![]() |
�
Vorbemerkung: Der nachstehende Artikel des italienischen Kulturphilosophen Julius Evola erschien urspr�nglich in der "Europ�ischen Revue" von 1932. Zwar braucht man sicherlich nicht alle Standpunkte des Unvergessenen zu teilen, aber dennoch handelt es sich hier um einen au�erordentlich wichtigen Beitrag zur ideologischen Diskussion um den Nationalismus. Entgegen sonstiger Gewohnheiten geben wir den Aufsatz ungek�rzt und unbearbeitet wieder. Interessierte seien auf die Standardwerke Evolas wie "Revolte gegen die moderne Welt", "Der Mensch inmitten von Ruinen" und "Cavalcare la Tigre" hingewiesen. --- Richard Schapke
�
Das Doppelantlitz des Nationalismus
�
Von Baron Julius Evola (aus: Europ�ische Revue, 1932)
�
Es ist Tatsache, da� der Weltkrieg den Proze� der Herausbildung von Nationalismen innerhalb wie au�erhalb Europas nicht nur ersch�pft, sondern geradezu seiner akuten Phase zugef�hrt hat. Daher hat das Verlangen, den Bedeutungsgehalt dieses Geschehens zu erfassen, seine volle Berechtigung.
Welche Bedeutung hat der heutige Nationalismus im Rahmen einer Kulturphilosophie? Unserer �berzeugung nach verlangt diese Frage folgende L�sung: Im modernen Nationalismus bestehen zwei gedanklich getrennte, ja entgegengesetzte, jedoch h�ufig miteinander kombinierte M�glichkeiten, deren eine als Degenerations- und R�ckbildungsform zu bewerten ist, w�hrend die andere einen Weg nach h�heren Werten und Vorspiel der Neugeburt darstellt.
Im folgenden Aufsatz soll versucht werden, diese Andeutung in allen ihren Folgerungen auseinanderzusetzen.
Ph�nomene gleich dem Nationalismus, lassen sich deuten nur im gro�en Rahmen eines auf kritischen Werturteilen beruhenden historischen Gesamtbildes.
In einem solchen Bild erweist sich als auffallend: das allm�hliche Abw�rtsgleiten der politischen Macht von Stufe und Stufe innerhalb jener Werthierarchie, in deren Rahmen in den antiken Kulturen die qualitative Differenzierung menschlicher M�glichkeiten sich vollendet hatte. Der Vorgang l��t sich von der Schwelle der "historischen" Zeit bis auf unsere Tage verfolgen. In der politischen Geschichte des Abendlandes hat er seine besondere Bedeutung. (Die Idee der R�ckbildung der Kasten wurde zuerst in unserem Buch "Imperialismo Pagano" (Rom, 1927) betont. Eingehender behandelt haben wir sie wiedergefunden in den - bisher unver�ffentlichten - Darlegungen des italienischen Abgeordneten V. Vezzani. Endlich hat Ren� Gu�non diesen Ideen eine systematische und endg�ltige Form verliehen in seinem Werk: Autorit� spirituelle et pouvoir temporel (Paris, 1929).)
Bekanntlich sprechen schon die �ltesten �berlieferungen von einer Sinn�hnlichkeit des politischen mit dem menschlichen Organismus. In jeder h�heren organischen Erscheinungsform bestehen aber in hierarchischer Bindung vier unterschiedliche Funktionen: an der unteren Grenze die noch undifferenzierten, dumpfen Lebenskr�fte - dar�ber erheben sich bereits die organischen Austauschfunktionen -, die ihrerseits in jenen Willen m�nden, der den Gesamtk�rper im Raume bewegt und leitet; �ber allen steht die Machtf�higkeit des Intellekts und der Freiheit, gleichsam als Mittelpunkt und Leuchte des ganzen Organismus.
Traditionen, die im Staate statt einer notgeborenen Zuf�lligkeit ein h�heres vergeistigtes Lebe-Wesen erblick-ten, verlangten eine �hnliche Trennung und hierarchische Abstufung in St�nde und Kasten. Die Reihe: form-lose Vitalit�t, organische Austauschfunktion, Willen und Geist spiegelt sich wieder in den vier traditionellen Kasten der Diener (Arbeiter), der Kaufleute und Ackerbauer, der Krieger, der Tr�ger k�niglich-priesterlicher Macht. Eine Kaste war rangm��ig �ber den anderen aufgebaut: der Massenmensch stand unter der Kontrolle und Herrschaft derer, welche in Verkehr und Handel nat�rliche wie wirtschaftliche Quellen zu verwerten wu�ten. Diese letzteren wiederum, gef�hrt von der Autorit�t des Kriegeradels, scharten sich um den einen, der in seiner beherrschten Vollendung gleichsam Zeuge stand f�r eine �ber das menschliche hinausf�hrende M�glichkeit.
Die antike Welt des Orients (Iran und Indien) und des Fernen Ostens kannte einen �hnlichen Typ sozialer Organisation, dem sich �gypten, Griechenland und Rom teilweise n�herten. In den politischen Lehren eines Plato und Aristoteles kam es zur Offenbarung verwandten Geistes, der dann endlich in der katholisch-feudalen Welt des Mittelalters zum letzten Mal aufflackerte.
Wichtig ist es festzustellen, da� eine solche Organisation einem qualitativen Kriterium entsprach und Zeugnis ablegt von der Herausbildung h�herer Interessen- und Pers�nlichkeitsformen. Im alten Osten hie�en die h�-heren Kasten die der "Wiedergeborenen" - dwijas-, bildeten also eine geistige Elite. Kriegerstand und Adel besa�en aber nicht so sehr eine politische wie die Bedeutung eines schon "sakralen" Standes, was der Fall war auch im mittelalterlichen Rittertum. Jegliche Rangordnung, die auf einer wirtschaftlichen T�tigkeit, auf Arbeit, Industrie, auf Verwaltung des Gemeinverm�gens usw. beruhte, war in die beiden unteren Kasten verbannt, jenen Funktionen gleich, die im menschlichen Organismus den k�rperbedingten Lebenserforder-nissen dienen.
So spiegelte sich in der Hierarchie der vier Kasten das stufenm��ige Emporsteigen der Individualit�t durch Hingebung an h�here Tatformen als die des unmittelbaren Nur-Lebens. Im Gegensatz zum antlitzlosen Kol-lektivum, das nichts als "leben" will, stellte die zweite Kaste - die der Organisatoren der Arbeit und des Reich-tums - schon den Beginn eines h�heren Typus, einer "Person". Aus dem Heroismus der Kriegerkaste und dem Ethos der Aristokratie - dem dritten Stande - ersteht aber das Vorgef�hl eines "Mehr-als-Lebens", eines Wesens, das sich selber sein Gesetz gibt, jenseits der naturhaften, instinktgebundenen, kollektivistischen und utilit�ren Triebfedern. Wenn im Urbegriff des F�hrers sich Asket, K�nig und Priester zu einer Personalunion verschmelzen, so erf�llt sich darin die universelle und fast �bernat�rliche Pers�nlichkeit, der vollendete Ausdruck dessen, was im Alltagsmenschen nicht die Kraft findet, sich von der Welt des Zuf�lligen zu l�sen und "Selbst" zu sein.- In dem Ma�e, als die Herrscher, die vollendeten Individuen, die Achse des ganzen sozialen Organismus bildeten, war also dieser Organismus gleichsam ein vom Geiste regierter K�rper; zeitliche Macht und geistige Autorit�t waren eins; die Hierarchie war legitim im unbedingten Wortsinne.
Soweit das uns als Ausgangspunkt dienende Schema, dessen idealtypischer Wert selbstverst�ndlich unabh�ngig ist von seinen zeit- und raumbedingten Erscheinungsformen, die mehr oder weniger seinen Sinn wiedergeben k�nnen. Auf solcher Grundlage aber wird uns der andauernde "Verfall" der Macht im historischen Zeitalter zur furchtbaren Tatsache.
Die �ra der "geheiligten K�nige" - gleicherweise Herrscher- und Priestergestalten - steht schon an der Schwelle der "mythischen" Zeit. Die Machtgipfel werden abgetragen. Von ihren h�chsten Vertretern steigt die Gewalt herab zur n�chstniedrigen Stufe - die der Kaste der Krieger. Es bleibt der profane Herrschertyp eines Monarchen als Heerf�hrer, Richter oder Gesetzgeber.
Zweite Stufe des Verfalls: die gro�en europ�ischen Monarchien gehen unter. Die Aristokraten degenerieren. Der Versuch des Heiligen R�mischen Reichs scheitert. Durch Revolutionen (England und Frankreich) und Konstitutionen werden die K�nige, dem "Volkswillen" gegen�ber, zu kraftlosen �berbleibseln. Im Bereiche der parlamentarischen, republikanischen und b�rgerlichen Demokratien bezeichnet die Formung kapitalistischer Oligarchien den neuen verh�ngnisvollen Schritt, mit dem die politische Macht von der zweiten zu der heutigen, der dritten Kaste - der des Kaufmannes - entsprechenden Stufe niederschreitet.
Die Krise in der b�rgerlichen Gesellschaft, die Heraufkunft des "Proletariats", der Despotismus der sich zu einer rein kollektiven, wirtschaftlichen und internationalen Einheit konstituierenden Masse k�ndigen uns das nahendes Ende an. Die Macht kommt auf die letzte Kaste: derer, die ohne Namen und ohne Antlitz gehen. Materie, Metall und Zahl werden Standard. Die Lebensart der Knechte - die Arbeit - wird zur Religion. Die Erde kennt keinen Himmel mehr. Unbedingte Herrschaft des Unpers�nlichen und Mechanischen.
Vergleichsweise: Jemand kann die Spannung des Geistes (sakrales K�nigtum) nicht mehr in sich ertragen: nicht einmal die des Willens - der Kraft, die ihm den K�rper bewegt (Kriegerstand): er l��t sich sinken. Dann aber erhebt er sich magnetisch wieder, K�rper ohne Seele, unter dem Einflu� fremder Kr�fte, die von den unbewu�ten Schichten der blo�en Vitalit�t ausgehen (Emp�rung des letzten Standes, D�monie des Kollektivum).
Es ist die Zeit, sich von der Illusion des "Fortschrittsmythus" zu befreien, der Wirklichkeit die Augen zu �ffnen. Es ist Zeit, das furchtbare Schicksal geistiger Zerr�ttung, das �ber dem Abendlande lastet, zu erkennen: ein Schicksal, das heute seine letzten Fr�chte reift.
Im Kern des dargestellten Involutionsproze� steht die Standpunktsverschiebung vom Individuellen zum Kollektiven, im engsten Zusammenhang mit dem angedeuteten R�ckgange von jener Berufung, die den h�heren Kasten ihre rechtsm��ige hierarchische Autorit�t sicherte, zu den Standesinteressen eben der unteren Kasten.
Der Mensch ist frei nur in einer unbedingten Handlung. Dies ist der Fall in den beiden Symbolen einer reinen Aktion (Heroismus) und einer reinen Erkenntnis (Askese und Kontemplation), die durch ein aristokratisch gerichtetes Regime ihre volle Geltung erlangen k�nnen. Durch sie er�ffneten die beiden oberen Kasten dem Menschen Wege, auf da� er teilhabe an jener Ordnung des "�berweltlichen", in der allein er sich selber angeh�ren und den wesentlichen und universalen Wert der Pers�nlichkeit erfassen kann. Werden diese h�heren Interessen vernichtet in der ausschlie�lichen Konzentration auf praktische und nur-zeitliche Ziele, oder gehen sie auf in wirtschaftlichen Bestrebungen und den unteren Klassen eigent�mlichen Bed�rfnissen, so desintegriert und dezentralisiert sich der Mensch, er gibt sich Gewalten pries, die ihn sich selbst entrei�en und ihn den irrationalen und vorpers�nlichen Energien des Kollektivlebens �berantworten. �ber jene M�chte sich zu erheben, galt fr�her als Kampfziel und Sinn jeder wahrhaft h�heren Kultur.
So gewinnt das Kollektivum in den sozialen Formen der letzten Zeiten immer mehr an �bergewicht, geht fast so weit, den Totemismus der primitiven Gemeinschaften zu neuem Leben aufzurufen. Nation, Rasse, Partei, Gesellschaft und Menschheit tragen heute den Stempel eines mystischen Pers�nlichseins; sie verlangen vom Einzelnen, der ihnen als Teil zugeh�rt, Hingabe und unbedingte Unterwerfung. Gleichzeitig wird im Namen der "Freiheit" Ha� ges�t gegen alle jene H�herstehenden und herrschenden Pers�nlichkeiten, die allein ein begr�ndetes und heiliges Recht auf Unterwerfung und Gehorsam von Seiten der Einzelnen ansprechen d�rfen. Diese Tyrannis der Gruppe beschr�nkt sich nicht nur auf die politischen und sozialen Lebens�u�erungen des Einzelnen: sie ma�t sich moralische und geistige Rechte an; Kultur und Geist sollen als uninteressierte Bet�tigungsweisen und Wege zur Erh�hung des Menschentums im Einzelnen aufh�ren, um abh�ngige Organe des weltgebundenen Kollektivwesens zu werden. Laut verk�ndet sich so eben eine Moral, die den Sinn und Wert des Geistes allein im Dienst f�r den K�rper erblickt. Da� der Mensch, bevor er seinen Pers�nlichkeitswert, sein Ich erf�hlt, sich als soziale Gruppe, Partei oder Nation erleben soll - das ist eine der besonderen und bezeichnenden Forderungen der letzten ideologischen Umsturzbewegungen: damit kehrt das n�mliche Verh�ltnis wieder, in dem einst der Primitive zu dem Totem seines Stamms oder Clans stand.
Im Wiedererwachen des russischen Volkes, im Glauben des Bolschewismus an seine prophetisch-universelle Mission, best�tigt sich der Sinngehalt jenes R�ckfalls in primitive soziale Zust�nde, der sich schon in verschiedenen zeitgem��en Formen beobachten l��t. Mit Recht wird die russische Revolution angesprochen als endg�ltiger Aufbruch einer barbarisch-asiatischen Rasse gegen die 200j�hrigen Versuche des Zaren, Ru�land nach europ�ischem Vorbild zu zivilisieren. Und ebenso richtig ist die Ansicht, Bolschewismus flie�e folglich spontan mit allen den Zersetzungselementen der europ�ischen Gesellschaft von heute zusammen. Bolschewismus ist nichts anderes als in moderner Gestalt wieder auflebender urslawischer Volksgeist: dieses traditionslose Volk in seinem sozialen Mystizismus, der Verschmelzung von Geistigkeit und Sinnlichkeit, dem Vorherrschen des Pathos gegen�ber dem Ethos, des Triebhaften �ber das Intellektuelle, weist zur�ck auf vorpers�nliche Form-losigkeit und kommunistische Promiskuit�t, wie sie eben den Primitiven eigen sind.
Die Ersch�tterungen des Weltkrieges haben diese Elemente wieder in Freiheit gesetzt: f�r die noch gesunden Glieder Europas furchtbare Keime innerer Zersetzung. Die "Kultur" der Sowjet verk�ndet das "Zeitalter des Proletariats", widmet sich zu diesem Ziel der Vernichtung der Pers�nlichkeit und Freiheit, die als "Aussatz", als "Gift b�rgerlicher Gesellschaft" und "Anfang allen �bels" betrachtet wird. Die Sowjet fordern nicht blo� die Aufhebung des Privateigentums, sie verlangen bekanntlich die Abschaffung jedes freien und unabh�ngigen Gedankens und aller "auf das �bernat�rliche oder auf irgendwelche den Arbeitsklassen fremde Interessen gerichteten Beweggr�nde" (Lenin); ihr Ziel ist die Heraufkunft des "allm�chtigen Masse-Menschen", der allein leben und jeder Lebens- und Denkform des Einzelnen Gestalt geben soll. Am Bolschewismus modern ist nur seine "Methode": Mechanisierung und Rationalisierung sind die vorz�glichsten Mittel, um in einer universalen, auf blo� wirtschaftlicher Basis aufgebauten Volksherrschaft den - in der slawischen Seele ja schon mystisch vorbestehenden - "Masse-Menschen" zu verwirklichen. So geht die Kultur der Sowjet bewu�t einer anderen Rasse entgegen, die sich gleichfalls eine universale Mission der Welterneuerung und den Anspruch, das letzte Wort der Kultur auszusprechen, anma�t: Amerika.
In Amerika verr�t der R�ckbildungsvorgang nicht die Urkraft eines im kulturlosen Zustande beharrenden Volkes. Hier wirkt vielmehr der starre Determinismus, kraft dessen alle Menschen, sobald sie sich von der Form des rein Geistigen zu dem Verlangen nach den taggebundenen Dingen gewandt haben, ipso facto aufh�ren, sich selbst anzugeh�ren, und zu Teilen jenes irrationalen Kollektivwesens werden, das sie nicht mehr zu beherrschen verm�gen. Die Seligsprechung der Welt, die Laisierung des Sakralen, der die protestantische H�resie die Tore ge�ffnett hat, haben Amerika in seine heutigen Zustand gebracht. Indem die Vereinigten Staaten das Ideal Europas, die Vorherrschaft �ber die Welt, tats�chlich erreichten, haben sie - wohl dessen unbewu�t - Macht, Gesundheit, Aktivit�t und Pers�nlichkeit v�llig ins Praktische und Physische umgedeutet und dadurch eine noch viel gef�hrlichere Form der Barbarei geschaffen. Hier gilt der Asket als Tagedieb, als zeit-ungem��er Schmarotzer, als "�berfl�ssiges Mitglied der menschlichen produktiven Gesellschaft"; den Krieger h�lt man f�r einen gemeingef�hrlichen und �berspannten Menschen, die humanit�r-pazifistischen Vorkehrungen sollten es sich angelegen sein lassen, diesen Stand abzuschaffen, um ihn - vielleicht - durch "boxeurs" oder "detectives" bzw. "cow-boys" zu ersetzen. Vollendeter Typ, geistiger K�mpfer und Wettsieger ist dagegen der "arbeitende, produktive Mensch"; keine Art der T�tigkeit, auch nicht die des Verstandes, hat Geltung, wenn sie nicht unter dem Namen "Arbeit" - "produktive" Arbeit - auftritt um im "Dienste der Gesellschaft" steht. Eine solche Auffassung zeigt also unwiderleglich, da� eine so beschaffene "Kultur" eben im Typ des letztrangigen, aus der antike gel�ufigen Standes - dem der Arbeitssklaven - aufgipfelt. Auch hier h�rt der Mensch auf, indem er auf seine geistige Pers�nlichkeit verzichtet hat, irgendwelche Bedeutung zu haben, es sei denn im Rahmen jener "Pflichten", welche ihm von der vom Fieber des Leistens, des "Realisierens", des Sich-Bewegens vor-w�rtsgepeitschten Kollektivgemeinschaft auferlegt werden. Nur widerrechtlich k�nnen aber solche "Pflichten" - wie in den neuesten Ideologien moralische, ja religi�se Geltung beanspruchen; die Standardisierung der Seele selbst und ihre Aufl�sung in eine verflachte Allgemeinheit und ins allbeherrschende �konomisch-Mechanische sind das offenbare Ziel. Dabei ist sogar die F�higkeit, den Grad dieses Verfalls zu erkennen, ausgel�scht.
Das sind die Formen, in welchen sich der Kreis beschlie�t, der Niedergang vervollst�ndigt. Ru�land und Amerika sind zwei gleichwertige Beispiele, zwei n�mliche Gesichter ein und derselben Sache. Von der fr�her so augenscheinlichen �hnlichkeit mit dem menschlichen Organismus, in dem sich im Glanz und der Autorit�t der h�heren Kasten entwickelnden Staate, ist der soziale K�rper nun zum Typ eines untermenschlichen Rumpfgebildes herabgesunken. Heraufkunft des antlitzlosen Tieres. So sind uns alle Elemente gegeben, um in vollstem Ernste an das Problem heranzutreten: Welches ist die wahre Bedeutung des Nationalismus in der modernen Welt?
Nach all dem Gesagten ergibt sich bereits folgender Typ eines klar erkennbaren Nationalismus: es ist jener Zustand, welcher dem internationalen Gebilde eines wirtschaftlich-proletarischen Kollektivismus unmittelbar vorausgeht.
Wichtig in diesem Nationalismus ist nicht so sehr die Herausbildung eines besonderen Nationalbewu�tseins: vielmehr die Tatsache, da� die "Nation" zur Person, zu einem selbst�ndigen Wesen geworden ist. Zum ethischen Wert wird eben die Unf�higkeit erhoben, jene Bande des Bodens und des Blutes zu �berwinden, die nur die naturbedingte und infraintellektuelle Seite des Menschen angehen - eben die Unm�glichkeit des Einzelnen, sich einen Sinn au�erhalb der Kollektivit�t und der gegebenen �berlieferungen zu erringen. Die blo�e Tatsache des "National"-Seins verleiht hier allen Erscheinungen den Strahlenkranz mystischer Unverletzlichkeit, garantierender und unbedingten Respekt fordernder Macht. Dieses ethnisch-infraintellektuelle Element erkennt nicht nur h�heren Prinzipien keinerlei Autorit�t zu, unterstellt sich vielmehr dieselben; an erster Stelle steht die "Nation" - dann kommen in Unterordnung erst Wirklichkeit, Wahrheit und Kultur. Gewisse nationalistische Gruppen gehen jedoch noch dar�ber hinaus: sie verwerfen jedes unbeteiligte und sachliche Urteil als abstrakt; verlangen, man solle auch in Fragen der Wirklichkeit, Wahrheit und Kultur nicht von der nationalen �berlieferung und den politischen Interessen absehen. Daher sprechen sie auch von "unserer" wissenschaftlichen, philosophischen und sogar religi�sen �berlieferung und �u�ern gegen alles, was nicht "von uns" ist, was "der Nation nicht unbedingt f�rderlich" ist, eine vorgefa�te Geringsch�tzung oder zum mindestens gleichg�ltige Zur�ckhaltung. (Wenn wir von "Tradition" im negativen Sinne sprechen, beziehen wir uns nur auf jene Auffassung derselben, die kein intellektuelles - also �berethnisches - Element in sich birgt. In diesem Falle aber bedeutet - um mit Chesterton zu sprechen - "Tradition" blo� die Ausdehnung des demokratischen Mehrheitsrechtes �ber das Geschichtliche: das totemistische Recht der Toten steht �ber den Lebendigen, ein Recht, das sich auf die Tatsache st�tzt, Tote derselben Rasse zu sein.)
Gleichwie man keiner h�herstehenden Aktivit�t gestattet, sich frei zu entfalten und ein �ber den ethnischen Voraussetzungen stehendes Dasein zu schaffen, so ist auch im Rahmen eines solchen Nationalismus kein Raum und keine Wertsch�tzung f�r eine h�herentwickelte Pers�nlichkeit, sie sei denn ein "Exponent" der Nation. Im Zeitalter der Revolutionen, im Niederbruch der aristokratisch-feudalen Regierungssysteme geboren, dr�ckt dieser Nationalismus daher den reinsten "Massen-Geist" aus - ist er eine Variante der demokratischen Unduldsamkeit, einer Intoleranz, die sich gegen jeden F�hrer richtet, der nicht ausschlie�lich "Diener des Vaterlandes" und Organ des "Volkswillens" ist und in allem und f�r alles vom Guthei�en desselben abh�ngt.
Ohne Schwierigkeit erkennen wir also, da� zwischen dem Nationalismus und dem Anonymat nach russischer oder amerikanischer Art im Grunde nur ein Gradunterschied besteht: im ersten Falle sinkt der Einzelne wieder in den ethnisch-nationalen Urgrund zur�ck; im zweiten Falle aber verschwinden die Unterschiede der ethni-schen Urgruppen, es entsteht eine weitl�ufige Kollektivisierung, eine Zersetzung in das Element Masse. Um von einem zum anderen Grade des Kollektivismus zu gelangen, gen�gt es, da� an Stelle der Rassenmystik die Idee eines reich wirtschaftlich-mechanischen Typs gesetzt wird. Es liegt am unpers�nlichen Charakter einer solchen Struktur, wenn letzte Reste des Qualit�tsunterschiedes tats�chlich ausgerottet werden: durch die Rationalisierung und Mechanisierung des �ffentlichen Lebens werden virtuell dem vaterlandslosen "Massenmensch" die Tore der Zukunft erschlossen. - Da nun die "Kultur" von heute eben auf dem Standpunkte wirtschaftlich-mechanischer Machtentfaltung steht, da auf diese Ebene mehr oder weniger alle Werte und Gr��enma�st�be zur�ckgef�hrt werden, ist vielleicht der Schritt zum �bergang von dem einen zum anderen Grade nur mehr eine Frage der Zeit.
Und doch fragt man: kann dem Nationalismus auch noch eine andere Bedeutung innewohnen? Wir glauben diese Frage bejahen zu d�rfen. Wir haben doch behauptet, der Nationalismus erscheine als �bergangsform in der Epoche der zur politischen Herrschaft gelangten dritten Kaste, jedoch vor der endg�ltigen Heraufkunft des letzten Standes. Eben solche ideengeschichtliche Lage bef�higt den Nationalismus, Tr�ger eines doppelten Sinnes zu werden. Als �bergangsform kann er n�mlich sowohl in der Richtung des Verfalles wie auch in der Richtung eines Wiederaufbaus vorgefunden werden. Angenommen, der R�ckbildungsproze� habe sein Ende erreicht im Sinne einer amerikanisierten bzw. sowjetisierten Welt, so w�rde, wer noch die Kr�fte f�r ein Wiederauferstehen sp�rt, in dem neuen Aufstieg wieder den Nationalismus antreffen - doch einen ganz andersgearteten Nationalismus! Wie die von der Physik "vektorial" genannten Gr��en, l��t sich auch das Ph�nomen des Nationalismus nur auf der Grundlage eines Richtungsfaktors bestimmen: Die erste Form des Nationalismus liegt in der Richtung nach dem in dem Grad der "Nation" verwirklichten Kollektivum. In der zweiten verl�uft die Richtung dagegen vom Kollektivum hin�ber nach dem Wiederaufbau einer neuen aristokratischen Hierarchie.
Die Voraussetzungen dieses zweiten Nationalismus lassen sich in vortrefflicher Weise mit den Worten Paul de Lagardes andeuten: "Eine einzelne Nation steht h�her als die Menschheit, und jedes einzelne Mitglied einer Nation ist mehr - das hei�t, soll mehr sein - als nur national, mehr als nur das, was jeder Nationsgenosse als sol-cher ist: in der Nationalit�t tritt zur Menschheit ein sehr wertvolles x; und in der Einzelpers�nlichkeit zu diesem wertvollen x ein noch viel wertvolleres y hinzu." (P. de Lagarde, Deutsche Schriften, B.I, S. 163. Vgl. S. 423: "Mit der Idee der Humanit�t m�ssen wir brechen: denn nicht das allen Menschen Gemeinsame ist unsere eigenste Pflicht, sondern das nur uns Eignende ist es".) Es handelt sich also um eine Hierarchie, die vom Abstrakten zum Konkreten schreitet; das Abstrakte ist das Kollektivum, das Allgemeine - das Konkrete ist das differenzierte Individuelle. Im Vergleich zur formlosen Masse "Menschheit" kann das Wiederauferstehen eines differenzierten Nationalbewu�tseins schon einen ersten Fortschritt darstellen. Das Nationalbewu�tsein, der ethnische Stamm soll aber der Pers�nlichkeit gegen�ber wiederum nur formlose Materie werden. Die Pers�nlichkeit, die zu sich selbst findet, sich selbst vollendet nach h�heren, �ber das blutbedingte hinausreichenden Lebensformen, wandelt jene Materie vom Chaos zum Kosmos, von der potentia zum actus. Das Verh�ltnis verkehrt sich so ins ein Gegenteil: die Nation ist nicht mehr der Zweck des Individuums - das Individuum als geistig-aristokratische Pers�nlichkeit wird dagegen der Zweck der Nation. Die Nation kann wohl als ihre Mutter gelten: aber sie hat dabei blo� die Bedeutung der stofflichen Bedingtheit des Bodens gegen�ber einem Baume, dessen obere Teile sich vom Boden losrei�en und nach den freien H�hen emporsteigen.
Damit ist der Hauptpunkt des Unterschiedes gekl�rt. Zur endg�ltigen Kl�rung haben wir uns noch auf die qualitative Bedeutung der alten Kastenhierarchie zu berufen. Ein Nationalismus, der keine Anbahnung mechanisch-kollektivistischer Zust�nde, sondern �berwindung solcher Zust�nde und Vorspiel des Wiederaufbaus sein soll, ist m�glich nur auf der Grundlage folgender Forderung: unbedingte macht und unmittelbare Autorit�t f�r eine neue, �ber all das Praktische, "Soziale" und Wirtschaftliche hinausgehende Wertordnung. Sonst kann keine wahre Hierarchie bestehen, und ohne Hierarchie ist die R�ckkehr zu einem h�heren, vergeistigten Staatstyp unvollziehbar. In der Tat bedeutet Hierarchie nicht blo� Unterordnung, sondern Unterordnung des Niedrigeren unter das H�here. Niedrig ist aber all das, was sich an praktischen, interessierten, weltlichen Ma�st�ben messen l��t; h�her ist, was die Art reiner und uninteressierter Tat ausdr�ckt. Jedes andere Kriterium ist entweder illusorisch oder verderblich.
"Illusorisch" ist der Hierarchiegedanke im Rahmen des Blo�-�konomischen, doch auf der Grundlage von Verschiedenheiten des Geldes, der Geschicklichkeiten, des politischen oder amtlichen Ranges, der "Klasse" im marxistischen Sinne usw. Nur sobald Interessen entstehen, die entschieden �ber das Gesamtgebiet des �konomischen hinausweisen, ist das Prinzip wahrer Hierarchie gegeben. Wir m�ssen von der Voraussetzung ausgehen, da� unser Lebenszweck nicht in der Entwicklung der �konomie besteht, sondern jede �konomie Mittel zum Zweck ist. Der Zweck ist aber die innere Erhebung, die Entfaltung der Pers�nlichkeit im integralen und "�berweltlichen" Sinne.
Hierarchie ist Entstellung, wenn sie die Versklavung des Nichtpraktischen unter das Praktische ausdr�ckt: etwa wie ein K�rper der den Geist zu seinem Organe gestaltet (ungef�hr dies meint Julien Benda mit der "trahison des clercs") Aber in dem auf allen Gebieten - sogar auf dem des Wissenschaftlichen - herrschenden "Pragmatismus", im Kleingeld-Machiavellismus und allgemeinen Arrivismus des heutigen Tags best�tigt sich eben diese Entstellung in der Mehrheit der F�lle. - Nichts ist aber widerhierarchischer - ja anarchistischer - als solche Typen scheinbarer "Hierarchie".
Wir hatten uns die Aufgabe gestellt, die beiden gegens�tzlichen M�glichkeiten des Nationalismus zu ergr�nden. Eine Untersuchung, inwieweit die verschiedenen, heute in den europ�ischen und au�ereurop�ischen Staaten herrschenden und k�mpfenden Nationalismen die eine oder die andere M�glichkeit verk�rpern, f�llt aus dem Rahmen vorliegender Betrachtung heraus.
�