Politische Theorie

 

Der Nationalsozialismus - zwischen Dichtung und Wahrheit

 

Seminar der Deutschen Akademie vom 3. bis 5. Dezember 2004 in Brandenburg

 

Der Einladung der Deutschen Akademie (DA) folgten Anfang Dezember 2004 rund 45 Seminarteilnehmer in die Mark Brandenburg, um sowohl den gebotenen Vorträgen zu lauschen als auch intensiv in den Arbeitsgruppen und bei der jedem Referat folgenden umfangreichen Diskussion mitzuwirken.

Gegenstand des ersten Tages war der abendfüllende Seminarabschnitt von Horst Mahler mit dem Titel „ Adolf Hitler im Gange der Weltgeschichte“. Hitler, der, wie Mahler anhand eines Artikels der Schweizer „Weltwoche“ zeigte, in der Dritten Welt durchaus seine Verehrer hat, sei die Antwort auf eine Frage, die der Weltgeist in seinem Dasein als deutsches Volk sich gestellt habe. Der Rechtsanwalt zitierte aus bewundernden Zeitungsartikeln von Lord Rothermere in der „Daily Mail“ und des früheren britischen Premiers Lloyd George im „Daily Express“, wonach durch die magnetische Kraft Hitlers ein neues Deutschland mit fröhlicheren, glücklicheren und tatkräftigeren Menschen entstanden sei.

Mit dem Ende des Weltkriegs sei die Antwort auf diese gestellte Frage des Weltgeistes zusammengeschlagen und die Frage neu eröffnet worden. Der Referent zitierte Heiner Geißler, der in der „Zeit“ einen journalistischen Aufschrei gegen die Auswüchse des Kapitalismus veröffentlicht hat. Die Kommunisten, so der CDU-Politiker, hätten das Kapital eliminiert, das Kapital eliminiere die Arbeit und werde genauso scheitern.

Horst Mahler: „Ewig wahres Wesen des Nationalsozialismus ist die Volksgemeinschaft“

Der negative Mythos des „Germany must perish“ müsse überwunden und die Wahrheit aus dem Reich der Vorstellung in das Reich des Gedankens überführt werden.
Die Wahrheit des Nationalsozialismus sei die Bewußtmachung, daß der einzelne Volksgenosse in seiner Einzelheit das Dasein des Volkes als ganzes sei und in allem, was er tue, Verantwortung für das Ganze trage. Das ewig wahre Wesen des Nationalsozialismus sei die Volksgemeinschaft. Im Gegensatz zu anderen Religionen mit einer Trennung zwischen Gott und Mensch sowie Gott und der Welt in Form der Auserwähltheit eines Volkes charakterisiere das Deutsche die Einheit sowohl von Gott und Mensch als auch von Gott und Welt. Infolge der Entfesselung des 2. Weltkriegs durch plutokratische Mächte mit dem Ziel der Vernichtung Deutschlands sei die Ausreifung des Nationalsozialismus verhindert worden.

Während Fichte 1793 das Judentum als einen auf Haß gegen alle Völker gegründeten feindseligen Staat bezeichnet habe, forderte Mahler statt eines Hasses gegen die Juden die Gotterkenntnis und geistige Überwindung. Dabei lehnte der Referent eine biologische Lösung der Judenfrage ab. Man müsse erkennen, daß Jahwe als Knecht Gottes, also Satan, notwendig zur Heilsgeschichte sei. Tatsächlich führe der Wille, das deutsche Volk zu verderben, aber zu dessen Befreiung. Schädliche Einflüsse auf das deutsche Volk könnten dadurch abgewendet werden, daß Banknoten nur durch staatliche Institutionen gedruckt werden dürften und statt internationaler Spekulation die Volkswirtschaft gestärkt werde.

Nach dem intellektuell und medial brillant vorgetragenen Thesen Mahlers ergab sich eine kontroverse Diskussion, in der Seminarleiter Jürgen Schwab der Behauptung des Referenten widersprach, ein „guter Jude“ habe „den Beruf verfehlt“, weil sein Volk für das „Böse“ stehe. Demgegenüber, so Schwab, sei das Gute und Böse in allen Völkern gemischt zu Hause.

Martin Laus: „BRD nutzt Nationalsozialismus zur Stabilisierung der Macht“

Martin Laus schilderte in einem Seminarabschnitt am Folgetag - auch mit Hilfe aussagekräftiger Graphiken - wie der Nationalsozialismus durch das BRD-System instrumentalisiert wird. Nach den Worten des diplomierten Informatikers nehme auch 60 Jahre nach dem Ende des NS-Systems dieser in den Medien einen unverhältnismäßig großen Raum ein.

Der Machterhaltungsapparat der BRD nutze den Nationalsozialismus zur Stabilisierung der Machtverhältnisse, indem er den Herrschenden die Machtlegitimation verschaffe, durch ihn den politischen Gegner dämonisiere, letzteren in die Politikunfähigkeit abdränge und zur Zwangsneurotisierung des Volkes beitrage. Viele Leute reagierten angesichts der vielen Schauergeschichten hysterisch, wenn sie nur das Wort Nationalsozialismus hörten. Ähnlich einem „Image“ in der Werbung werde den Nationalen ein negatives Bild verpaßt, so daß der Bürger mit „national“ und „rechts“ automatisch brennende Häuser und Gewalt verbinde. Dieses provozierte Schubladendenken führe dazu, daß im Wege der Sippenhaft die Kinder des sächsischen Landtagsmitarbeiters Andreas Molau von der Schule geworfen wurden (werden sollen?).

Verhaftet dem primitiven Aufbau amerikanischer Spielfilme, wonach nur „gut“ gegen „böse“ kämpfen könne, würde die nationale Opposition automatisch zum bösen Gegner der „guten“ Regierenden. Der Kommunismus könne nicht mehr zur Abschreckung der Bürger dienen, weshalb sich das System umso mehr wieder des Nationalsozialismus bedienen müsse.

Gegen die Deutschen seien Kriegsverbrechen verübt worden in Form des Bombenterrors gegen die Städte, des Verhungernlassens der Soldaten auf den Rheinwiesen, des bewußten Verursachens von Hungersnöten in den Westzonen und der furchtbaren Greuel der Roten Armee im Osten. Da angesichts dieser Verbrechen nicht viele Deutsche mit den Besatzern hätten zusammenarbeiten wollen, eine Jahrzehnte andauernde Fremdherrschaft aber nicht möglich erschien, hätten die Besatzer aus der Besatzung eine „Befreiung“ konstruiert. Sie hätten den Deutschen eingeredet, daß die Verbrechen gegen das deutsche Volk als „gute Verbrechen“ notwendig gewesen seien, um die „bösen“ deutschen Verbrechen zu beenden. Konsequent hätten die deutschen Verbrechen die größeren und unvergleichbaren Verbrechen sein müssen, um die antideutsche Greuelpropaganda als zentrales Fundament der BRD zu errichten. Wer auf alliierte Verbrechen hinweise, den treffe der Vorwurf, er wolle die deutschen Verbrechen verharmlosen.

Mit der Instrumentalisierung des Nationalsozialismus werde auch versucht, das deutsche Volk als biologische Gemeinschaft zu beseitigen. Jedes noch so bizarre Gesetz müsse allein deshalb gut sein, weil es einer Regelung im Dritten Reich entgegengesetzt sei. Als Rassist werde verunglimpft, wer sich gegen die zunehmende Überfremdung Deutschlands wende.
Durch die Vernichtung seiner Wurzeln und seiner Geschichte werde die Identität eines Volkes beseitigt. Nach der Darstellung in den Medien seien die ganze deutsche Geschichte vor 1933 eine Vorstufe zum Dritten Reich.

Selbsternannte Volkspädagogen wie Guido Knopp bezeichneten die ganze Soldatengeneration des Zweiten Weltkriegs als Angehörige einer verbrecherischen Organisation und säten dadurch Zwietracht. Zum Systemerhalt würden Nationalisten diabolisiert, mit Berufsverboten überzogen, erpreßt und überwacht. Das NPD-Verbotsverfahren habe ein ganzes Agentennetz aufgedeckt, das auch immer wieder vor allem Jugendliche zu Straftaten anleite.

Durch die Satanisierung des Dritten Reiches durch das herrschende liberalistische System werde jeder Systemgegner automatisch dazu verleitet, auch den Nationalsozialismus schon deshalb für gut zu heißen, weil er vom System als böse angesehen werde. Damit könne der national Denkende als „Nazi“ mit allen Mitteln bekämpft werden.

Nach Überzeugung von Martin Laus sei Nationalismus vom Nationalsozialismus zu unterscheiden. Während der eine für den Befreiungsnationalismus stehe, habe der andere leider zum Beispiel in der Ukraine statt des dort gewünschten Befreiungskrieges einen Eroberungskrieg geführt. Nationalisten seien keine Imperialisten und wollten keine fremden Völker beherrschen, ausbeuten oder gar ausrotten. Sie hielten andere Völker nicht für minderwertig, sondern für unterscheidenswert. Statt Massengesellschaft und eines repressiven Terrorstaats strebten sie eine gesunde Volksgemeinschaft an. Statt des Rechts des Stärkeren gelte die solidarische Gemeinschaft. Das System aber weigere sich, diese Unterschiede anzuerkennen. Statt dessen gaukle man dem Bürger vor, er könne zwischen „rechts“ und links“ in Form von CDU und SPD wählen, obwohl beide nicht zum Wohl des Volkes handelten.

Laus warnte vor einer blinden Rechtfertigung des Nationalsozialismus und davor, Partei für ihn schon deshalb zu ergreifen, weil ihn das System ablehne. Andererseits dürfe man auch nicht die liberalistische Propaganda über den historischen NS übernehmen, die zu einer Denkblockade führe. Statt dieser forderte der Referent eine historische Analyse, um Licht und Schatten der NS-Zeit gegeneinander abzuwägen.

Jürgen Schwab: „Manche entsprechen dem Klischee des Neonazismus“

Am Nachmittag des zweiten Seminartags wurden vier Arbeitsgruppen gebildet:

Gruppe 1 befaßte sich mit dem Artikel von Jürgen Schwab „NPD und Neonazismus“, in dem dieser eine offene Diskussion über die Ursachen des „Neonazismus“ in der BRD gefordert und beispielsweise die Beteiligung am Gedenkmarsch für Rudolf Hess als nur dem BRD-System nutzend abgelehnt hatte.

Gruppe 2 besprach einen weiteren Beitrag von Jürgen Schwab mit dem Titel „Die NPD und ihr Staat“. Man befürwortete ein möglichst breites Bündnis auch einschließlich Mitgliedern freier Kameradschaften, neben qualitativer Tiefe sei auch Breite in der Partei erforderlich. Wenn ehemalige Kommunisten und Steinewerfer Mitglied der Bundesregierung sein könnten, müßten auch Personen aus den Kameradschaften in die Partei integriert werden dürfen (was in der sich anschließenden Diskussion beim Autor des Artikels auf Zustimmung stieß). Dafür, daß die ehemaligen Vorstandsmitglieder Laus und Lux über ihre mißlungene Wiederwahl nicht glücklich seien, zeige man Verständnis.

Gruppe 3 ergründete die „Ursachen des Neonazismus“. „Neonazismus“ sei ein polemischer Feindbegriff, worunter bürgerliche Konservative bis zu Teufelsanbetern, Überfremdungs- und Globalisierungsgegner erfaßt würden. Der Feind setze gerne „Neonazis“ gleich mit Alkohol, Schlagstöcken, Springerstiefeln, Lärm sowie mangelnde Bildung, um das Aufkommen einer nationalen Opposition zu verhindern (Jürgen Schwab vertrat in der sich anschließenden Diskussion die Auffassung, daß sich - fern ab der Tatsachen verzerrenden Medienpropaganda - manch ein selbsternannter Neonationalsozialist Mühe gibt, diesem Klischee zu entsprechen).

Gruppe 4 befaßte sich mit der vom Parteivorsitzenden Udo Voigt in der „Jungen Freiheit“ geäußerten Meinung, Hitler sei ein „großer deutscher Staatsmann“. Für diese Bewertung sprächen die Wiederherstellung der Volksgemeinschaft, die Überwindung des Klassenkampfes, der Wandel von der Depression in eine allgemeine Aufbruchstimmung in Deutschland, die zunehmend prosperierende Wirtschaft, die Beseitigung der Arbeitslosigkeit, die gewaltfreie Überwindung der Folgen des Versailler Diktats, die Schaffung von beispielhaften Natur- und Tierschutzgesetzen sowie das Erreichen der deutschen Wehrhoheit. Dagegen sprächen die fehlerhafte Ostpolitik Hitlers, seine Ablehnung gegenüber jeglichen Ratschlägen, seine Sprunghaftigkeit und gravierende Administrationsmängel wie die chaotische Kompetenzverteilung zwischen Partei und Staat (Jürgen Schwab ergänzte hierzu in der Diskussion die grundsätzliche Nichtunterscheidung von Parteiherrschaft und Staatsführung).

Stefan Lux: „NS-System hat 1938 die Vollbeschäftigung erreicht“

Stefan Lux referierte über „Die Wirtschaftspolitik des Dritten Reiches“. Gottfried Feder, so der studierte Historiker, habe den ersten wirtschaftlichen Teil des Parteiprogramms entworfen Die während der Verbotszeit vor allem durch Gregor Strasser betriebene Hinwendung zum Sozialismus habe Hitler im Februar 1926 auf der Führertagung verhindert, weil er auch nationalkonservative Kreise habe ansprechen wollen, um eine Massenpartei zu entwickeln. Göring habe zwischen Hitler und der Wirtschaft Kontakte vermittelt. Gierstorf und der spätere Reichswirtschaftsminister Funk hätten mit ihrem konzipierten Wirtschaftsprogramm vorwiegend die Schwerindustrie fördern wollen; Heinrich Träger habe schon damals den (auch heute aktuellen) Plan entworfen, Arbeit durch „produktive Kreditschöpfung“ zu beschaffen.

Nach der Entmachtung Strassers, der das Programm sozialistisch abwandeln wollte und nach den Kontakten Hitlers zu Hjalmar Schacht sei ein Vierjahres-Plan beschlossen worden mit einer Ankurbelung der Wirtschaft mittels hoher Staatsverschuldung. Bis 1938 habe man die Vollbeschäftigung erreicht. Dazu hätten auch der Autobahnbau, der Ausbau von Infrastruktur und Großindustrie sowie der Bau von Großsiedlungen beigetragen. Den Abbau der Staatsschulden durch Einlösung der Wechsel habe Hitler verhindert. Schacht habe den Ruin der Wirtschaft durch die Überrüstung vorhergesehen und sei zurückgetreten.

Lux erklärte, auch ohne Krieg wäre es wegen des Mißverhältnisses von Waren- und Geldmenge zu Inflation und Wirtschaftskrise gekommen. Obwohl das Handwerk zu Beginn des Dritten Reiches vor allem durch das propagierte Haus- und Wohnungsrenovierungs-programm Aufschwung genommen habe, sei die Wirtschaftspolitik im wesentlichen auf die Großwirtschaft ausgerichtet gewesen. Erst ab 1937 habe die Rüstung eine bedeutende Rolle gespielt, bei Kriegsbeginn sei jedenfalls die deutsche Wehrmacht unzureichend ausgerüstet gewesen, auch die Katastrophe vor Moskau im Dezember 1941 sei Hitler anzulasten.

Manfred Müller: „Hitler hat Christentum als wichtig für das Volkstum bezeichnet“

Über „Die Kirchenpolitik im Dritten Reich“ sprach Manfred Müller. Der Oberstudienrat und Katholik informierte sein Publikum darüber, daß es Heinrich Himmler 1937 jedem SS-Mann freigestellt habe, einer Kirche anzugehören oder nicht. Er dürfe auch Heide sein, nicht aber Atheist. Im März 1933 habe Hitler die beiden christlichen Konfessionen als wichtigste Faktoren der Erhaltung des deutschen Volkstums bezeichnet. Auf den Parteitagen der NSDAP sei immer eine Messe gelesen worden. Prominente Persönlichkeiten wie Oberst Werner Mölders oder die Führer der mit den Deutschen kooperierenden Flamen und Wallonen seien bekennende und praktizierende Katholiken gewesen. Von den Ideen Ludendorffs habe Hitler sich immer distanziert, über die von Himmler propagierte germanische Religion habe er sich eher belustigt. Hochgeachtet habe er Luther, sympathisch sei ihm der Islam gewesen. Intern habe Hitler das Christentum als von Juden erfundenen Wahnsinn bezeichnet; Christus habe er als arischen Führer betrachtet, dessen Religion aber vom Juden Rabbi Paulus verfälscht worden sei.

Wahlerfolge habe die NSDAP vor der Machtübernahme vor allem in protestantischen Gebieten errungen, weil Hitler von vielen als Retter des Protestantismus angesehen wurde.
Die katholische Kirche habe demgegenüber ursprünglich Gläubige, die der Partei beitreten wollten, mit dem Ausschluß von den Sakramenten bedroht. In den katholischen Gegenden hätten die Zentrums- bzw. die Bayerische Volkspartei die Mehrzahl der Stimmen auf sich vereinigt. Eine sich nach dem Konkordatsabschluß zwischen dem Vatikan und dem Deutschen Reich abzeichnende Harmonisierung des Verhältnisses zwischen katholischer Kirche und Drittem Reich sei bald wieder abgeflacht, da zum Beispiel beim sogenannten Röhm-Putsch auch zwei Pfarrer getötet worden seien.
Gegen die katholischen Pfarrer, welche die reichskritische päpstliche Enzyklika „mit brennender Sorge“ verlesen hätten, sei man nicht vorgegangen, allerdings gegen die Druckereien. Müller sieht hier beachtliche Parallelen zu den Zuständen in der BRD, wo ebenfalls Druckereien politisch „nicht korrekter“ Bücher und Schriften massiv bedroht und verfolgt werden.

Ebenso zog der Referent Parallelen zwischen dem Dritten Reich und der BRD, was die Verfolgung und das Verbot von Jugendorganisationen betrifft. Damals wurden alle katholischen Jugendorganisationen und katholischen Vereine verboten (in der sich anschließenden Diskussion betonte der Heide Friedrich Baunack, daß auch nicht-konfessionelle Gruppen der Bündischen Jugend vom NS-System verboten wurden), heute werde die Bündische Jugend immer wieder mit Verboten bedroht.

Nach den Worten Müllers haben dem Nationalsozialismus gegenüber aufgeschlossene Protestanten die „Deutschen Christen“ gegründet und gefordert, das Alte Testament aus der Bibel zu entfernen, getaufte Juden aus der Kirche zu entfernen und für evangelische Pfarrer einen Arier-Nachweis einzuführen. Evangelische Pfarrer im Braunhemd hätten sich als SA Christi bezeichnet. Die Folge dieses übertriebenen Handelns sei die Spaltung der Protestanten in die „Deutschen Christen“ und die „Bekennenden Christen“ gewesen.

Differenziert sei die Haltung prominenter Nationalsozialisten zur Kirche gewesen. Hitler sei in der Kirche geblieben, habe aber seit 1933 keine Kirchensteuer gezahlt. Er habe Goebbels 1941 verboten, aus der Kirche auszutreten. Für die Söhne des Katholiken Gregor Strasser
sei er Taufpate gewesen. Aufgrund der Proteste vieler Parteigenossen habe er befohlen, daß ein Erlaß gegen die Kirche, der von Martin Bormann, einem Gegner des Christentums, stammte, zurückgezogen wurde. Ebenso habe Hitler 1941 den geplanten „Klostersturm“ gestoppt.

Reichsjugendleiter Baldur von Schirach habe 1933 eine Zusammenarbeit mit der neugegründeten „Arbeitsgemeinschaft deutsche Glaubensbewegung“ abgelehnt und auf dem Primat der Hitlerjugend bestanden. Hermann Göring sei bloßer Taufschein-Protestant gewesen, Rudolf Hess habe in Hitler den Messias gesehen. Ebenso sei Alfred Rosenberg Protestant gewesen, habe aber, dokumentiert durch den Kirchenaustritt, dem Christentum abgeschworen und eine deutsche Kirche mit nordischen Sagen und Mythen gefordert. Heinrich Himmler habe sich selbst als Reinkarnation von Kaiser Heinrich I gesehen und das Christentum als größte Pest bezeichnet.

Wer weder der katholischen noch der evangelischen Kirche habe angehören wollen, konnte sein Bekenntnis auch als „gottgläubig“ angeben.

Müller zog als Fazit, daß die Nationalsozialisten insgesamt ungeschickt gehandelt hätten. Sie hätten zum Beispiel durch das Verbot von Organisationen Christen verprellt und ihre Unterstützung verloren. Durch die Inhaftierung unter anderem von 418 deutschen katholischen Geistlichen im Konzentrationslager Dachau hätten sie Teile der Bevölkerung gegen sich aufgebracht. Eine 2000 Jahre alte Religion habe nicht durch äußere Maßnahmen abgeschafft werden können. Als Brückenbauer bezeichnete der Referent den österreichischen Bischof Alois Hudal, den Leiter der „Anima“ in Rom, der aus christlicher Nächstenliebe sowohl Juden zur Flucht verholfen als auch später verfolgten Nationalsozialisten geholfen und sich gegen eine Rachejustiz ausgesprochen habe.

Hans-Dietrich Sander: „Drittes Reich war Versuch, die Krise der Moderne aufzuheben“

Am Folgetag analysierte Hans-Dietrich Sander das NS-System anhand seiner - bereits 1988 publizierten und für diesen Vortrag erweiterten - „Thesen zum Dritten Reich“. Für den promovierten Geisteswissenschaftler beruht die durch den Nationalsozialismus herbeigeführte radikale Wende auf der katastrophalen Auflösung des Bestehenden in der Folge des Ersten Weltkriegs. Die NS-Regierung habe einen Vertrauensvorschuß beim Volk gehabt, der infolge der antideutschen Kriegsführung der Alliierten bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs angehalten habe. Der destruktive Liberalismus sei der Bannerträger der „Moderne“, die als das Ende der Neuzeit zu betrachten sei. Gegen diesen Liberalismus habe es zwei Gegenbewegungen gegeben, den Bolschewismus und den Faschismus bzw. Nationalsozialismus. Beide seien gescheitert. (Nachfolgend Sanders zehn Thesen, protokolliert von Georg Frundsberg)

These 1: Das Dritte Reich war ein Versuch, die Krise der Moderne mit richtigen und falschen Mitteln aufzuheben.

Nach 1945 hätte man die Fehler des Dritten Reichs, nicht nur die Fehler der Weimarer Republik untersuchen sollen. Stattdessen sei eine Verdammungsliteratur groß geworden, die zu einer Trotzhaltung, der Rechtfertigungsliteratur geführt habe. Historiographisch sei das Dritte Reich nicht aufgearbeitet.

These 2: Die Verwerfung des Ganzen wird weder der Geschichte noch der Nachfolgeprobleme des Dritten Reiches gerecht. Sie wäre stichhaltig, wenn man die Fragen, die es heraufführte, besser gelöst hätte. Das war nicht der Fall. Die BRD sei nur eine liberale Restauration und zum Scheitern geboren. Nach der Phase des Wiederaufbaus herrsche nun platter Pessimismus.

These 3: Die Verwerfung ist eine Auflage, mit der die Sieger des 2. Weltkriegs ihre politischen und militärischen Positionen legitimierten. Sie wird von Denkverboten geschützt, die das unterworfene deutsche Volk an seiner Wiedererhebung hindern. In den Nachfolgestaaten des Reiches herrschen kollaborierende Systeme mit der Zuchtrute von Komplexen, deren Klärung moralisch diskreditiert und gesetzlich verboten ist.

Den Deutschen seien im Überleitungsvertrag vom Besatzungsstatut zum Grundgesetz die Revision der Nürnberger Prozesse untersagt und eine Alleinkriegsschuld Hitlers sowie unvergleichliche Verbrechen an Juden unter striktes Tabu gestellt worden. Der Historikerstreit sei 1988 durch den damaligen BRD-Präsidenten von Weizsäcker mit einem Ukas beendet worden, im „Zwei-plus-vier-Vertrag sei das Revisionsverbot erneuert worden.

These 4: Der Triumph der Sieger war ein Triumph der alten Mächte des Liberalismus und des Sozialismus. Er löste keines der wesentlichen Probleme. Er verschärfte jedes. Vergleiche mit der Heiligen Allianz entzifferten die Weltordnung der Amerikaner und der Russen als eine Ära der Restauration. Sie hat die Erde in wenigen Jahrzehnten in einen Augiasstall verwandelt. Oswald Spengler und Karl Kraus hätten dies bereits früher vorausgesehen.

These 5: Das Dritte Reich ist als Experiment, Grundlagen für einen neuen Weltzustand zu legen, an sich selbst gescheitert. Auch sein Ende versiegelt der Satz Friedrich Ratzels: „Kein Volk ist durch Schläge von außen zertrümmert worden, wenn es nicht schon innen zerrissen und unterwühlt war.“ Es ist nicht an gegnerischer Übermacht gescheitert, wie die Deutschen glauben sollen, um den Mut für neue eigene Unternehmungen zu verlieren. Als Generaloberst Rendulic am 7. Mai 1945 in Steyr seine Heeresgruppe übergab, begrüßte ihn ein amerikanischer General mit dem Satz: „Wie konnten Sie diesen Krieg verlieren?“

Hitler habe 1933 den Völkerbundexperten Friedrich Grimm zu Rate gezogen, wie man den Versailler Vertrag revidieren könne, ohne einen neuen Weltkrieg auszulösen. Grimm riet allein im Falle Polens zur Vorsicht. Gerade dabei habe aber Hitler versagt. Er habe 1939 nach den polnischen Sticheleien die Nerven verloren und sei einmarschiert. US-Präsident Roosevelt hatte die Devise ausgegeben gehabt, daß man die Polen davon abhalten müsse, den ersten Schuß abzugeben und die Japaner zwingen müsse, die USA anzugreifen. Möglicherweise hätten auch britische Einflußagenten Hitler angestachelt.
Im Januar 1939 habe Hitler laut Hermann Geisler geäußert, ein neuer Weltkrieg sei unvermeidlich, er müsse aber darauf achten, nicht in einen Zweifronten-Krieg verwickelt zu werden. Die Südflanke könne von den neutralen Verbündeten abgesichert werden. Hitler habe trotz dieser Erkenntnis aber nichts getan, um Mussolini von dem für die Deutschen schädlichen Kriegseintritt abzuhalten; er habe keinen Friedensvertrag mit Frankreich abgeschlossen, um die Westflanke abzusichern. Wäre Hitler als Befreier und nicht als Unterdrücker im Osten einmarschiert, hätte er auch die Ostflanke absichern können. Hitler habe dabei weder auf den Schriftsteller Dwinger noch auf General Köstring noch auf Alfred Rosenberg gehört.

These 6:Des Scheiterns erster Hauptgrund war: Das Dritte Reich fußte auf einem Fundamentalismus als Bürgerkriegspartei. Seine Volksgemeinschaft schloß sozialdarwinistisch zu viele aus: Sozialisten, Aristokraten, konservative Offiziere, Kirchen, Vertreter der deutsch-jüdischen Symbiose, „entartete“ Künstler, Homosexuelle. Eingliederungsbereitschaft nützte wenig. Sympathisierende Warnungen nützten nichts. Das Regime setzte sich propagandistisch unter Vollzugszwang: der verlängerte Bürgerkrieg heischte Blut, wenn es ernst genommen werden wollte.

Der schwerste innenpolitische Fehler sei es gewesen, daß nach dem Ende der Weimarer Republik nicht der innere Friede hergestellt worden sei. Ein Ausgleich mit den Kommunisten hätte den Rußland-Feldzug erspart; Gegner seien eingesperrt worden.

These 7: Der zweite Hauptgrund war die NSDAP als Trägerin der politischen Einheit. Sie war und blieb eine unreife Bewegung, wie Carl Schmitt sie 1932 sah. Im übrigen war sie mit allen Nachteilen der Organisationsform Partei behaftet: Für Führungsauslese, Sachverstand, allgemeine Interessen. Edgar Jung forderte die NSDAP nach der Machtergreifung auf, abzutreten und den Weg für den Neubau des Reiches ohne Parteien freizumachen. Er büßte es mit dem Tod; die Partei dachte nicht daran, auf die Früchte des Sieges zu verzichten. Carl Schmitt, der noch nicht sah, was geschieht, wenn ein Teil sich für das Ganze setzt, widersprach und entwarf 1933 seine ohnmächtige Konstruktion „Staat - Volk - Bewegung“.

Die Parteielite sei der großen Aufgabe nicht gewachsen gewesen. Zwar habe die SS versucht, eine tüchtigere Elite aufzuziehen, dies hätte allerdings das Entstehen eines richtigen Staates vorausgesetzt Ein Parteiregiment lasse nur eine unzureichende Führungsauslese zu und nehme nichts an, was außerhalb ihrer Reihen gedacht werde. Im Zusammenhang mit dem Werk „Verfassungsrecht des Großdeutschen Reiches“ von Ernst Rudolf Huber ging Sander auf die bemerkenswerte Distanzierung von Söhnen Prominenter des Dritten Reiches ein (auch auf die von Ernst Rudolf Huber). Die abstrusen Äußerungen etwa des Sohnes des hingerichteten Generalgouverneurs Dr. Frank könne man vielleicht damit erklären, daß auf die Kinder NS-Prominenter gleich nach dem Krieg amerikanische, überwiegend jüdische Psychiater angesetzt worden seien.

These 8: Der dritte Hauptgrund liege in der Person des Führers. Adolf Hitler habe die deutsche Geschichte nach dem antäischen Gleichnis verstanden. Indes sei er nicht der Übermensch oder das Tier aus der Tiefe gewesen - wie Freund und Feind ihn sahen, er sei vielmehr halbgenial gewesen. Hitler habe dieses Schicksal mit Cromwell und Napoleon geteilt. Er habe viele Aufgaben vorbildlich gelöst, ihrer Fülle sei er nicht gewachsen gewesen. Er hätte den inneren Frieden herstellen müssen, wie das Cavour nach der Einigung Italiens tat und im Krieg nicht als Unterdrücker auftreten dürfen, was den Sieg im Osten gekostet habe. Cromwell, Napoleon und Hitler hätten aus der römischen Geschichte lernen können, wie man sich mit Besiegten verbündet. Aber dies habe wohl nicht in ihrer Natur gelegen. Es komme hinzu, daß der Autodidakt Hitler nach seinen Anfangserfolgen unbelehrbar gewesen sei.

These 9: Das Scheitern des Dritten Reiches entbindet uns nicht von der Aufgabe, mit Blick auf die Zukunft, von den destruktiven die produktiven Elemente und Faktoren des NS-Systems zu scheiden, unter denen zuvörderst die wesentlichen Bestandteile und Wirkkräfte der Wirtschafts- und Sozialpolitik, der Raumordnung, der Naturpflege, der Volksgesundheit, des Jugendschutzes und der Wehrerziehung hervorzuheben seien. Nach dem Ende des Krieges hätten sich die Amerikaner von deutschen Militärs Aufzeichnungen anfertigen lassen, um von der Wehrmacht und von der Waffen-SS zu lernen. Während seiner Präsidentschaft habe Richard Nixon der amerikanischen Wirtschaft geraten, von der Kriegswirtschaft im Dritten Reich ‘Krisenmanagement’ zu lernen. Für die unterworfenen Deutschen gilt: Quod licet Jovi, non licet bovi.

Auch der Nationalökonom Wolfram Engels habe nach der Vereinigung von BRD und DDR in einem Artikel in der „Wirtschaftswoche“ bezüglich der wirtschaftlichen Schwierigkeiten empfohlen darüber nachzudenken, wie man 1933 und 1938 diese Probleme gelöst habe. Nach seinem Tod sei dieser Text nicht mehr veröffentlicht worden.

These 10: Die militärisch-ökonomischen Anleihen halfen den USA nicht. Die Elemente und Faktoren einer bestimmten politischen Einheit sind nicht ohne weiteres übertragbar. Die chaosträchtige Moderne kann nur von deutschem Boden aus aufgehoben werden, über den die Statthalter der Sieger bis zum Schwachsinn murmeln, es dürfe von ihm nie wieder ein Krieg ausgehen. Hier ist der größte Fundus der Kritik am Weltzustand herangewachsen. Hier sind Erfahrungen mit einem Neubau gemacht worden, die besagen: So kann man es machen - so kann man es nicht machen. Hier glimmt auch heute noch das empfindlichste Problembewußtsein. Das Dritte Reich ist als ein Stück deutscher Geschichte anzuerkennen und im Guten und im Bösen als das authentische Kapitel des 20. Jahrhunderts abzuhandeln.

Eine Wiederholung des Dritten Reiches sei weder innen- noch außenpolitisch zu bewerkstelligen. Bei der Sicht auf das Dritte Reich müsse aber berücksichtigt werden, in welche Zeitströmungen und Traditionen es eingebettet gewesen sei. Wenn es in der Lage gewesen wäre, seine ideologische Enge abzustreifen, wäre das Dritte Reich nicht untergegangen. Zu den positiven Beständen gehöre aber der Begriff der Volksgemeinschaft, den Friedrich Schleiermacher schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts gebraucht habe. Das Dritte Reich erscheine als geniale Improvisation, die nach beispiellosen Erfolgen in sich zusammengesackt war, weil es auf die problematische Figur seines Führers fixiert gewesen sei. Nach seinem Tod sei es wie ein Kartenhaus zusammengefallen.

Stalin habe die Eroberung Europas durch die USA vorausgesehen und hätte diese durch ein Bündnis mit Deutschland verhindern können. Durch die Art des russischen Einmarsches in Deutschland und die dabei begangenen Verbrechen habe er aber jegliches Vertrauen bei den Deutschen verspielt.

Beeindruckt von der Fülle und der Tiefe des Vorgetragenen und Diskutierten traten die Teilnehmer ihren Heimweg in die verschiedenen Regionen des deutschen Vaterlandes an.


Georg Frundsberg

 

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