FDGB-Wohnheimen oder verlassenen US-Kasernen ließe sich dies sicher
realisieren. Die Stadt Magdeburg war eine der ersten, die Zahlen auf den Tisch
legte: eine Kaltmiete von 4,60 Euro je Quadratmeter sei angemessen. Das macht
bei einer alleinstehenden Person rund 184,- bis 207,- Euro Kaltmiete aus (40
-45 qm). In einer Stadt wie Magdeburg ist damit eine neu renovierte oder in
einem Neubau befindliche Wohnung nicht zu haben. Die rund 170.000 ALG-II-Empfänger,
die es alleine in Sachsen-Anhalt geben wird, werden also vornehmlich in kommunale
und Genossenschaftswohnungen einquartiert werden müssen, sofern sie da
nicht ohnehin schon wohnen. Für die Städte eine geniale Möglichkeit,
Mietzuschüsse drastisch zu kürzen, denn die 250 kommunalen und genossenschaftlichen
Wohnungsunternehmen allein in Sachsen-Anhalt besitzen 460.000 Wohnungen und
damit 70 Prozent des gesamten Mietwohnungsbestandes des Landes. Von diesen
460.000 gelten 400.000 als „angemessen“, was viel über die
Wohnqualität und den Standard in Mitteldeutschland aussagt. Und dass
ein Deutscher, der „ausgesiedelt“ wird, vornehmlich in die preiswerten
und unsanierten Plattenbauten kommt, dürfte selbstredend sein. Diese
sind normalerweise nur äußerst schwer zu vermieten, wie der große
Leerstand zeigt. Die Verbandsdirektoren der kommunalen und genossenschaftlichen
Wohnungsverbände von Sachsen-Anhalt, Jost Riecke und Ronald Meißner
sind geradezu begeistert, denn auch ihre bisherigen Mieter, die die zum Teil
in sehr heruntergekommenen Wohnungen leben müssen und diese lieber heute
als morgen verlassen würden, „dürfen auch in Zukunft ihre
Wohnung zu den heutigen Bedingungen nutzen“.
Tatsächlich wird nicht gerade in den ersten Monaten des nächsten
Jahres das Thema „Wohnung“ auf der obersten Stelle der Tagesordnung
der Sozialämter stehen, schließlich wird sich die Abarbeitung der
gigantischen Antragsflut und der Reaktionen darauf noch eine Weile hinziehen.
Aber schon bald werden die bankrotten Gemeinden das immense Einsparpotential
entdecken.
Kürzung auch bei bisherigen Beziehern von Arbeitslosenhilfe
(ALHI)
Eine weit verbreitet Falschmeldung ist, daß bisherige Empfänger
von ALHI nicht zu den Verlierern von Hartz IV gehören werden. Dies ist
nur bedingt richtig. Richtig ist, daß in erster Linie bei denen gestrichen
wird, die sich in Jahrzehnte langer Arbeit etwas aufgebaut haben. Bei denen,
die bereits weit unten angekommen sind, kann natürlich nicht mehr allzu
viel gekürzt werden. Während man bei SOHI-Empfängern vornehmlich
dann kürzt, wenn sie das tun, was man von ihnen immer pausenlos verlangt,
nämlich sich etwas dazuverdienen, kürzt man bei ALHI-Empfängern
direkt und unmittelbar. Dies geschieht einerseits durch indirekte Kürzung
über die verschärfte Anrechnung von „Vermögen“,
vor allem, wenn er einen Partner und Kinder hat, andererseits auch durch direkte
Kürzung der Leistungen.
Ein Beispiel:
Real existierendes Beispiel: Allein stehende Person (West) mit ALHI-Bezug.
Monatliche Miete: 250 EUR kalt, Heizkostenpauschale 30 EUR/mtl. Stand: 2004
mit Arbeitslosenhilfe.
803,16 monatliche ALHI
+ 50,00 Wohngeld
- 250,00 Miete (kalt)
- 30,00 Heizkosten
= 573,16 EUR Summe mtl. zur freien Verfügung
Gleicher
Fall unter ALG II ab 01.01. 2005:
Allein stehende Person (West), mit ALG II - Bezug
345,00 Regelleistung West
+ 250,00 „angemessene“ Miete + NK
+ 30,00 angemessene Heizpauschale / Gas
= 625,00 ergänzendes ALG II
- 250,00 Miete (kalt)
- 30,00 Heizkosten
= 345,00 EUR Summe mtl. zur freien Verfügung
FAZIT: Die allein stehende Person hat durch ALG-II bei nicht
geänderten Verhältnissen ein weniger an Einkünften von 228,16
EUR monatlich. Von den „zur freien Verfügung“ stehenden Leistungen
bestreitet sowohl der bisherige ALHI-Empfänger, als auch der zukünftige
ALG-II-Empfänger seinen Lebensunterhalt. Zu den festen Kosten, die der
ALG-II-Empfänger selbst zahlt, gehören u.a. Stromkosten, Warmwasser,
GEZ, Telefon, Internetanschluß, Kabelanschluß, Zeitungsabonnements,
Versicherungen, etc. Hinzu kommen Rücklagen für Reparaturen und
Anschaffungen (z.B. Kleidung). Realistisch dürften von 345 EUR (West)
für jemanden, der ein „normales und sparsames“ Leben führt
und trotzdem etwas am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilnehmen
will (durch Telephon, Internet, Zeitungsabonnement, Besuch von Sportveranstaltungen,
usw.) höchstens 200 EUR übrig bleiben. Das entspricht etwa 7 EUR
pro Tag. Hiervon muß der ALG II-Empfänger Lebensmittel und die
täglichen Gebrauchsgüter, wie z.B. Toilettenartikel, selbst bezahlen.
Die Zahl derjenigen, die aus der Schuldenfalle nicht mehr herauskommen, dürfte
in den nächsten Jahren noch immens steigen.
Ein weiteres Beispiel:
Eine Familie aus Mitteldeutschland mit einem Sohn (14 J.) und einer Tochter
(12 J.).Der Familienvater ist arbeitslos und erhält 970 Euro ALHI, Mutter
hat einen Teilzeitjob mit einem Monatslohn 750 Euro brutto (ca. 435 Euro netto).
Für die zwei Kinder gibt es 308 Euro Kindergeld. Der Wohnraum ist „angemessen“,
die Miete beträgt 440 Euro warm. Damit steht der Familie ein monatliches
Netto-Einkommen von 1.713 Euro zur Verfügung. Laut dem Gesetz zu Arbeitslosengeld
II hat die Familie einen Bedarf von 1.500 Euro im Monat. Dieser setzt sich
wie folgt zusammen: 298 Euro jeweils für Mutter und Vater, 199 Euro für
die 12-jährige Tochter und 265 Euro für den 14-jährigen Sohn.
Dazu kommen 440 Euro für Miete und Heizkosten. Der tatsächliche
Betrag, den die Familie von der Agentur für Arbeit bekommt, liegt jedoch
wesentlich tiefer. Das Einkommen der Frau wird nach Abzug des Freibetrags,
der Steuern und der Beiträge zu Sozialversicherung auf den Bedarf der
Familie angerechnet. Angerechnet wird auch das Kindergeld, und zwar in vollem
Umfang. Demnach bekommt die Familie 757 Euro ALG II, die sich wie folgt errechnen:
1.500 Euro gesetzlich festgeschriebener Gesamtbedarf, abzüglich 308 Euro
Kindergeld und abzgl. 435 Euro anzurechnendes Einkommen der Frau, macht 757
Euro. Zusammen mit dem Netto-Verdienst der Frau und dem Kindergeld hat die
Familie 1.665 Euro im Monat.
Fazit: Obwohl, wie in diesem Beispiel dargestellt, die Frau
Netto 435 Euro verdient, bleiben Dank Hartz nur noch 165 € über
(1665 € - 1500 €). Das Familieneinkommen wurde von 1.713 €
auf 1.665 € gekürzt, wird die Frau auch arbeitslos und erhält
ALG II, dann werden es nur noch 1.500 Euro sein (jeweils inklusive Miete und
Heizung). Zieht man die Miete ab (440 €), bleiben ab 01.01.2005 für
jedes Familienmitglied 306,25 Euro im Monat. Davon müssen sämtliche
Ausgaben bestritten werden. Zusätzliches Wohngeld gibt es bei ALG II
nicht.
Übergangsgeld
Arbeitslose, die am 01.01.2005 noch das bisherige ALG beziehen (dann ALG I),
erhalten ein Übergangsgeld, das die Anti-Hartz-Initiativen und Arbeitslosenorganisationen
zu dem umgetauft haben, was es tatsächlich ist: der „Armutsgewöhnungszuschlag“.
Arbeitslose, die am 01.01.2005 hingegen bereits die bisherige ALHI beziehen,
bekommen diesen „Armutsgewöhnungszuschlag“ nicht, denn sie
sind bereits arm und brauchen sich nicht mehr daran zu gewöhnen.
Ein Beispiel:
Ein Arbeitnehmer hat einen Nettoverdienst von 2.100 Euro/mtl. Er wird am 01.09.2004
arbeitslos und erhält das bisherige ALG in Höhe von 1.323 Euro,
also vier Monate lang in 2004. Theoretisch bekommt er, wenn er am 01.09.2005
auf ALG II statt auf ALHI umgestellt wird, dann ein Jahr lang den Armutsgewöhnungsfaktor
in Höhe von 160 €/Monat, dann ein weiteres Jahr mtl. 80 EUR. Praktisch
sieht das aber so aus: Er bekommt den ersten Zuschlag nur für acht Monate,
da er ja schon vier Monate ALG „verbraucht“ hat. Den zweiten und
deutlich niedrigeren Zuschlag erhält er ein Jahr lang. Die genaue Höhe
berechnet sich wie folgt: Erster Zuschlag 2/3 der Differenz (= 210 €)
seines bisherigen ALG (1.323 €) und seiner theoretischen ALHI (1.113
€), die er eigentlich im Anschluß bekommen hätte, max. jedoch
160 Euro. Tatsächlich erhält er nur 140 Euro (2/3 von 210 €)
und das auch nur acht Monate lang. Der zweite, deutlich niedrige Zuschlag
beträgt 1/3 der Differenz (seiner bisherigen ALG und seiner ALHI), die
er eigentlich im Anschluß bekommen hätte, max. jedoch 80 Euro/Monat.
Tatsächlich ist der zweite Armutsgewöhnungszuschlag nur 70 Euro
(1/3 von 210 €).
Bei genauerem Hinsehen erkennt man schnell, daß der großmäulig
hinausposaunte Zuschlag nicht einmal halb so viel wert ist, wie er von Politikern
oftmals als „soziale Komponente“ dargestellt wird.
„Vermögende“ Arbeitslose
Noch dramatischer verhält es sich bei Arbeitslosen, die bisher bereits
ALHI bezogen haben. Bei ihnen werden nicht nur die eigenen Ersparnisse und
Vermögenswerte angerechnet, sondern auch die des Partners und der Kinder.
Ausgenommen von dieser Regelung sind alle Verträge zur so genannten "Riester-Rente",
Rentenansprüche gegenüber Pensionskassen (Betriebsrenten) sowie
Leibrenten ("Rürup-Rente"). Außerdem wird jede andere
Art von Altersvorsorge nicht angerechnet, sofern sie nicht vor dem Ruhestand
verwertet werden kann. Es gilt dabei ein Freibetrag von 200 Euro pro Lebensjahr,
mindestens 4.100 und höchstens 13.000 Euro pro Partner.
Ein Beispiel:
Ein ALHI-Empfänger (52 J.) wird am 1.1.2005 auf ALG II umgestellt. Den
„Armutsgewöhnungsfaktor“ bekommt er schon einmal nicht. ALG
II bekommt er nur, wenn er, seine Partnerin oder seine Kinder nicht „vermögend“
sind. Sein Vermögensfreibetrag errechnet sich wie folgt: 52 Lebensjahre
mal 200 EUR macht 10.400 EUR Freibetrag, derselbe Betrag noch einmal für
angesparte Altersvorsorge. Hat derjenige nun in seinem Leben fleißig
gespart oder sich eine stattliche Altersvorsorge aufgebaut, so bekommt er
nun nichts mehr. Erst muß er Rentenverträge, Bausparverträge
oder Lebensversicherungen kündigen und aufzerren. Während dieser
Zeit muß er sich selbst gegen Krankheit versichern. Ebenso muß
er alles, was nicht zur normalen Haushaltsführung unabkömmlich ist,
wie z.B. eine in langen Jahren aufgebaute Schallplattensammlung oder ein in
der Garage stehendes Motorrad, zunächst zu Bargeld machen. Auch wenn
er gar nichts hat, seine 50-jährige Partnerin aber 40.000 Euro gespart
hat, so muß er das Geld erst bis auf 20.400 Euro (10.400 plus 10.000)
verbrauchen. Sollte seine Partnerin noch berufstätig sein, bekäme
er ebenfalls nichts. Sollte der ALG II-Antragsteller oder seine Partnerin
ein Haus besitzen, so bleibt dies nur dann unberücksichtigt, wenn die
Wohnfläche „angemessen“ ist. Für zwei Personen sind
das nach dem jetzigen Sozialhilfe-Standard bei Mietwohnungen rund 65-70 qm,
bei selbstgenutzten Häusern dürfte es sich bei rund 130 qm einpendeln
und bei selbstgenutzten Eigentumswohnungen bei rund 120 qm. Ist das Haus oder
die ETW größer, weil früher einmal Kinder drin gelebt haben,
ist unser ALG II-Antragsteller ebenfalls der Dumme. Liegt der zu erzielende
Verkaufserlös bei mindestens 90% des derzeitigen Verkehrswerts, kann
das Sozial- oder Arbeitsamt ihn zwingen, sein Haus zu verkaufen. Ähnliches
gilt für sein Kraftfahrzeug, welches ein ALG II-Empfänger im Gegensatz
zum bisherigen Sozialhilfe-Bezieher behalten darf. Aber auch das Kraftfahrzeug
muß „angemessen“ sein. Ist es unangemessen, muß es
ebenfalls zunächst zu Geld gemacht werden, das dann zuerst verbraucht
werden muß. Bekommt er nichts, zahlt er auch nichts in Renten- und Arbeitslosenversicherung
ein - mit dramatischen Folgen: Wer zehn Jahre von seinem „Vermögen“
lebt und nichts einzahlt, bekommt auch eine deutlich niedrigere Rente.
Ein weiteres Beispiel:
Ein Internet-Spezialist, 35 J., Westdeutschland. 1994 beendetet er sein Informatikstudium,
das er nach dem Wehrdienst in Regelstudienzeit und mit Bravour absolviert
hat. Er startet seine Karriere als Dipl.-Informatiker bei verschiedenen renommierten
Software-Häusern, wo er zunächst als Programmierer tätig ist.
1997, mit Beginn des goldenen Zeitalters der IT-Branche wird er „Senior-Consultant“
und „Project-Manager“. Sein Verantwortungsbereich umfasst mittlerweile
IT-Großprojekte im größeren siebenstelligen Euro-Bereich,
wodurch er auch umfangreiche Personalverantwortung trägt. Mit zunehmender
Verantwortung steigt auch sein Gehalt rasant an, als „Principal“
verdient er mittlerweile 120.000 € p.a. Das haut er aber nicht auf den
Kopf, sondern investiert in eine große Eigentumswohnung (160 qm), die
er zunächst mit seiner Freundin selbst bewohnt. Auch das dazugehörige
Auto, ein schickes 3er-Cabriolet wird finanziert. Das ist mit dem derzeitigen
Verdienst und den Steuereinsparungen durchaus möglich. Schließlich
denkt der junge Mann richtigerweise auch an seine Zukunft, an Kinder und sein
Alter. Außerdem weiß er, daß seine liebste Oma auf seinen
Namen seit seiner Geburt eisern gespart hat, damit es das Enkelkind einmal
besser hat. Der Sparvertrag soll 2005 mit einer sechsstelligen Summe fällig
sein, womit unser Beispiel-Informatiker eine Hypothek abzahlen möchte.
Nun aber ist mittlerweile die IT-Blase geplatzt, und es gibt eine ganze Armee
arbeitsloser Programmierer. Alle Versuche, etwas in dem Bereich zu finden,
den er beherrscht und für den er ausgebildet worden ist, schlagen fehl.
Auch deutlich schlechter bezahlte und fremde Tätigkeiten scheut unser
Beispiel-Informatiker nicht. Mittlerweile gelten 35-jährige Informatiker
als „nicht mehr formbar“. Nach ALG bezieht er mittlerweile ALHI.
Die Raten für die ETW bezahlt er aus den vorzeitig und mit Verlusten
aufgelösten Sparverträgen seiner Großmutter. Und nun kommt
Hartz IV, die Umstellung auf ALG II zum 01.01.2005 liegt an. Konsequenz: Er
wird nichts, rein gar nicht bekommen, denn er hat ja noch „Vermögen“
(aus den Sparverträgen). Dies muß er zunächst aufbrauchen.
Dann wird er definitiv seine ETW verkaufen müssen, denn 160 qm Wohnfläche
ist für einen Alleinstehenden viel zu groß. Den acht Jahre alten
VW Golf, den er mittlerweile statt des schicken Cabriolets fährt, darf
er behalten, da das „angemessen“ ist. Seine Freundin hat ihn mittlerweile
verlassen, denn ein „Looser“, der nicht zweimal jährlich
in den Urlaub fliegen kann, ist in dieser Gesellschaft einfach nicht „hipp“.
Nach dem Verkauf der Wohnung wird er erst recht nichts bekommen. In ein paar
Jahren, wenn er 38 Jahre ist und das „Vermögen“, also sein
hart erarbeitetes und das der Großmutter, bis auf einen Freibetrag von
dann 7.600 € für Lebensunterhalt, Miete und Bedienung der Banken
verbraucht ist, darf er von 345 € leben. Der Freibetrag dürfte dann
für einen „neuen“ Gebrauchten draufgehen, der Golf hat längst
seinen Dienst quittiert.
Wie man an den Beispiel erkennen kann, werden viele Menschen, die jahre- oder
sogar jahrzehntelang hart gearbeitet haben und immer in die Arbeitslosenversicherung
eingezahlt haben, nun mit leeren Händen dastehen. Bereits 2003 haben
die Sozialämter SOHI-Empfänger gezwungen, 50.000 Lebensversicherungen
zu kündigen. Es macht auch keinen Sinn, „Vermögen“ z.B.
vor einem ALG-II-Antrag z.B. an die Tochter zu verschenken oder gar zu verheimlichen.
ALG-II-Antragsteller sind zukünftig „gläsern“, müssen
auf Verlangen z.B. alle Kontoauszüge und Verträge vorlegen, auch
die des Partners und zwar bis zu einem Jahr rückwirkend. Die Bundesagentur
hat schon angekündigt, durch Hausbesuche die Angaben zu verifizieren.
Ferner will die Agentur für Arbeit Anfragen beim Bundesamt für Finanzen
durchführen, welche Freistellungsanträge der ALG-II-Antragsteller
gestellt haben. Alle inländischen Banken und Versicherungen werden dabei
berücksichtigt.
Besonders pikant: Gerade Schwulen- und Lesbenverbände, sonst immer nach
„gleichen Rechten“ schreiend, laufen gerade gegen die Vermögens-Regelung
Sturm. Grund: Bei sehr vielen dieser gleichgeschlechtlichen Paare ist zumindest
ein Teil arbeitslos. Der muß nun vom Einkommen oder Vermögen seines
Partners alimentiert werden. So hatten sich diese Damen und Herren eine gleichberechtigte
Partnerschaft nun auch wieder nicht vorgestellt und fordern lauthals eine
Änderung der Regelung. Fairerweise muß man aber hinzufügen,
daß sie das für alle Partnerschaften fordern.
Auch typisch für die BRD: Nicht angerechnet, weder als Vermögen
noch als Einnahme, werden selbstverständlich alle Leistungen, die Aufgrund
angeblicher oder tatsächlicher Verfolgungen während der Hitler-Kanzlerschaft
gezahlt werden. Solche Leute sind offensichtlich immer bedürftig.
Vielfach hört man den gut gemeinten Ratschlag, man soll sein „Vermögen“
doch einfach „riestern“. Diese staatlich geförderte Altersvorsorge
("Riester-Rente") bleibt nämlich - egal, wie hoch sie ist -
unangetastet. Wer vorhandenes Vermögen jetzt entsprechend anlegt, handelt
legal. Und tatsächlich: Mit der „Riester-Rente“ baut man
kein Kapital, also Vermögen, auf, sondern erwirbt einen zusätzlichen
Rentenanspruch gegenüber diesem maroden Staat. Doch wer sich darauf verlässt,
könnte schon sehr bald verlassen sein. Wie so etwas geht, daß erfahren
gerade die über 58-jährigen Arbeitslosen. Viele unterzeichneten
die so genannte 58er-Regelung: sie werden, damit die Arbeitslosenstatistik
geschönt wird, aus der Vermittlung herausgenommen und erhalten weiterhin
ALG oder ALHI. Dafür müssen sie aber binnen kurzer Zeit die Rente
beantragen und diese akzeptieren, auch wenn es weniger als das ALG ist. Dafür
dürfen sie dann ihr ALG bis zum entsprechenden Zeitpunkt behalten. Nun
werden diese Leute, es sind wohl mindestens 164.000, die das unterzeichnet
haben, auch auf das niedrigere ALG II gesetzt und müssen ihr „Vermögen“
offen legen. Viele von ihnen werden bis zur Rente nun nichts mehr bekommen.
Die bittere Erkenntnis: Wer diesem bankrotten Konstrukt namens BRD auch nur
einen Cent gibt, kommt sehr rasch zu der Erkenntnis, daß er auf Sand
gebaut hat.
„Vermögende“ und bereits verstorbene
Arbeitslose
Wenn nun jemand glaubt, ein ALG-II-Empfänger hätte Ruhe, wenn er
„zur großen Armee“ einberufen wird und sein „Vermögen“
sei im Reiche Gottes vor den Häschern der BA sicher, der irrt gewaltig.
Das, was sich zunächst wie ein schlechter Treppenhauswitz anhört,
weicht bei genauer Betrachtung einer bitteren Realität: Die Erben von
Langzeitarbeitslosen müssen das an den Verstorbenen gezahlte ALG-II zurückzahlen!
Das gehe aus dem Hartz-IV-Gesetz zur Zusammenführung der Arbeitslosen-
und Sozialhilfe hervor, bestätigte ein Sprecher von Bundeswirtschaftsminister
Wolfgang Clement erst kürzlich. Vererbt z.B. ein ALG-II-Empfänger
seine selbstgenutzte Eigentumswohnung oder eine Lebensversicherung, muß
der Erbe aus diesem Vermögen das in den vergangenen zehn Jahren vor dem
Erbfall gezahlte Arbeitslosengeld II, sofern es mehr als 1.700 Euro sind,
komplett zurückerstatten! Der Staat hat drei Jahre Zeit, den Ersatzanspruch
geltend zu machen. Die an das Sozialhilferecht angelehnte Vorschrift soll
es der maroden BRD ermöglichen, jene Leistungen zurückzufordern,
durch die der Hilfeempfänger erst in die Lage versetzt wurde, etwas zu
vererben. Sonstiges Einkommen und Vermögen der Erben sind nicht antastbar.
Sollte das Erbe an den Lebenspartner des ALG-II-Empfängers gehen, erhält
dieser einen Freibetrag von 15.500 Euro (das gleiche gilt, wenn Verwandte
erben, die den Hilfebezieher dauerhaft bis zu seinem Tode gepflegt haben).
Beispiel:
Ein 52-jähriger ALG-II-Empfänger (West) bezieht ab dem 01.01.2005
für sieben Jahre ALG-II in Höhe von 345 Euro. Er bewohnt ein „angemessenes“
Häuschen, für den noch einige Hypotheken-Zinsen zu bezahlen sind.
Für Zinszahlungen und Versicherungen überweist ihm das Sozialamt
fünf Jahre lang monatlich 300 Euro (statt Miete). Nach sieben Jahren,
am 31.12.2011 verstirbt der ALG-II-Empfänger. Bis dahin hat er insgesamt
54.180 Euro erhalten. Erbt seine Partnerin das Haus, muß sie nun sehen,
woher sie auf die Schnelle 38.680 Euro herbekommt. Erben die Kinder, müssen
sie die 54.180 Euro aus dem Erbe zurückzahlen. Sie dürfen dabei
auch noch froh sein, daß ihr eigens Geld nicht angetastet wird, falls
das Häuschen nicht zu einem entsprechenden Preis veräußert
werden kann, da die Ersatzpflicht derzeit noch auf den Wert des Nachlasses
bei Eintritt des Erbfalls begrenzt ist.
Diese Regelung, wie in dem vorangegangenen Beispiel gezeigt, ist keineswegs
eine neue Erfindung aus der Gruselkammer des Clementschen Ministeriums. Schon
jetzt wird bei Sozialhilfeempfängern in gleicher Art und Weise gehandelt,
wenngleich dies bis dato keine so umfassenden Auswirkungen hatte, denn die
allermeisten SOHI-Empfänger hatten schlicht nichts zu vererben. Nun aber
tritt eine neue Entwicklung ein. Die meisten ALG-II-Empfänger haben vorher
jahrelang gearbeitet und sich etwas aufgebaut oder erspart. Daran will dieser
marode Staat nun ran, auch über den Tod der Betroffenen hinaus.
Zuverdienst
Eine weitere wichtige Änderung steht beim Thema „Zuverdienst“
an. Bisher konnte ein ALG- oder ALHI-Bezieher im Monatsdurchschnitt 165 EUR
hinzuverdienen. Nun tönen einige „Sozialpolitiker“, daß
ein zukünftiger ALG-II-Bezieher ab dem 01.01.2005 bis zu 300 EUR mtl.
hinzuverdienen könne. Ein wahre soziale Errungenschaft sei das. Schauen
wir uns das einmal genauer an:
Ein Beispiel:
Ein ALG-II-Bezieher erhält einen Minijob mit 400€/mtl. brutto. Davon
darf er lediglich 15%, sprich 60 EUR behalten. Hat er eine Tätigkeit,
die bis 900 EUR/mtl. entlohnt wird, darf er für die ersten 400 EUR 15%
behalten und für den Rest bis 30%, sprich 150 EUR, macht zusammen 210
EUR pro Monat (60 € plus 150 €). Hat der Arbeitslose das Glück,
einen Nebenverdienst von 1.500 EUR (max.) zu erzielen, dann darf er von den
ersten 400 EUR 15% behalten, 30% von dem Teil zwischen 400 EUR und 900 EUR
und vom Rest (900 € bis 1.500 €) noch einmal 15%. Das macht zusammen
300 EUR (60 € plus 150 € plus 90 €).
Also nur wenn ein Arbeitsloser das Glück hat, eine und mehrer Arbeitsstellen
mit max. 1.500 EUR Monatsverdienst zu bekommen, dann verdient er netto 300
EUR dazu. In der Regel wird der Arbeitslose aber den „Zuverdienst“
als Haupteinnahmequelle nehmen, denn bei den radikalen Kürzungen bei
der Sozialhilfe, steht er mit 1.500 EUR brutto finanziell besser da. Konsequenz:
Selbst arbeitslose Fachkräfte wie Ingenieure, Ärzte und Rechtsanwälte,
werden in Zukunft für 1.500 Euro arbeiten müssen. Sachsen-Anhalts
Ministerpräsident Wolfgang Böhmer war der einzige, der offen aussprach,
wo solche Regelungen in Wahrheit hinführen: Zu noch mehr Schwarzarbeit.
Denn die allermeisten Arbeitslosen dürften überhaupt froh sein,
einen „Zuverdienst“ zu erhalten. Und solche Stellen liegen eher
bei 400 EUR. Wenn dann ein Arbeitsloser bei einer Nebentätigkeit mit
20 Std. in der Woche nur noch 60 EUR ausbezahlt bekommt, dazu zukünftig
noch evtl. entstehende Fahrtkosten und/oder Kosten für Arbeits(schutz)kleidung
selber tragen muß, dann bleibt am Ende nichts mehr über.
Zumutbarkeit
Langzeitarbeitslose müssen künftig jeden legalen Job annehmen müssen,
dessen Bezahlung nicht sittenwidrig ist (auch bei Bezahlung bis 30 Prozent
unter Durchschnittsniveau). Wer ein Angebot ausschlägt, ohne daß
eine Krankheit vorliegt oder andere soziale Gründe geltend gemacht werden
können (z.B. Kindererziehung), dem wird radikal ein Teil der Leistung
gekürzt. Ab Januar sind auch Minijobs bis 400 Euro zumutbar. In der Praxis
bedeutet das, daß Arbeitslose, auch Fachkräfte mit Hochschulausbildung,
zukünftig als Bratwurstverkäufer arbeiten müssen, selbst dann,
wenn der Verdienst 30% unter dem ortüblichen Durchschnittniveau eines
Bratwurstverkäufers liegt. Ein hochqualifizierter und gut ausgebildeter
Fachmann, der zukünftig ein Jahr lang als Parkwächter arbeitet,
wird im Anschluß erst recht keine Arbeit mehr finden, denn mit jedem
Monat, den er aus dem Beruf ist und dabei auch noch älter wird, schwinden
sein Chancen noch mehr. Volkswirtschaftlich betrachtet ist das doppelt kontraproduktiv.
Unterdessen erwägt die Bundesagentur für Arbeit (BA) sogar, arbeitslosen
jungen Leuten auch freie Zivildienstplätze anzubieten. BA-Vorstandsmitglied
Heinrich Alt erklärte kürzlich in Berlin, derzeit seien 60.000 Stellen
im Zivildienst unbesetzt. Es müsse geprüft werden, ob ein Teil der
rund 450.000 Jugendlichen ohne Job für einen solchen Einsatz geeignet
sei. Besonders perfide ist es, zunächst Pflege- und Krankenversicherungen
auf Kosten der im Gesundheitsdienst beschäftigten und der Patienten auszuplündern,
und dann die eigene Jugend dazu zu zwingen, für Niedrigstlöhne die
Lücken zu stopfen.
600.000
neue „Jobs“
Oftmals wird behauptet, Hartz IV schaffe keine Arbeitsplätze. Minister
Wolfgang Clement (SPD) widersprach dem heftig: 600.000 Stellen im Niedrigstlohnbereich
sollen werden. Gemeint sind damit, und das bestätigte „WC“
ausdrücklich, so genannte „1 Euro-Jobs“. Schließlich
dürfe ja die Gesellschaft für die honorable ALG II-Leistung eine
Gegenleistung verlangen, wie Berlins Wirtschaftsenator Harald Wolf (PDS) beipflichtend
anmerkte. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsförderung (DIW) rechnet
mit mindestens 300.000 neuen Beschäftigungsverhältnissen, wie dessen
Arbeitsmarktexperte Viktor Steiner erklärte. Besonders die knapp 500.000
Betroffenen, die ab 01.01.2005 gar nichts mehr bekommen, stünden nach
Meinung des DIW unter enormen Druck.
Daß das so kommen wird, bestätigten die sogenannten Wohlfahrtsverbände
wie Caritas, Arbeiterwohlfahrt (AWO), Diakonie und Paritätischer Wohlfahrtsverband.
Joachim Kendelbacher, Pressesprecher der Arbeiterwohlfahrt (AWO), bestätigte
auch gleich, daß nun Einstellungen geplant seien. Alleine die AWO wolle
mindestens 2.500 neue Mitarbeiter einstellen, die Paritätische 3.000.
Insgesamt werden diese Organisationen, die weder was mit „Arbeitern“
und erst recht nichts mit deren Wohlfahrt zu tun haben, Einstellungen im fünfstelligen
Bereich vornehmen. Alle für einen Euro Stundenlohn, versteht sich. Offiziell
heißen diese Jobs „Ergänzungstätigkeiten im Umfeld der
Altenpflege und in den Kindertagesstätten“.
Es ist noch nicht allzulange her, daß man meinen konnte, die Wohlfahrtsverbände
hätten sich in die Front der Hartz-Kritiker eingereiht. Noch vor wenigen
Monaten wurde die „soziale Schieflage“ heftig kritisiert und vehement
auf die Gefahr wachsender Alters- und Kinderarmut hingewiesen. Diese Worte
sind verstummt. Inzwischen ist bei den Vorständen der Wohlfahrtskonzerne
die Erkenntnis eingekehrt, daß man mit der Verwaltung der Armut dank
Hartz IV in der BRD noch mehr Profit machen kann, als das bisher für
möglich erachtet wurde. Wachstumsraten und Expansionsmöglichkeiten
ungekannten Ausmaßes werden den Konzernen eröffnet. Hungerlöhne
von ein oder zwei Euro die Stunde wären auf dem normalen Arbeitsmarkt
nicht möglich gewesen. Egal ob z.B. Fahrdienste für Senioren oder
Essensausgabe in Kitas und Ganztagsschulen, einfache Betreuung in Altersheimen
oder Hilfstätigkeiten in psychiatrischen Anstalten, diese Tätigkeiten
werden in Zukunft ALG-II-Empfänger für einen Euro pro Stunde leisten
müssen. Für AWO & Co ein echter Glücksfall, denn schließlich
bereitet ihnen seit Jahren die Finanzierung ihrer parasitären und gefräßigen
Apparate der Armutsverwaltung Kopfschmerzen. Für die Etablierten eine
frohe Kunde, denn schließlich sind die dortigen Führungspositionen
ein beliebtes und üppiges Gnadenbrot für deren ausrangierte Kommunal-
und Landespolitiker. Clement wird sich über die Unterstützung der
Wohlfahrtsverbände sehr gefreut haben, da er und die anderen den Widerstand
des Volkes gegen Hartz IV offenbar deutlich unterschätzt haben.
Neben den Wohlfahrtverbänden werden reihenweise 1 Euro-Jobs im handwerklichen
Bereich und im Dienstleistungsbereich, insbesondere in der Gastronomie geschaffen.
Schon jetzt warnen Handwerkskammern davor, daß der Einsatz von ALG-II-Empfängern
bei kommunalen Aufgaben zu massiven Abbau von regulären Arbeitsplätzen
führt. Diese Befürchtung teilt auch das Deutsche Institut für
Wirtschaftsforschung, daß erst kürzlich darauf hinwies, daß
die „Mini-Job-Regelung, von der Bundesregierung als „Erfolgsmodell“
dargestellt, in Wahrheit nur dazu geführt hat, daß in gleicher
Größenordnung reguläre Arbeitsplätze abgebaut wurden.
Mit Hartz IV wird dies allerdings in einer nie dagewesenen Größenordnung
passieren. Die Einschätzung von Minister Clement dürfte sicher zutreffend
sein. Damit wird 600.000 Menschen der letzte Rest Würde genommen und
den allermeisten zudem die weitere Zukunft verbaut. Eine Chance, durch vorübergehende
Niedrigstlohntätigkeit wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen, sieht
nicht einmal das Institut der Deutschen Wirtschaft. Deren Arbeitsmarktexperte
Holger Schäfer erklärte gegenüber der BERLINER ZEITUNG, daß
die Eingliederungschancen der Arbeitslosen dadurch überhaupt nicht steigen
würden, Arbeitslose zudem stigmatisiert würden.
Doch in einem Bereich werden tatsächlich neue Arbeitsplätze geschaffen:
Immer mehr Arbeits- und Sozialämter wollen sich ab Januar 2005 von Wachdiensten
beschützen lassen. Die fehlende Einsicht der Betroffenen scheint offensichtlich
nicht nur den Etablierten Sorge zu bereiten.
Krieg gegen junge Arme: Beispiel Mannheim
Mit Aufkommen der Montagsdemonstrationen werden die Etablierten nicht müde,
Beruhigungstabletten zu verteilen: Das wird alles nicht so schlimm, es wird
auch weiterhin sozial gerecht zugehen (als ob es das jemals war!). Ein real
existierendes Beispiel, wie man Arbeitslose regelrecht aus dem Leistungsbezug
drängelt, zeigt das Beispiel der Stadt Mannheim. Dort führt die
Stadt einen regelrechten Krieg gegen junge Arbeitslose, mittels so genannter
„Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung durch Verbesserung der
Sozialhilfe“, mit deren Hilfe bereits jetzt die Hälfte der unter
25jährigen aus der Sozialhilfe gedrängt wurde und weitere Leistungen
drastisch gekürzt wurden. Die Mannheimer Stadtverwaltung hatte die Vorschläge
des Sozialamtsleiters Hermann Genz umgesetzt und das wichtigste dran: Die
von ihm in Mannheim durchgedrückten Maßnahmen sind seit kurzem
Modellprojekt zum exemplarischen Ausbau des Sonderprogramms „Jump Plus“
und stellen damit einen Vorgriff auf das Arbeitslosengeld II (ALG II) dar.
Die Mannheimer Betroffenen haben also schon einmal einen bitteren Vorgeschmack
von den Folgen von Hartz IV bekommen. CDU-Verlautbarungen, ALG-II-Empfänger
sollten zum „Laternenputzen“ oder zur „Hundekotentsorgung“
eingesetzt werden, sind eindeutig. Auch nach Informationen des Deutschen Gewerkschaftsbundes
(DGB) wird über eine bundesweite Ausdehnung des „Mannheimer Modells“
für unter 25jährige nachgedacht.
Amtsleiter Genz hatte seine Repressalien bereits beschließen lassen,
als die Hartz-Kommission erst noch über die anstehenden Arbeitsmarktreformen
beriet. In einer Drucksache der Mannheimer Verwaltung vom 11. November 2003
heißt es wortwörtlich: „Es sollen Anreize für einen
Verbleib in der Sozialhilfe reduziert oder gar gänzlich gestrichen werden.“
Insgesamt sollten dadurch 21,89 Millionen Euro eingespart werden - auf
dem Rücken der Einkommensschwachen. So wurden massive Kürzungen
durchgesetzt. Die Anschaffungskosten für Hausratsgegenstände und
Elektrogroßgeräte werden nur noch mit halbierten Preisen erstattet
- und das auch nur dann, wenn sie gebraucht gekauft werden. Die Bekleidungspauschale
wird von jährlich 260 auf 240 Euro gekürzt. Als „angemessene
Unterkunftskosten“ werden nur noch maximal 4,60 statt zuvor sechs Euro
pro Quadratmeter anerkannt. Die „angemessene“ Wohnfläche
für Sozialhilfeberechtigte wird bei Alleinstehenden von 45 auf 41 Quadratmeter
reduziert.
Gleichzeitig wurde eine so genannte Sonderarbeitsgruppe aus besonders erfahrenen
Sachbearbeitern zur Überprüfung der „teuersten Zahlfälle“
eingesetzt, ein Prüf- und Kontrolldienst („Bedarfsfeststellungsdienst“)
wird aufgebaut - mit der Maßgabe, bis zu 40.000 Hausbesuche pro
Jahr durchzuführen und eine geschätzte Gesamteinsparung von drei
bis sechs Prozent der Sozialhilfekosten zu erwirtschaften - so die Aussage
in der Drucksache 583/2003 der Verwaltung vom 11. November 003.
Genz war erst im Spätsommer 2003 von Köln nach Mannheim gekommen.
In der Fachöffentlichkeit ist er bundesweit für seinen rigiden Krieg
gegen einkommensschwache Leistungsberechtigte bekannt. Zehn Monate nach seinem
Amtsantritt in Mannheim lagen bereits die ersten Ergebnisse des Feldzuges
gegen die eigene Jugend vor. Aus der „Bilanz des Sonderprogramms Jump
Plus“ der Sozialverwaltung geht hervor, daß von 1.100 jungen Erwachsenen,
die durch das Job-Center zu Arbeiten herangezogen wurden, 658 aus der Sozialhilfe
herausgedrängt wurden. Bereits am 16. April resümierte die Mannheimer
„Stabsstelle Sozialhilfe“: „Das Sonderprogramm zeigt Wirkung.
Die Zielgruppe für das Programm Jump Plus hat sich halbiert ... Ziel
ist es, den Zugang junger Menschen zur Sozialhilfe zu verhindern oder ihren
Verbleib in der Sozialhilfe zu beenden“.
Der Stabsstelle wurde es aber auch besonders leicht gemacht. Denn eine Jugend,
die jahrelange nicht auf Werte wie Fleiß, Pünktlichkeit, Ehre und
Anstand erzogen wird, sondern mittels Glotze und PISA verblödet und zudem
entweder auf „Null-Bock“, Drogen oder „Fun“ orientiert
wird, ist für einen „Oberkommandierenden Genz“ eine leichte
Beute: 1.100 junge Leute zwischen 18 und 24 Jahren wurden zum Mannheimer Sonderprogramm
Jump Plus herangezogen. Davon kamen 275 (25 Prozent) nicht zum ersten Vorstellungstermin,
101 Personen (9,1 Prozent) haben eine vermittelte Beschäftigung nicht
angetreten. 176 Personen (16 Prozent) haben eine Beschäftigung wieder
abgebrochen. Macht zusammen 552 (50,1 Prozent), die mit Streichung der Sozialhilfe
bestraft wurden. Nach dem Hartz-IV-Gesetz sind unter 25jährige unverzüglich
nach Meldung bei der Arbeitsagentur in Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit
zu vermitteln (Paragraph 3 II SGB II). Wenn sie sich weigern, ein Angebot
anzunehmen, sind ihnen sofort für drei Monate die Regelleistungen zu
streichen. Allerdings sind ihnen ergänzende Sachleistungen und geldwerte
Leistungen (Lebensmittelgutscheine) zu gewähren. Für diese Passagen
im Gesetz hat das Mannheimer Modell offenbar Pate gestanden.
Aber das wichtigste: Die Vertreter der Stabsstelle Sozialhilfe machen sich
derweil offenbar überhaupt keine Gedanken über den Verbleib der
Betroffenen und derjenigen jungen Erwachsenen, die trotz Bedürftigkeit
aufgrund der rigiden Praxis gar nicht erst Sozialhilfe beantragt haben. Was
passiert eigentlich mit denen? Wo leben die nun und wovon? Das scheint niemanden
in Mannheim zu interessieren. Und wie die Zukunft einer Stadt aussieht, die
eine große Zahl von jungen Menschen in die absolute Perspektivlosigkeit
und Armutskriminalität drängt, kann sich jeder aussuchen. Aber auch
eins sollte klar sein: niemand will faule junge Menschen ohne Vorbehalte unterstützen,
was aber dringend notwendig wäre, wäre echte Hilfe in einem fordernden
und fördernden Miteinander. Letzteres findet im Mannheim nicht statt
und ist auch konzeptionell so nicht gewollt. Hier geht es nur noch um Abschreckung
und Herausdrängen. Die Jugend von Mannheim durfte als erste erfahren,
was Hartz IV in Wirklichkeit bedeutet!
Hausbesuche
Damit ein ALG-II-Antragsteller erst gar nicht auf die Idee kommt, z.B. seine
umfassende Sammlung alter Klassik-Platten zu verheimlichen, sind nun umfassende
„Hausbesuche“ durch die BA geplant. Dies sind nichts anderes als
Kontroll- und Schnüffeleinsätze. Kontrolliert wird z.B., ob die
Wohnung wirklich „angemessen“ ist. Ein ausgebauter Dachboden,
der bei einem Hausbesuch entdeckt wird, kann dann zum Aus führen. Kontrolliert
wird auch das soziale Umfeld des ALG-II-Antragstellers. Insbesondere werden
Nachbarn befragt, z.B. ob eine ledige Antragstellerin öfters Herrenbesuche
bekommt, wie oft die da sind, wie oft die über Nacht bleiben usw. usf.
Gelangt die BA daraus zu der Einschätzung, daß die Antragstellering
ein „eheähnliches Verhältnis“ führt, und hat dies
nicht angegeben, wird ihr sofort die Leistung gestrichen. Verstärkt werden
solche Einschätzungen dadurch, wenn die BA bei ihren Hausbesuchen in
der Wäschetruhe Herrenunterwäsche und im Badezimmer Rasierwasser
findet. Das reicht allemal, den begründeten Verdacht, der sich durch
Nachbarbefragungen ergeben hat, zu erhärten. Natürlich braucht niemand
einen BA-Mitarbeiter in seine Wohnung zu lassen. Dies kann aber als „Verletzung
der Mitwirkungspflicht“ ausgelegt werden und führt in der Regel
bei SOHI-Empfängern heute schon zu sofortigem Ende des Leistungsbezuges.
Antragsformulare
Selbst diejenigen, die Hartz IV im Bundestag abgesegnet haben, können
das aufkommende Desaster bei den Anträgen nicht mehr verheimlichen. Der
CDU-Abgeordnete Volker Kauder kritisierte im Bundestag, das 17-seitige Antragsformular
überfordere viele Betroffene. Da hat er natürlich Recht. Es kann
aber durchaus davon ausgegangen werden, daß das so gewollt ist. Jeder
nicht eingereichte Antrag, oder jeder mit unzureichenden, falschen oder sich
widersprechenden Angaben kann schon zu Leistungsverkürzungen, -verzögerungen
bzw. -streichungen führen. Mehrere AA-Mitarbeiter bestätigten
auf Anfrage der Redaktion von keine-agenda2010.de, daß das auch durchaus
so gewollt ist und so gehandhabt werden soll. Das am 01.01.2005 alle Anträge
bearbeitet sind und die Zahlungen angewiesen sind, dürfte eher unwahrscheinlich
sein. Der Berliner CDU-Politiker Peter Kurth sagte ein behördliches Chaos
ab dem 1. Januar 2005 voraus. „Hartz IV wird Maut II“, sagte der
der Berliner Zeitung. Die Berliner Behören zum Beispiel müssen seit
dem 19. Juli allein in der Stadt Berlin 290.000 Anträge, das sind mehr
als vier Millionen Seiten Papier, versenden und auswerten.
Die Folgen von Hartz IV
Vertreter der Sozialverbände haben vor dramatischen sozialen Folgen durch
die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe gewarnt. Die Zahl der
Armen in Deutschland werde durch das so genannte Hartz-IV-Gesetz von 2,8 auf
4,5 Millionen steigen, sagte der Geschäftsführer des Paritätischen
Wohlfahrtsverbandes, Werner Hesse. Die Nationale Armutskonferenz erklärte,
die Zahl der Minderjährigen, die von Sozialhilfe leben müssten,
werde sich auf 1,5 Millionen verdreifachen. Knapp 500.000 Menschen werden
gar nichts mehr bekommen, obwohl sie u.U. jahrzehntelang Beiträge bezahlt
haben (Beispiel s.o.). Knapp 1.000.000 Menschen werden schlechter gestellt.
Drei von vier Beziehern von Arbeitslosenhilfe müssen also durch die beschlossene
Verschmelzung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II mit
Einbußen rechnen. Den 1,5 Millionen Arbeitslosen, die keine oder nur
noch eine verringerte Leistung erhalten, stehen lediglich 330 000 Betroffene
gegenüber, die durch Hartz IV höhere Leistungen bekommen. Das hat
der DGB auf der Basis der Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche
Anfrage des Unionsabgeordneten Robert Hochbaum errechnet. (siehe Grafik)
Besonders kritisch ist jedoch die Auflage, wonach „vermögende“
Langzeitarbeitslose auch ihre Lebensversicherung aufbrauchen müssen (Beispiel
siehe oben). Auf diese Weise produziert die „Reform“ eine neue
Altersarmut. Das Konzept von Hartz IV ist keine Förderung für Arbeitslose
wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu gelangen, sondern, den klassischen Arbeitslosen
damit in kürzester Zeit in die Armut abzuschieben.
In besonderem
Maße sind die Vorschläge von Peter Hartz verheerend für Mitteldeutschland.
Niedriglohnsektoren würden hier die Binnenkaufkraft noch mehr schwächen
als dies die niedrigen Einkommen hier ohnehin schon tun. Gleichzeitig bekämen
die zahlreich vertretenen kleinen und mittleren Unternehmen mehr Billigkonkurrenz
- eine zusätzliche existenzielle Gefahr. Insbesondere die maroden
Städte und Gemeinden werden zukünftig Arbeiten durch „eigene“
Fachkräfte machen lassen, für einen Bruchteil an Kosten, wie sie
der örtliche Handwerksbetrieb hat. Besonders betroffen sind hier Bereiche
wie der Landschaftsbau, ebenso alle Bau- und Baunebengewerke.
Durch den Wegfall von 300 Mill. EUR Kaufkraft und die Verlagerung von Tätigkeiten
von Handwerksbetrieben auf ALG-II-Empfänger werden allein in Sachsen-Anhalt
nach Berechnungen des dortigen Arbeitministeriums 5.000 weitere Vollarbeitsplätze
vernichtet. Das hat natürlich wiederum Folgen: Es fehlen zusätzliche
5.000 Beitragszahler zu den Sozialversicherungen, es kommen weitere 5.000
Arbeitslose dazu und die Kaufkraft sinkt erneut. Und wieder dreht sich das
Rad des Niederganges ein wenig schneller.
Hartz IV und die PDS
Als einer der Gewinner im Kampf gegen Hartz IV wird im Allgemeinen die PDS
gehandelt. In der Tat erscheint die SED-Fortsetzungspartei vielen Menschen
in Mitteldeutschland bei oberflächlicher Betrachtungsweise als die einzige
Partei, die sich vehement gegen Hartz IV ausspricht und auch bereit wäre,
im Parlament eine anti-liberalkapitalistische Politik zu machen. Wer sich
aber etwas genauer damit beschäftigt, erkennt, daß diese Partei
längst zu den Etablierten gehört, immer geil auf Posten und Pöstchen.
Überall, wo sie toleriert und koaliert, ist sie aber in Wahrheit bei
Sozialraub an vorderster Front dabei. Egal ob das Sozialticket in Berlin gestrichen
wird, oder wie in Sachsen-Inhalt geschehen, die größte Kürzung
bei der Kinderbetreuung in der Geschichte des Landes durchgeführt wird,
die Pseudo-Sozialisten sind sich für keine liberalkapitalistische Sauerei
zu schade. Wirtschaftsenator Harald Wolf (PDS) findet Hartz IV „im Kern
gar nicht schlecht“, weil damit angeblich die boomende Schwarzarbeit
in Berlin bekämpft würde. Offensichtlich geht er davon aus, daß
die Bauindustrie ALG-II-Empfänger noch preiswerter beschäftigen
kann, als einen ukrainischen Schwarzarbeiter, womit nebenbei auch deutlich
wird, auf wessen Seite die PDS eigentlich steht. Selbst ein „1 Euro-Job“
scheint für ihn kein Problem zu sein, denn „die Solidargemeinschaft
habe ein Recht auf eine Gegenleistung von den ALG-II-Empfängern“.
Ein ALG-II-Empfänger muß also nicht nur dankbar dafür sein,
daß er jetzt in Armut leben darf, er sollte laut PDS-Senator Wolf dafür
auch noch eine Gegenleistung bringen! Wolf findet es auch völlig in Ordnung,
wenn ein arbeitsloser Akademiker „mal etwas körperliche Arbeit“
leisten muß. Da wäre im Grundsatz nicht einmal etwas gegen zu sagen,
jedoch bedeutet dies unter den gegenwärtigen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung,
daß der Akademiker nach spätestens einem Jahr „etwas körperlicher
Arbeit“, z.B. als Hamburger-Verkäufer, nur noch äußerst
schwer wieder eine adäquate Aufgabe finden dürfte. Rein volkswirtschaftlich
betrachtet ist dies aus mehreren Gründen ein Desaster. Aber volkswirtschaftliche
Aspekte spielen bei den Etablierten, also auch bei der PDS, keine Rolle mehr.
Es ist selbstredend, daß die beiden PDS-Senatoren Harald Wolf (Wirtschaft)
und Heide Knake-Werner (Soziales) nicht zu den Montagsdemonstrationen gehen.
Nicht hingehen tut eigenen Bekundungen nach auch Parteichef Lothar Bisky.
Er möchte Hartz IV nur etwas verbessern. Satte 400 Euro/mtl. soll ein
ALG-II-Empfänger seinen Vorstellungen nach zukünftig erhalten (statt
331 €, bzw. 345 €) und ein Freibetrag von 1.000 Euro/mtl. auf den
Verdienst von Partnern von ALG-II-Empfängern solle eingeführt werden.
Dafür will die PDS im Gegenzug die Modalitäten der „Vermögens“anrechnung
von Arbeitslosen, deren Partnern und Kindern fortgelten lassen. Ein wahrhaft
radikales Programm ist das! In den Konzern- und Bankenzentralen der BRD wird
das sicher mit Wohlwollen aufgenommen worden sein.
Wem aber bringt Hartz IV etwas?
Nutznießer des „Sozialraubes“ ist das Kapital, das eine
schon lange eine weitere Verbilligung der Ware Arbeitskraft anstrebt. Die
Verwertungsmaschinerie soll laufen und die Lohnarbeiterschaft optimal ausgebeutet
werden. Der Kern des Hartz-Konzeptes besteht in der Ausweitung der Leiharbeit,
durch Zwang forciert. Bis zu 1.000.000 Arbeitslose sollen so als moderne "Leihsklaven"
vermittelt werden. Unter Druck kommen dann die noch bestehenden Arbeitsplätze.
Lohnkürzungen durch Arbeitszeitverlängerung wird dann der Regelfall
sein, mit dem Ergebnis, daß noch weniger Personal gebraucht wird. Und
bei der Abarbeitung von Großaufträgen greift man auf das preiswerte
Fachpersonal zu, daß die Gemeinden gerne für’n „Appel
und´n Ei“ anbieten werden. Aus festen Stellen werden rasch prekäre
Beschäftigungsverhältnisse werden, wie es z. B. im Gaststättengewerbe
zu sehen ist. Noch mehr Unternehmen werden künftig lieber einen Beschäftigten
ausleihen statt ihn anzustellen, wozu viele Großbetrieben jetzt schon
übergehen. Der Kündigungsschutz wird ausgehebelt und Lohndumping
macht sich breit. Die geltenden Tarifverträge werden nicht mehr standhalten
können.
Gewinner dürfte auch der Bund sein. Die „fette Beute“, nämlich
Streichung von 10 Mrd. EUR ALHI, wird nur zum Tei an die Gemeinden abgegeben.
Nach Berechnung des Städtetages sind das 4,8 Mrd. EUR (s.o.). Der Bund
streicht also rund 5 Mrd. EUR Versicherungsleistungen ein. Leistungen, die
einst die Arbeitnehmer und deren jeweilige Arbeitgeber durch Beiträge
erwirtschaftet haben. Nun erhalten die Arbeitnehmer im „Schadensfall
Arbeitslosigkeit“ eben keine Leistungen mehr aus ihrer Versicherung,
sondern müssen von einer minimalen staatlichen Fürsorge leben. Der
Bund ist gezwungen, sich diese „fette Beute“ einzuverleiben. Er
selbst ist schon seit vielen Jahren bankrott, hinzukommen seine bankrotten
„Bundesanstalten“ (Rente, Arbeit, Bahn, Pflege). Die Einnahmeseite
des Bundes sieht vor allem durch Steuergeschenke an die Großindustrie
und die Banken (Beispiel Vodafone) katastrophal aus. Die Ausgabenseite explodiert.
Die Angriffkriege der BRD kosten immenses Geld, der Aufenthalt fremdländischer
Menschen in der BRD verursacht jährlich ein Defizit im BSP von einigen
hundert Mrd. Euro. Und das wichtigste: Die Bedienung der Bankkonzerne durch
Aufnahme immer neuer Kredite, sowie die Tilgung immer höherer Zinsbelastungen,
erfordern neben weiteren drastischen Verbrauchssteuern nun auch umfassende
Einschnitten im „sozialen Netz“.
Resümee
Wenn die Anträge für das ALG II mit 17 Seiten Formularen und Hinweisen
rausgeschickt worden sind, wird sich so mancher Erwerbslose in diesem Land
wundern, in welch „freiheitlicher Demokratie“ er lebt. Erwerbslose
werden zu gläsernen Menschen, wer von diesem Staat Geld haben möchte,
um sein Überleben zu sichern, weil es einfach nicht ausreichend Arbeitsplätze
gibt, muß sich nackt ausziehen. Was bleibt, ist die Demütigung
von Millionen Menschen, die sich auch noch selbst die Schuld an der eigenen
Lage geben sollen. Wurden bisher so ziemlich alle Verschärfungen gegenüber
Sozialhilfebeziehern völlig unbeachtet hingenommen, weil es doch angeblich
Menschen traf, denen man zu gerne „Faulheit“ und „Luxusleben
auf unser aller Kosten“ nachgesagt wurde. Hartz IV aber wird auch Personen
treffen, die sich der Mittelschicht zurechnen, und vereint plötzlich
alle in der Unterstellung von Betrug und Ausnutzung des Sozialstaats. Innerhalb
nur eines Jahres kann ein Deutscher, der sich bisher erfolgreich durchgeschlagen
hat und zum Mittelstand gehörte, nach ganz unten durchgereicht werden.
Wie entwürdigend diese Regelungen sind, werden die Deutschen schnell
erkennen, die ab Januar 2005 für einen Euro vor Asylantenheimen den Dreck
wegmachen müssen, während die Bewohner des selbigen aus dem Fenster
zuschauen.
Mit Demokratie hat das alles nichts zu tun. Die nationalen Oppositionsparteinen in diesem Land sind aufgefordert, bis zu den kommenden Landtagswahlkämpfen ihr soziales Konzept zu vermitteln und sich an die Spitze der sozialen Bewegung zu stellen. Denn besonders bei den Wahlen, die dann stattfinden, wenn Hartz IV seine volle Wirkung erreicht hat, dürften die Wahlerfolge nicht mehr ausbleiben. Und nicht nur die nationale Bewegung, sondern auch die soziale Bewegung der Deutschen hätte dann ein Sprachrohr in den Parlamenten!