Politische
Theorie
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Wirtschaft und Politik
von Julius Evola
aus: „Menschen
inmitten von Ruinen“, Tübingen 1991, S. 301-316
Im sechsten Kapitel wurde gesagt, dass eine der Grundvoraussetzungen für eine Rückkehr zu einem allgemeinen Zustand der Normalität die Zerschlagung jener Dämonie ist, die in der modernen Welt von der Wirtschaft ausgeübt wird. Gleichzeitig wurde auch kurz die Änderung der inneren Haltung umrissen, die für eine Überwindung dieser Situation notwendig ist. Doch beim augenblicklichen Stand der Dinge kann man wegen des Drucks von Kräften, die im Wirtschaftlich-Sozialen immer noch weiter abwärts tendieren, nicht nur auf die inneren Faktoren hoffen, auch wenn sie letzten Endes immer die wirklich entscheidenden bleiben. Man muss also jene Formen mit einbeziehen, durch die in der Zwischenzeit die Wirtschaft abgebremst und geordnet werden kann, womit dann auch die Träger des Chaos und der Subversion, die ja Teil ihrer jüngsten Entwicklung sind, eingeschränkt würden.
Dass heutzutage ein rein spontaner Vorgang nicht zur Normalität führen kann, ist wohl ziemlich klar. Ein politisches Eingreifen ist unumgänglich. Die Grundvoraussetzungen dafür sind zweifach: Der Staat, die Verkörperung einer Idee und einer Macht, muss im Vergleich zur Welt der Wirtschaft eine höhere Realität genießen. Zweitens: Der politischen Leitung gebührt der Vorrang gegenüber dem Wirtschaftlichen, und man könnte hinzufügen, auch dem Wirtschaftlich-Sozialen. Zum zweiten Punkt wird man nach unseren vorstehenden Ausführungen wohl kaum noch klarstellen müssen, dass nach der traditionalen Auffassung der politische Bereich unbedingt durch geistige und überindividuelle Werte legitimiert sein muss. Der Staat ist die Macht, die diesen Werten das Gewicht geben soll, das ihnen in einer normalen Gesamtordnung zukommt, und die somit die Idee der „Gerechtigkeit“ im höheren Sinne verwirklicht.
Dies vorausgesetzt, braucht auch kaum sonderlich erwähnt zu werden, dass der erste Schritt zur Normalisierung die Überwindung des Klassengedankens ist, denn in ihm liegt die Hauptursache für das Chaos und die Krise unserer Zeit. Dazu ist es nicht einmal notwendig, nach neuen Ideen zu suchen. Auch hier genügt es, aus dem traditionalen Erbe zu schöpfen, das im korporativen Prinzip (Prinzip der Berufsstände, Zünfte und Gilden) schon die Leitidee bietet, die in entsprechender Anpassung auch heute den besten Bezugspunkt zu liefern imstande ist.
Der Geist des Korporativismus (das politische Bestreben, den Staat durch Schaffung von berufsständischen Verbänden zu erneuern) war im Wesentlichen der einer Arbeitsgemeinschaft und einer schöpferischen Solidarität, deren feste Angelpunkte die Prinzipien der Sachkenntnis, der Qualifikation und der natürlichen Hierarchie waren, wobei sich das Ganze durch aktives Über-der-Person-Stehen, Selbstlosigkeit und Würde auszeichnete. Das alles war bei den mittelalterlichen handwerklichen Korporationen, den Gilden und Zünften, deutlich zu sehen.
Wenn wir noch weiter zurückgehen, haben wir das Beispiel der alten römischen Berufsverbindungen. Diese waren nach einer kennzeichnenden Formel ad exemplum rei publicae ausgerichtet, das heißt dem Staat nachgebildet, und sie spiegelten selbst in ihren Bezeichnungen (z.B. milites oder milites caligati) für die einfachen Korporationsangehörigen gegenüber den magistrati auf ihrer Ebene die politische Ordnung wider. Bei der korporativen Tradition im römisch-germanischen Mittelalter wurde besonders die Würde der Zunftangehörigen als freier Menschen hervorgehoben, aber auch der Stolz des Einzelnen, einer Zunft zuzugehören, und die Liebe zur Arbeit, die nicht als bloßes Mittel zum Broterwerb betrachtet wurde, sondern als Kunst und Ausdruck der eigenen Berufung.
Dem Einsatz der Arbeiter entsprachen dabei die Sachkenntnis, die Sorgfalt und das Wissen der Meister der Kunst ebenso wie ihr Bemühen zur Stärkung und Erhöhung der berufsständischen Einheit insgesamt, wozu nicht zuletzt auch die Verteidigung ihrer eigenen Ethik und Ehrengesetze kam. Die Frage des Kapitals und des Eigentums an den Produktionsmitteln stellte sich dabei kaum, so natürlich war das Zusammenwirken zum Erreichen des gemeinsamen Zieles. Im Übrigen handelte es sich ja um Organisationen, die die Produktionsmittel „zu eigen“ hatten, Mittel, die niemand zum Zwecke der Ausbeutung zu monopolisieren gedachte und die an kein der Arbeit fremdes Geldwesen gebunden waren. Die mit Zinsen verbundene Darlehensvergabe des „flüssigen“ und wurzellosen Geldes - was heute dem bank- und finanzmäßigen Gebrauch des Kapitals entspricht - wurde als eine Angelegenheit der Juden betrachtet und diesen überlassen und war weit davon entfernt, das System entscheidend zu beeinflussen.
Es müsste jedem gesunden Geist klar sein, dass all dies einem normalen Zustand entspricht und dass es darauf ankommt, Formen zu finden, die es gestatten würden, auch in der modernen Zeit, die durch die „industrielle Revolution“ zerrüttet wurde (parallel zur Machtübernahme des Dritten Standes und zum Beginn der Finanzherrschaft über die Wirtschaft), die Grundideen der korporativen Ordnung zur Geltung zu bringen. Der Hauptpunkt dabei ist aber eben die Überwindung des Klassendenkens.
Dieses Ziel hatte sich auch der faschistische Korporativismus gesetzt, es jedoch in doppelter Hinsicht nur unvollkommen verwirklicht. Erstens, weil bei ihm die Grundidee einer zweifachen außerbetrieblichen Organisation, nämlich der gewerkschaftlichen der Arbeiter einerseits und der Vereinigung der Arbeitgeber andererseits, bestehen blieb. Die Gewerkschaften wurden damit weiterhin als Klassenorganisationen anerkannt, obwohl sie nach der so genannten Freigabe des allgemeinen italienischen Gewerkschaftsbundes zersplittert und auf die verschiedenen Korporationen aufgeteilt worden waren. Zweitens, weil die Einheit der Arbeit im faschistischen Korporativismus nicht dort wieder hergestellt wurde, wo die kapitalistischen Übergriffe auf der einen Seite und der Marxismus auf der anderen sie zerbrochen hatte, nämlich im Inneren eines jeden Betriebes oder Betriebskomplexes, sondern nur außerhalb im Rahmen eines bürokratisch-staatlichen Systems mit Organen, die oft nichts anderes waren als ein umständlicher Überbau.
Die nationalsozialistische deutsche Arbeitsgesetzgebung kam diesem Ziel viel näher, weil sie klar erkannt hatte, dass es vor allem wichtig war, im Inneren der Betriebe eine organische Solidarität zwischen den unternehmerischen Führungskräften und den Arbeitern zu schaffen, und so schritt man zu einer Umformung, die in einem gewissen Maße den oben beschriebenen Geist des traditionalen Korporativismus widerspiegelte. In der Tat übernahmen die Unternehmer in diesem deutschen System die Aufgabe und Verantwortung von „Führern“ („Betriebsführern“), und die Arbeiter sahen sich als ihre „Gefolgschaft“ in einer Solidarität, die durch verschiedene Maßnahmen gewährleistet und geschützt war, wozu noch eine Betonung des ethnischen Moments kam: Sowohl vom Führer als auch vom Arbeiter verlangte man, sich über das rein individuelle Nutzdenken zu erheben (Höchstgewinn und wirtschaftlicher Mehrwert bei dem einen, Maximallohn ohne Rücksicht auf die Lage des Betriebes, des Landes oder die allgemeine Situation überhaupt bei dem anderen) und somit dem rein wirtschaftlichen Interesse Schranken zu setzen (unter anderem war für eventuelle Streitigkeiten ein so genanntes „Ehrengericht“ zuständig). So konnte man sogar noch in der Zeit des raschen wirtschaftlichen Wiederaufschwungs nach dem Zweiten Weltkrieg von den deutschen Arbeitern sagen, dass sie „mit demselben Opfergeist wie die Soldaten arbeiteten“. Trotz der harten Lebensbedingungen gab es damals fast keine Streiks wegen Lohnforderungen, während ein weitestgehender Freihandel und Nicht-Protektionismus die verantwortliche Initiative eines jeden Betriebsführers, der sich behaupten wollte, noch zusätzlich auf die Probe stellte. Doch auch in Österreich, Spanien und Portugal wurden organisch-korporative Erfahrungen gesammelt.
Die Grundbedingungen für die Wiederherstellung besagter normaler Lage sind also auf der einen Seite (unten) die Entproletarisierung des Arbeiters, auf der anderen (oben) die Ausschaltung des verdorbenen Typus des Kapitalisten und bloß parasitären Empfängers von Profiten und Dividenden, der mit dem Produktionsprozess nichts zu tun hat. In diesem Zusammenhang hat man zu Recht von einer doppelten Abtrünnigkeit des Kapitalisten im Laufe der letzten Zeit gesprochen. Zuerst hat sich vom Unternehmer-Kapitalisten ein Kapitalist abgespalten, der nur Finanzmann und Spekulant war und die technische Leitung der von ihm kontrollierten Unternehmen aus der Hand gegeben hatte, also nicht mehr tatsächliches und persönliches Zentrum der einzelnen Arbeiten war. In einer zweiten Phase kommt dann sogar der Typus des Kapitalisten auf, der nicht einmal mehr Spekulant ist, sondern sch darauf beschränkt, die Dividende zu kassieren, wobei er kaum weiß, woher sie ihm zufließt, und der sie bloß für sein eitles mondänes Leben gebraucht. Es ist offensichtlich, dass die politischen Agitatoren gegen solche Typen leichtes Spiel haben, und es gibt kein anderes Mittel, diesem Treiben tatsächlich ein Ende zu bereiten, als die Ursache des Skandals selbst zu beseitigen. Man muss mit anderen Worten die Vertreter eines solchen verfallenen Kapitalismus ebenfalls bekämpfen. In einem neuen korporativen System müsste der Kapitalist als Eigentümer der Produktionsmittel dagegen wieder die Aufgabe des verantwortlichen Führers, technischen Leiters und Organisators inmitten der Betriebsgesamtheit einnehmen, mit den zuverlässigsten und bestgeeigneten Angestellten sowie einem Generalstab engen persönlichen Kontakt pflegen und solidarische Belegschaften um sich haben, die von jeder gewerkschaftlichen Bindung frei und stolz sind, zu seinem Betrieb zu gehören. Die Autorität eines solchen Typus von Unternehmer-Kapitalisten müsste sich nicht nur auf seine technische Sachkenntnis, auf seine Kontrolle über die Produktionsmittel und auf besondere, ausgeprägte Initiativ- und Organisationsfähigkeiten gründen, sondern auch auf eine Art politischer Weihe, wie wir das weiter unten ausführen werden.
Diese Überlegungen veranlassen uns dazu, das Verhältnis von Wirtschaft und Staat zu erörtern; doch dazu sind einige Vorbemerkungen notwendig.
Eines der Haupthindernisse für die Wiederaufnahme des korporativen Geistes und für die Überwindung des proletarischen Denkens liegt sicherlich in den geänderten Arbeitsbedingungen, zu denen die industrielle Revolution geführt hat. Bei einer im Wesentlichen mechanischen Arbeit ist es äußerst schwierig, den Charakter einer „Kunst“ und „Berufung“ zu bewahren, so dass die Ergebnisse immer seltener die Handschrift der Persönlichkeit tragen. Daher rührt auch die Gefahr für den modernen Arbeiter, dazu verleitet zu werden, die Arbeit nur als reine Notwendigkeit anzusehen und seine Leistung wie eine Ware gegen das höchste Entgelt an Dritte zu verkaufen, während die lebendigen und persönlichen Beziehungen verloren gehen, wie sie in den alten Berufsgilden und noch in vielen Bereichen der ersten kapitalistischen Zeit zwischen Führern und Belegschaft bestanden. Angesichts dieser Schwierigkeit könnte nur die Ausformung eines neuen Menschentypus helfen, der eine besondere Art des Über-der-Person-Stehens besäße, so wie wir sie im Zusammenhang mit dem Kämpfer, wenn auch in einem größeren Rahmen, schon erörterten. Die Anonymität und Selbstlosigkeit, die bereits dem alten Korporativismus eigen waren, müssten in neuer Form, die durch äußerste Konzentration und Klarheit gekennzeichnet sein sollte, in der Welt der Technik und Wirtschaft wiedererweckt werden. Dabei wäre eine bestimmte Veranlagung von entscheidender Bedeutung, nicht unähnlich derjenigen eines Mannes, der auch in der Zermürbung des Stellungskrieges aufrecht zu stehen weiß. In gewisser Hinsicht kann nämlich eine Prüfung inmitten von Maschinen und Industriekomplexen, die sich bis zur Ungeheuerlichkeit entwickelt haben, für den Durchschnittsmenschen schwieriger zu überstehen sein als selbst Kriegsanforderungen, denn wenn auch bei diesen die physische Auslöschung jeden Augenblick eintreten kann, bieten sie doch dem Menschen eine Reihe von moralischen und emotionalen Faktoren als Stütze, wie sie an der grauen, eintönigen Front der modernen Arbeit größtenteils nicht mehr vorhanden sind.
Kommen wir zum eigentlichen wirtschaftlichen Bereich zurück, um einige moderne Vorstellungen zu einer organischen Wiederherstellung der Betriebe näher zu betrachten, die jedoch in falsche Richtungen laufen. Wir meinen unter anderem die so genannte „Sozialisierung“, kennzeichnend für ein Wirtschaftssystem, in dem (im Gegensatz zur Nationalisierung und kollektivistischen Verstaatlichung der Wirtschaft) die Betriebe ihre Eigenständigkeit wohl bewahren würden, ihre innere Einheit jedoch verstärken müssten, und zwar durch Beteiligung der Belegschaft an der Betriebsleitung (Geschäftsführung, Mitverwaltungsrecht, Mitbestimmungsrecht) und am Betriebsgewinn, allerdings nach Abzug eines bestimmten Anteils, der als gerechte Verzinsung des Kapitals betrachtet wird.
Was hier sofort ins Auge fällt, ist, dass eine Gewinnverteilung bei diesem System nur dann gerecht wäre, wenn sie im Rahmen eines umfassenderen Solidaritätsprinzips zum Tragen käme. Wenn man also von Gewinnverteilung sprechen will, muss man auch von der Aufteilung eines eventuellen Defizits zu Lasten der Belegschaft sprechen, wodurch natürlich das Schlagwort von der Sozialisierung einen guten Teil der Faszination verlieren würde, die es im Rahmen einer gewissen Demagogie ausübt. Im Übrigen wird bei sehr großen Unternehmen der Gewinnanteil im Vergleich zu den Grundlöhnen immer unerheblich sein, was den weniger sozialen als vielmehr politischen Zweck des zur Debatte stehenden Vorschlages offenbart. Viel wichtiger wäre hingegen eine differenziertere Bestimmung der Löhne, die der Einförmigkeit der gewerkschaftlichen Auflagen entzogen werden müssten und in jedem Unternehmen je nach den besonderen Bedingungen desselben einvernehmlich festzulegen wären.
Was eine Mitbeteiligung mit nicht nur vom Nutzen für den Einzelnen ausgehenden, sondern wirklich organischen Zielen betrifft, so müsste man weniger an eine Gewinnverteilung als vielmehr an eine Mitbeteiligung am Eigentum denken. Man müsste Wege erforschen, wodurch der Arbeiter allmählich ein kleiner Eigentümer würde - sicher die einzige Art, um ihn tatsächlich zu entproletarisieren und dem Marxismus das Rückgrat zu brechen -, indem man ihm nichtübertragbare Aktien seines Betriebes geben würde (von so genannten „Arbeits-Aktien“ war bereits die Rede), allerdings nicht über das notwendige Maß hinaus, um nicht die gerechtfertigten hierarchischen Bindungen zu zerstören. Das wäre zweifellos das beste Mittel, um den einzelnen Arbeiter in sein Unternehmen zu „integrieren“, ihn daran zu interessieren und ihn auch über sein unmittelbares Nutzdenken als bloßes, wurzelloses Individuum zu erheben, wobei man den Typus einer organischen, gleichsam lebendigen Zugehörigkeit zu einer Arbeitsgemeinschaft neuerlich so ins Leben ruft, wie er eben bei den alten berufsständischen Einrichtungen zu finden war.
Die Mitverwaltung oder Mitgeschäftsführung (durch „Verwaltungsräte“, „interne Kommissionen“, „Fabrikkomitees“ usw.) wiederum wird zu einer reinen Absurdität, sobald sie über die unmittelbaren und persönlichen Interessen hinausgeht, und nicht auf die allgemeinen Arbeitsbedingungen und überhaupt auf das, was mit dem untergeordneten, verwaltungsmäßigen Teil einer bestimmten betrieblichen Gesamtheit zu tun hat, beschränkt bleibt. Hingegen eine echte Geschäftsführung und, als höchstmögliche Forderung, in den Betrieben eine Art „Wirtschaftsparlament“ einzurichten zu wollen (so hat Carlo Costamagna richtigerweise das Ziel der „sozialisierenden“ Richtung bezeichnet, hieße den äußerst differenzierten, wir würden fast sagen, „esoterischen“ Charakter übersehen, den die technischen und führungsmäßigen Funktionen in der heutigen Industrie besitzen, einen Charakter, bei dem sich jede Einmischung von unten nur schädlich, desorganisierend oder zumindest störend auswirken kann. Das wäre genauso absurd, als wollte man verlangen, dass Soldatenkomitees in Sachen hoher Strategie, allgemeiner Mobilmachung oder Führung und Organisation eines modernen Krieges mitbestimmten sollen. Abgesehen von der technischen Argumentation gibt es noch eine andere, mindestens genauso wichtige gegen die Mitgeschäftsführung: Im System eines wieder ganzheitlichen Betriebes, wie wir ihn uns vorstellen, müssen gerade von der Spitze aus gegebenenfalls Kriterien nicht nur rein nutzenmäßiger, sondern auch politischer Art zur Anwendung gebracht werden, die nur von einer höheren Instanz aufgrund einer gleichfalls höheren, unanfechtbaren Autorität ausgehen können. Dagegen würden zwangsläufig mit der Kontrolle durch die Belegschaften vor allem rein wirtschaftliche und auf den Nutzen abgestimmte Kriterien überwiegen oder, sollten sie tatsächlich politisch gefärbt sein, dann im abwertenden Sinne des Marxismus und Klassendenkens.
In der Tat ist die „Sozialisierung“ dem Geist nach nichts anderes als ein Geheimmarxismus, gleichsam ein trojanisches Pferd, das man in einer ersten Phase in ein nichtkommunistisches Wirtschaftssystem einführen möchte, als Beginn jener Eroberung der Unternehmen, die in ihrer erklärten, vollkommenen Form mit dem „integralen Syndikalismus“ identisch ist und schließlich in die kommunistische Wirtschaft einmündet. Damit hat aber die Eroberung nicht nur auf die Unternehmen, sondern auch auf den Staat selbst übergegriffen.
Derartig radikale Forderungen waren schon am Rande des faschistischen Korporativismus laut geworden. Nach Meinung der einen hätte man den in diesem System bestehenden Dualismus mit Hilfe entsprechender „Paritäten“ von Vertretern der Arbeiter und der Arbeitgeber und durch ein strenges System von Zuständigkeiten überwinden sollen. Die Techniker, die sich durch ihre „leitende Arbeit“ von der „ausführenden Arbeit“ unterschieden, hätten aufhören müssen, Organe des Kapitals zu sein, um allein Führer und Leiter in der organischen Einheit der gewerkschaftlich kontrollierten Korporation zu werden. Nach anderer Meinung hätte nicht nur die so genannte „Eigentümer-Korporation“ (eine Idee, die innerhalb eines bestimmten Rahmens und unter bestimmten Bedingungen sogar in Betracht gezogen werden könnte) gebildet werden sollen, sondern man sprach sich auch für die volle Aufnahme der staatlichen Bürokratie in die korporativen Organe aus ebenso wie für die Zusammenlegung der politischen Instanzen mit den korporativen im Zeichen des so genannten „integralen Staates der Arbeit“. Man folgte hierbei dem Schlagwort vom „Arbeiter, der in die Festung des Staates zu bringen wäre“. Ein Weg des Rückschritts von der Politik in die Wirtschaft also wurde hier als Ziel des wahren, das heißt „integralen und revolutionären Korporativismus“ angegeben.
Wir haben von diesen politischen Vorstößen gesprochen, um zu zeigen, dass dort, wo man organischen antidualistischen Formen zuneigt, zwei Möglichkeiten, zwei Richtungen vorhanden sind: Man kann von oben beginnen, und man kann von unten beginnen, man kann den Schwerpunkt der korporativ und nach dem Kompetenzprinzip reorganisierten Strukturen in den unteren, materiellen und gewerkschaftlichen oder in den oberen, im eigentlichen Sinne politischen Bereich fallen lassen.
Somit ist es sicherlich angebracht, die Beziehungen, die in einem normalen System zwischen Staat und Wirtschaft bestehen sollen, neuerlich zu untersuchen. Die Lage in der jetzigen Zeit ist derart, dass ein vollkommen autonomes Handeln der wirtschaftlichen Betriebe unmöglich ist. So mächtig und so groß sie auch sein mögen, so müssen diese Komplexe doch mit Kräften und Monopolen rechnen, die in weitem Maße die Grundelemente des Produktionsprozesses kontrollieren. So haben manche zu Recht festgestellt, dass heute das wirklich aktuelle und ernst zu nehmende Problem nicht mehr das klassenkämpferische im engeren Sinne ist, sondern das der Bremsung des wilden und skrupellosen Kampfes, der zwischen den verschiedenen Monopolen stattfindet, das heißt im wesentlichen zwischen dem Monopol der Waren und Rohstoffe (Konsortien), dem des Geldes (Finanz, Banken, Börsenspekulationen) und dem der Arbeit (gewerkschaftliche Formationen, trade unions usw.). Um die zerstörerische Wirkung dieses Kampfes zu vermeiden sowie die Macht dieser außer- und überbetrieblichen Gruppen zu beschränken und damit den Unternehmungen überhaupt Sicherheit und eine geregelte Produktion zu gewährleisten, kann, so wie die Dinge in der heutigen Gesellschaft stehen, nur ein Eingreifen des Staates wirksam sein - vorausgesetzt natürlich, dass der Staat sich als eine höher stehende Macht Geltung verschafft hat und somit jeder subversiven und Unrecht auf sich ladenden Kraft entgegen treten und sie beugen kann, wie mächtig sie auch sein mag.
Demnach ist es äußerst wichtig, dass der Prozess gegen einen entarteten und überbordenden Kapitalismus von oben her geführt wird, mit anderen Worten, dass es der Staat sein soll, der die Initiative ergreift, um dieses Phänomen gnadenlos zu bekämpfen und alles zu einer normalen Ordnung zurückzuführen, anstatt allein den Linken das Recht der Anklage und des Protestes zu überlassen (die das für umstürzlerische Aktionen nutzen). Nun hätte ein moderner, im eben genannten Sinne ganzheitlicher Staat genügend Macht für eine derartige Handlungsweise. Die Lage der modernen Wirtschaft ist so, dass eine strenge Verpönung von Seiten des Staates für jede kapitalistische Gruppe tödlich wäre, wie mächtig sie auch sei. Die notwendige Voraussetzung dafür wäre natürlich die Überwindung der für Demokratien typischen Situation, bei der das politische Element mit dem plutokratischen unterschiedslos Bündnisse schließt und sich damit jeder Art von Korruption öffnet, wobei sie sogar noch für sich in Anspruch nimmt, auf genau diese Weise die „rechte“ Seite gegen den Marxismus zu vertreten. Wiederholen wir: Die reine politische Macht muss von jeder Bindung befreit werden - in erster Linie von den Bindungen an den Kapitalismus und dann, ganz allgemein, auch von denen an die Wirtschaft. Und dann, auch wenn man dem „allzu Menschlichen“ Rechnung tragen will, ist nicht mehr einzusehen, weshalb sich die Vertreter des reinen politischen Prinzips prostituieren und den Repräsentanten des Kapitalismus unterwerfen sollten, da ja jetzt sie die Macht in ihren Händen halten - und die Macht können sie haben -, womit sie auch über die Möglichkeit verfügen, den Reichtum zu beherrschen und den Herren vom Kapital sowie der Industrie Vorschriften zu machen. Ein Korruptionsregime ist möglich, sogar unvermeidlich, wenn kein starker und traditionaler Staat mehr besteht und der Staat nur noch ein Werkzeug ist, das der Emporkömmling und skrupellose Politiker für sich ausnützt, um Vorteile herauszuschlagen, die an das eine oder andere politische Amt geknüpft sind. Genau von dem Augenblick an, an dem gegen den entarteten und überbordenden Kapitalismus ein wahrer Staat entstünde, fiele die Polemik der Linken in sich zusammen, und es würde jeder Versuch der Wirtschaft scheitern, den Staat in einem marxistischen oder halbmarxistischen Sinne (Syndikalismus, Labourismus usw.) unter dem Vorwand an sich zu reißen, dass die Dinge wieder in Ordnung gebracht und eine vorgebliche „soziale Gerechtigkeit“ hergestellt werden müsse. So ist das entscheidende Moment die vorhandene oder eben nicht vorhandene Fähigkeit des Staates, als wirklich souveräner Staat den subversiven Kräften zuvorzukommen und sie durch eine rechtzeitige Revolution von oben zu ersetzen.
Demnach bestünde das große Problem darin, organische, jedoch nichttotalitäre Beziehungen zwischen dem Staat und den Betriebskorporationen zu schaffen, indem man Macht und Formation, jedes Monopol und Interesse, die einer gesunden Wirtschaft und der reinen politischen Räson entgegenstehen, entweder ausschließt oder aufs Äußerste beschränkt.
Hier ist es wiederum das traditionale Erbe, aus dem die richtungsweisende Idee geschöpft werden könnte: Man könnte sich nämlich ziemlich genau auf das Feudalsystem beziehen, das natürlich in geeigneter Weise auf die heutige Zeit zu übertragen und an diese dann anzupassen wäre. Das, was im Feudalregime die Zuweisung eines bestimmten Landes mit einer entsprechenden Gerichtsbarkeit oder gar teilweisen Souveränität war, wäre in der jetzigen Ökonomie die Zuerkennung von wirtschaftlichen Komplexen privaten Rechts durch den Staat, wobei diese bestimmte Produktionsaufgaben unter weitestgehender freier Initiative und Autonomie zu erfüllen hätten. Die Zuerkennung würde notfalls einen Schutz seitens des Staates beinhalten, aber ebenso wie im Feudalregime als Gegenleistung das Band der „Treue“ und Verantwortlichkeit gegenüber der politischen Macht bedingen, das heißt die Festlegung eines dieser Macht zustehenden „außerordentlichen Rechts“, auch wenn dessen Ausübung auf Notfälle und Fälle besonderer Spannung beschränkt wäre.
Auf einer solchen Grundlage könnte ein System organisiert werden, das alles umfasst: die Einheit, aber auch die Pluralität, den politischen wie auch den wirtschaftlichen Faktor, genauso wie die Planung einerseits und die verschiedenen gegliederten Freiräume andererseits: also weder totalitärer Zentralismus durch den Staat noch Eingriffe, die die wirtschaftlichen Gruppen und Prozesse in ihrer Arbeit stören oder nötigen könnten, solange sie ordnungsgemäß ablaufen. Allgemeine Richtlinien und Gesamtentwürfe sind natürlich möglich, doch bei der Ausführung muss der denkbar größte Freiraum für den Unternehmungsgeist und den Organisationssinn gegeben sein. Insgesamt wird man ein hierarchisches System haben: „Arbeitseinheiten“, also organisch gegliederte Betriebe mit Belegschaften, die um ihre Führer gesammelt sind, die sich ihrerseits wiederum um die staatliche Macht sammeln, und zwar im Rahmen einer strengen Ordnung der Kompetenzen und der Produktion unter Ausschaltung jeder klassenkämpferischen ideologischen Vergiftung und jedes unverantwortlichen Aktivismus. Darüber hinaus würde ein auch nur teilweiser Fortschritt in dieser Richtung dank des besonderen sowohl antiproletarischen als auch antikapitalistischen Ethos, die hierfür ja Voraussetzung sind, ebenso eine Überwindung des ungesunden Klimas der „wirtschaftlichen Ära“ bedeuten.
Das höchste Ziel der korporativen Idee bestünde, so verstanden, tatsächlich darin, die unteren Tätigkeiten, die an die Produktion und das materielle Interesse gebunden sind, auf eine Ebene zu heben, die in einer wertmäßigen Hierarchie eine Stufe höher steht als die vital-ökonomische. IM System der antiken Kasten oder „funktionalen Kasten“ war dies die Ebene der Kriegerkaste, die der Kaste des besitzenden Bürgertums und der Arbeiter unmittelbar übergeordnet war. Nun ist offensichtlich, dass mit einem Inkrafttreten des von uns besprochenen Systems sich auch in der Welt der Wirtschaft das klare, männliche und personalisierte Ethos spiegeln würde, wie es eben für eine Gesellschaft kennzeichnend ist, die sich nicht auf den allgemeinen Typus des „Händlers“ oder „Arbeiters“, sondern in Bezug auf Charakter und allgemeine Veranlagung auf einen dem „Krieger“ vergleichbaren Typus gründet. Das wäre auch der Anfang eines Wiederaufstiegs.
Hier sollen diese kurzen Hinweise zu einer allgemeinen Orientierung genügen, da die Erforschung der konkreten Formeln, mit denen die angezeigten Forderungen in geeigneter Weise erfüllt werden können, nicht in den Rahmen dieser Schrift fällt. Es soll nur das Prinzip wiederholt werden, wonach der wirtschaftliche Bereich nie etwas anderes sein darf als ein Bereich der Mittel, womit dieser grundsätzlich einem Bereich der Ziele und Zwecke unterworfen sein muss, die die wirtschaftliche Ebene übersteigen und zu dieser sogar in demselben Verhältnis stehen wie die höheren Ziele und sogar das emotionale Leben des Einzelnen zu den elementaren Bedingungen seines Daseins.
Aus diesem Grund ist das Schlagwort vom „Staat der Arbeit“ eine reine Verirrung, etwas auf den Kopf Gestelltes sowie Entwürdigendes und selbst Entwürdigtes: eben das Gegenteil der traditionalen Auffassung. Hierzu noch einige weitere Erörterungen.
Gegen das demo-parlamentarische, von Parteien beherrschte System hatte die faschistische Reform, die zur Bildung der Kammer der Korporationen führte, sicherlich verschiedene Rechtfertigungsgründe. Man wollte ein Regime der Kompetenz im Gegensatz zur politischen Inkompetenz einführen, die im demo-parlamentarischen Regime überall bestimmend ist und dabei auch immer wieder störend selbst in den Bereich der Wirtschaft eingreift. Eine derartige politische Linie könnte wieder aufgenommen werden, wobei allerdings das faschistische System der korporativen Vertretungen dahingehend abgeändert werden müsste, dass es nicht die Korporationen im faschistisch-bürokratischen Sinne umfasst, sondern nur ständische Gruppierungen in der erwähnten Art organischer Betriebseinheiten oder Komplexe, die je nach Wirtschaftszweig unterschiedlich verbunden oder gegliedert werden.
Als Grundlage müsste hier das eben genannte Prinzip der Entpolitisierung der wirtschaftlich-sozialen Kräfte gelten. Die strenge Anwendung des Prinzips der Sachkenntnis müsste dabei jeder korporativen Vertretung das nehmen, was man den politischen Mehrwert nennen könnte. Die „Korporative Kammer“ dürfte also nicht die Gestalt eines politischen Gremiums haben. Sie wäre nur die „Niedere Kammer“, und die politischen Angelegenheiten kämen erst in einer zweiten ihr übergeordneten Kammer, der „Hohen Kammer“, zur Sprache. Ist die Wirtschaft einmal in ihre normalen Schranken zurückgeführt, so ist es auch offensichtlich, dass, wenn sie im Rahmen eines solchen Korporativismus den gesetzgebenden Bereich berührt und wenn allgemein diejenigen Probleme der Organisation im Großen angepackt werden müssen, die nunmehr für die moderne Wirtschaft grundlegend sind und die Macht des Staates selbst betreffen, man in wirkungsvoller Weise höhere Kriterien zur Geltung bringen muss, und zwar durch ein besonderes und kompetentes Organ, das mit einer weiter gefassten Autorität ausgestattet ist und in Streitfällen die höchste Instanz darstellt. Dieses Organ wäre eben die Hohe Kammer. Während in der Korporativen Kammer die Wirtschaft und alles, was die Berufswelt betrifft, vertreten wäre, müsste sich die Politik (Politik im höheren Sinne) in der Hohen Kammer konzentrieren und durch Menschen wirksam werden, die mehr als die nur wirtschaftlichen und „physischen“ Interessen vertreten und bewahren, das heißt vor allem die geistigen und nationalen, sowie die mit Staatsansehen und -macht verbundenen. Ebenso müssten sie dafür sorgen, dass bei der Lösung aller wesentlichen Probleme, die den körperlich-materiellen Teil des politischen Organismus betreffen, eine konstante Gesamtrichtung gewahrt bleibt.
Ein gemischtes Wahl- und Ernennungssystem, nicht unähnlich dem, das schon für die faschistischen politisch-korporativen Vertretungen ausgearbeitet wurde, könnte für die Niedere Kammer gültig sein. Doch analog dem, was schon für die Kammern in der Vergangenheit anderer Nationen gegolten hat, müsste für die Hohe Kammer das demokratische Prinzip ausgeschlossen sein. Ihr dürfte man nicht zufällig und zeitweilig aufgrund einer „Stimme“ angehören, sondern lebenslang aufgrund einer Ernennung von oben, so als würde man wegen einer natürlichen Würdestellung und unverlierbarer Qualifikation in einen Orden aufgenommen. Es ist nämlich notwendig, dass Stabilität und Kontinuität nicht nur für die Spitze gewährleistet sind, wo das reine, feste Prinzip des Imperiums gilt, sondern dass sie, gleichsam durch Mitwirkung auch einer ausgewählten Gruppe zufallen, die die Merkmale und Aufgaben einer politischen Klasse ihr Eigen nennt, wie sie einst der traditionale Adel besaß. Institutionell würde dies eben in der Hohen Kammer verwirklicht werden. Und wenn sich in denjenigen, die Mitglieder der Hohen Kammer sind, dieselbe strenge Über-Persönlichkeit, derselbe Abstand von den einfachen Erfordernissen und zufälligen Problemen des Augenblicks sowie dieselbe Neutralität gegenüber Sonder- und Teilinteressen (natürlich wäre für „Parteien“ im jetzigen ideologischen Sinne kein Platz) widerspiegelten, die das Symbol der Souveränität so vollkommen zum Ausdruck bringt, gäbe es keinen Zweifel bezüglich einer festen Struktur, die tatsächlich fähig wäre, sich als Block gegen jeden Umsturzversuch der subversiven Kräfte unserer „wirtschaftlichen Ära“ zu behaupten.