Politische Theorie

 

Grundlage und Haltung

 

Vorbemerkung: Nachstehende Ausführungen entstammen dem Vortrag, den der bündische Aktivist Heinz Gollong auf der Gründungsversammlung der Gruppe Sozialrevolutionärer Nationalisten (Pfingsten 1932) hielt. Das Original wurde geringfügig bereinigt und gekürzt. Alle Hervorhebungen entsprechen dem Original. --- Richard Schapke, im März 2004

 

Kameraden! Genossen!

Der Kreis, der sich in der Gruppe Sozialrevolutionärer Nationalisten zusammengeschlossen hat, ist in mancher Hinsicht kennzeichnender, als es den Anschein erweckt. Es sind zu allen Zeiten wenige Geister gewesen, die ihrer Zeit voraneilend neue, kühne Wege beschritten, unverstanden blieben, Spott und Bekämpfung ernteten und schließlich selten erleben durften, wie sich die Masse der Menschheit später ihrer Ideen mit jener Selbstverständlichkeit bediente, die die „Mentalität“ dieser Masse bezeichnet.

Wir haben erlebt, wie wir, die wir aus ungezählten Lagern - nach den Begriffen der Alten geordnet - stammen, uns zunächst gefühlsmäßig näherten, vielleicht aus dem Instinkt heraus, aus einer Welt verstoßen zu sein, in der eine uns befremdende Sprache gesprochen wird, in der ein uns fremder Geist herrscht. Wir haben gesehen, wie weltfremd uns die Auffassungen dieser ewig Alten anmuteten, wie oberflächlich jene an die Dinge herantraten, und wie wenig sie sich bei der Betrachtung der Ereignisse von ihrem Ich zu lösen vermochten. Und nicht zuletzt entstand nach diesen Erlebnissen in uns das Bewusstsein, Träger eines ganz neuen Weltgefühls zu sein und für dieses „Neue“, das sich uns unbeschreiblich deutlich stets dann offenbarte, wenn wir uns mit Fragen der Gegenwart auseinandersetzten und dabei entdeckten, wie eigenartig anders wir die Gründe für die Weltgeschehnisse und deren Zusammenhänge sehen, kämpfen zu müssen, solange in uns junges Leben glüht.

Wir wissen nicht, wie wir uns getroffen haben. Mitunter ist es uns, als liege es in der Luft, dass sich diejenigen im Lande, die mit uns in eine Front gehören, erkennen müssen. Wollten wir unsere Berechtigung zum Kampf aus der Tatsache schöpfen, dass wir Menschen sind, die alle angestammte Befangenheit zerbrochen haben und fast ausschließlich aus den Organisationen des heutigen Deutschland ausgeschlossen wurden, so wäre das wohl ein unvollendeter Beweis. Es ist vielmehr der Glaube an die Richtigkeit unserer Einstellung, der uns die Kraft vermittelt, nunmehr als dem bisher unter uns vorherrschenden „Ressentiment“ zu bestimmter Gestaltung überzugehen. Hierin sehe ich die nächstliegende Aufgabe: jetzt zu untersuchen, ob sich aus unserem Wesen ein politisches Bild formen lässt.

Wenn wir an diese Klärung herangehen, so müssen wir einige wesentliche Dinge betonen, die zwar vielen selbstverständliche Haltung bedeuten, aber angesichts der vor nichts zurückscheuenden Kampfesweise gewisser politischer Interessengruppen festgestellt zu werden nötig erscheinen.

Wir beanspruchen nicht, die Schöpfer aller Gedanken zu sein, die die Grundlage unserer in diesem Augenblick zu schaffenden Thesen ausmachen. Wir behaupten nicht, alleinige Pächter dieser politischen Grundsätze zu sein, weil wir glauben, dass viele junge Kräfte in Deutschland das gleiche Empfinden besitzen, ohne bisher Anschluss an uns gefunden zu haben. Wo sich Kreise gebildet haben, die für ihre Gedanken denselben Ausdruck wie wir fanden, werden sie zu uns stoßen und werden bei uns das genügende Maß an geistiger Beweglichkeit vorfinden, um nicht an andersseitiger Zusammensetzung verwandten Inhalts Anstoß zu nehmen. In diesen wenigen Worten liegen sittliche Forderungen an politische Denker und Kämpfer, die gewiss für die heute die Lage beherrschenden Einrichtungen den Reiz der Neuheit und Eigenartigkeit besitzen. Wir können uns deshalb ehrlich der Öffentlichkeit zeigen, weil in unserem Kreise Ideenfreiheit herrscht und wir keine „Interessen“ zu vertreten haben.

Es gibt Dinge im Leben, die sogleich ein verändertes Gewicht gewinnen, sobald man ihre Lage zueinander verändert. Ebenso ist es mit den politischen Ideen. Nicht, dass es unser Werk ist, dem Liberalismus gleiche Werte entgegensetzen zu können, nicht, dass es unser Werk ist, den Pazifismus überwunden zu haben, rühmen wir uns; aber wir ordnen die jüngsten der politischen Ideen, deren wir uns bedienen, in einer Weise, die gewiss neuartig in ihrer Konstellation ist, weil sie Standpunkte miteinander in lebendige Verbindung bringt, die bei den Alten als Wasser und Feuer gelten, und an denen sie alle gescheitert sind: nämlich Nationalismus und Sozialismus.

Zugegeben, dass diese Synthese ihrem Wortlaut nach nicht ganz neu ist, sondern recht nachdrücklich im Kampf der Parteien als Werbemittel von einigem Wert angewandt wurde. Wer wollte jedoch behaupten, dass diejenigen, die sich ihrer zu Reklamezwecken bedienten, ernsthaft bemüht gewesen wären, ihr Sinn und Gestalt abzuringen? Ich glaube, dass in Anbetracht der zahlreichen Beweise, die dafür vorliegen, kein Wort weiter darüber zu verlieren ist. Es kann vielmehr mit unserer Arbeit begonnen werden, ohne Zeit damit zu verlieren, dass wir uns bei der Kritik an jenen Gebilden aufhalten, die vorgeben, eine Idee zu verfechten, und in der Praxis Futterkrippen sind.

Indessen sind wir in der glücklichen Lage, aus den Fehlern der Alten lernen zu können. So ziehen wir neben vielem anderen auch aus deren Starrheit die Lehre, Vorsicht vor Dogmatik und Schlagwort zu beobachten. Das heißt dass wir ablehnen, derlei Mittel zu benutzen, und dass wir auf der Hut sein werden, dergleichen zu überschätzen und ihm zu trauen.

Das hindert unserer Gegner aller Abschattungen selbstredend nicht, uns mit ihren Waffen anzugreifen. Ehe wir zur Formung gelangten, nahmen wir Gelegenheit zu journalistischer Aussprache in den uns zur Verfügung stehenden Blättern und fanden wider Erwarten eine Beachtung, die uns manche Schlüsse ziehen lässt. Wir betonten alle, woher wir auch kamen, neben unserem entschiedenen Nationalbewusstsein, neben unserem einschränkungslosen Bekenntnis zur Wehrhaftigkeit unsere folgerichtige Verfolgung des Sozialismus bis in das wirtschaftliche Gebiet hinein, ausgehend von der Ansicht, dass die kapitalistische Gedankenwelt wirtschaftliche Gesichtspunkte in die erste Linie des Lebens rückt und wir darum kämpfen, die Kräfte des Blutes und des Geistes von den Fesseln dieser materialistischen Profitgier zu befreien. Wir stellten fest, dass wir als „Volk und Nation“ nicht in den Banden der Wirtschaft liegen wollen, von deren Trägern es heutzutage abhängt, welche Entscheidungen der Staat in außen-, innen-, sozial- oder kulturpolitischen Beziehungen fällt, mag dieser Umstand der Öffentlichkeit auch klugerweise nicht augenfällig dargestellt werden. Wir forderten, dass die Wirtschaft ein „Instrument“ des Staates zur Erfüllung der Lebensbedingungen des Volkes werde, während gegenwärtig der Staat ein „Instrument“ der Wirtschaft zur Erfüllung privater Gewinnabsichten sei.

Da unsere Gegner wussten, dass wir allen ethischen oder ähnlichen Begründungen ihrer Ordnung schon lange keinen Glauben mehr schenken, und sich daher nicht in der Lage sahen, uns umnebeln zu können, so versuchten sie es auf eine Weise, uns allgemein als Grauen und Ekel erregende Bestien zu skizzieren, um uns instinktiv in Gegensatz zu ihren gläubigen Schäflein zu bringen: man betitelt uns „Nationalbolschewisten“, genau wissend, welch schrecklichen Eindruck das Wort „Bolschewismus“ heute noch in Deutschland hervorruft. Man spekulierte auf der Gegenseite damit, dass alles, was mit uns in Fühlung stand, uns nunmehr wie Aussätzige abstoßen und verachten würde. (…) Gruppierungen, die ihren inneren Zerfall spüren, pflegen alle Regungen, die ihnen abträglich erscheinen, mit ängstlichem Gezeter zu überfallen. (…)

Eine ehrliche Selbsteinschätzung der Mittel, die uns zur Verfügung stehen, wird unserem Kampf dienlicher sein als eine Überschätzung unseres Einflusses. Wo die Linien verlaufen, kann gegenwärtig kein Gegenstand unserer Untersuchung sein. Wir müssen den Blick dafür dem einzelnen überlassen, wie weit unsere Wirkung reicht und bis zu welchem Grade wie bei den politischen Entscheidungen mitzuwirken Gelegenheit haben. Ich habe das Vertrauen, dass sich niemand von uns aus psychologisch oft verständlichem, persönlichem Geltungsbedürfnis heraus dazu hinreißen lässt, zu Stellungnahmen zu schreiten, die in Anbetracht der geringen Machtmittel, die hinter ihnen stehen, nicht einer gewissen Banalität entbehren. Derlei politische Methoden (…) müssen wir bereits überwunden haben. Setzen wie dafür Entschlossenheit und Sachlichkeit bis zur Durcharbeitung der letzten Fragestellung: Wir werden klarer sehen und kühler urteilen, die Menschen unserer Gemeinschaft eher fördern und nicht zuletzt den notwendigen Abstand von Losungen und Schlagworten, zu denen viele eine begreifliche Hinneigung mangels sachlicher Durchbildung besitzen, leichter gewinnen können.

Es ist nicht verwunderlich, wenn proletarisch-sozialistische Kreise der Ernsthaftigkeit unseres sozialistischen Willens misstrauen, wenn man bedenkt, welcher Missbrauch heute mit diesem Begriff getrieben wird. Der Sozialismus wird oft dort zu Parteizwecken angewandt, wo mit seiner Hilfe die Bewegung der Massen erfolgreich erscheint. Diejenigen von uns, die von „links“ kamen, wissen, wie ungerechtfertigt dieses Misstrauen ist. Wir, die wir ehemals „rechts“ standen, sind in der Tat in gleichem Maße proletarisiert, womit ich keineswegs die Proletarisierung des deutschen Volkes beschönigen will. Es erübrigt sich, dass wir mit schweren Eiden der Reaktion, die die Linke noch in uns wittert, entsagen oder ein Beglaubigungsschreiben beibringen. Wir sind sozialistisch - revolutionär geworden um der Nationwerdung willen und verlangen Vertrauen zu unserer Ehrlichkeit! Mit euch ehemals „Linken“ ist es heute unser Ziel, auf gemeinsamer Grundlage, mit gemeinsamer Haltung Ausdruck zu finden für die politischen Grundsätze, die allein aus unserem Wesen und unserem Weltgefühl heraus geboren werden können!

 

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