Befreiungsnationalismus und Antiimperialismus

 

11. September 1973 - Militärputsch in Chile


Quelle: www.radio-freiheit.com, Veröffentlichung mit Genehmigung des Verfassers

Heute vor 30 Jahren putschte das chilenische Militär gegen Staatspräsident Salvador Allende und die Regierung aus den Parteien der Volksfront (Unidad Popular). Sie setzen damit mit einer nicht für möglich gehaltenen Gewalt und Brutalität die verfassungsmäßig verbürgte Ordnung außer Kraft. Mit dem Putsch, der, wie der frühere US-Außenminister Henry Kissinger längst eingestand, von den USA geplant, finanziert und unterstützt wurde, gingen aber nicht nur die verfassungsgemäß garantierte Ordnung und die demokratischen Rechte des Chilenischen Volkes zu Ende. Es ging vor allem eine Illusion zu Ende, die vor allem in linken Kreisen in der BRD gepflegt wird: Die Überwindung des Kapitalismus auf parlamentarischem Weg mit Hilfe von Parteien.

Denn nach dem Putsch, geriet merkwürdigerweise nicht der weltumspannende Kapitalismus in ein Dilemma, sondern die Linke. Vor lauter Protest und berechtigter Empörung merkte sie nicht, daß die chilenische Junta - mit den USA im Rücken - den Menschen im Handstreich aufgezeigt hatte, daß es keine Möglichkeit eines gesetzlichen Weges zur „Überwindung des Kapitalismus“ mehr geben wird, bzw. jeder Versuch in diese Richtung nicht ohne entsprechende Reaktion bleibt.

Rückblick:

Salvador Allende wurde im Oktober 1970 als Kandidat der Volksfront (Unidad Popular) zum chilenischen Staatspräsidenten gewählt, nachdem sich die meisten sozialistischen Parteien auf eine gemeinsame Plattform geeinigt hatten. Vor der Wahl hatte diese sozialistische Koalition Beibehaltung der Parteien -, Presse-, Gewerkschafts- und Versammlungsfreiheit garantiert. Diese Garantien wurden Bestandteil der Verfassung. Schon im Vorfeld der Wahl versuchten damals schon US-amerikanische Konzerne, insbesondere der ITT-Konzern, die Wahl Allendes zu verhindern. Dies gelang, wie allgemein bekannt, nicht. Denn am 24. Oktober 1970, bestätigte der chilenische Kongreß die Wahl von Salvador Allende. Das war nur noch ein formaler Akt, aber er machte die Sensation perfekt: Das chilenische Volk hatte in allgemeinen und freien Wahlen mehrheitlich einem Sozialisten die Stimme gegeben, dazu einem Kandidaten des Bündnisses Unidad Popular, das zur Wahl mit einem revolutionären Programm angetreten war: „... die Macht der Imperialisten, Monopole, der Großgrundbesitzer wird zerschlagen. Wir werden mit dem Aufbau des Sozialismus in Chile beginnen.“ Nun war die Wahl von Kandidaten, die sich mit radikalen sozialistischen Parolen schmückten, keineswegs eine Ausnahmeerscheinung in Südamerika. Viele solche Leute hatte es gegeben. Einmal gewählt, hatten diese Leute ihren revolutionären und sozialistischen Ansatz jedoch schnell vergessen. . Die Unidad Popular aber verstand die Präsidentschaft Allendes nicht als Lizenz zur Selbstbereicherung, für sie war die politische Macht das notwendige Werkzeug, um die Macht derer zu brechen, die die Verantwortung dafür trugen, daß ein Viertel aller Chilenen in Not und Armut lebten. Sie wollten die Grundlagen beseitigen, auf denen die kapitalistische Ausbeutergesellschaft errichtet war und, im eigentlichen Sinne des Wortes, die Volkswirtschaft wieder aufbauen. Dies sollte vor allem durch eine breite Volksfront, die keineswegs ein Parteienzweckbündnis war, realisiert werden.

Schon bei seinem Einzug in den Präsidentenpalast La Moneda am 3. November 1970 machte Allende dies deutlich, denn er nahm seinen Amtssitz zusammen mit gut 3 000 Chilenen in Besitz. Und während Allende seine Gäste zu einem großen Festessen einlud, fand auf den Straßen Santiagos ein Volksfest statt. Die Menschen tanzten und sangen, u. a. das Lied der Gruppe Quilapayun: „Dieses Mal geht es nicht um einen Präsidentenwechsel, sondern um den Aufbau eines ganz anderen Chile“. Nur 1 000 Tage später war der Versuch auf dem amerikanischen Kontinent eine echte Volkswirtschaft in einem Blutbad erstickt.

Wie konnte es dazu kommen? Allende und die Volksfrontregierung begannen unverzüglich mit der Umsetzung ihres Wahlprogramms, damit zunächst die größte Not des Chilenischen Volkes gelindert würde: Die Löhne der Arbeiter und Angestellten wurden entsprechend der Inflationsrate erhöht, die Mindestlöhne verdoppelt. Kinder bis 15 Jahre erhielten unentgeltlich einen halben Liter Milch. Die Preise für Strom und Haushaltsgas, sowie die Transporttarife wurden eingefroren. Die Regierung setzte ein Programm zum Bau von 100.000 Sozialwohnungen auf. Es begann die unentgeltliche medizinische Versorgung in Krankenhäusern und Polikliniken. Mit dieser Offensive wurde Schritt für Schritt das Wahlprogramm der Volksfront realisiert.

Aber schon im Jahr 1971machte die Volksfrontregierung aus Sicht des weltweit nomadisierenden anti-nationalen Finanzkapitals einen schwerwiegenden „Fehler“: Die Überführung der wichtigsten Bereiche der Volkswirtschaft in Volkseigentum. Dazu gehörten so wichtige Zweige wie die Energiewirtschaft, die metallurgische, die Kohle-, die Eisenerz-, die Salpeter-, Erdöl- und die Zementindustrie, das gesamte Fernsprechnetz und insbesondere der Kupferbergbau. Ferner erwarb die Unidad Popular-Regierung mittels Aktienkäufen die Mehrheit in den führenden Privatbanken. Damit erhielt sie die Kontrolle über alle wichtige Sektoren der Wirtschaft, mit der eine solide Grundlage für die Programme zur Volksbildung, Volksgesundheitsvorsorge, Altersversorgung, Ernährung, Anhebung der Löhne für, usw. Mit Hinweis auf die Riesenprofite, die US-Konzerne aus der Ausbeutung der chilenischen Bodenschätze in den vergangenen Jahrzehnten erwirtschaftet hatten, wurden die Konzerne nicht entschädigt. Wovon hätte man die US-Firmen auch entschädigen sollen? Und vor allem wofür? Dafür, daß das Chilenische Volk jahrelang seiner Bodenschätze beraubt worden ist? Aber, was hier entstand, mußte nicht nur desavouiert werden, es mußte eliminiert werden, wenn es nicht Vorbildcharakter für den gesamten Kontinent bekommen sollte - für die USA, aber auch andere kapitalistische Länder eine beunruhigende Aussicht. Denn bei ihrem großen Umbauprogramm hatte die Regierung Allende auch noch Erfolg: Bei der Parlamentswahl vom März 1973 konnte die Unidad Popular ihren Stimmanteil um sieben Prozentpunkte auf 43,3 Prozent steigern. Doch die durch Boykottmaßnahmen internationaler Konzerne geschürte Wirtschaftskrise verschärfte sich bald dramatisch und entwickelte sich zum entscheidenden Hebel, das Experiment Allende auszuhebeln - der Kapitalismus kämpfte mit seinen ureigensten Waffen.

Innenpolitisch betrachtet, verzichtete die Volksfrontregierung auf Repressionsmaßnahmen, insbesondere die Stigmatisierung und Kriminalisierung politisch Andersdenkender. Doch der Großmut der Volksfrontregierung im Umgang mit den Feinden des Chilenischen Volkes wurde gleich als Schwäche gedeutet. Die politische Initiative ging in die Hände reaktionärer, US-freundlicher Kreise über, wobei diese selbst vor peinlichsten Aktionen nicht zurückscheute: Am 5. Dezember 1971 ließ sie mehrere hundert Frauen aus reichen Vororten beim sogenannten „Marsch der leeren Kochtöpfe“ mit Töpfen stundenlang klappernd durch die Innenstadt ziehen, um gegen die angebliche Mißwirtschaft der Regierung zu protestieren, wobei sie freilich von einer großen Gruppe vermummter Schläger eskortiert wurden. Diese Schlägertruppen schlugen mit Stahlrohren und Fahrradketten alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte, im Stadtzentrum steckten sie Regierungsfahrzeuge in Brand, verwüsteten Einrichtungen der Unidad Popular. Die Volksfrontregierung verzichtete aber auch hier auf einen Polizeieinsatz gegen den Schlägermob des Finanzkapitals (in der BRD wird dieser Mob „Antifa“ genannt), sie rief nicht einmal zu einer Gegendemonstration auf, mit welcher der klappernde Spuk von der Straße gefegt worden wäre. Durch das allzu großzügige Verhalten gegenüber den Feinden des Chilenischen Volkes animiert, ging die Konterrevolution im Oktober 1972 zu einem Generalangriff mit Hilfe der sogenannten „Gremios“ über. Die meisten dieser gewerkschaftsähnlichen Verbände der Kleinunternehmer, freien Berufe und Angestellten waren in den Monaten zuvor unter die Kontrolle US-freundlicher Kreise geraten. Sie nahm den Kampf gegen die Unidad Popular an allen Fronten auf: mit einer zunehmenden Hetze in den Medien, mit Sabotage der Produktion, mit bewaffneten Anschlägen faschistoider Gruppen. Den Anfang aber machte ein unbefristeter Streik der Fuhrunternehmer, dessen Vorsitzender sich selbst als glühender Anhänger faschistischer Gewaltherrschaft bezeichnete. Den Fuhrunternehmern schlossen sich die Händler und Ärzte an. Streikunwillige wurden terrorisiert, ihre Lkw, Lager und Einrichtungen zerstört. Das ganze Land drohte ins Chaos zu stürzen. Aus der Sicht der „Gremios“ hatte die Unidad Popular-Regierung sich eines Sakrilegs schuldig gemacht: Sie hatte sich am Großkapital vergriffen. Aus heute verfügbaren Dokumenten wird ersichtlich, wie schnell und in welch hohem Maße gerade diese politische Konsequenz der revolutionären Regierung die Gegenreaktion einigte. Die Mehrheit im Parlament stellte sich nunmehr komplett auf die Seite der USA und blockierte alle Gesetzesinitiativen der Regierung, die Gerichte ließen Gewalttäter laufen und überzogen Aktivisten der Volksfront mit Strafprozessen. Die Wirtschaft des Landes wurde zum Hauptangriffspunkt und sollte komplett destabilisiert werden. Vor allem die Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern sollte gestört werden. Ziel war die Schaffung eines Klimas der Unzufriedenheit mit der Allende-Regierung.

Die volksfeindliche Konterrevolution im Land wurde international nicht nur durch einen Wirtschaftskrieg der USA unterstützt, die Chilenische Regierung erhielt zusätzlich zu den inneren wirtschaftlichen Schwierigkeiten von IWF und Weltbank keine Kredite mehr. Chile, das 85 Prozent seiner Deviseneinkünfte aus dem Verkauf von Kupfer bezog, drohte zu kollabieren, da der Weltmarktpreis von Kupfer künstlich massiv gedrückt wurde.

Doch die Konterrevolution hatte nicht mit der Basis der Unidad Popular im Chilenischen Volk gerechnet. Während die Regierung wenig handlungsfähig erschien, stellten sich Zehntausende dem Streik entgegen. In den Wohngebieten entstanden Selbstverwaltungsorgane, welche eine Grundversorgung mit Lebensmitteln sicherstellten, mutige Schwestern und Ärzte sicherten in den Krankenhäusern und Polikliniken eine Notversorgung, Angestellte von Elektrizitäts- und Wasserwerken gründeten Selbstschutzkomitees gegen Sabotage- und Terroranschläge. Die Jugendverbände organisierten freiwillige Arbeitseinsätze, Künstler führten Aktionen zu deren Unterstützung durch. Unter den Bedingungen des Widerstandes gegen die reaktionäre Gewalt wuchsen in Chile Keimzellen einer neuen Gesellschaft. Nach drei Wochen mußte die Reaktion den Streik abblasen. Sie konnten ihr Ziel nicht erreichen, das Land zu paralysieren. Und es kam noch schlimmer für die Konterrevolution: Zwei Wochen nach Streikbeginn hatten sich große Teile der chilenischen Armee auf die Seite der Regierung gestellt. So wagte die Konterrevolution keine weitere Eskalation mit einem für sie ungewissen Ausgang.

Es gelang der chilenischen Volksfrontregierung jedoch nicht, diesen Sieg auszubauen. Die Schuldigen am Streik wurden nicht bestraft, obwohl seine Führer, aber auch die Besitzer von Massenmedien mit ihren Boykottaufrufen und die Richter mit ihrer Untätigkeit sich massenhafter Gesetzesverletzungen schuldig gemacht hatten. Die Chance, wichtige Machtpositionen der Konterrevolution zu zerschlagen, wurde nicht genutzt.

Die Oktoberereignisse 1972 wiesen auf eine extreme Polarisierung der chilenischen Gesellschaft hin. Während sich die Arbeiter und Angestellten mehrheitliche als eine stabile Basis der Revolution erwiesen, waren die Mittelschichten zum großen Teil unter den Einfluß der Konterrevolution geraten. Der dreiwöchige Boykott durch die Berufsverbände hatte dem Land schweren Schaden zugefügt. Der Wirtschaftskrieg der USA und die Sabotageaktionen gingen weiter. Die Folgen für die Chilenen waren eine galoppierende Inflation, die Verknappung aller Versorgungsgüter, unregelmäßig funktionierende öffentliche Dienste. Die reaktionären Massenmedien suggerierten jeden Tag, daß die Allende-Regierung dafür die Schuld trage. Trotzdem erzielte die Unidad Popular-Regierung, wie Eingangs bereits erwähnt, im Frühjahr 1973 ein überraschend gutes Ergebnis: Die Volksfrontregierung erhielt knapp acht Prozent mehr Stimmen als 1970, fast jeder zweite Chilene gab mit seiner Stimme der Allende-Regierung sein Vertrauen. Die Hoffnung der unteren Schichten auf ein besseres Lebens war fest verbunden mit dieser Regierung und den in ihr vertretenen sozialistischen Parteien.

Der Militärputsch:

Nur mit Destabilisierungsversuchen und ohne eine aktive Beteiligung der Armee, das muß den USA und den chilenischen Oberschichten spontan klar geworden sein, war die Revolution nicht mehr aufzuhalten. Bald wurde das von den USA insbesondere für den Putsch ausgebildete Militär von militanten Gegnern der Volksfrontregierung mehr oder weniger offen zum Eingreifen aufgefordert. Es dauerte aber noch ein halbes Jahr, ehe die Voraussetzungen für einen Sieg der Putschisten geschaffen waren. Und so konnte ein erster Putschversuch des zweiten Panzerregiments Ende Juni noch niedergeschlagen werden. Aber Militärs, insbesondere Offiziere, die der Volksfrontregierung nahe standen, wurden konsequent aus Schlüsselpositionen entfernt, in entfernte Gebiete versetzt oder gleich ganz aus der Armee ausgeschlossen. Die reaktionären Militärs konzentrierten sich bei ihren Säuberungsaktionen insbesondere auf den Oberkommandierenden Carlos Prats. General Prats war der wichtigste Eckpfeiler der Unidad Popular in der chilenischen Armee. Seine demonstrative Rückendeckung für die Allende-Regierung während des Fuhrunternehmerstreiks hatte wesentlich zur Beendigung dieser Boykottkampagne beigetragen. Dem Druck US-freundlicher Militärs hielt er aber nicht stand und gab auf. Sein Nachfolger wurde General Augusto Pinochet. Anfang September „säuberte“ der Generalstab unter Führung von Pinochet die Armee dann komplett und endgültig: Hunderte Militärs, die der Volksfrontregierung nahe standen wurden erschossen oder eingesperrt. Salvador Allende erfuhr davon am Wochenende vor dem 11. September. Er verkündete umgehend, daß er am 11. September 1973 ein Referendum über seine Politik vorschlagen werde.

Darauf entschlossen sich die Militärs, sofort loszuschlagen. Aber dadurch, daß sie viele ihrer fähigsten Köpfe „verloren“ hatte, verlief der Staatsstreich am 11.September nicht wie geplant und streckenweise chaotisch. So bombardierte zum Beispiel ein Kampfflugzeug statt des Präsidentenpalastes das Militärkrankenhaus. Doch die Militärs trafen außer bei den mutigen Verteidigern der Moneda kaum auf organisierten Widerstand. Und noch während die Flugzeuge des putschenden Militärs bereits über die Moneda, hinwegjagten und im Tiefflug den Präsidentensitz beschossen, verabschiedete sich Allende in einer letzten, bewegenden Rundfunkrede vom Chilenischen Volk. Wenige Stunden später waren er und seine engsten Gefolgsleute, die mit ihm die Moneda verteidigt hatten, tot. Die Militärs hatten das Land nach nur zwölf Stunden in ihren blutigen Händen, das Experiment des chilenischen Wegs zur Volksherrschaft war blutig beendet. Aber nicht nur Allende und seine Getreuen kamen ums Leben. Nach offiziellen Angaben wurden während des Putsches und der folgenden Jahre der Repression 3 196 Menschen ermordet oder „verschwanden“ einfach spurlos. Ein großer Teil der Leichen ermordeter Oppositioneller wurden einfach vom Hubschrauber aus ins weite Meer geworfen. Bis 1990 dauert die von den USA geplante und unterstützte Schreckensherrschaft von General Augusto Pinochet. Noch heute entzweit die Aufarbeitung der dunklen Diktaturjahre die Gesellschaft in Chile. Erst seit 1999 wird der Jahrestag des Militärputsches nicht mehr als nationaler Feiertag begangen.

Resümee:

Es hat weltweit unter Nationalisten und Sozialisten kaum eine gründliche Diskussion über die Lehren der chilenischen Revolution gegeben, über ihre Stärken und Schwächen, über die Ursachen des Scheiterns. Der chilenische Versuch einer sozialistischen Volksrevolution von 1970 bis 1973 tritt zunächst durch die Konsequenz und die Ehrlichkeit hervor, mit der Salvador Allende und die Parteien der Unidad Popular ihr Wahlversprechen einlösten. In einer historisch kurzen Zeit wurden die Strukturen des Landes umgekrempelt, um so wenigstens zu versuchen, die soziale Gerechtigkeit herzustellen, die nationale Souveränität zu erzielen und die Volkswirtschaft im eigentlichen Sinne des Wortes, wieder aufzubauen. Die alles zum Vorteil des Volkes, nicht nur einer privilegierten Oberschicht und multinationaler Konzerne. Erstmals war für bis dato unterprivilegierte Chilenen ein Leben in Würde und, wenn auch bescheidenem, Wohlstand möglich. Die Erfolge der chilenischen Revolution und ihr Überleben in krisenhaften Zeiten konnten nur möglich werden dank der Begeisterung, der Zähigkeit und der Opferbereitschaft des Chilenischen Volkes. Erstmals in der Geschichte Chiles nahm das Volk, allen voran die einfachen Menschen die Gestaltung ihres Landes in die eigenen Hände. Der chilenischen Revolution sind die Menschen nicht weggelaufen. Sie ist der Übermacht und der Brutalität der Konterrevolution zum Opfer gefallen.

Aber ihr entscheidender Fehler war es wohl, die tatsächlichen Machtverhältnisse falsch einzuschätzen. Sie ging davon aus, daß eine große Parlamentsfraktion, die Regierung und das oberste Staatsamt allein schon ausreichen, um die tatsächliche Macht im Land auszuüben. Aber in Chile und all den anderen kapitalistischen Ländern liegt die eigentliche Macht in den Händen anti-nationaler Großkonzerne und Banken. Die Macht des Kapitals kommt, zumindest zunächst, nicht aus Gewehrläufen, sondern wird vor allem mittels Massenmedien vollzogen. Hinzu kommen korrupte und verkommen Helfershelfer in den jeweiligen Systemparteien, Verwaltungen, Instituten, bei Gerichten und allen anderen institutionalisierten Organen des Kapitalismus. Politiker haben in kapitalistischen Systemen lediglich die Aufgabe, den Willen der Großkonzerne und Banken nach unten durchzureichen.

Immer mehr Selbstdenker könnten zu folgender Schlussfolgerung kommen: Ein konsequent zu Ende geführter Volksaufstand, die Beseitigung des Parlamentarismus als politische Ausdrucksform des Kapitalismus, das Verbot aller Parteien, die Zerschlagung der vom Finanzkapital abhängigen Einheitsmedien, die Beendigung des Freihandels als die völkermordende Doktrin des American-way-of-death, die konsequente Verfolgung und Bestrafung von Volksschädlingen, Vasallen und Verrätern durch unabhängige Volksgerichte, würde den Weg zur Volksherrschaft und damit zum (Wieder-)Aufbau der Volkswirtschaften ebnen können.

Die Unidad Popular hingegen war aus tiefster Überzeugung vollkommen wehrlos den Putschisten ausgeliefert. Auf die Frage des SPIEGEL, ob die Regierung Allende nicht Waffen an das Volk hätte verteilen sollen, wie es die radikale Kräfte der Revolution verlangt hatten, antwortete die Witwe Allendes: „Wir hätten keine Waffen an das Volk verteilen können, weil das verfassungswidrig gewesen wäre. Und die Regierung Allende hatte ja gelobt, die Verfassung zu respektieren.“ Ein tödliches Gelöbnis an die Volksfeinde, die sich selber nicht einmal an die eigenen Gesetze halten und dies zur Sicherung der Macht auch niemals tun werden. Möglich, daß der Putsch in Chile nicht nur wirtschaftlichen Interessen galt, sondern auch den Glauben an eine Volksfront für immer beseitigen sollte, der trotz allem ein für den Kapitalismus ein gefährlicher Glauben sein kann.

 

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