Politische Theorie

 

Deutsche Akademie

Parteipolitik und Elitenbildung – ein Widerspruch?

Strategien gegen die Oligarchiebildung in parlamentarischer und außerparlamentarischer Opposition

In Thüringen tagte traditionell am 1. Dezember-Wochenende die Deutsche Akademie mit einer unerwartet hohen Teilnehmerzahl von zeitweise 120 Personen unterschiedlichen Alters.
Zur Einführung in das übergeordnete Seminarthema ging Manfred Müller der Frage nach, ob und in wieweit die NSDAP ihrem Anspruch gerecht geworden ist, in Deutschland eine Volksgemeinschaft zu verwirklichen und in welchem Verhältnis dazu ihre Parteiherrschaft stand.

Der Begriff der „Volksgemeinschaft“ war schon im ausgehenden 19. Jh. in christlich-sozialen Kreisen geprägt worden. In der Zwischenkriegszeit wurde der Begriff besonders in Führungskräfteschulungen des „Volksvereins für das katholische Deutschland“ unter August Pieper und Anton Heinen gepflegt, aber auch in der „Reichszentrale für Heimatdienst“ als Sprachrohr der SPD-geführten Reichsregierung unter Scheidemann. Von diesen „rechten“ und „linken“ Varianten der Idee der Volksgemeinschaft übernahmen den Begriff die Nationalsozialisten und gaben ihm ihre eigene Prägung eines „Volksstaates mit einer Führerdemokratie“. Im Rahmen der „Deutschen Arbeitsfront“ mit angeschlossenem wissenschaftlichen Institut bemühten sich Robert Ley, Gregor und Otto Strasser, Walter Schumann, Johannes Engel und andere um die theoretische Fundierung eines „deutschen Sozialismus der Tat“, der im Gegensatz zum marxistischen „Sozialismus der Phrase“ mit einer neuen Arbeitsordnung die Lösung der sozialen Frage in Angriff nehmen sollte.

Gute Ansätze in der Verwirklichung einer organischen Solidargemeinschaft jenseits von Klassenschranken wurden jedoch im Zuge des Wandlungsprozesses von einer ursprünglichen Kampfgemeinschaft zur Parteiherrschaft schon bald zunichte gemacht. Schuld daran waren vor allem die Vermassung der Partei durch das breite Einströmen der sogenannten „Märzgefallenen“, die schnell einsetzende „Verbonzung“, interne Machtkämpfe, die Ausgrenzung gutwilliger Volksgenossen, vor allem der beiden christlichen Konfessionen, sowie die Abkehr von der Proklamierung des „deutschen Sozialismus“ und Schwerpunktverlagerung hin zu Antisemitismus und Judenverfolgung.
Das hier am Beispiel der NSDAP beschriebene Phänomen einer „Oligarchisierung“ analysierte Martin Laus im Anschluß in Bezug auf die realexistierende nationale Partei. Ausgehend von der These, daß für Parteien als „Ansammlungen von Menschen“ allgemeine Gesetze gültig seien, wie sie für alle Menschengruppen gelten, folgerte er, daß sich auch in Gruppen mit politischer Zielsetzung Mitglieder einfinden, bei denen eine persönliche Motivation das Gruppenziel überdecke: Neurotische und mit Minderwertigkeitskomplexen behaftete Personen suchten die Gruppe, um sie als Bühne ihrer Selbstverwirklichung zu mißbrauchen. Die Gruppe diene ihnen dann als „Familienersatz“ bei ihrer Suche nach einer heilen Welt, als Sprachrohr für ihren Schrei nach Aufmerksamkeit oder als Basis für eigenes Machtstreben. Die Parteistrukturen in Form von Vorstand, Landes- und Kreisverbänden mit ihren Bildungsangeboten wie Zeitungen, Weltnetzpräsenz, Schulungen, Programmen, Infobroschüren und Flugblättern könnten der steten massiven Beeinflussung der einzelnen Parteimitglieder durch die Systemmedien nur wenig entgegensetzen. Vor allem die Geheimdienste versuchten eine kontinuierliche Parteiarbeit durch Ablenkungsmanöver, Provokationen und Störungen jeglicher Art erheblich zu behindern. Dabei machten sie sich auch persönliche Charakterschwächen einzelner Mitglieder zunutze.
Um solche schädlichen Tendenzen rechtzeitig erkennen und abwenden zu können, stellte Martin Laus abschließend folgende Grundmuster persönlicher Motivation vor: den Typus des „Papageienzüchters“ (Hobbyverein, Familienersatz), den „Gläubigen“ (Religionsersatz, heile Welt), die „denkende Krawatte“ (Kleider statt Inhalte, Neigung zur Anpassung), den „Geldpumper“ (Bereicherung), den „Sektierer“ (skurrile Themen, Theorien), den egozentrischen „Machtpolitiker“, den „Autisten“, den „Asozialen“ (Querulant, Provokateur) und schließlich den „Allwissenden“ (Patentrezept für alles, Kritik, Anregungen und Schulungen unzugänglich).

Stefan Lux näherte sich dem Problem der Oligarchiebildung über die Analyse der „Soziologie des Parteiwesens“ (1911) von Robert Michels. Ausgehend vom Herrschaftsmodell bei Aristoteles und Polybios, demzufolge den drei dem Gemeinwohl dienenden Staatsformen der Monarchie, Aristokratie und Demokratie deren jeweilige gemeinschaftsschädliche Entartung, also die Tyrannis, die Oligarchie und die Ochlokratie gegenübersteht, definierte er die Oligarchie als eine „Minderheit, die gegen das mehrheitliche Interesse der Gemeinschaft aus schlechten Motiven heraus handelt“. Eine Elitebildung (lateinisch eligere = auslesen, im Sinne von „die Besten aus der Mehrheit“) sei dagegen der Aristokratie zuzurechnen. Die Tendenz zur Wandlung einer Elite in eine Oligarchie ginge prinzipiell mit einem gewissen Organisierungsgrad und der Schaffung einer eigenen Bürokratie einher.
Hinter dem Versuch das Gemeinschaftsinteresse zugunsten eines Sonderinteresses zu verändern stünden nicht notwendigerweise Seilschaften, es könne sich auch um einen politisch nicht gefestigten Personenkreis handeln, eventuell sogar durch Geheimdienste gefördert und gelenkt. Einzig wirksame Gegenstrategie gegen eine Oligarchiebildung sei über die intensive Auseinandersetzung mit der Thematik hinaus, das Öffentlichmachen der Mißstände und eine „knallharte Streitkultur“ unter Ausschluß der feindlichen Presse. Oligarchien stürben daran, daß sie keinen weiteren Kräften mehr erlaubten, dazuzugehören. Dieses Gesetz auszunutzen, hieße, bei den Deutschen das Bewußtsein zu wecken, nicht mehr zum Sonderinteresse dazugehören zu wollen.

Hieran knüpfte Horst Mahler mit seinem Vortrag über „Staat und Gesellschaft bei Hegel“ an: Er betrachte diese Akademie nicht als Bildungsveranstaltung, sondern als Mittel zur „Wehrhaftmachung des deutschen Volkes“. Ausdrücklich begrüßte er die Vertreter der Geheimdienste unter den Anwesenden mit der Formel: „Wir werden diese Geheimdienste zersetzen, denn das sind Deutsche, die sich selbst erst noch entdecken müssen.“ Hegel sage uns, indem wir über die Gesellschaft nachdächten, würden wir sie verändern. Denn, „je enger das Denken dem Zeitgeist auf den Fersen ist, desto denkfeindlicher gebärdet er sich. Er weiß sehr wohl, woher ihm Gefahr droht. Hat er doch selbst einmal eine vorhandene Welt allein mit der Kraft des Denkens in ihrem Innersten erschüttert“.
Die Schwäche des nationalen Lagers habe bisher in einer Verweigerungshaltung gegenüber dem (freien) Denken bestanden. Von der Theorie der Schweigespirale nach Noelle-Neumann wüßten wir aber, daß „eine Wahrheit, die nicht ausgesprochen wird, verdorrt, wie eine Pflanze, die nicht gegossen wird“. Hegels kopernikanische Wende habe in der Erkenntnis bestanden, daß die Wahrheit im Widerspruch innewohnt. Volksgemeinschaft in diesem Sinne sei die Überwindung des Vorhandenen durch klare Gedanken über das Vorhandene. Der Nationalsozialismus sei noch zu sehr vom alten Denken der Aufklärung bestimmt gewesen und habe daher den Gedanken der Volksgemeinschaft einseitig nur aus der Natur (Rasse), statt auch aus dem Geist abgeleitet. Der deutsche Staat, zur Zeit ein babylonischer Gefangener von Sonderinteressen, beinhalte unseren Geist als „allgemeinen Willen“. Das Recht als Geisteszustand der europäischen Kulturstufe müsse gegen fremde Einflüsse verteidigt werden. Deutschland sei noch nicht verloren, solange es noch Deutsche gebe, die es noch sein wollen. Täglich sollten wir uns vor Augen führen, was unsere Enkel sagen werden, wenn sie dereinst an unseren Gräbern stehen und fragen, was wir getan haben, um unsere Art und Kultur zu erhalten.

Wolfgang Juchem, bis 1976 Mitglied der NPD und später Gründer der überparteilichen „Aktion freies Deutschland“, berichtete aus seinen langjährigen Erfahrungen mit Parteipolitik und der Arbeit in der außerparlamentarischen Opposition. Seine Bilanz von über 30 Jahre Kampf für Deutschland: „Alle vorsichtigen Formulierungen und Samthandschuhrituale haben den nationalen Parteien nichts genutzt“, „der Kampf gegen rechts ist längst zum Kampf gegen das Recht geworden“, wesentliche Teile des Grundgesetzes seien faktisch außer Kraft gesetzt worden. Weil wir das Deutschsein als solches gegen sein Versinken in einem multikulturellen Brei verteidigten, gerade deshalb würden wir gehaßt, verfolgt, unterdrückt und mundtot gemacht. Die Nationalen seien das letzte Sandkörnchen gegen die Maschinerie der Globalisierung. An die Parteipolitiker gab er folgende Empfehlungen ab: Zugehen auf die Menschen auch zwischen den von antinationaler Hetze geprägten Wahlkampfzeiten, den „Kampf um die Straße“ durch den „Kampf um die Herzen und die Einsicht“ ersetzen, Besinnung aller Nationalen auf den gemeinsamen Nenner der Volkserhaltung als rechtmäßige Erben dieses Landes, Beschränkung auf wenige spektakuläre Themen, um möglichst breiten Konsens herzustellen. Die Zeit sei reif für eine große Sammlungsbewegung, eine Ideologie, deren Zeit gekommen ist, sei von niemandem mehr aufzuhalten. In der anschließenden Podiumsdiskussion mit allen teilnehmenden Referenten empfahl er der NPD, sich als Partei des Grundgesetzartikels 146 zu verstehen.

Den Samstagabend rundete der Liedersänger Friedrich Baunack mit einem abwechslungsreichen Lied- und Kabarettprogramm ab.
In seinem das Wochenendseminar am Sonntag abschließenden Vortrag über „Strategien zur Intellektualisierung der NPD“ berichtete der Parteivorsitzende Udo Voigt über Schulungen und Lehrgänge des ehemaligen Parteibildungszentrums in Oberitalien. Ein solches Bildungszentrum wolle die Partei wieder aufbauen. Mahlers Feststellung in der Podiumsdiskussion, man habe als Partei schon verloren, wenn man nur das sagen wolle, was die Wähler augenblicklich hören wollten, ergänzte Voigt um die Schlußfolgerung, man dürfe als nationale Partei nicht den Fehler von Haider wiederholen, mit Systemkräften zusammenarbeiten zu wollen, sondern müsse die alleinige Macht anstreben. Die in letzter Zeit zunehmend in das Sperrfeuer der Kritik geratene Zurückhaltung der NPD bei Demonstrationen begründete er mit einem Umdenkungsprozeß in der Partei. Man müsse wegkommen von Demonstrationen als reinem Spaßerlebnis. Inhalte von Demonstrationen, bei denen die Nationalen von der Polizei begleitet und abgeschirmt würden, wie in einem „Gefangenentransport,“ seien der Öffentlichkeit nicht positiv zu vermitteln. Demonstrationen seien daher nur sinnvoll, wenn sie von einer umfassenden Politisierungskampagne vor Ort begleitet seien.
Alles in allem war das Wochenende eine gelungene Veranstaltung, von der der aufmerksame Zuhörer viele neue Anregungen mit nach Hause nehmen konnte.

Katharina Heidemann

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