Befreiungsnationalismus und Antiimperialismus

 

Bushs Kriegsrede

Donnernde Rhetorik und bange Frage

 

Im Beisein des britischen notorischen Kriegstreibers Blair hat US-Präsident Georg W. Bush heute nacht eine von Pathos triefende Rede gehalten, die - wie der ORF-Kommentator treffend sagte - "so nur in Amerika gehalten werden kann" und die US-"Volksvertreter" nach jedem zweiten Satz zu hysterischen "standing ovations" animierte. Als Folge dieser Rede sind heute (21.9.01) die europäischen Aktienkurse eingebrochen, zeitweise befinden sie sich im "freien Fall". Nicht jeder beweist eben soviel "Standvermögen" wie die Redenschreiberin des US-Präsidenten. Die USA erklären der Welt den Krieg, soviel steht fest. Jede Rechtstaatlichkeit, jedes Völkerrecht wird ausgehebelt, wenn die USA jemanden "dead or alive" zur Fahndung ausschreiben - wer fragt da kleinlich nach Beweisen?

Der Kreuzzug des US-Präsidenten hat nur einen Haken: er wird dort enden, wo bereits die Sowjetarmee gescheitert ist: in Afghanistan. Das erste was der Rundumschlag gegen "Terrornester" erreichen wird, ist eine Destabilisierung Pakistans. Die Hindufanatiker Indiens warten schon darauf, schließlich hoffen sie Beute - Kashmir - endlich ins Trockene bringen zu können. Zu diesem Zweck unterstützen sie auch die "Nordallianz" Afghanistans. Das strategische Ziel der USA an der Südflanke der GUS massiv präsent zu sein, wird zwar erreicht werden, doch rundherum wird ihnen alles um die Ohren fliegen. Nicht nur in den Augen der Taliban, eine Art außerirdischer Menschenfresser, die plötzlich aus dem Nichts und aus purer Bosheit ein Regime errichtet haben, das der US-Präsident mit dem "Nazismus" verglichen hat, sondern in den Augen jeden Moslems ist ein Angriff von Ungläubigen auf ein islamisches Land - welcher sektenhaften Abweichung auch immer - ein Angriff auf die muslimische Welt. Der "heilige Krieg" - Jihad - um den in den Medien jetzt soviel Wind gemacht wird, muß daher nicht von fanatischen Mullahs ausgerufen werden, sondern er versteht sich von selbst.

Das Regime der Taliban wurde von uns, wie auch vom überwiegenden Teil der muslimischen Welt, wiederholt scharf kritisiert. Jedoch bleibt festzuhalten, daß in der momentanen Situation die Taliban das Rechtsstaatsprinzip vertreten und die USA das Gesetz des Wilden Westens. Auch die Tatsache, daß in Kabul Frauen nur verschleiert die Straßen betreten dürfen - so wie es jahrhundertelang üblich war - rechtfertigt kein "Eingreifen". Daß in Afghanistan seit drei Jahren eine durch Trockenheit hervorgerufene Hungersnot wütet, ist Ursache für das Elend des Großteils der Bevölkerung, nicht eine falsche Koranauslegung. Sollten sich die Revisionisten im Iran in dieser Situation auf die Seite des großen Satans stellen, um die Taliban in Afghanistan wegzubomben und sich damit einer Reihe von Problemen zu entledigen, die die Taliban dem Iran und den mit ihnen verbündeten afghanischen Schiiten bereiten, wäre dies ein Verrat an der muslimischen Welt. Die Klarstellungen des geistlichen Oberhaupts, Imam Khameini, dürften allerdings eine solche Haltung ausschließen, wie sie offensichtlich von den sogenannten Reformern angestrebt werden. Es kann jedenfalls kein Zweifel bestehen, daß man auch nicht klammheimlich sich auf die Seite der USA stellen kann, solange sie nicht die üblichen juristischen Wege der Terrorismusaufklärung beschreiten, sondern diese Aktionen als Vorwand zum Durchsetzen ihrer geopolitischen Ziele benutzen wollen.

"Nieder mit den USA!" ist daher so aktuell und richtig wie vor dem Fall der babylonischen Türme. Bushs donnernde Rhetorik wird nicht nur an der zerklüfteten Landschaft Afghanistans zerschellen, sondern auch an anderen Realitäten. Wie es David Irving bereits vor Bushs Kriegserklärung an die zivilisierte Welt in seinem Internet-Tagebuch schrieb: "Being at war is not without its blessings. The question is, given the possible collapse of the United States' economy, can they now afford one? Bange Frage, as the Germans say."

M.S.

 

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