Befreiungsnationalismus und Antiimperialismus

 

Julius Evola: Der Heilige Krieg

Aus: Geist der Zeit, Oktober 1939

Es soll nicht erstaunen, wenn wir uns vor allem auf die islamische Tradition beziehen. Die islamische Tradition steht hier am Platze der arisch-iranischen. Die Idee des "Heiligen Kampfes" - wenigstens was die hier zu betrachtenden Elemente anbetrifft - kam zu den arabischen Stämmen aus der persischen
Gedankenwelt: sie hatte also gleichsam die Bedeutung der späteren Renaissance eines altarischen Erbgutes und kann unter diesem Gesichtspunkt ohne weiteres verwendet werden.

Dies vorausgeschickt werden in der in Frage stehenden Tradition zwei "heilige Kriege" unterschieden, bzw. der "große" und der "kleine heilige Krieg". Diese Unterscheidung rührt von einem Ausspruch des Propheten her, der auf der Rückkehr von einer kriegerischen Unternehmung sagte: "Vom kleinen sind wir zum großen heiligen Krieg zurückgekehrt". Der große heilige Krieg gehört in diesem Zusammenhang der geistigen Ordnung an. Der kleine heilige Krieg ist dagegen der physische Kampf, der materielle, in der Außenwelt ausgefochtene Krieg. Der große heilige Krieg ist der Kampf des Menschen gegen die Feinde, die er in sich trägt. Genauer gesagt, ist der Kampf des übernatürlichen Elements im Menschen gegen alles, was triebhaft, leidenschaftsbedingt, chaotisch, den Kräften der Natur hörig ist.

Dies ist auch die Idee, die in einem Text altarischer Kriegerweisheit in der Bhagavadgita - zum Ausdruck kommt: "Durch die Verwirklichung dessen, was jenseits des Verstandes ist, bekräftige Dich durch Dich selbst und töte den Feind in Gestalt des schwer besiegbaren Wunsches". Vorbedingung für das innere Befreiungswerk ist, dass ein solcher Feind vernichtend geschlagen wird.

Im Rahmen einer heroischen Tradition dient jedoch der kleine heilige Krieg - d.h. der Krieg als äußerlicher Kampf - nur als Weg, durch dessen Vermittlung eben dieser große heilige Krieg zu verwirklichen ist. Aus diesem Grunde treten in den Texten "Heiliger Krieg" und "Weg Gottes" oft als Synonyme auf. So lesen wir im Koran: "Es kämpfen auf dem Wege Gottes - d.h. im heiligen Krieg - diejenigen, welche das irdische Leben dem zukünftigen opfern: denn dem, der auf dem Wege Gottes kämpft und getötet wird, oder dem, der siegt, werden wir hohen Preis schulden". Und weiterhin: "Und diejenigen, die auf Gottes Weg getötet werden - nimmer leitet er ihre Werke irre. Er wird sie leiten und ihren Herzen Frieden schenken. Und einführen wird er sie ins Paradies, das er ihnen zu wissen getan". Hier wird auf den physischen Tod im Kriege angespielt, dem der so genannte mors triumphalis - der "siegreiche Tod" - der klassischen Überlieferungen genau entspricht. Doch dieselbe Lehre kann auch in symbolischem Sinne verstanden werden. Wer im "kleinen" Krieg einen "großen heiligen Krieg" zu erleben verstanden hat, hat eine Kraft in sich erzeugt, die ihn imstande setzt, die Krise des Todes zu besiegen. Doch auch ohne physisch getötet worden zu sein, kann man mittels der Askese der Tathandlung und des Kampfes den Tod erleben, kann man innerlich gesiegt und ein "Überleben" verwirklicht haben.

Esoterisch gedeutet, sind in Wirklichkeit "Paradies", "himmlisches Reich" und ähnliche Bezeichnungen nichts anderes als symbolische, für das Volk geprägte Versinnbildlichungen transzendenter Bewusstseinszustände, auf einer höheren Ebene als Leben und Tod.

 

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