Befreiungsnationalismus und Antiimperialismus

 

Wahlen im Irak

 

Die Wahlen zur irakischen Nationalversammlung konnten trotz erheblicher Widerstandstätigkeit in den vergangenen Wochen relativ reibungslos durchgeführt werden. Allerdings sind die Begleitumstände doch reichlich fragwürdig: In den Wochen vor der Wahl zogen alle 30 unabhängigen Kandidaten und 53 Parteien ihre Kandidaturen zurück, und die größten sunnitischen Parteien boykottierten die Abstimmung. Es gab keine Wahlbeobachter internationaler Organisationen wie UNO, OSZE oder Arabischer Liga direkt vor Ort, auch Vertreter anderer westlicher Regierungen glänzten durch Abwesenheit. Die Namen der meisten Kandidaten wurden aus Sicherheitsgründen geheim gehalten; das Gros der Wähler wusste also nicht, wen es überhaupt wählte. In Städten wie Mosul, Basra, Bagdad und Najaf konnten Zehntausende nicht wählen, weil sie keine Wahlscheine hatten. Zur Absicherung waren 300.000 Soldaten, Söldner und Polizisten aufgeboten. Den ersten Auszählungsergebnissen zufolge wird sich erwartungsgemäß die Vereinigte Irakische Allianz der Schiiten durchsetzen. Führende Kräfte sind hier der islamische Revolutionsrat SCIRI und die schon 1957 gegründete Dawa-Partei, gefolgt von der Irakischen Liste unter Ministerpräsident Alawi. In den Kurdengebieten dominiert die Kurdische Allianz, das Wahlbündnis der Kurdischen Demokratischen Partei und der Patriotischen Union Kurdistans. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 60 %. Gewählt wurde vorwiegend in den mehrheitlich schiitischen und kurdischen Gebieten, während die Sunniten zumeist zuhause blieben. In Ramadi und Falluja kam es Gefechten zwischen Rebellen und US-Truppen, bei Bagdad fiel ein 10köpfiges Einsatzkommando des britischen SAS dem Abschuss seiner Transportmaschine durch den Untergrund zum Opfer. Pikanterweise benutzten die Rebellen eine Stinger-Rakete aus amerikanischer Produktion. Der oberste Rat der sunnitischen Geistlichen im Irak hat der nächsten irakischen Regierung die Legitimität zur Ausarbeitung einer Verfassung abgesprochen. Den Wahlen vom vergangenen Sonntag fehle die Rechtmäßigkeit, weil ein großer Teil der Bevölkerung sie boykottiert habe, erklärte der Ulema-Rat. Daher hätten die nächste Nationalversammlung und die kommende Regierung nicht die Berechtigung, eine Verfassung zu schreiben oder Sicherheits- und Handelsverträge zu schließen. Der Ulema-Rat hatte die Iraker dazu aufgerufen, die Wahlen zu boykottieren. Trotz mangelnder Legitimität „akzeptieren wir die Entscheidung des irakischen Volkes, das gewählt hat“, erklärte der Rat. Der nächsten Regierung könne möglicherweise immerhin die Berechtigung zugesprochen werden, „die täglichen Geschäfte zu führen“, hieß es in der Erklärung. Alle Regierungsentscheidungen könnten jedoch wegen der mangelnden Legitimität angefochten werden. Die Vereinten Nationen und die internationale Gemeinschaft warnte der Ulema-Rat davor, die irakischen Wahlen unter Besatzung anzuerkennen. Die schiitische Dawa-Partei erklärte sich indessen bereit, einige ihrer Parlamentssitze an sunnitische Politiker abzutreten, um diese in den Verfassungsprozess einzubinden. Stuart Bowen, Sonderbeauftragter der US-Rechnungsprüfung, gab bekannt, dass 2003 und 2004 unter der US-Kolonialverwaltung rund 9 Milliarden Dollar spurlos verschwunden sind. Die verschwundenen Gelder stammen fast ausnahmslos aus von den Amerikanern geplünderten irakischen Auslandsguthaben bzw. aus Mitteln des „Oil for Food“-Programmes, die auf US-Druck Paul Bremers Behörde überantwortet wurden.

Quelle: http://www.die-kommenden.net/dk/wochen/05/jan29_feb04.htm#1

 

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