Politische Theorie

 

1. Mai und soziale Frage: Klassenkampf statt Volksgemeinschaft!


Verfasser: Richard Schapke, im März 2004


Undeutscher Parteifanatismus, Reklametum und Massengeist haben das Wesen der nationalen Bewegung verfälscht. Mit Sorge sehen wir, wie sich überall das marktschreierische Gebaren skrupelloser Demagogen an die Stelle schlicht preußischen Soldatentums gesetzt hat...Niemals wurde in Deutschland an Rednerpulten Geschichte gemacht!
- Hermann Ehrhardt


Es liegt an uns, uns möglichst schnell aus der kompromittierenden Nachbarschaft dieser bürgerlichen Halbstarken zu verdrücken. Sonst sind wir verloren.“
- Joseph Goebbels



Nachdem Teile der Freien Nationalisten um das Aktionsbüro Nord ankündigten, am 1. Mai 2004 gemeinsam mit der NPD in Berlin zu demonstrieren, mobilisiert nun eine andere FN-Fraktion um Christian Worch und die „Bewegung deutsche Volksgemeinschaft“ für eine Konkurrenzveranstaltung in Leipzig. Der Fairness halber sei angemerkt, dass die Worch-Kundgebung bereits vor der Veranstaltung des Berliner Bündnisses angemeldet wurde.

Wie die unheilige Allianz aus Freien Nationalisten und National-Demokraten in Berlin, so schwelgt auch das Leipziger Bündnis in der konterrevolutionär-liberalistischen Volksgemeinschaftsideologie des „Reiches der niederen Dämonen“ (Ernst Niekisch) und neigt dazu, rassenmaterialistisch motivierten Lageanalysen verhaftet zu bleiben. Zwar befindet sich „die Linke“ in der Tat zumindest in Teilen im Zustand der Agonie, aber in puncto Theoriebildung und Analyse ist sie NPD und Freien Nationalisten nach wie vor Welten voraus. Von der in den „Leipziger Richtlinien“ postulierten „unerschütterlichen weltanschaulichen Grundlage“ ist „die Rechte“ meilenweit entfernt. Es bleibt allerdings festzuhalten, dass das Leipziger Projekt propagandistisch weitaus besser verkauft wird als die Kampagne von FN und NPD. Im Gegensatz zu den Berliner Veranstaltern gingen Worch und die BDVG über einen knapp gehaltenen Aufruf voller Worthülsen und Platitüden hinaus.

Zuzustimmen ist vor allem folgenden Sätzen: „Sprengen wir den konventionellen Widerstand der traditionellen Rechten! Wechseln wir vom Reagieren zum Agieren! Der einzig notwendige Widerstand heißt Angriff! Her mit einer neuen politischen Ordnung!“ Auch hinsichtlich der Nichtunterstützung des „gescheiterten parteipolitischen deutschen Nachkriegsnationalismus“ besteht Konsens. „Denn wir werden niemals wirksam werden, wenn wir uns als Füllmasse für die wegbrechenden Strukturen unfähiger, zu politischen Offensiven ungeeigneter Parteien ausnutzen lassen; sondern nur dann, wenn wir den deutschen Nationalismus des 3. Jahrtausends neu formieren. Aus Parteien, die in 40 Jahren Erfolglosigkeit ihre Unfähigkeit unter Beweis gestellt haben, ist kein propagandistischer Nutzen zu ziehen!“

Nur zu bezeichnend erscheint es uns, dass die Ausführungen zur sozialen Frage nicht vom Nur-Demagogen Christian Worch, sondern von Lars Käppler stammen und bereits in „Volk in Bewegung“ 2/2002 erstmals veröffentlicht wurden. Hiervon einmal abgesehen, ist die Ausarbeitung weitgehend akzeptabel. Der Begriff „traditionelle Rechte“ wird von uns, das sei an dieser Stelle betont, jedoch erheblich weiter gefasst als von Worch und Anhang - so wie wir generell eine radikalere Positionierung einnehmen als die Bündnisse von Berlin und Leipzig.

Wir stimmen mit den Leipziger Organisatoren darin überein, dass die soziale Frage als politischer Hebelpunkt tauglich ist. Durch ihre Darstellung schimmert jedoch eine reichlich unkritische Position gegenüber dem bürgerlichen Staat und seiner Sozialpolitik hindurch. Sicherlich ist Sozialpolitik begrüßenswert und notwendig, aber sie hat nun einmal spätestens seit Bismarck auch eine weitere Dimension, nämlich die Legitimierung und Erhaltung des kapitalistischen Staates. Das ausschlaggebende Motiv war mitnichten humanitären Charakters, sondern Sinn und Zweck aller Sozialpolitik war und ist die politische Absicherung der herrschenden Produktionsverhältnisse. Aufgrund der Eigentumsverhältnisse ist die Gesellschaft objektiv in die sozialen Klassen von Kapital und Lohnarbeit gespalten. Diese Spaltung erzeugt Klassenkonflikte zwischen den Antagonisten, die als bewusst geführte Klassenauseinandersetzung die Grundstrukturen von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in Frage stellen können. Um genau diese Gefahr auszuschalten, hat der Staat die Handlungsoption, per Sozialpolitik auf einen Teil der von den Lohnabhängigen gestellten Forderungen einzugehen und hierdurch Anpassung und politische Integration herbeizuführen. Allerdings scheiterte Bismarck mit dem Versuch, die sozialistische Idee auf rein materielle Aspekte zu reduzieren, vollständig.

Käppler formuliert: „Nach dem 2. Weltkrieg wurde in der BRD das Sozialstaatsprinzip verankert - danach sollte soziale Sicherheit und Chancengleichheit wichtigste Aufgabe staatlicher Sozialpolitik sein. Die Nachkriegsnot und das darauf folgende „Wirtschaftswunder“ ließ aber diese Fragen in den Hintergrund treten - denn Arbeit war genug vorhanden. Doch schon Mitte der 60er Jahre musste dieser Auftrag aufgrund auftretender Krisenerscheinungen in der Wirtschaft mehr und mehr in Frage gestellt werden.“ Hier scheint uns eine etwas verkürzte Einschätzung der bundesrepublikanischen Realitäten vorzuliegen, vor allem fällt die Nichtberücksichtigung des einsetzenden Kalten Krieges auf. Der Interpretation Wolfgang Abendroths zufolge war das Grundgesetz zwar auf Ausdehnung des materiellen Rechtsstaatsgedankens der Demokratie auf die Wirtschafts- und Sozialordnung ausgelegt. Infolge der zunehmenden Restauration der kapitalistischen Wirtschaftsordnung im Kalten Krieg setzte sich jedoch schnell eine verengende Interpretationstendenz durch. Sozialstaatlichkeit wurde auf eine reine Verwaltungsaufgabe reduziert und stellte fortan kein grundsätzliches gesellschaftliches Gestaltungsmoment mehr dar. So interpretiert, rechtfertigt der bundesdeutsche Sozialstaatsgedanke spätestens seit den 50er Jahren nur noch die bestehenden privatwirtschaftlichen Produktions- und Herrschaftsverhältnisse. Gerade die soziale Kahlschlagspolitik der Regierungen Kohl und Schröder demonstriert, wie sicher sich die Politische Klasse der BRD im Sattel wähnt.

Nicht diskutiert zu werden brauchen hier die Leipziger Forderung, den Primat der Politik über die Wirtschaft herzustellen sowie die Verwerfung des westlichen Materialismus und des kapitalistischen Systems. Hinsichtlich der Frage des Privateigentums gestattet sich zumindest der Verfasser dieser Zeilen die Einnahme eines deutlich divergierenden Standpunktes. Mit seinem „unbedingten“ Bekenntnis zum Privateigentum fällt das Leipziger Bündnis (von der Berlin-Fraktion ganz zu schweigen) in dramatischer Weise selbst hinter das 25-Punkte-Programm (Verstaatlichung der Aktiengesellschaften, Enteignung unrechtmäßiger Gewinne, Agrarreform, Gewinnbeteiligung) der NSDAP zurück. Ohne die Zerschlagung ihrer wirtschaftlichen Grundlage kann die kapitalistische Staats-, Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht überwunden werden. Als probate Mittel erscheinen hierbei z.B. die Verstaatlichung von Finanzgruppen, Großkonzernen, Infrastruktur- und Versorgungsunternehmen sowie der strategischen Schlüsselbranchen, die Enteignung von Großgrund- und Immobiliengroßbesitz und nicht zuletzt die Etablierung staatlicher Rahmenplanung für die Gesamtwirtschaft. Andernfalls werden (wie 1933) nur die Symptome der Krankheit und nicht ihre Ursache behandelt. Das System hat keine Fehler - das System ist der Fehler!

Da sich die kapitalistische Ordnung in der BRD nun einmal der Unterstützung zahlreicher Kollaborateure unterschiedlichster sozialer Verortung erfreut, helfen nebulöse Volksgemeinschaftsutopien hier nicht weiter. Konflikt statt Konsens! Der Kollaborateur ist im Sinne von Carl Schmitts „Begriff des Politischen“ ein Feind, aber kein „Volksgenosse“. Daher wiederholen wir an dieser Stelle den Grundsatz „Klassenkampf statt Volksgemeinschaft“, wobei wir uns hier an der Volksrevolutionsidee orientieren und als revolutionäres Subjekt die ausgebeuteten und sich ihrer Ausbeutung bewussten Bevölkerungsgruppen ansehen. Nur durch den solchermaßen verstandenen revolutionären Klassenkampf und nicht durch die romantisierende Volksgemeinschaft ist die nationale und soziale Befreiung möglich.

Wir schließen mit Karl Marx: „Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats, d. h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren. Es kann dies natürlich zunächst nur geschehen vermittelst despotischer Eingriffe in das Eigentumsrecht und in die bürgerlichen Produktionsverhältnisse, durch Maßregeln also, die ökonomisch unzureichend und unhaltbar erscheinen, die aber im Lauf der Bewegung über sich selbst hinaustreiben und als Mittel zur Umwälzung der ganzen Produktionsweise unvermeidlich sind.“

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