Befreiungsnationalismus und Antiimperialismus

 

Der L�we von Damaskus -

Hafez el Assad und das moderne Syrien

 

Verfasser: Richard Schapke

 

Am 10. Juni 2000 verstarb in Damaskus nicht �berraschend der syrische Staatspr�sident Hafez el Assad nach langer und schwerer Krankheit. Angesichts der Syrien zukommenden Schl�sselrolle im Nahen Osten und angesichts seines national-sozialistischen politischen Systems nimmt der Verfasser den Tod des "L�wen von Damaskus" zum Anla�, sein Leben, die Baath-Partei und Syrien dem geneigten Leser n�herzubringen.

Hafez el Assad wurde am 6. Oktober 1930 im kleinen K�stendorf Qardaha nahe der Hafenstadt Latakia geboren. Im Gegensatz zur Bev�lkerungsmehrheit geh�rt Assads Familie der islamischen Sekte der Alawiten an. Seine Laufbahn war die eines Berufssoldaten, Kampffliegers und Offiziers. Die Ausbildung absolvierte er in den50er Jahren in der Sowjetunion und in �gypten. Zum entscheidenden Faktor in Assads Leben wurde der Kontakt mit der Ideologie der sogenannten Baath-Partei, der Sozialistischen Partei der Arabischen Wiedergeburt. Im Arabischen steht das Wort "Baath" f�r "Wiedergeburt", wobei von anderer Seite auch die �bersetzung "Sendung" ins Spiel gebracht wird.

Begr�nder dieser hochinteressanten Bewegung waren die syrischen Akademiker Michel Aflak und Salah Bitar. Der Christ Aflak und der sunnitische Muslim Bitar studierten zwischen 1928 und 1932 gemeinsam an der Pariser Sorbonne und gerieten dort mit den Gedanken des europ�ischen Faschismus in Ber�hrung. Vor allem Aflak zeigte sich beeindruckt vom deutschen Nationalsozialismus. Im Jahr 1941 bildeten beide die Gesellschaft zur Hilfe f�r den Irak, wo damals eine Putschregierung unter Rashid Ali el Ghailani gegen die Briten k�mpfte. Aus dieser Gesellschaft entstand kurz darauf die Baath und w�hlte das Motto "Eine arabische Nation mit einem Auftrag f�r die Ewigkeit". Eine Synthese aus Nationalismus und Sozialismus sollte den Wiederaufstieg der arabischen Nation erm�glichen, die als unteilbar angesehen wurde. Nach der Beseitigung von Kolonialismus und einheimischer Ausbeuterklasse w�rde die arabische Einheit automatisch kommen. Nur als geeinte Nation k�nnten die Araber ihrer historisch-kulturellen Sendung gem�� leben. Das sozialistische Element brachte die Syrische Sozialistische Partei Hauranis ein, welche die Kleinbauern um Hama organisiert hatte. Obwohl (seit dem Austritt Aflaks aus der syrischen KP im Jahr 1943) antikommunistisch ausgerichtet, organisierten Aflak und Bitar die Baath nach dem Modell der Kaderpartei marxistischen Typs. Grundlage der Arbeit waren die Zellen mit zumeist f�nf Mitgliedern. Von den Zellenf�hrern aufw�rts bildeten die Baathisten eine hierarchische Ordnung bis hin zum Regionalkommando in jedem arabischen Land. Die Regionalkommandos bestimmten die politischen Richtlinien; sie waren in einem Nationalrat f�r alle Araber zusammengeschlossen.

Im Februar 1963 gelang es dem irakischen Ableger der Baath, im Bund mit panarabisch orientierten Milit�rs die Macht an sich zu rei�en. Ein ermutigender Erfolg, denn die irakischen Baathisten z�hlten kaum 1000 K�pfe und ihr Durchschnittsalter lag bei rund 30 Jahren. Folgerichtig putschte sich am 8. M�rz 1963 auch die syrische Baath-Gruppe, wieder mit Hilfe von an Nassers nationalem Sozialismus in �gypten orientierten Offizieren, an die Macht. Ein Wiederzusammenschlu� zur Vereinigten Arabischen Republik mit �gypten scheiterte jedoch, da Nasser die radikalen Baathisten als politische Konkurrenz betrachtete und sich gegen sie stellte. Im November putschte das irakische Milit�r erneut, als Aflak und andere versuchten, im m�rderischen Machtkampf des benachbarten Parteiablegers zu vermitteln (dieser endete mit dem Sieg des zivilen "linken" Fl�gels um Saddam Hussein). Damit setzte die getrennte Entwicklung der beiden Regionalkommandos ein.

In Syrien machte die Baath sich an eine rigorose Verstaatlichung von Industrie, Verkehr und Handel. Entwicklungspl�ne nach sowjetischem Vorbild sollten Industrialisierung und Landwirtschaft f�rdern. Die letztere sah mehrere Agrarreformen, bis der Gro�grundbesitz zerschlagen war. Man �berf�hrte 70 % der Agrarfl�che in den Besitz von Kleinbauern, w�hrend der Rest auf Staatsdom�nen entfiel. Wie im Irak, so kam es auch in Syrien zu heftigen Fl�gelk�mpfen zwischen dem linken zivilen und dem rechten milit�rischen Fl�gel der Baath. Im Jahr 1966 st�rzte eine radikale Linksgruppe die Putschregierung von 1963, und Hafez el Assad avancierte zum Verteidigungsminister. Nach der milit�rischen Niederlage im Sechstagekrieg von 1967 gegen Israel wechselte der Verteidigungsminister die Fronten, weg von den utopistischen Linken hin zur pragmatischeren Parteirechten. Den innenpolitischen Auseinandersetzungen machte er ein Ende, indem er im November 1970 in einem unblutigen Milit�rputsch die Macht �bernahm. Als Ministerpr�sident und Verteidigungsminister in Personalunion leitete Assad die sogenannte Korrekturbewegung ein, die zu einer gewissen innen- und wirtschaftspolitischen Liberalisierung f�hrte.

Am 2. M�rz 1971 w�hlten die Baathisten Assad zum Staatspr�sidenten und Vorsitzenden des Regionalkommandos. In diesen Funktionen sollte er 1978, 1985 und 1991 best�tigt werden. Schon fr�h pflegte der Staatschef mit Geschick seinen pers�nlichen Mythos. Er gab sich undurchschaubar und unberechenbar, um seine Widersacher zu verwirren. Selbst arabische Diplomaten klagten, er k�nne vier Stunden lang auf sie einreden, ohne eigentlich ein klares Wort zu sagen. Die bald auftretenden gesundheitlichen Schwierigkeiten wie Herzbeschwerden, Diabetes und Leuk�mie wurden ebenfalls in den Mythos der Unberechenbarkeit integriert. Durch die Kombination des labilen K�rpers mit einem energischen Geist erinnerte Assad an iberische Staatsm�nner wie den sp�ten Franco oder Salazar. Eine wichtige St�tze seiner Herrschaft waren die alawitischen Glaubensgenossen, nicht zu vergessen die insgesamt 15 Nachrichten- und Geheimdienste, die eine l�ckenlose Kontrolle des �ffentlichen Lebens erm�glichten.

Gegen�ber dem Erzfeind Israel vertrat Assad eine unnachgiebige Haltung, was naturgem�� nicht gerade Sympathien bei der NATO hervorrief. Konsequent n�herte Syrien sich dem Ostblock an, auf dessen Initiative 1972 unter F�hrung der Baath eine Progressive Nationale Front gebildet wurde, in der die verschiedenen kommunistischen, nationalistischen und sozialistischen Gruppen zusammenarbeiten sollten. Geschickt balancierte Assad so die verschiedenen Interessengruppen aus und festigte seine Macht. Dieses Modell sollte 1974 auch im Irak kopiert werden. Die Verfassung von 1973 erkl�rte Syrien zur Volksdemokratie unter dem Staatspr�sidenten Assad, der alle 7 Jahre direkt gew�hlt wurde. Als Parlament diente die Volksversammlung mit 250 alle 4 Jahre gew�hlten Mitgliedern. Die Verteilung der Mandate trug korporative Z�ge, denn 127 Sitze mu�ten an Vertreter der Arbeiterklasse und der Bauernschaft vergeben werden, w�hrend die �brigen Berufsgruppen sich die restlichen 123 teilten. Syrien wurde in 13 Provinzen und den Hauptstadtdistrikt Damaskus gegliedert.

Auch nach dem arabischen Debakel im Yom-Kippur-Krieg von 1973 ging Syrien nicht von seiner harten Haltung gegen�ber Israel ab. Unbeugsam forderte Damaskus die bedingungslose R�ckgabe der von den Zionisten besetzten Golanh�hen, wobei vor allem die Wasser des Jordan eine Rolle spielten. Im Kampf gegen Israel unterst�tzte Syrien Organisationen wie diejenige des Top-Terroristen Carlos oder radikale arabische Gruppen - der gef�rchtete Abu Nidal ist Mitglied der libanesischen Baath-Partei. 1976 griff Syrien mit starken Truppenverb�nden in die Wirren im Libanon ein und betrachtet sich seitdem als Schutzmacht des kleinen Nachbarlandes, das �brigens vor gar nicht allzu langer Zeit nichts weiter als eine syrische Provinz war.

1978 wurde mit sowjetischer Hilfe der riesige Tabaka-Staudamm am Euphrat fertiggestellt, dessen Kraftwerk 30 % zur Stromversorgung des Landes beitrug. Das Projekt bildete die Grundlage f�r eine angestrebte und wohl auch erreichte Verdoppelung der landwirtschaftlichen Nutzfl�che. Das Ziel einer Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln konnte infolge des Bev�lkerungswachstums nicht erreicht werden. Seine Unberechenbarkeit demonstrierte Assad im Jahr 1980, als Saddam Hussein den Iran angriff. Syrien verlie� �berraschend den bisherigen Kurs einer Allianz mit dem ebenfalls baathistisch regierten Irak und unters�tzte Teheran. Dennoch geriet 1982 ein Aufstand der islamistischen Moslembr�der zum Debakel. Assads Armee schlug die Revolte erbarmungslos nieder und verwandelte die Islamistenhochburg Hama in einen Tr�mmerhaufen, unter dem 20.000 tote Rebellen lagen.

Die schwerste innere Krise sollte erst noch kommen. Im Jahr 1984 (nach anderen Angaben 1983 oder 1985) erhob sich Assads Bruder Rifaat, General und Vizepr�sident. Zw�lf Elitebrigaden griffen Damaskus an, doch der Staatschef setzte sich durch. In einem Akt ungew�hnlicher Milde schenkte er Rifaat das Leben und verbannte ihn auf Lebensdauer aus Syrien.

In der Folgezeit geriet das Land in eine schwere wirtschaftliche Krise, ausgel�st durch �bersteigerte Planziele und die allgegenw�rtige Korruption, den Verfall der �lpreise, die L�hmung der nah�stlichen Wirtschaft durch den Golfkrieg und die internationale Isolation Syriens. Die Auslandsschulden stiegen an, und aus Devisenmangel mu�ten 1987 die Grundnahrungsmittel rationiert werden. Eine wachsende Inflation trieb die von der Regierung festgelegten Lebensmittelpreise immer weiter in die H�he, die Unzufriedenheit stieg an. Die Partei antwortete mit Kampagnen gegen die Korruption und begrenzter F�rderung der Privatwirtschaft. Ein �konomischer Kollaps wurde durch den beachtlichen Ausbau der petrochemischen Industrie verhindert. Die Erd�lreserven des Landes werden bis mindestens 2040 ausreichen.

Im Jahr 1990 drosselte der zusammenbrechende Ostblock seine wirtschaftlichen Hilfen ab, daher n�herte Assad sich pragmatisch dem Westen an. Kennzeichen dieses neuen Kurses waren ein Treffen mit US-Pr�sident Bush in Genf im November 1990 und vor allem die Unterst�tzung des Westens gegen den Rivalen Saddam Hussein im Zweiten Golfkrieg. Syrien konnte nun die sowjetische Milit�rhilfe gegen diejenige des Westens austauschen und wurde nach der Niederlage Saddams zum st�rksten arabischen Machtfaktor im Nahen Osten. Seine Position wurde auch durch finanzielle Zuwendungen der Golfstaaten gest�rkt. Im Juni 1997 bildeten Syrien, �gypten und die sechs westlich orientierten Golfstaaten eine Freihandelszone. Die USA strichen das Land von der Liste der den Terrorismus f�rdernden Staaten und hoben jede Handelsbeschr�nkung auf.

Schon im Jahr 1991 verabschiedete das Parlament das Gesetz Nummer 10 zur F�rderung der wirtschaftlichen Privatinitiative. Der sehr vorsichtige Reformkurs orientierte sich am �gyptischen Vorbild (Ifatah = arabisch f�r �ffnung). Die zentrale Planwirtschaft galt fortan nur noch f�r die staatlichen Betriebe. Anstelle der totalit�ren Allmacht der Baath-Partei erlebte Syrien nun die autorit�re Allmacht des Staatspr�sidenten Assad. Die Partei zog sich aus dem Privatleben des einzelnen B�rgers zur�ck, sofern dieser die Bl�te Syriens unter der F�hrung des Pr�sidenten anerkannte. Trotz b�rokratischer Widerst�nde konnte der Privatsektor Syrien vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch retten und erwirtschaftet heute mehr als 50 % des Nationaleinkommens. Das Wirtschaftswachstum ist jedoch seit Beginn der 90er Jahre von 7-8 % auf 3-4 % zur�ckgegangen. Zur Zeit liegt die Arbeitslosigkeit bei offiziell 18 %, d�rfte aber durch verdeckte Erwerbslosigkeit noch h�her liegen. Immerhin ist das hohe Bev�lkerungswachstum von einst �ber 3 % r�ckl�ufig. Noch immer str�men Jahr um Jahr 200.000 junge Menschen auf den Arbeitsmarkt. Mittlerweile arbeiten rund 850.000 Syrer im Libanon, um ihre daheimgebliebenen Familien durchzubringen. Ihre �berweisungen haben einen Gesamtwert von j�hrlich 1,2 Milliarden US-Dollar.

Anfang 1994 verungl�ckte Assads Lieblingssohn Basis t�dlich bei einem Autounfall. Neuer "Kronprinz" wurde nunmehr Bashar, der zweit�lteste Sohn. Dieser, ein zweifellos hochbegabter Mediziner, mu�te seine Studien abbrechen und aus London zur�ckkehren, um sich auf die Nachfolge vorzubereiten. Der flie�end Englisch und Franz�sisch sprechende Bashar gilt als ein harter Arbeiter, der sich stets mit vollem Einsatz einem Problem widmet. Sein erstes h�heres Amt nach dem Durchlaufen der Milit�rakademie war die Aufsicht �ber die Geheimdienste, ab 1998 leitete er anstelle des Vizepr�sidenten Khaddam die Libanonabteilung des Au�enministeriums. Als Pr�sident der syrischen Computergesellschaft trieb Bashar die Modernisierung voran und f�hrte den Mobilfunk ein. "Wenn wir unsere Gesellschaft den modernen Trends nicht �ffnen, werden wir sp�ter diesen Fehler bereuen". Im Gegensatz zur BRD r�stet Syrien schon seit Jahren seine Schulen mit Computern aus. Zu den Schattenseiten geh�rt freilich das �u�erst niedrige Lohnniveau: Selbst im Libanon werden bessere Arbeitsentgelte gezahlt als im sozialistischen Syrien.

Seit 1998 war Bashars Bild bereits neben dem des Vaters allgegenw�rtig, um etwaigen Herausforderern klarzumachen, wer der kommende Mann ist. Durch N�chternheit und Bescheidenheit hob der "Kronprinz" sich wohltuend von den verlotterten Elementen des baathistischen Establishments ab und gewann die ehrliche Zuneigung des Volkes. Im M�rz initiierten Vater und Sohn den bislang teifgreifendsten Feldzug gegen die Korruption. Erstmals seit 1987 bildete Hafez el Assad seine Regierung radikal um. Ministerpr�sident Zuhbi wurde wegen Korruption inhaftiert und nahm sich im Mai das Leben. Dutzende von Amtstr�gern fanden sich pl�tzlich hinter Gittern wieder. Geheimdienstchef Diba und Generalstabschef Shehabi wurden in den Ruhestand geschickt, um den Weg f�r Bashar freizumachen. Schon vor dem Tod des Vaters wurde bekannt, da� der designierte Nachfolger auf dem kommenden Parteikongre� der Baath zum Chef des Regionalkommandos gew�hlt werden sollte.

Auf den Tod von Hafez el Assad reagierte die syrische F�hrung mit der Verk�ndung einer 40t�gigen Staatstrauer. Bill Clinton, Wladimir Putin, Gerhard Schr�der und selbst der israelische Premier Barak w�rdigten das Werk des Verstorbenen, ohne den das moderne Syrien undenkbar ist. Auch Assads Erzfeind Arafat verh�ngte eine 3t�tige Staatstrauer in den pal�stinensischen Autonomiegebieten. An der Trauerfeier in Damaskus nahmen beinahe 1 Million Menschen teil, und im Pr�sidentenpalast defilierten 5 Stunden lang Prominente aus aller Welt am Sarg vorbei, darunter neben den W�rdentr�gern der arabischen Welt die Au�enminister der USA, Gro�britanniens und der BRD sowie der franz�sische Staatspr�sident Chirac. Die Fernseh�bertragung vom Heimgang Hafez el Assads dauerte 11 Stunden lang an und wurde von Abermillionen zwischen Atlantik und Indischem Ozean verfolgt.

Wesentlich pragmatischer ging die F�hrung an die Regelung der Nachfolge. Noch am Todestag setzte das Parlament das Mindestalter f�r die Pr�sidentschaft von 40 auf 34 Jahre herab, damit Bashar seinem Vater nachfolgen kann. Schon am 11. Juni nominierte die Baath ihn als Kandidaten f�r die Mitgliedschaft im 21k�pfigen Regionalkommando. Noch am gleichen Tag ernannte Vizepr�sident Abdel-Halim Khaddam Bashar zum Oberbefehlshaber und Generalleutnant. Der noch von Assad mit Entlassung bedrohte Verteidigungsminister Mustafa Tlass stellte sich mit deutlichen Worten hinter den kommenden Mann, der sich seine milit�rischen Meriten als Kommandeur der Pr�sidentengarde verdiente. Der entscheidende Parteitag am 17./18. Juni sollte der erste seit 15 Jahren sein. Die 1000 Delegierten k�rten Bashar el Assad zum Pr�sidentschaftskandidaten, und dieses Votum wurde am 25.06. vom Parlament best�tigt. Zugleich wurden von den 90 Mitgliedern des Politb�ros 62 durch neue Kr�fte ersetzt. Das letztlich entscheidende Referendum war reine Formsache, und am 10. Juli erhielt Bashar el Assad die Zustimmung von mehr als 97 % der Wahlberechtigten. Der als Rivale gehandelte Vizepr�sident Khaddam verzichtete demonstrativ auf alle �ffentlichen Auftritte, was angesichts einer schwebenden Anklage wegen Korruption wohl auch sehr vern�nftig scheint.

Zu den Problemen des modernen Syrien geh�ren eine hohe verdeckte Arbeitslosigkeit und Auslandsschulden in H�he von 21 Milliarden US-Dollar. Im Land leben 125.000 Fl�chtlinge vom Golan, hinzu kommen 347.000 Pal�stinenser und sonstige Vertriebene. Ein Unruhepotential bildet auch die kurdische Minderheit von 6 % der Gesamtbev�lkerung, die zum Teil nicht einmal die syrische Staatsb�rgerschaft besitzt. Seit dem Zwischenhoch Anfang der 90er Jahre ist der Zuwachs des BSP wieder r�ckl�ufig, er fiel von einem Schnitt von 7,4 % in den Jahren 1990-95 auf 3,6 % im Jahr 1996. Milit�risch ist Syrien eine starke Regionalmacht, wirtschaftlich aber ein Sanierungsfall. Die milit�rische Orientierung belastet den Haushalt mit Sicherheitsausgaben von 50 %, mit denen eine Friedensarmee von 400.000 Mann unterhalten wird. Etwaige Wirtschaftsreformen w�rden auf Kosten des rechten Parteifl�gels gehen, auf den Assad sich st�tzte. Noch immer besteht ein staatssozialistisches System nach sowjetischem Vorbild. Das Bankensystem ist unterentwickelt, es gibt weder feste Wechselkurse noch festgelegte Steuernormen. Die Moslembruderschaft fordert - sicherheitshalber aus dem jordanischen Amman - nun mehr politische Freiheiten.

Aus dem europ�ischen Exil meldete unterdessen der verbannte Putschist Rifaat el Assad seine Anspr�che an. Rifaat sieht sich als rechtm��igen Nachfolger und erkl�rte seine Bereitschaft, jederzeit die Verantwortung zu �bernehmen. Er werde zu gegebener Zeit zur�ckkehren, sich aber nur mit friedlichen Mitteln einsetzen. Der Onkel scheint auf ein Scheitern Bashars am rechten Parteifl�gel zu spekulieren. Die syrischen Geheimdienste wurden bereits angewiesen, ihn beim Versuch einer Einreise zu verhaften. Mit der Satelliten-TV-Station Arab News Network ANN in London steht dem Multimillion�r Rifaat ein gewichtiges Sprachrohr zur Verf�gung, welches den gesamten Nahen Osten erreicht.

Syriens designierter Pr�sident hat zun�chst den Apparat von Partei, Armee und Nachrichtendiensten hinter sich; fraglich ist, wie das Establishment sich verhalten wird, falls Bashar wirklich - dringend notwendige - Reformen einleitet. Auf der anderen Seite stellte Bashar bereits klar, da� eine Abkehr vom Sozialismus f�r ihn nicht in Frage kommt. Parlamentspr�sident Abdul Kader Kadura betonte, der politische Kurs Syriens gegen�ber Israel werde sich nicht �ndern. Auch Bashar erkl�rte bereits, er werde nicht auf einen Quadratzentimeter des Golan verzichten. Wie wir gesehen haben, ist der Nachfolger des "L�wen von Damaskus" sorgf�ltig auf seine Aufgabe als syrischer Volksf�hrer vorbereitet worden - es empfiehlt sich daher nicht, ihn zu untersch�tzen.

 

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