Politische
Theorie
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Die Wendungen des Dr. Mechtersheimer
Von Jürgen Schwab
Bei manch einem
bürgerlich nationalen Kritiker des „Neonazismus“ verschwindet
die Kritik, sobald der „Neonazi“ erfolgreich ist, das soll heißen:
mit Anzug und Krawatte im Landtag sitzt. Die vermeintliche Kritik des „Neonazismus“
wird dann wieder hervorgekehrt, wenn dieser bei Wahlen schlecht abschneidet
und einfach nur noch für ein „schlechtes Erscheinungsbild“
steht. Für diese bürgerliche Scheinmoral steht wohl keiner besser
als Alfred Mechtersheimer.
Der Chef der „Deutschland-Bewegung“, bei der sich immerhin die Fax-Rolle
bewegt, hat nach dem „Desaster“ der Landtagswahl von Schleswig-Holstein
wieder einmal den „Neonazismus“ der NPD entdeckt (vgl. www.deutschland-bewegung.de).
Den gab es jedoch schon vorher, möchte man Mechtersheimer zurufen, als
die NPD in Sachsen erfolgreich gewesen war. Doch bekanntlich ist nichts so erfolgreich
wie der Erfolg. Das gilt auch für die bürgerlich nationale Bewertung
des „Neonazismus“.
Bei den Windungen und Wendungen um die ersehnten rechten Wahlerfolge scheinen
durch Selbstbetrug immer wieder die Maßstäbe zu verrutschen. Deshalb
noch einmal alles der Reihe nach: Nach dem grandiosen Wahlerfolg der sächsischen
NPD vom September letzten Jahres hatte sich Mechtersheimer - nach eigenen
Worten - „bis an die Grenze der Selbstverleugnung“ dem frisch
gebackenen Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel an den Hals geworfen. Wir erinnern
uns noch an die süddeutsche Jubelveranstaltung mit Apfel, Mechtersheimer
und Schönhuber, über die nach dem Wahlerfolg in „Deutsche Stimme“
ganzseitig und mit großen Bildern berichtet wurde. Von „Neonazismus“-Vorwurf
an die Adresse Apfels, dem neuen starken Mann in der NPD, der - so schien
es - der Herr über künftige Posten, Karrieren und Mandate sei,
war zu diesem Zeitpunkt keine Rede mehr.
Denn der „Neonazismus“-Vorwurf wird offensichtlich von manchen bürgerlich
nationalen Kritikern nur dann hervorgekehrt, wenn es opportun erscheint, das
heißt: die NPD (wieder einmal) relativ erfolglos bei Wahlen abschneidet.
Doch es geht auch anders: So favorisieren die patriotischen Zeitschriften „Aula“
und „Nation Europa“ - trotz Wahlniederlage - nach wie
vor das Bündnis um NPD und DVU.
Man sollte sich bei der Analyse von Wahlergebnissen vor einfachen Schuldzuweisungen
hüten. Für den NPD-Mißerfolg in Schleswig-Holstein ist ein Bündel
von Ursachen verantwortlich: Zum einen ist das ängstliche westdeutsche
Wahlverhalten zu nennen, das sich erheblich von der in Teilen anzutreffenden
systemfeindlichen Haltung mitteldeutscher Wähler unterscheidet. Zum anderen
dürfte aber auch die organisatorische Schwäche der schleswig-holsteinischen
NPD vor Ort ausschlaggebend gewesen sein. Zudem wurde der SH-Landesverband durch
eigenes Ungeschick (Steinewerferei, revisionistische Äußerungen des
Kandidaten Ingo Stawitz) - gepaart mit den üblichen medialen Verdrehungen
(unter Mithilfe des Aussteigers Jürgen Gerg) - in die „Neonazi“-Ecke
abgestellt.
Diese verzerrende Sicht der Dinge macht sich nun auch - wen soll es verwundern
- Mechtersheimer zueigen. Wer jedoch die Verhältnisse in der NPD
kennt, der weiß, daß gerade der SH-Landesverband wie kaum ein anderer
für einen bürgerlich nationalen Kurs steht. Gerade Stawitz war vor
rund vier Jahren das Angriffsziel der dortigen NS-Fraktion (um Jürgen Gerg)
gewesen. Daß jetzt ausgerechnet die derzeitige NPD-Führung in SH
für „schlechtes Erscheinungsbild“ und „Neonazismus“
verantwortlich sein soll, ist eine Verdrehung der Tatsachen durch fragwürdige
„Analysten“.
Zugegeben: Der NPD-Führung in Sachsen ist es Monate zuvor gelungen, im
Windschatten von Hartz IV die Tatsache zu verdecken, daß das NS-Spektrum
gerade auch von Riesa aus, dem Sitz des „Deutsche Stimme“-Verlages,
gezüchtet wird. Die bürgerlich nationalen Kritiker des „Neonazismus“
scheint es überhaupt nicht zu stören, daß es Holger Apfel ist,
der regelmäßig Vorträge hält bei der überflüssigsten
Demonstration des nationalen Lagers, dem Rudolf-Hess-Marsch in Wunsiedel. Warum
richtet Mechtersheimer den „Neonazi“-Vorwurf nicht einfach an Holger
Apfel? Da ist es schon leichter auf dem „ehemaligen politischen Kriminellen“
Peter Naumann herumzutrampeln.
Die NPD hatte sich letztes Jahr im sächsischen Landtagswahlkampf als eine
Art mitteldeutsche FPÖ präsentiert. Über weitere Strecken des
Wahlkampfes hatten die bundesweiten Medien die Sachsen-NPD weitestgehend ignoriert.
Ihnen ist es infolge des saarländischen Überraschungserfolges (drei
Wochen vor der Sachsen-Wahl) nicht mehr gelungen, die Schwachpunkte der Sachsen-NPD
an die Öffentlichkeit zu bringen. Erst nach dem Wahlerfolg kamen die „Enthüllungen“
ans Licht. So berichtete der „Stern-Online“ in Wort und Bild über
eine ominöse Siegesfeier in einem sächsischen Hinterzimmer, in dem
sich die NPD-Führer mit rechtem Arm grüßen ließen. Während
Udo Voigt peinlich berührt dreinblickte, schien Holger Apfel diese Geste
immerhin zu amüsieren.
Dies alles war in dem Moment des großen Wahlsieges für Mechtersheimer
nicht so wichtig. Er sah hier wohl die Möglichkeit gegeben, wie kurzzeitig
1998 beim Aufschwung der DVU, schnell auf den Eilzug in Richtung Berliner Reichstag
aufzuspringen. Das Ziel, das die heterogene „rechte Volksfront“
(eine Mischung aus braven Nationalen, bürgerlichen Reaktionären und
NS-Nostalgikern) bislang zusammengehalten hat, ist wohl die systemimmanente
Perspektive, einen Sitz im nächsten Bundestag (2006) erhalten zu können.
Nun, nachdem es um diese Perspektive nicht mehr so perspektivisch aussieht,
scheinen die ersten Glücksritter wieder auf Distanz zu gehen, die zuvor
schnell die Umarmung gesucht hatten. Das spricht aber für den zweifelhaften
Charakter dieser Leute, die solche Wendungen vornehmen.
Als Fazit bleibt: Der „Neonazismus“ in der NPD ist einer sachlichen
und auf dauerhafte Problemlösung ausgerichteten Analyse zu unterziehen.
Das Thema sollte von der Parteiführung durch Selbstreflexion und eigene
Maßnahmen den bürgerlichen Distanzierern entzogen werden. Dabei sollte
die Parteiführung sich auch kameradschaftlich vor diejenigen stellen, die
jetzt (wie Peter Naumann) die Rolle von Sündenböcken einnehmen sollen.
Darüber hinaus benötigt die NPD ein glaubwürdiges nationalrevolutionäres
Konzept, das sich auf der Höhe der Zeit (des Jahres 2005) befindet und
seriös („bürgerlich“) präsentiert wird. Dabei ist
von NS-Rhetorik Abstand zu nehmen (Adolf Hitler „großer deutscher
Staatsmann“, Holocaust-Gedenkstätte soll Baumaterial für künftige
„Reichskanzlei“ liefern, etc.).
Die NPD hat die Chance und den jugendlichen Elan, sich als Alternative nicht
nur im Parlament, sondern gerade auch als Alternative zum parlamentarischen
System zu positionieren. Mit Tagespolitik, die schnell verrauscht (Harz IV)
und revisionistischen Themen („Bombenholocaust“) ist es alleine
nicht getan. Die „Mitte der Gesellschaft“ befindet sich dort, wo
die staatspolitischen Argumente der NPD auf einen akademisch feuilletonistischen
Diskurs stoßen könnten, der bereits von etablierten Systemkritikern
angestoßen wurde (Hans Herbert von Arnim, Erwin K. Scheuch, Helmut Schmidt,
Arnulf Baring, etc.).
Diejenigen hingegen, die alliiertes Grundgesetz und Parlamentarismus zum neudeutschen
Katechismus erheben möchten, finden nicht nur Verachtung bei der nationalen
Jugend (die sich dann in NS-Provokation flüchtet), sondern sie langweilen
auch den „Extremismus der Mitte“, der sich in der Gesellschaft zunehmend
ausbreitet.