Befreiungsnationalismus und Antiimperialismus

 

Kuba: Zwei Antworten an die US-Imperialisten

 

Seit Anfang Mai steht der sozialistische Karibikstaat Kuba unter verstärktem Druck der Vereinigten Staaten. Die Insel sieht sich seit den Tagen Präsident Kennedys einem mit militärischen, geheimdienstlichen und wirtschaftlichen Mitteln geführten Feldzug der USA gegenüber, die den Verlust ihres Protektorates durch die sozialistische Revolution niemals verwunden haben. Die weltweiten imperialistischen Großmachtinteressen der Vereinigten Staaten beschränken sich keinesfalls auf den so genannten „Krieg gegen den Terror“, sondern durchaus auch auf das nach wie vor als US-Interessensphäre betrachtete Lateinamerika. Hierbei ist Washington zu allem fähig, wie es nicht nur während des Kalten Krieges demonstriert hat (Nicaragua, El Salvador, Guatemala usw.). Erinnert sei nur an die amerikanische Unterstützung des reaktionären Uribe-Regimes in Kolumbien, die Verwicklung in den gescheiterten Putsch gegen den venezolanischen Reformpräsidenten Hugo Chávez oder unlängst die Militärintervention in Haiti. Wir dokumentieren 1. eine gemeinsame Stellungnahme des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kubas und der Revolutionsregierung vom 7. Mai sowie 2. eine Rede Fidel Castros vom 21. Juni, gehalten vor Hunderttausenden in La Habana.

Richard Schapke, im Juli 2004

 

Am 6. Mai gab die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika neue Maßnahmen zur Verschärfung ihrer ohnehin schon aggressiven Kuba-Politik bekannt. Schon vor der öffentlichen Bekanntgabe der Maßnahmen nahm Präsident Bush dazu am Vormittag des 6. Mai gegenüber der Presse Stellung. Bush bekräftigte seinen Hass gegenüber unserem Volk, indem er seine altbekannten zynischen Angriffe wiederholte. Diese verbalen Attacken gipfelten in der Erklärung, dass ein zentrales Ziel der US-Politik gegenüber Kuba darin bestehe, „schneller den Tag herbeizuführen, an dem Kuba ein freies Land ist“.

Nur wenige Stunden später stellte Roger Noriega, Staatssekretär für Angelegenheiten der Westlichen Hemisphäre, Ko-Autor des antikubanischen Helms-Burton-Gesetzes und Vertreter der terroristischen Mafia von Miami in der US-Regierung, Einzelheiten eines Berichts vor, der dem Präsidenten der Vereinigten Staaten von der so genannten Kommission zur Unterstützung eines freien Kubas am 1. Mai 2004 übergeben worden war. Eine wichtige Rolle spielten dabei die neuen wirtschaftlichen und politischen Maßnahmen, mit der Washington gegen Kuba vorgehen will.

Zum Sturz der kubanischen Regierung werden in dem Dokument die folgenden strategischen Aufgaben genannt: Verstärkung der Unterstützung für die innere Konterrevolution, Intensivierung der internationalen Kampagnen gegen Kuba, Ausbau von Maßnahmen gegen unser Land, die auf Subversion und Desinformation abzielen, neue Maßnahmen zur Schädigung der kubanischen Ökonomie sowie das, was sie »Untergrabung der Pläne zur Fortsetzung des Regimes« nennen.

Dem ersten Kapitel, das den neuen Maßnahmen zur Zerschlagung der Revolution gewidmet ist, ist folgendes zu entnehmen:

1. Es werden 59 Millionen Dollar in den kommenden zwei Jahren zur Verfügung gestellt, um Aktivitäten zur Zerschlagung der Revolution zu finanzieren. Dieses Geld soll unter anderem genutzt werden für:

a) die Schaffung eines internationalen Fonds für die Entwicklung der »Zivilgesellschaft« in Kuba. Mit diesem Fonds soll »freiwilliges« Personal aus Drittländern gewonnen werden, das in unser Land reist, um den Söldnern in Kuba Hilfe zu leisten. In der Praxis handelt es sich um die Organisation eines Korps von Kurieren, die der Konterrevolution die finanzielle und logistische Hilfe überbringen sollen.

b) Gemeinsam mit der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) soll ein »Stipendienprogramm« geschaffen werden, damit ausgewählte konterrevolutionäre Elemente an Universitäten in den USA und in Lateinamerika studieren können. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um einen Plan zur Ausbildung von Kadern der Konterrevolution in Kuba.

c) die Finanzierung von Programmen, die sie »Pro Demokratie für Jugendliche, Frauen und Kubaner afrikanischen Ursprungs« nennen - ein ungewöhnliches Ziel, das von einem Land formuliert wird, in dem es viele Arten von Diskriminierungen und den Ku Klux Klan gibt.

d) 18 Millionen Dollar sollen für Übertragungen von Fernseh- und Radiosendern genutzt werden, die ungerechtfertigter weise den Namen José Martís (kubanischer Freiheitsheld) tragen. Ausschließlich zum Zweck dieser Übertragungen soll ein Flugzeug vom Typ C-130 eingesetzt werden.

e) Aufrechterhaltung und Intensivierung öffentlicher antikubanischer Kampagnen im Ausland, in denen angebliche Verletzungen der Menschenrechte in Kuba, »Spionage gegen andere Länder«, »subversive Handlungen gegen demokratisch gewählte lateinamerikanische Regierungen« und andere Aktivitäten angeprangert werden sollen, die eine Bedrohung für die Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika darstellen. Des Weiteren soll die Durchführung von internationalen Konferenzen oder nationalen Konferenzen in Drittländen unterstützt werden, deren Aufgabe in der »Verbreitung von Informationen« über die Politik der USA sowie in der Förderung des »Übergangs« in Kuba besteht. Für diese internationalen Kampagnen zur Diffamierung Kubas werden weitere fünf Millionen Dollar zur Verfügung gestellt.

2. Einschränkungen von Geldüberweisungen und Paketsendungen von in den USA lebenden Kubanern an ihre Familienangehörigen in Kuba, wenn es sich nicht um Großeltern, Enkel, Eltern, Geschwister, Eheleute oder Kinder handelt. Das heißt, dass seit Anfang des Monats ein Kubaner mit Wohnsitz in den USA der einzigen Gruppe lateinamerikanischer und karibischer Emigranten angehört, deren Mitgliedern es fortan verboten ist, einer alten Tante oder einem anderen nahen Familienangehörigen ökonomische Hilfe zukommen zu lassen.

3. Verbot für Kubaner mit Wohnsitz in den USA, Geldüberweisungen oder Pakete an ihre Familienangehörigen nach Kuba zu schicken, wenn diese »Funktionäre der Regierung oder Mitglieder der Kommunistischen Partei« sind. So müsste etwa eine 70jährige Mutter auf ihre politischen Rechte verzichten, damit sie eine Geldüberweisung erhält.

4. Kubaner mit Wohnsitz in den USA dürfen künftig nur noch alle drei Jahre statt wie bisher einmal im Jahr nach Kuba reisen. Zusätzlich muss entgegen der bis dato geltenden generellen Genehmigung ab sofort für jede Reise eine gesonderte Erlaubnis eingeholt werden; direkte Familienangehörige sind dabei ausgenommen. Dazu legt die Regierung der Vereinigten Staaten fest, wer ab jetzt zur Familie gehört, nämlich »Großeltern, Enkel, Eltern, Geschwister, Eheleute und Kinder«. Das heißt von nun an zählen gemäß Präsident Bush Cousins, Tanten oder andere nahe stehende Angehörige nicht mehr als Familienmitglieder.

Außerdem wird festgelegt, dass Kubaner, die seit kurzem in den USA leben, erst drei Jahre nach dem Zeitpunkt ihrer Emigration nach Kuba reisen dürfen. Während die kubanische Regierung die Besuchsgenehmigungen für Kuba immer flexibler gestaltet, vervielfachen die Vereinigten Staaten die Hindernisse. Vor wem haben sie Angst?

5. Der Geldbetrag, den Kubaner mit Wohnsitz in den USA bei Besuchen in Kuba ausgegeben dürfen, wird von derzeit 164 Dollar auf 50 Dollar pro Tag begrenzt. Das ist eine neue und willkürliche Diskriminierung der in den USA lebenden Kubaner.

6. Die nordamerikanischen Behörden werden angewiesen, »verdeckte Operationen« gegen jeden durchzuführen, der für seine Familienangehörigen Geld in unser Land bringt, das von Kubanern mit Wohnsitz in den USA stammt. Es wird sogar denjenigen Belohnung angeboten, die illegale Geldzuwendungen an Familien in Kuba verraten.

7. Die Restriktionen bei der Vergabe von Genehmigungen für Bildungsreisen und akademischen Austausch an nordamerikanische Bürger und Institutionen werden durch strengere Bestimmungen weiter verschärft. Wir erinnern daran, dass die Vergabe von Genehmigungen für den so genannten »Austausch von Volk zu Volk« von der Bush-Administration bereits eingestellt worden ist.

8. Anfertigung einer gründlichen Studie über die Anwendung von Teil III des Helms-Burton-Gesetzes. Es soll eingeschätzt werden, ob sich die darin enthaltenen Bestimmungen gegen die Interessen der Vereinigten Staaten richten oder ob ihre Anwendung den Sturz der Kubanischen Revolution beschleunigen kann. Der dritte Teil dieses Gesetzes ermöglicht es nordamerikanischen Gerichten faktisch, gegen Unternehmer aus Drittländern, die mit Kuba Geschäftskontakte unterhalten, juristisch vorzugehen; diese Bestimmung wurde bislang nicht angewendet.

9. Konsequente Anwendung der in Teil IV des Helms-Burton-Gesetzes festgelegten Sanktionen, die das Verbot zur Ausstellung von Einreisevisa in die USA für diejenigen beinhalten, die in Kuba investieren. Zusätzlich sollen für die Anwendung der Bestimmungen des Helms-Burton-Gesetzes mehr Personal und Ressourcen eingesetzt werden.

10. »Neutralisierung« der kubanischen Unternehmen, die in Zusammenarbeit mit ausländischen Geschäftspartnern Produkte vertreiben. Zu diesem Zweck wird eigens eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die kubanische und ausländische Unternehmen sowie deren Geschäftsverbindungen bewerten soll.

11. Verstärkung der Anstrengungen zur Einbeziehung von Regierungen dritter Länder in die Kampagnen gegen die kubanische Revolution.

12. Unterstützung von Aktionen in dritten Ländern, um demotivierend gegen Touristenreisen nach Kuba zu wirken.

13. Beibehaltung der Praxis der Visaverweigerung für kubanische Funktionäre, die in die USA reisen müssen.

14. Im State Department wird eine Koordinierungsstelle für den politischen Übergang in Kuba geschaffen, die die Durchführung aller festgelegten Maßnahmen kontrollieren soll.

Die weiteren fünf Kapitel erörtern mit Dreistigkeit die Maßnahmen, die durch die Regierung der Vereinigten Staaten in unserem Land in Kraft gesetzt werden könnten, nachdem ihr Traum von der Vernichtung der kubanischen Revolution in Erfüllung gegangen ist. Wir wollen uns an dieser Stelle nicht mit der Analyse dieser Maßnahmen aufhalten. Es sei nur ein Beispiel genannt: Eine der vorgeschlagenen Maßnahmen ist die »sofortige Impfung aller minderjährigen Kinder bis zum fünften Lebensjahr, die noch gegen die wichtigsten Kinderkrankheiten geimpft werden müssen«. Unsere Bevölkerung kann daraus ihre eigenen Schlussfolgerungen ziehen.

Der jüngste Bericht kommt einem Plan für die Annexion Kubas und der Rückkehr zu jener Republik gleich, die vor der »Enmienda Platt« (im Jahr 1901 aufgenommener Zusatz zur ersten kubanischen Verfassung, der der US-Regierung Interventionsrechte auf kubanischem Territorium zubilligte) buckelte.

Unvorstellbar sind die Härte und der Hass, von denen sich dieser erneute Angriff gegen unser Land leiten lässt. Es geht darum, mit allen möglichen Mitteln die schwierigen Bedingungen, die uns durch die kriminelle nordamerikanische Blockade auferlegt sind, weiter zu verschlechtern. Diese Maßnahmen sind eine flagrante Verletzung der Menschenrechte von elf Millionen Kubanern, die durch Hunger und Krankheiten gezwungen werden sollen, sich zu ergeben. Und das nur wegen eines einzigen »Deliktes«, frei und unabhängig zu sein und sich nicht dem imperialen Befehl unterordnen zu wollen.

Die am 1. Mai angekündigten Maßnahmen verletzen auch die Rechte der Bürger kubanischer Herkunft mit Wohnsitz in den USA, die von jetzt ab bei Reisen und der Entsendung ökonomischer Hilfe für ihre Familienangehörigen in Kuba neuen und drastischen Einschränkungen unterliegen.

Alle diese Maßnahmen, die Politik der Vereinigten Staaten in ihrer Gesamtheit, verleugnen offen die wirklichen Interessen der nordamerikanischen Bevölkerung, der übergroßen Mehrheit der Kubaner mit Wohnsitz in den USA, der Mehrheit der Mitglieder des nordamerikanischen Kongresses und von breiten Schichten des Landes, die sich normale Beziehungen mit Kuba wünschen.

Die Ausgabe von zig Millionen Dollar zur Unterstützung von Söldnern in Kuba, die Verletzung internationaler Gesetze durch den Einsatz eines Flugzeuges zur Übertragung subversiver Sendungen in Kuba, dazu die skandalöse und international kritisierte Einrichtung eines entsetzlichen Konzentrationslagers auf widerrechtlich besetztem Gebiet unseres Landes - das alles sind ungewöhnliche Provokationen gegen die Normen und Prinzipien des Völkerrechts und müssen in den verschiedenen internationalen Foren diskutiert werden, einschließlich der Menschenrechtskommission in Genf.

Der zynische und grausame Charakter der gegenwärtigen US-Administration wird klar in der Tatsache ersichtlich, dass diese Maßnahmen gegen unser Volk zu einem Zeitpunkt festgelegt werden, in dem sich die Weltmarktpreise für Lebensmittel und deren Transport fast verdoppelt haben, während der Zuckerpreis gerade einmal an die Produktionskosten herankommt und der für Treibstoff nachhaltig steigt und schon fast die bedrückende Höhe von 40 Dollar pro Barrel erreicht hat. Zusätzlich wird beabsichtigt, mit größtmöglicher Kraft dem Tourismus einen Schlag zu versetzen, der gerade im Aufschwung begriffen ist.

Es reizt zum Lachen, wenn man die Versprechen hört, künftig die Kinder in einem Land impfen zu wollen, in dem die vorbeugende medizinische Betreuung und Impfungen höchstes Weltniveau erreichen. Und das wird ausgerechnet von einem Land proklamiert, in dem Millionen Männer, Frauen und Kinder keine medizinische Betreuung haben, in dem mehr Kinder pro tausend Lebendgeburten sterben als in Kuba. Die Tatsache der Existenz des enormen Humankapitals, das von unserem Volk geschaffen wurde, seine Fähigkeit, Zehntausende Ärzte in die entferntesten Winkel der Dritten Welt zu entsenden - was die Möglichkeiten aller entwickelten Länder zusammengenommen übersteigt -, seine Fortschritte in Bildung, Gesundheitswesen und Kultur, die Kuba in diesen Bereichen sehr bald weltweit an die erste Stelle bringen wird - das alles bringt den Führer der USA um den Verstand. Die feste Unterstützung für die Revolution, die ihr fast die gesamte Bevölkerung entgegenbringt, macht sie unverwundbar gegenüber der Ideologie des Herrn Bush. Das Beispiel Kubas soll von der Landkarte verschwinden. Das ist das Ziel des verrückten Programms für einen Übergang in Kuba, vorgelegt von einem Präsidenten, der durch Wahlfälschung in sein Amt gelangt ist.

Damit soll alles zerstört werden, was ein heldenhaftes Volk mit großer Hingabe aufgebaut hat. Kuba kann von der Landkarte ausgelöscht werden. Doch keine Drohung, keine wahnwitzige Idee des Herrn Bush wird es entmutigen können. Die unmenschlichen und feigen Maßnahmen des Herrn Bush werden ohne Zweifel Opfer von unserem Volk fordern. Aber sie werden es keine Sekunde lang auf seinem Weg für die Umsetzung menschlicher und sozialer Ziele aufhalten können, auf dem niemand allein gelassen wird. Kuba wird nie wieder zu den schrecklichen, unbarmherzigen und unmenschlichen Bedingungen der kolonialen Beherrschung durch die Vereinigten Staaten zurückkehren.

Wie der Oberkommandierende Fidel Castro auf der Kundgebung zum 1. Mai vor Millionen Kubanern sagte, wird sich »dieses Land ohne Verletzung der Normen, die es immer in seinem Kampf beachtet hat, unter Wahrung der Gesetze verteidigen, falls nötig auch mit der Waffe, bis zum letzten Blutstropfen«.


Liebe Mitbürger, zwei erneute Niederträchtigkeiten der Regierung der Vereinigten Staaten — die Einbeziehung Kubas in eine ihrer Listen, mit der sie sich als Herren der Welt aufspielen, eingefügt in einen am 14. Juni veröffentlichten Bericht des State Department, wo unser Land der Beteiligung am Menschenhandel angeklagt und die schändliche Verleumdung hinzugefügt wird, wir förderten den Sextourismus, sowie die am 16. Juni erfolgte Bekanntgabe zusätzlicher grausamer Blockademaßnahmen zum Abwürgen der Wirtschaft, die die Lebensgrundlage unseres Volkes ist — zwingen mich zu einer zweiten Botschaft an den Präsidenten der Vereinigten Staaten.


Widerlicher Zynismus

Herr Bush, ich will gelassen, doch auch sehr offen sein, wenngleich ohne jede Absicht, Beschimpfungen oder persönliche Beleidigungen vorzubringen. Kuba in einer Liste von Ländern zu nennen, die gesetzwidrigen Menschenhandel betreiben, ist ein Zynismus. Noch niederträchtiger und widerlicher ist die Behauptung in jenem präpotenten Bericht, den das State Department alljährlich abzusegnen hat, Kuba fördere den Sextourismus, einschließlich den mit Kindern.

Sie haben die Möglichkeit, sich zu informieren, dass Kuba um der Familienzusammenführung willen zwei Migrationsvereinbarungen mit den Vereinigten Staaten unterzeichnet hat. Das erste im Jahr 1984, das von den US-Administrationen nicht eingehalten wurde. Zehn Jahre danach wurden anstelle der 20 000 angebotenen Visa lediglich etwa 1000 pro Jahr erteilt, also fünf Prozent. Nach der 1994 ausgelösten Migrationskrise unterzeichnete unser Land eine neue Vereinbarung mit der Regierung der Vereinigten Staaten, die im Folgejahr erweitert wurde und derzeit gültig ist. Diese wurde zwar hinsichtlich der Anzahl von Visa im Wesentlichen eingehalten, doch von einer Einhaltung der notwendigen und grundsätzlichen Pflicht, jegliche Ermutigung der illegalen Emigration zu vermeiden, kann keine Rede sein.

Der mörderische Cuban Adjustment Act (ein 1996 beschlossenes Gesetz, das Kubanern bei illegaler Einreise in die USA die sofortige Aufenthaltserlaubnis gewährt - d. Red.) wurde absolut ungerechtfertigt unverändert beibehalten; es wurden ihm sogar neue Stimuli hinzugefügt. Dieses absurde und unmoralische Gesetz hat unzählige Menschenleben gefordert, darunter das Leben vieler kubanischer Kinder. Seit dem Bestehen dieses Gesetzes setzte der verabscheuungswürdige Emigrantenschacher per Schnellbooten ein, die, aus Florida kommend, unsere Küsten allerorts anliefen. Von Kuba werden solche Taten hart bestraft, während die US-Administrationen aus zur Genüge bekannten politischen Gründen, die im Zusammenhang mit dem Staat Florida stehen, untätig zuschauen.(...)

Sie versuchen, die Wirtschaft Kubas abzuwürgen und drohen einem Land mit Krieg, das in der Lage war, 20 000 Ärzte in 64 Ländern der »Dritten Welt« einzusetzen. Obwohl sie über die Ressourcen der reichsten Macht der Erde verfügt, hat Ihre Regierung nicht einen einzigen Arzt in die abgelegensten Gegenden jener Länder entsandt, wie es Kuba tut.

Auf Ihrem Gewissen wie auch auf dem der Führer der reichsten Staaten lastet der Völkermord, der Tod von jährlich mehr als zehn Millionen Kindern und weiteren Dutzenden Millionen Menschen, die gerettet werden könnten; der Tod infolge unterschiedlicher Formen von Ausplünderung und Raub, denen die Länder der »Dritten Welt« durch die ungerechte und längst unhaltbare Weltwirtschaftsordnung ausgesetzt sind, die von den reichen Ländern auf Kosten von 80 Prozent der Bewohner unseres Planeten errichtet wurde. (...)


Fanatischer Glaube

In Bezug auf Kuba lassen Sie sich von dem fanatischen Glauben leiten, Ihre Wiederwahl im November hinge von der Unterstützung durch eine - als solche klar erkennbare - Terroristenmafia alter Emigranten und deren Nachkommenschaft ab, von der ein bedeutender Teil aus der Gruppe der Veruntreuer und Kriegsverbrecher unter Batista stammt, die sich mit ihrer Beute und vor der Strafe für ihre Verbrechen in die Vereinigten Staaten in Sicherheit brachten. Andere bereicherten sich durch jahrelange Dienste bei Terrorakten und Aggressionen, die unser Volk viel Blut kosteten. Diese Gruppen verlieren immer mehr an Ansehen und Einfluss. Alle Welt erinnert sich an die Ereignisse in Florida, wo Sie vielfachen Wahlbetrug begingen, in dem Sie wahrer Experte sind; Sie gewannen mit lediglich 518 Stimmen. Ich will Sie nicht demütigen und nicht weiter in diesem schmutzigen und unangenehmen Thema bohren. Ich ziehe es vor, Ihnen ganz offen zu sagen, dass die Fehler, zu denen Sie Ihre Kompromisse mit dieser Mafia führen, bei den nächsten Wahlen das Blatt entscheidend wenden können.

Das US-amerikanische Volk ist des beschämenden Einflusses überdrüssig, den jene Gruppen auf die Außen- und Innenpolitik eines so bedeutenden Landes ausüben. Ihre Abhängigkeit von jenen Gruppen wird Sie am Ende viele Wählerstimmen kosten, und das nicht nur in Florida, sondern landesweit.

Dadurch, dass Sie den US-Amerikanern unter brutaler Androhung von Repression verbieten, nach Kuba zu reisen, verletzen Sie einen Verfassungsgrundsatz und ein Recht, worauf die Bürger Ihres Landes stets stolz gewesen sind. Es zeigt außerdem politische Angst.

Kuba hat ohne Zögern und ohne Furcht seine Türen der breiten Mehrheit der Emigranten - mit sehr wenigen Ausnahmen - für den Besuch ihres Herkunftslandes geöffnet; kürzlich erst wurde als einzige Formalität die Einrichtung einer alle zwei Jahre zu erneuernden Erlaubnis im Reisepass gefordert, womit dann beliebig viele Besuche durchgeführt werden können. Sie aber greifen zu erbarmungslosen und unmenschlichen Maßnahmen gegen die kubanischen Familien, Maßnahmen, die ihre Kultur und uralten Traditionen kränken. Den in den USA lebenden Kubanern, ob eingebürgert oder nicht, den Besuch ihrer nächsten Verwandten für jeweils drei Jahre zu verbieten, auch wenn diese todkrank sind, ist eine unbeschreibliche Grausamkeit. Nicht wenige kubanische US-Bürger denken bereits an ein Votum dagegen.
Allein aus Wahlkampfgründen und sich über die von fast allen Mitgliedern der Vereinten Nationen bestätigten Resolutionen hinwegsetzend, haben Sie soeben neue und härtere Wirtschaftsmaßnahmen gegen das kubanische Volk angeordnet, die von der Weltöffentlichkeit und selbst der großen Mehrheit der US-amerikanischen Öffentlichkeit abgelehnt werden.

Das Schlimmste an Ihrer kopflosen und ungeschickten Politik gegen Kuba ist, dass Sie und Ihre nächsten Berater hemmungslos Ihre Absicht erklären, das, was Sie als politischen Übergang in Kuba bezeichnen, gewaltsam durchzusetzen, falls mein Tod während meiner Amtszeit eintritt; ein Übergang, bei dem Sie ohne Zögern natürlich zugeben, dass Sie bestrebt sein werden, ihn so stark wie möglich zu beschleunigen. Sie wissen recht gut, was das in der Sprache der Mafiosi bedeutet.

Möglicherweise war jedoch die größte Schamlosigkeit die Ankündigung, dass die ersten Stunden die entscheidenden sein werden, da danach um jeden Preis und unter allen Umständen verhindert werden müsse, dass eine neue politische und administrative Leitung die Führung unseres Landes übernimmt. Dabei ignorieren Sie vollkommen die kubanische Verfassung, die Befugnisse der Nationalversammlung und der Leitung unserer Partei sowie die Funktionen, die das Grundgesetz und die höchsten Institutionen des Volkes jenen übertragen haben - so wie allerorts in der Welt -, die die jeweilige Vollmacht für die sofortige Übernahme der Verantwortung besitzen.


Militärische Invasionspläne

Da dies nur mittels Entsendung von Truppen an Schlüsselpunkte möglich ist, wird die Absicht kundgetan, militärisch in unsere Heimat einzufallen. Daher sandte ich Ihnen für Ihre Cäsar-Rolle am 14. Mai im Voraus meine Grüße, übernommen von den Gladiatoren, die im Zirkus des alten Rom bis zum Tode zu kämpfen gezwungen wurden. Heute halte ich es für nötig, Ihnen noch einiges mehr zu sagen.

Sie sollten wissen, dass Ihr Marsch gegen Kuba absolut nicht leicht sein wird. Unser Volk wird Ihren Wirtschaftsmaßnahmen, welche es auch sein mögen, standhalten. 45 Jahre heldenhafter Kampf gegen Blockade und Wirtschaftskrieg, Drohungen, Aggressionen, Mordpläne gegen seine Führer, Sabotageakte und Terrorismus haben die Revolution nicht geschwächt, sondern gestärkt.

Vor 43 Jahren wurde die verräterische Invasion bei Girón in weniger als 66 Kampfstunden ohne Waffenruhe entgegen sämtlichen Berechnungen brillanter Experten vernichtend geschlagen.

Einige von uns Führern dieser Revolution haben jene einmalige Erfahrung gemacht, dass eine Handvoll Männer mit sieben Gewehren den Kampf aufnahm und mit den dem Feind im Kampf abgenommenen Waffen die Armee Batistas schlug, die von den Vereinigten Staaten ausgerüstet, ausgebildet und beraten wurde und 85000 Mann zählte.

Dann im Oktober 1962, ein Jahr und sechs Monate nach Girón, ließ die reale Bedrohung eines Kernwaffenangriffs keinen kubanischen Kämpfer mit der Wimper zucken. Trotz Vereinbarung der beiden Supermächte wurde keiner Inspektion auf unserem Territorium stattgegeben.
Dutzende Jahre schmutzigen Krieges, Sabotageakte und Terrorismus, wobei sich viele Ihrer heutigen Freunde aus Miami auszeichneten, konnten Kuba nicht beugen.

Der Zusammenbruch des sozialistischen Lagers in Europa und der UdSSR selbst, wodurch wir unsere Märkte, Treibstoff-, Nahrungsmittel- und Rohstofflieferungen einbüßten bei Fortdauer der Blockade, die durch das Torricelli- und das Helms-Burton-Gesetz sowie andere Maßnahmen verschärft worden war, haben das kubanische Volk nicht zermürbt; und es geschah, was unmöglich schien: Wir haben durchgehalten! Das ist etwas, das bereits die kubanischen Patrioten, die gegen die spanische Kolonialmacht, gegen 300000 Soldaten Spaniens kämpften, sie zermürbten und besiegten, bestimmte: Es ist jener Geist, für das Unmögliche zu kämpfen und zu siegen.

Heute sind wir nicht mehr nur eine Handvoll Männer, entschlossen, zu siegen oder zu sterben. Wir sind Millionen Männer und Frauen, verfügen über genügend Waffen und gut ausgebildete Militärs, die wissen, wie diese unter den Bedingungen eines modernen und auf höchstem technischen Niveau stehenden Krieges zu gebrauchen sind, sowie über eine riesige Zahl an Kämpfern, die ebenfalls die starken und die - ungeachtet des enormen Rüstungspotentials und der technischen Überlegenheit Ihrer Waffen - schwachen Stellen derer gut kennen, die uns bedrohen.

Unter den heutigen Bedingungen in Kuba wird bei einer Invasion im Land eine Abwesenheit meinerseits - aus natürlichen oder Gründen anderer Art - unsere Fähigkeit des Kampfes und des Widerstandes nicht im Geringsten beeinträchtigen. In jedem politischen und militärischen Chef auf allen Ebenen, in jedem einzelnen Soldaten steckt ein potentieller Comandante en Jefe, der weiß, was er zu tun hat, und in einer bestimmten Situation kann ein jeder zu seinem eigenen Comandante en Jefe werden.

Sie werden nicht einen Tag, eine Stunde, eine Minute, ja nicht eine Sekunde haben, um die sofortige Übernahme der politischen und militärischen Führung des Landes zu verhindern. Die Befehle dafür, was getan werden soll, sind im Voraus erteilt. Jeder Mann und jede Frau werden ohne eine Sekunde zu verlieren auf ihrem Gefechtsposten sein.

Vor mehr als einer Million Kubaner, die vor Ihrer Interessenvertretung demonstrierten, sagte ich Ihnen am 14. Mai recht deutlich, was meine Aufgabe ist und was ich tun werde. Das kommt mir zu. Heute wiederhole ich es und empfehle Ihnen und Ihren Beratern, keine niederträchtigen Racheakte gegen unser Volk zu erfinden. Erfinden Sie keine verrückten Abenteuer wie chirurgische Operationen oder Abnutzungskriege unter Einsatz der modernsten Techniken, denn die Geschehnisse könnten Ihnen aus den Händen gleiten. Unerwünschte Dinge könnten geschehen, die weder für das Volk Kubas noch für das der Vereinigten Staaten gut sind. Sie könnten zum Bruch der Migrationsvereinbarung führen, zu einem Massenexodus, den wir nicht in der Lage wären zu verhindern; sie könnten zu einem totalen Krieg zwischen jungen US-amerikanischen Soldaten und dem kubanischen Volk führen, was äußerst traurig wäre.

Ich kann Ihnen versichern, dass Sie diesen Krieg niemals gewinnen werden. Hier werden Sie kein geteiltes Volk, keine entgegengesetzten Ethnien oder tiefe Religionsdifferenzen vorfinden. Es wird auch keine verräterischen Generäle geben, die unsere Truppen kommandieren. Sie werden ein Volk vorfinden, das fest vereint ist durch eine Kultur, ein Solidaritätsgefühl und ein soziales und humanes Werk, wie es in der Geschichte noch nie dagewesen ist. Aus einer militärischen Aktion gegen Kuba werden Sie keinen Ruhm davontragen. (...)

 

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